Vorheriger Artikel

Ausgabe 08/2018
Turniere – Messen – Veranstaltungen

Nächster Artikel

Ausgabe 08/2018
Übersicht aller Ausgaben

 

Zu Besuch bei Islandpferdereiterin Frauke Schenzel

Familiensache

In der Islandpferdeszene ist Frauke Schenzel (33) die Isabell Werth der Ovalbahn. Die Pferdewirtschaftsmeisterin holte bereits national und international unzählige Titel – und das auf den ver­schiedensten selbst gezogenen und ausgebildeten Pferden. Gemeinsam mit Zwillingsbruder Stefan führt sie eines der bekanntesten Islandpferdegestüte Deutschlands, den Kronshof in der Lüne­burger Heide. Die Geschwister sind amtierende Deutsche Meister (Fünfgang und Tölt) und starten im August auf den Islandpferde-Weltmeisterschaften in Berlin.

WM-Ticket gelöst: Stefan startet mit Stute Óskadís in der Töltprüfung T2 und Frauke möchte mit Gustur ihren Weltmeistertitel von 2017 im Fünfgang verteidigen. Alle Fotos: Jürgen Stroscher

Es macht natürlich Spaß, wenn man sich zwischen Porsche und Ferrari entscheiden kann. In Frauke Schenzels Fall wären das ihre beiden Sport- und Zuchthengste Gustur vom Kronshof (neunjährig und amtierender Weltmeister im Fünfgang) und Óinn vom Habichtswald (zehnjährig und Deutscher Meister im Fünfgang sowie höchstbeurteilter Islandpferdehengst aller Zeiten aus deutscher Zucht). 

Aber im Grunde muss sich die Pferdewirtschaftsmeisterin gar nicht entscheiden, welchen der außergewöhnlichen Gangpferdehengste sie mit zu den Islandpferde-Weltmeisterschaften nimmt, denn Gustur darf sowieso als Titelverteidiger im Fünfgang (Tölt, Rennpass, Galopp, Trab und Schritt) antreten und Óinn wurde in der Zuchtklasse für die siebenjährigen und älteren Hengste für das deutsche Team nominiert.

Kontrolle auf der Fohlenweide: Frauke hat ein Händchen für die richtigen Anpaarungen und bildet ihre Sportpferde selbst aus.

Ticktes nach Berlin gelöst

Es wird ein großer Familienausflug für die Schenzels, denn auch Fraukes Zwillingsbruder Stefan, ebenfalls Pferdewirtschaftsmeister und Trainer A, der zudem die internationale Sportrichterlizenz besitzt, tritt als amtierender Deutscher Meister im Tölt (T2) mit Óskadís vom Habichtswald an, die übrigens die Mutter von Fraukes Hengst Óinn ist, in der Hauptstadt an. Die Rappstute kennt bereits den Berliner Pferdesportpark in Karlshorst, da sie hier 2013 als siebenjährige Stute Zuchtweltmeisterin mit Frauke wurde. „Sie liebt die große Kulisse und wird da sicher zur Höchstform auflaufen“, ist Stefan zuversichtlich. Konkurrenz gibt es zwischen den Geschwistern überhaupt nicht. „Selbst wenn wir in derselben Disziplin starten, gönnt jeder dem anderen seinen Erfolg. Bei uns ist alles schon immer Familiensache.“ Dabei hat Stefan sicher nicht weniger Talent als seine Schwester, zumal er das Leichttraben unter den strengen Augen von Vater Lothar als Dreikäsehoch auf Anhieb beherrschte, während Frauke viel länger brauchte. „Ich komme dann in einer Woche wieder, wenn Frauke es auch endlich kann“, so Stefans trockener Kommentar. Dann ging er erstmal Fußball spielen, seine zweite große Leidenschaft neben dem Reiten.

Der Pferdetransporter wird aber noch voller, da außerdem die achtjährige Jódis vom Kronshof in der Zuchtklasse der siebenjährigen und älteren Stute startet sowie ein erst fünfjähriger Hengst und eine fünfjährige Stute (ebenfalls in der Zuchtklasse). Zum Daumendrücken in Berlin mit dabei sind natürlich auch die jeweiligen Ehepartner der Zwillinge, Fraukes zweieinhalbjährige Tochter Mia, der ältere Bruder Torsten (der IT-Spezialist der Familie) sowie die Eltern Lothar und Elke Schenzel. „Der Hof wird in der Zeit von unserem Mitarbeiter-Team betreut“, erzählt Frauke, die dafür ihre Tagesroutine als Betriebsleiterin – fünf bis zehn Berittpferde, drei bis vier Stunden Unterricht und zwei Stunden Büro – unterbricht.

