Vorheriger Artikel
Ausgabe 11-12/2023
Namen und Nachrichten
Nächster Artikel
Ausgabe 11-12/2023
Pferdemenschen: Judith Rakers
Pferdefütterung: Das liebe Heu
Gedanken zum Heu(te)
Heu nährt und beschäftigt das Pferd – Heu beschäftigt aber auch Fütterungswissenschaftler, Tierärzte, Verhaltensforscher, Betriebswirtschaftler, Futtermittelhändler, Stallbetreiber, Einsteller und Pferdebesitzer. Mit dem Klimawandel wird Heu knapper: einige Überlegungen – von der Ernte über die Fütterung bis zur Psychologie des gemeinsamen Fressens.
Der Klimawandel macht das Heu knapper. Welche Gedanken sollten sich Pferdehalter daher machen? Wo lässt sich sparen und wo auf keinen Fall? Foto: Arnd Bronkhorst
Das leise, rhythmische Malmen der Pferde, während sie Heu fressen, gehört zu den schönsten Momenten im Stall. Heu hat eine beruhigende Wirkung auf Menschen und Pferde. Doch hinter diesem magischen Moment steht ein komplexes Thema: Heu ist ein Rohstoff aus der Natur. Schnittzeitpunkt, Ernte und Lagerung waren schon immer heiß diskutierte Themen. Jetzt kommen Klimawandel und Knappheit dazu. Heu als Raufutter ist und bleibt die Basis der Fütterung. Auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten die Pferdezucht, die Leistung und Haltungsmöglichkeiten verändert haben: Wenig geändert haben sich in den letzten 5.000 Jahren Verhaltensweisen und ernährungsphysiologische Grundbedürfnisse der Pferde.
So sind Pferde darauf ausgerichtet, sich zwölf bis 16 Stunden am Tag mit Futtersuche und -aufnahme in der Gruppe zu beschäftigen und sich dabei langsam fortzubewegen. In der heutigen Pferdehaltung muss also das Raufutter nicht nur Ernährung, sondern auch Beschäftigung sein.
Die Ernte: Naturprodukt Heu
„Der Klimawandel zeigt es uns deutlich, dass wir auch künftig mit Heuengpässen rechnen müssen“, sagt Prof. Dr. Dirk Winter, Professor für Pferdewirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). „In diesem Jahr war die Heuernte insbesondere in Süddeutschland recht gut, dank eines guten Aufwuchses, weil es im Frühjahr immer wieder geregnet hat. Dank des Regens im Sommer kam es nochmals zum Aufwuchs – allerdings regional sehr unterschiedlich. Viele konnten noch einen zweiten Schnitt Ende August, teils Anfang September einfahren. Die Menge war dabei in der Regel deutlich geringer als in den letzten Jahren. Wegen der instabilen Wetterlage wurde oft Heulage gemacht“. Fällt ein zweiter Schnitt mager aus und geht es im Sommer vorzeitig an den Herbst-Winter-Vorrat, schrumpft die Anzahl der Ballen in den Scheunen.
Der erste Schnitt
In Zukunft wird man noch mehr auf Effizienz achten müssen. Die fängt beim ersten Schnitt an. Sowohl Prof. Dr. Winter als auch Prof. Dr. Ingrid Vervuert vom Institut für Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik der Uni Leipzig sind der Meinung: Der Zeitpunkt der Heuernte muss nach vorne rutschen. Je nach Region empfehlen sie den ersten Schnitt Mitte/Ende Mai bis Anfang Juni. „Zum einen hat sich die Vegetation etwa 14 Tage nach vorne verlagert“, erklärt die Fütterungsexpertin aus Leipzig. „Zum anderen ist mit Beginn oder Mitte der Blüte eine entsprechende Masse vorhanden und der Verholzungsgrad noch nicht eingetreten.“
Die Gefahr einer Verpilzung und einer Verunreinigung ist bei einem früheren Schnitt geringer. Wer erst Mitte bis Ende Juni mäht, nimmt mit der größeren Verholzung eine schlechtere Verdaulichkeit und damit auch eine Ressourcenverschwendung in Kauf. „In Zeiten von Futterknappheit sollten wir kein schlecht verdauliches Heu produzieren“, sagt Prof. Dr. Vervuert, zweifellos darauf hinweisend, dass gemäht werden solle, wenn die Witterung passe.
