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FN-Tagungen: Alkoholmissbrauch und sexuelle Übergriffe

Regelwerk deutlich verschärft

Alkoholmissbrauch und sexuelle Übergriffe sind Probleme, die sich durch alle gesellschaftlichen Bereiche ziehen und meist in den Medien eine starke Resonanz finden. Der Pferdesport bekam dies im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit Ausschweifungen einiger junger Springreiter vor Augen geführt. Bei ihren Jahrestagungen hat die FN nun mehrere Änderungen in der LPO (Leistungs-Prüfungs-Ordnung) beschlossen. Wie Täter effektiver bestraft werden und wie präventiv für mehr Sicherheit gesorgt werden kann, erklärt FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach im Interview.

Gemeinsam mit dem DOSB gegen Missbrauch im Pferdesport. Das Plakat kann im FN-Shop kostenfrei bestellt werde.

PM-Forum: Sie haben eine sogenannte Präsidialkommission gegründet. Wer gehörte ihr an undwelchen konkreten Auftrag hatte dieses Gremium?

Soenke Lauterbach: Die Kommission wurde geleitet von dem Juristen und FN-Vizepräsidenten Dr. Harald Hohmann, es gehörten ihr Holger Wulschner als Reiter und Veranstalter, Bundesjugendwartin Heidi van Thiel, der Staatsanwalt und Kaderfahrer Sebastian Warneck sowie Führungskräfte aus dem FN-Hauptamt an. Flankierend unterstützten uns unsere FN-Rechtskommission und der Verein Zartbitter, der sich gegen den sexuellen Missbrauch an Jungen und Mädchen einsetzt und mit dem wir schon lange zusammenarbeiten. Die Aufgabe der Kommission war es, einerseits in Regelwerken und Satzungen die Ablehnung jedweder Gewalt und unsportlichem oder unfairem Verhalten zu verankern und anderseits strengere Maßnahmen bei Fehlverhalten zu erarbeiten, die juristisch auch durchsetzbar sind.

PM-Forum: Was bedeutet dies für einen Übeltäter? Wird er länger gesperrt oder darf er überhaupt nicht mehr am Turniersport teilnehmen?

Lauterbach: Die FN kann künftig die Jahresturnierlizenz eines Turnierreiters für einen bestimmten Zeitraum verweigern oder entziehen, sofern ein Verstoß gegen die sportliche oder faire Haltung und die reiterliche Disziplin vorliegt. Die Details sind in den Paragraphen 20 und 920 der LPO klar geregelt. Dies kommt zum Beispiel bei der Begehung einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, eines Verbrechens im Sinne des Strafgesetzbuches mit spürbaren, negativen Auswirkungen auf den Pferdesport oder einer Straftat nach dem Tierschutzgesetz in Betracht. Wichtig ist, dass die LPO ausdrücklich darauf hinweist, dass solche Verstöße auch dann nach geltendem Verbandsrecht geahndet werden, wenn sie sich außerhalb eines Turniers ereignen.

FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach erläuterte bei den FN-Jahrestagungen, mit welchen Regelwerksänderungen dem Alkoholmissbrauch stärker begegnet werden soll. Foto: FN-Archiv

Dr. Harald Hohmann leitete die Kommission und sagt: „Jeder Verein und jeder Pferdebetrieb muss ein sicherer Ort für Pferdesportler sein, der ihnen Schutz bietet und sie stark macht gegen jede Form von Gewalt und Diskriminierung.“ Foto: FN-Archiv

PM-Forum: Greift denn der lange Arm der FN auch, wenn sich Reiter abends im Hotel oder in einer Disco daneben benehmen?

Lauterbach: Das lässt sich pauschal so nicht beantworten, es käme auf die näheren Umstände an. Aber Einzelfallentscheidungen sind jetzt besser möglich. Wir wissen, dass wir uns auf dünnes Eis begeben, aber wir wollen diesen Weg gehen, auch wenn wir an die Grenze dessen kommen, was juristisch möglich beziehungsweise vertretbar ist.

PM-Forum: Sie haben eine Promilleregelung auf Turnieren beschlossen. Warum? Gab es nicht schon früher Möglichkeiten, einen betrunkenen Reiter aus dem Verkehr zu ziehen?