Drei Generationen der Familie Schenzel: Fraukes Tochter Mia testet schon mal das Schaukelpferd, bevor es bald auf ein richtiges Pferd geht. Elke Schenzel (rechts) passt oft auf ihre Enkeltochter auf.

Ein eingespieltes Team im Tölt: Mit Hengst Óðinn vom Habichtswald (10) war Frauke Schenzel schon Deutsche Meisterin im Fünfgang und startet in Berlin in der Zuchtklasse für ältere Hengste.

Modernes Islandpferdezentrum 

Den Kronshof in der Lüneburger Elbtalaue (Dahlenburg-Ellringen) haben Elke und Lothar Schenzel 1978 fast „aus dem Nichts“ eigenhändig aufgebaut. Was damals als Ferienhof mit Schwerpunkt Urlaub auf Islandpferden begann, ist heute eines der modernsten Islandpferdezen-tren mit den Betriebszweigen Sport, Zucht und Ausbildung. Dazu gehören zwei Reithallen, Boxentrakte, eine 250-Meter-Ovalbahn mit Passbahn, Dressurvierecke, Longierzirkel, zahlreiche Paddockflächen für Pensions-, Beritt- und Gastpferde sowie eine eigene Besamungsstation. Auch hier war Familie Schenzel Vorreiter als erstes deutsches Islandpferdegestüt. Die Islandhengste decken überwiegend auf der Weide und an der Hand. Der Frischsamen wird aber auch als Overnight-Sendung verschickt. Zehn Deckhengste sind auf dem Kronshof im Einsatz. „Wir legen großen Wert auf die Kombination aus gutem Gebäude mit solidem Fundament, exzellenten Reiteigenschaften mit klar getrennten Gängen und einem einwandfreien Charakter. Die Basis unserer Zucht sind aber unsere Stuten, von denen die besten gerade gut genug sind“, so die beiden jungen Betriebsleiter und studierten Betriebswirte, die den Hof 2014 von ihren Eltern übernommen haben. Etwa 250 Pferde stehen auf dem Hof, jährlich werden zwischen 20 bis 25 Fohlen aus eigener Zucht geboren. Elke und Lothar Schenzel unterstützen ihre Kinder weiterhin in der Landwirtschaft und im Büro.

Für seinen spektakulären Trab heimst Óðinn immer Traumnoten auf Turnieren ein.

Ehrgeizig und pferdeverrückt

Während Frauke Gustur sattelt, der übrigens seelenruhig direkt am Anbinder neben Óskadís steht („Er ist wirklich ganz gechilled mit Stuten“), putzt Stefan seine WM-Stute, damit beide für das Meisterfoto mit Schärpe posieren können. Zwischendurch gratulieren immer wieder Feriengäste und Einsteller zu den aktuellen Sporterfolgen. Eine Gruppe Ferienkinder führt ihre Schulpferde direkt vor den beiden Sportstars vorbei, die nicht einmal mit dem Ohr zucken, sondern wach und aufmerksam in die Kamera schauen.

Dazwischen wuseln die beiden Islandhofhunde Esja und Dísa sowie die kleine Mia, die gerade von ihrer Oma aus dem Kindergarten abgeholt wurde. Für Gustur, der nach dem Meisterschaftswochenende einen Tag Pause hatte, steht nur ein kurzer Ausritt an. „Er erinnert ein bisschen an einen Mini-Friesen“, lacht Frauke über den „Ostwind-Konkurrenten“. „Gustur ist ein außergewöhnlich liebes und ausdrucksstarkes Pferd, der versucht, für seinen Reiter immer alles zu geben. Er ist außerdem sehr nervenstark und zuverlässig, vielleicht ein bisschen höflicher und schüchterner als
Óinn. Seine fünf Gang–arten sind gleichmäßig gut verteilt. Und natürlich ist man sehr stolz, Pferde aus der eigenen Zucht so erfolgreich vorzustellen. Ich bin auch für die Anpaarung von Gusturs Eltern verantwortlich“, so Frauke, die sich selbst als sehr ehrgeizig und pferdeverrückt bezeichnet und schon früh züchterisch in Vater Lothars Fußspuren getreten ist. Als Zucht-Chefin auf dem Kronshof kennt sie die Abstammung jedes Fohlens in- und auswendig. Gusturs Sportkarriere startete erst 2016, 2017 wurde er bereits in den Niederlanden Fünfgangweltmeister.