Experten empfehlen: Die erste Heuernte im Jahr muss künftig früher erfolgen. Foto: galoppfoto.de/Marius Schwarz
Mäh-Philosophie
Für eine gute Heuqualität sollte das Gras nicht zu tief geschnitten werden, damit möglichst wenig Erde ins Heu gelangt. Der optimale Mäh-Zeitpunkt unterstützt eine schnelle Trocknung auf der Fläche. Je öfter gewendet wird, umso mehr verliert man die wertvolle Blattmasse und damit die Nährstoffe. Wenn das Heu zu lange zum Trocknen auf der Fläche liegt oder gar noch Regen abbekommt, leidet die Qualität, weil der Bakterien- und Pilzbefall steigen kann.
Grundsätze zur Heufütterung
Auszug aus den Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten (BMEL 2009):
2.1.4. Futter- und Wasseraufnahmeverhalten
• Das angeborene Verhalten und der Verdauungsapparat des Pferdes sind auf eine kontinuierliche Nahrungsaufnahme eingestellt. Bei der Haltung durch den Menschen dient die Futteraufnahme nicht der Ernährung allein, sondern auch der Beschäftigung. Den Pferden muss genügend Zeit und Ruhe zum Fressen zur Verfügung stehen. Bei Missachtung dieser Gegebenheiten können gesundheitliche Probleme (z. B. Magengeschwüre, Koliken) sowie Verhaltensstörungen auftreten. Der natürlichen Fresshaltung des Pferdes entspricht die bodennahe Fütterung. Zur artgemäßen Ernährung des Pferdes ist ausreichend strukturiertes Futter unerlässlich.• Falls kein Dauerangebot an rohfaserreichem Futter (ggf. auch Langstroh als Einstreu) erfolgt, ist es mindestens während insgesamt zwölf Stunden täglich anzubieten (Fresspausen möglichst nicht länger als vier Stunden). …
• Grundsätzlich muss jedem Pferd, auch in der Gruppe, ein Fressplatz zur Verfügung stehen. Sollte dies nicht der Fall sein (z. B. computergesteuerte Fütterung) muss durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, dass eine gleichzeitige Auf- nahme, zumindest von Raufutter, für alle Pferde möglich ist.
Die Leitlinien können im FN-Shop bei den Broschüren in der Kategorie „Veterinärmedizin/Tierschutz“ oder über den nebenstehenden QR-Code kostenfrei heruntergeladen werden.
Pferde, die auf Spänen stehen, benötigen tendenziell mehr Heu, um ausreichend Kauzeit zu haben. Foto: Stefan Lafrentz
Stroh ist nicht nur Einstreu, sondern auch Beschäftigungsmaterial. Foto: Christiane Slawik
Ration statt 24/7
Heu ad Libitum ist für dicke Pferde weniger denn je sinnvoll. „Dafür reichen unsere Heu-Ressourcen wirklich nicht“, denkt Prof. Dr. Vervuert an nachhaltiges Wirtschaften. Eine Rückbesinnung auf die Rationsfütterung also: Ein 500 bis 600 Kilogramm schweres Warmblutpferd braucht für den Erhaltungsbedarf zehn bis zwölf Kilogramm Heu pro Tag. Die wissenschaftliche Emp- fehlung liegt etwa bei 1,5 Kilogramm Trockensubstanz pro 100 Kilogramm Körpergewicht. Bei zwölf Prozent Rest feuchte im Heu sind das etwa 1,7 Kilo Heu pro 100 Kilo Körpergewicht. „Ein Drittel davon könnte durch Stroh ersetzt werden“, empfiehlt Prof. Dr. Vervuert.