Lauterbach: Ja, laut LPO konnten auch bisher schon Teilnehmer mit stark herabgesetzter Leistungsfähigkeit ausgeschlossen werden. Jetzt wurde dieser Paragraph dahingehend präzisiert, dass Teilnehmer auch bei stark herabgesetzter Leistungsfähigkeit durch übermäßigen Alkoholkonsum nicht zugelassen oder zu disqualifizieren sind. Wir haben eine „0,5 Promille-Grenze” eingeführt, aber selbstverständlich steht es jedem Veranstalter frei, die Vorgaben in der Ausschreibung noch zu verschärfen und den Teilnehmern jedweden Alkoholkonsum zu verbieten. Die Kontrolle erfolgt stichprobenartig oder in konkreten Verdachtsfällen.

PM-Forum: Wie haben die Teilnehmer der FN-Tagungen auf die Promille-Grenze reagiert?

Lauterbach: Das Thema wird durchaus kritisch gesehen, weil sich mancher die Frage stellt, wie die Alkoholtests in der Praxis durchgeführt werden sollen. Andere, auch das braucht man nicht zu verschweigen, stoßen sich an der Promillegrenze, weil sie selber gerne ein Bier oder auch mehr auf dem Turnier trinken. Aber im Großen und Ganzen war sich die FN-Tagung einig, dass das der richtige Weg ist. Wir haben uns ja nicht erst im vergangenen Jahr aufgrund der Medienberichte Gedanken um Alkohol und sexualisierte Gewalt im Jugend-Spitzenpferdesport gemacht, sondern schon lange vorher zahlreiche Maßnahmen zur Prävention ergriffen. In den vergangenen Monaten kamen weitere Maßnahmen dazu: Bei bundesweiten Jugend-Turnieren wie dem Preis der Besten und den Deutschen Jugendmeisterschaften wurden stichprobenartig Atemalkoholkontrollen durchgeführt, allesamt mit einem negativen Ergebnis. Der Verband hat zusätzlich ein Drogenmessgerät angeschafft. Wir haben die Jugendordnung zu diesem Thema noch einmal aktualisiert, zudem hat sich die FN der Plakataktion „Safe Sport“ des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) angeschlossen.

PM-Forum: Stichwort Drogen, man hat den Eindruck, dass das Thema Alkohol die vorherrschende Rolle spielt, von Drogenkonsum hingegen ist kaum die Rede.

Lauterbach: Drogenkonsum war in der öffentlichen Diskussion nicht das große Thema, aber uns ist natürlich bewusst, dass Alkoholkonsum auch mit Drogenkonsum einher gehen kann. Dies kann auch dazu führen, dass die Hemmschwelle herabgesetzt wird und sexuelle Übergriffe dadurch begünstigt werden. Selbstverständlich gelten die einschlägigen Paragraphen der LPO auch für
die Einnahme von Drogen und deren Auswirkungen.

PM-Forum: Welche Rolle spielen die Eltern der Reiter?

Lauterbach: Wir als FN können nur den direkten Draht zu den Eltern der Kaderreiter intensivieren, und mit ihnen gemeinsam Themen besprechen. Dazu wird als Pilotprojekt ein Elternbeirat in der Disziplin Springen eingesetzt. Im Rahmen des Preises der Besten 2019 wird es erstmals eine Zusammenkunft mit Eltern aller Kadermitglieder der Altersklassen U14 bis U21 der Disziplinen Dressur, Springen und Vielseitigkeit mit FN-Vertretern geben. Wünschenswert wäre es, wenn die Landesverbände dies in ihrem Zuständigkeitsbereich ähnlich praktizieren würden.

PM-Forum: Finden die Eltern das denn gut? Es könnte doch eine Art Generalvorwurf im Raum stehen, dass die FN ihnen unterstellte, sie
hätten ihre Kinder nicht im Griff.

Lauterbach: Klar, es gibt Eltern, die auf dem Standpunkt stehen, dass die Erziehung ihrer Kinder die FN nichts angeht. Aber das sind Ausnahmen. Bislang ist die Resonanz der Eltern überwiegend positiv. Es ist generell eine gute Idee, die Eltern viel stärker ins Boot zu holen.

PM-Forum: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Susanne Hennig.

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