Nun darf der braune Hengst Óinn vom Habichtswald auf der Ovalbahn im Training kurze Kostproben seines immensen Gangpotenzials zeigen. Sehr geschmeidig mit aktiver Hinterhand gut über den Rücken schwingend und an die Hand herantretend fliegt er mit seiner fast unsichtbar einwirkenden Reiterin im Tölt, Trab und Galopp förmlich um die Bahn. Frauke Schenzel wurde in ihrer Karriere mehrfach für ihre feine Reitweise und den hervorragenden Stil ausgezeichnet. „Ich versuche natürlich über den Tellerrand zu schauen und verfolge auch mal Dressur- und Springreiten, aber Islandpferde sind einfach Spezialisten in ihrer Gangverteilung und man bleibt doch sehr in seiner eigenen Szene.“ An ihrem vorbildlichen Sitz hätte sicher auch ein Dressurrichter nichts auszusetzen. „Die Zeiten, als man Islandpferde noch auf Asphalt getöltet ist, um den Takt zu hören und die Pferde oft über dem Zügel geritten wurden, sind längst vorbei. Die Islandpferde-szene ist sehr professionell geworden“, so die erfolgreiche Sportreiterin, die mehr als 20 deutsche und europäische Meistertitel gewonnen hat und von den Weltmeisterschaften 2005 bis 2017 mit sieben Goldmedaillen sowie sechsmal Silber und Bronze nach Hause kam.

Ein ruhiger Ausritt im Schritt für Gustur und Frauke nach den Deutschen Meisterschaften.

Aktuell laufen die WM-Vorbereitungen auf Hochtouren. „Der Erwartungsdruck ist natürlich sehr hoch, wenn man schon alles gewonnen hat. Wichtig ist für mich, mir Zeit und Ruhe vor dem Prüfungsstart zu nehmen und mich mental schon mal in den Ritt hineinzuversetzen. Es ist eine große Herausforderung, unseren vielen guten Pferden gerecht zu werden. Und die Konkurrenz ist besonders aus den skandinavischen Ländern sehr groß.“ Wer die Schenzel-Zwillinge und ihre Pferde live bewundern möchte, hat dazu vom 4. bis 11. August in Berlin die Gelegenheit.

Tina Pantel

Frauke und Gustur im Rennpass auf dem eigenen Turnier Kronshof Special 2019.

Islandpferde-WM in Berlin 2019

Die Weltmeisterschaften der Islandpferde finden vom 4. bis 11. August 2019 in Berlin statt. Im Pferdesportpark Berlin-Karls-horst werden rund 200 Islandpferde in neun Disziplinen um den Weltmeistertitel antreten. Bei allen Sportwettkämpfen und so auch bei der WM stehen immer die fünf Gangarten im Mittelpunkt. Islandpferde sind bekannt für ihre zusätzlichen Gangarten Tölt und Pass, die sie von den meisten anderen Pferderassen unterscheiden. Alle Gänge werden in verschiedenen Prüfungen auf einer Ovalbahn gezeigt und im Hinblick auf Takt, Tempo, Bewegung, Haltung und Ausdruck bewertet. Wegen dieser Unterschiede zu anderen Reitsportdisziplinen nutzen die Islandpferdereiter eine eigene Prüfungsordnung und veranstalten seit 1990 alle zwei Jahre an unterschiedlichen Orten Weltmeisterschaften. Zuletzt fand diese 2017 im niederländischen Oirschot statt. Neben den Sportprüfungen gibt es außerdem verschiedene Shopping-Areale, eine internationale Gastronomie und ein abwechslungsreiches Abendprogramm. Persönliche Mitglieder erhalten einen Rabatt von 15 Prozent auf die Pferdeshow „More Horsepower”. Infos online: wm2019.berlin

Vorheriger Artikel

Ausgabe 08/2018
Turniere – Messen – Veranstaltungen

Nächster Artikel

Ausgabe 08/2018
Übersicht aller Ausgaben