So ist die Beschäftigung durch Kauen gewährleistet, die Energiezufuhr aber reduziert: Ein Kilo Stroh hat etwa 3,5 bis 4 Megajoule, ein Kilo Heu etwa 7 Megajoule. Für die Zukunft sind Mix-Raufutterrationen angesagt: Heu kombiniert mit Stroh, Esparsette oder Luzerne-Heu. Prof. Dr. Vervuert mahnt: „Für dicke Pferde lautet die
Empfehlung: Futter reduzieren UND Bewegung erhöhen! Ein Pferd ist ein Lauftier, das wird zu oft vergessen“. Was im Sommer den Weidegang als Heuersatz angeht, „bräuchten Pferde 40 bis 50 Kilogramm Gras pro Tag, laktierende Stuten sogar 80 Kilogramm. Diese Mengen sind heute selten auf den Weiden vorhanden“, erklärt Prof. Dr. Ingrid Vervuert. Wenn doch, empfiehlt die Leipziger Expertin ein bisschen Stroh als Beigabe auf der Weide. Dieses zeichnet sich durch einen ligninreichen Rohfasergehalt aus. „Weil Pferde gerne ligninreiches Futter mögen“.
Über den Tag verteilen
Zwölf Stunden sollten Pferde mindestens mit Futtersuche und Fressen beschäftigt sein. Das ist Rechenarbeit: Nach der üblichen Faustregel kaut ein Großpferd 40 Minuten lang an einem Kilogramm Heu. „In der Praxis ist das aber extrem variabel: es gibt welche, die brauchen 50 Minuten, andere 20 Minuten“, sagt Prof. Dr. Vervuert. Verschiedenste Faktoren spielen mit: Hat das Pferd lange nichts gefressen, frisst es schneller. Alte Pferde sortieren länger und brauchen mehr Zeit. Zahn- kranke Pferde fressen langsam. Das bedeutet für Stallbetreiber aller Pferdehaltungen: Ein intensives Beobachten der Pferde ist mehr denn je Teil des Stallmanagements.
Das Raufutter sollte auf vier Portionen am Tag verteilt sein – „das muss natürlich praktikabel sein: Zweimaliges Füttern ist ein Kompromiss, dann sollte die Morgenration auf drei bis vier Kilo und die Abendfütterung auf sieben bis acht Kilo aufgeteilt werden“, meint Prof. Dr. Ingrid Vervuert. Das gilt nur für Pferde, die auf Stroh stehen. Eine Herausforderung wird das für Pferde auf Sägespänen. Denn das energiearme, rohfaserreiche Stroh dient neben seiner Funktion als Einstreu auch als Beschäftigungsmaterial. Bei alternativer Einstreu, die nicht zum Fressen geeignet ist, wird diese Variable genommen. Prof. Dr. Vervuert nennt ein Beispiel: „Berücksichtigt man die Kauzeit, wäre es empfehlenswert, wenn ein durchschnittlicher Warmblüter, der in einer Spänebox steht, um 18 Uhr acht Kilo Heu bekäme.“
In Gruppenhaltungen sollten Pferde idealerweise genügend Durchlässe zum Fressen haben, um den Abstand zu den Artgenossen beim Fressen selbst bestimmen zu können – denn nur wirklich eng befreundete Pferde fressen Kopf an Kopf. Foto: Christiane Slawik
Heurationen passend zum Körpergewicht des Pferdes abzuwiegen, ist im Sinne eines verantwortungsbewussten Umgangs mit Heu zu empfehlen. Foto: Stefan Lafrentz
Pferde sind Synchronfresser. Daher ist es auch in Einzelhaltungen sinnvoll, dass alle Pferde gleichzeitig ihr Heu bekommen. Foto: Stefan Lafrentz
Bitte langsam Kauen
Die Möglichkeiten, Heu dosiert zu füttern und gleichzeitig die Kau- und Fresszeiten mit derselben Futtermenge zu erhöhen, bieten sogenannte „Slow Feeding Systeme“. Die einfachste Variante sind Heunetze mit entsprechend enger Maschenweite – bewährt haben sich vier mal vier Zentimeter – oder Stabheuraufen. Nachteil dabei ist das aufwändige Befüllen des Netzes und noch bedeutender die für den Vierbeiner unphysiologische Fresshaltung: Pferde nehmen oft an den Stabheuraufen den Kopf schief und so kann es zu Verspannungen kommen. Am natürlichsten ist eine bodennahe Fütterung mit langem Hals und tiefem Kopf. Da- für gibt es Raufen, die unten eine Öff- nung haben, aus der das Heu auf den Boden fällt. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Heutonnen, -behältnissen oder Heukisten mit einem Gitter oder Netz über dem Futter, die man auf den Boden stellen kann. Gerade bei Heunetzen besteht jedoch immer auch eine Verletzungsgefahr, wenn diese zu tief aufgehängt sind.
Technikgesteuert
Programmierbare Raufutterautomaten gibt es in verschiedenen Varianten für den Gruppenauslauf. Für Einzelboxen bietet der Handel Futterautomaten zum Nachrüsten oder andere technische Lösungen. Prof. Dr. Vervuerts Ideallösung ist ein „Schiebersystem in der Stallwand, das sich öffnet, und das Heu dahinter auf einem Futtergang freigibt.“ Aus Sicht der Leipziger Wissenschaftlerin fressen die Pferde über einen Futtertisch ordentlicher und es gibt weniger Futterverschwendung. Zukünftige Stallbauten könnten so geplant werden: eine zeitgesteuerte Öffnung zum Futtergang, die entlang der Boxen verläuft.
Nüchtern – nein danke
Zu Fresspausen gibt es verschiedene Perspektiven. Von der ernährungsphysiologischen Seite empfiehlt die Leipzigerin Prof. Dr. Vervuert: „Pferde sollten nicht länger als sechs bis acht Stunden nüchtern bleiben. Über Fütterungsversuche nachgewiesen ist, dass sich Fresspausen von mehr als zwölf Stunden nachteilig auf die Mikroflora im Magen auswirken.“ Magengeschwüre können unter anderem die Folge von zu langen Fresspausen sein. Beim Dauerfresser Pferd wird im Pferdemagen ununterbrochen Magensäure produziert, die erst durch den beim Kauen entstehenden Speichel abgepuffert wird. Auch Mikroorganismen im Dickdarm leiden unter langen Fresspausen. Fehlt das Nährstoffangebot, sinkt deren Aktivität.
Verhaltensgerecht
Aus tierpsychologischer Sicht zieht Dr. Margit Zeitler-Feicht den Rahmen enger: „Reine Fresspausen von acht bis neun Stunden sind tierschutzwidrig“, sagt die Ethologin, spezialisiert auf Pferdeverhalten und tiergerechte Pferdehaltung. Sie arbeitet an der TU München School of Life Sciences in Weihenstephan und sitzt bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) im Fachbeirat für Ethik und Tierschutz. Nach Dr. Margit Zeitler- Feicht muss eine pferdegerechte Fütterung sowohl bedarfsdeckend als auch verhaltensgerecht sein. Fresspausen länger als vier Stunden führen nach weislich zu Stress beim Pferd. Folgen können Verhaltensstörungen wie Koppen und Weben sein. Bei knappem Raufutter nehmen Pferde auch eher Späne und Kot auf. Deshalb empfiehlt die Expertin zur Beschäftigung den Zugang zu Futterstroh in einem engmaschigen Netz. Für Boxenpferde, die auf Sägespänen oder anderer alternativer Einstreu stehen und keine Stauballergie haben, rät sie zu einer Eckraufe mit Stroh und einem Netz darüber.
Oft gesehen, selten hinterfragt: Heuraufen mit gefährlichen Abständen zwischen 6 und 30 Zentimetern und weiteren Verletzungsgefahren. Bei Raufen im Rechteckformat muss mindestens jeder zweite Durchlass geschlossen sein, um das Einfädeln des Pferdes mit Kopf und Hals zu verhindern. Um das Sichtfeld des Pferdes dabei nicht zu stark einzuschränken, sollte der Verschluss des Durchlasses so gestaltet sein, dass das Pferd noch hindurchsehen kann. Foto: galoppfoto.de/Sabine Brose
Aufgepasst! Heunetze, die am Boden liegen, bergen eine Verletzungsgefahr! Foto: Arnd Bronkhorst
Pferde nehmen an Stabheuraufen oft den Kopf schief. Bei dieser unphysiologischen Fresshaltung kann es zu Verspannungen kommen. Foto: Stefan Lafrentz
In freier Wildbahn verbringen Pferde zwölf bis 16 Stunden am Tag mit der Futtersuche. Foto: Arnd Bronkhorst/Lisa Dijk
Auszug zur Fütterung aus dem Tierschutzgesetz
In § 2 TierSchG ist festgelegt:
„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Gibt die Weide im Winter nicht mehr genug Gras her, muss unter Umständen auch dort zugefüttert werden. Foto: Arnd Bronkhorst
Heunetze zu befüllen kann zwar aufwändig sein, doch Pferde sind bei der Raufutteraufnahme so deutlich länger beschäftigt. Foto: galoppfoto.de/Sabine Brose
Heufütterung im Auslauf ja, aber aufpassen, dass es nicht verschwenderisch plattgetrampelt wird. Foto: galoppfoto.de/Sabine Brose
Die Gesellschafts-Fresser
In Gesellschaft schmeckt es am besten. „Pferde sind Synchronfresser“ sagt Dr. Margit Zeitler-Feicht. „Für Fluchttiere ist der soziale Verband überlebenswichtig. Pferde haben Spiegelneuronen für Stimmungsübertragung.“ Das bedeutet nicht nur, dass wenn eines erschrickt, alle erschrecken, sondern auch, dass sie alle gemeinsam fressen wollen. Darüber macht sich eine gewisse Entspannung breit. Untersuchungen zeigten, dass bei der Raufutteraufnahme die Herzfrequenz sinkt. Um ein synchrones Fressen in Gesell- schaft zu ermöglichen, empfehlen die Experten in der Einzelhaltung ein gleichzeitiges Füttern. In Gruppenhaltungen sollten zeitgesteuerte Raufen für eine Gruppe Pferde großzügig Platz bieten. „Zwei Knackpunkte sind zu beachten“, sagt Dr. Zeitler-Feicht: „Zum einen, nicht alle vorgesehenen Fütterungsplätze an der Raufe sind in der Realität auch Fressplätze: Die Durchlässe oder Zwischenräume, durch die die Pferde ihre Köpfe zum Heu nehmen können, sind für manches Pferd zu nah beieinander. Pferde haben einen natürlichen Individualabstand zwischen einem bis sechs Meter und mehr.
Nur wirklich eng befreundete Pferde fressen Kopf an Kopf. Deshalb ist darauf zu achten, dass nicht zu viele Pferde auf eine Raufe angewiesen sind. Es kann gut sein, dass ein Pferd fünf Durchlässe für sich behauptet.“ Nach ihren Studien lautet die Empfehlung für ein gemeinsames entspanntes Fressen drei Durchlässe pro Pferd. Zum anderen darf die Fressdauer nicht zu kurz sein. Eine Mahlzeit sollte mindestens 45 Minuten und mehr andauern. Beobachtung und flexibles Reagieren sind für das Pferdewohl und das ziel- gerichtete Wirtschaften mit der Futtermenge daher nötig.
Qualitätsmanagement
Die Heuernte wird je nach Region und Niederschlägen in Zukunft in ihrer Er-giebigkeit noch mehr schwanken. Deshalb glaubt Prof. Dr. Winter: „Künftig wird nicht mehr hauptsächlich das eigene Heu oder das Heu vom Nachbarn verfüttert werden. Das Zukunftsszenario läuft auch auf überregionale, spezialisierte Raufutterhändler hinaus.
Diese können große Mengen liefern und sichern bei Bedarf dank Laboranalysen Qualität und hygienische Bedingungen ab.“ Auch kann sich der Pferdewirtschaftler vorstellen, dass große Pferdebetriebe künftig, ähnlich wie im Nutzviehbereich, Verträge mit den Händlern abschließen, um eine Men-gen- und Preisgarantie beim Raufutter zu haben.
Heubedampfer als Lösung?
Eine weitere Entwicklung könnte sein, Heuqualität durch Technik vor Ort abzudecken. „Wir haben gerade in Nürtingen einen Versuch mit Heubedampfern für Großballen, die eine deutliche Reduktion der Staubbelastung bei Heu ermöglichen und zudem die Keimflora im Ballen inaktivieren.“ Das wäre eine interessante Handlungsoption für Pferde mit Equinem Asthma. Auch wenn andere Untersuchungen zeigen, dass der heiße Wasserdampf Einfluss auf die Proteinqualität nimmt. Ein daraus resultierendes mögliches Aminosäuredefizit sollte bei Jungpferden und Mutterstuten beachtet werden.
Heubedampfer können die Staubbelastung im Heu deutlich reduzieren, allerdings nimmt der heiße Wasserdampf auch Einfluss auf die Proteinqualität. Foto: Arnd Bronkhorst
Für den Stallfrieden
Beobachtung, Qualitätssicherung und die Professionalisierung über Heuhändler oder technische Einrichtungen werden sich auf den Pensionspreis auswirken. Dazu kommt, dass Heu oft ein emotionales Sprengstoffthema zwischen Stallbetreiber und Pferdebesitzer ist. Prof. Dr. Winter rät zur Offenheit und Transparenz beider Seiten. Geht es um die Heumenge, hat der Kunde das Recht, die Portionen nachzuwiegen. „Der Stallbetreiber haftet für die Menge und die Qualität des Futters, die tierartgemäß sein muss“, sagt der Experte aus Nürtingen. Er empfiehlt, Heuanalysen und Preisgestaltung offen darzulegen. „Wenn der Heupreis in die Höhe schießt oder wieder runtergeht, sollte der Boxenpreis daran angepasst werden. Eine gewisse Variabilität alle vier bis acht Monate sollte künftig möglich sein. An der Tankstelle wird das vom Kunden auch akzeptiert“, sagt Prof. Dr. Winter
Vertrauen durch (Weiter-)Bildung
Der Kunde hat Rechte, sollte aber auch vertrauen – da ist es gut, wenn der Stallbesitzer seine Kompetenz nachweisen kann. Prof. Dr. Winter: „Wir haben an der Hochschule ein breites Weiterbildungsangebot und die Nachfrage der Stallbesitzer ist da! Dazu gehört auch, dass deren Mitarbeiter sich ebenfalls weiterbilden: Pferdefütterungswissen ist einfach wichtig.“ Für alle. Dann lässt sich das genüssliche Heu kauen der Pferde noch mehr genießen.
Cornelia Höchstetter
Beratung an den Hochschulen
- Universität Leipzig: tierernaehrung.vetmed.unileipzig.de (Rubrik Dienstleistung)
- Fachhochschule Nürtingen: hfwu.de
- Beratungstool zur Pferdehaltung: besttupferd.de
Vorheriger Artikel
Ausgabe 11-12/2023
Namen und Nachrichten
Nächster Artikel
Ausgabe 11-12/2023
Pferdemenschen: Judith Rakers