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Persönlichkeiten der Pferdeszene: Dr. Burchard Bade

Umweltschützer Pferd

Nachhaltig im Pferdestall: So klappt‘s

Kaum ein Thema bestimmt die gesellschaftliche Debatte derzeit so sehr wie der Klimawandel. Verständlich. Schließlich stellt er die globale Bedrohung des Jahrhunderts dar. Wissenschaftler fordern ein Umdenken und ein nachhaltigeres Verhalten, um unsere Erde zu retten. Mittlerweile sieht das ein wachsender Teil der Bevölkerung ähnlich: Jugendliche demonstrieren für die Umwelt; immer mehr Menschen probieren, zukunftsfähiger zu handeln. Was aber kann der Reitsport zum Umweltschutz beitragen? Und was leistet er jetzt schon?

Pferde erhalten Grünland und das ist ökologisch besser als Ackerland. Foto: Christiane Slawik

Tatsächlich hat das Pferd selbst erst einmal diverse positive Effekte auf die Natur. Wie zum Beispiel den Erhalt von Grünland – zum einen durch die Pferdekoppeln und zum anderen durch Wiesen, die für die Heugewinnung benötigt werden. „Ökologisch ist Grünland besser als Ackerland. Geschweige denn als Siedlungen oder Autobahnen“, sagt Gerlinde Hoffmann. Als Agraringenieurin und ehemalige Leiterin der Abteilung Umwelt und Pferdehaltung bei der FN ist sie Expertin auf dem Gebiet. Zusätzlich bieten Weiden gefährdeten Pflanzen und Tieren neue Lebensräume. Genauso haben Ausritte positive Auswirkungen auf die Natur: Häufig sind Pferd und Reiter auf unbefestigten Wegen unterwegs. Diese haben den Vorteil, dass sie den Boden nicht versiegeln und damit Kleinsttieren ihren Lebensraum erhalten.

Überhaupt fördern Pferde die Vielfalt: Ställe, Scheunen und naturnahe Außenanlagen bieten Vögeln beispielsweise einen optimalen Raum für Nester oder auch Fledermäusen ein Zuhause. Entscheidend ist dabei natürlich, dass der Mensch diese Räume nicht zerstört.

Pferdeställe bieten Schwalben einen Lebensraum. Foto: Frank Sorge

„In Ställen bleibt häufig kein Platz mehr für etwa Schwalbennester. Viele stören sich an den Hinterlassenschaften. Man könnte aber auch einfach ein Brett unter dem Nest anbringen und sich darüber freuen, dass die Vögel die Insekten im Stall reduzieren“, sagt Diana Koch, bei der FN zuständig für das Thema Umwelt. Auch ob der Rasen immer und überall „englisch“ getrimmt werden muss, ist fraglich. Diana Koch schlägt vor, zumindest einen kleinen Teil des Geländes sich selbst zu überlassen – mehr Mut zur Unordnung lautet das Motto, um einen Beitrag zur Artenvielfalt zu leisten.

Verbraucher identifizieren 

Wie überhaupt beim Thema Klimawandel ist es also der Mensch, der einen Großteil der Probleme verursacht. Dabei sind viele negative Dinge vermeidbar. Das fängt bei der Anlage an und hört beim eigenen Verhalten auf. Aber der Reihe nach: Allein rund um den Pferdestall gibt es genügend Möglichkeiten, die Umwelt nachhaltig zu schonen. Und oft sogar den eigenen Geldbeutel. So existiert beispielsweise beim Energieverbrauch häufig Verbesserungs- und Sparpotenzial. Um dieses auszuschöpfen, müssen zunächst die verschiedenen Verbraucher auf dem Hof identifiziert und genauer unter die Lupe genommen werden. So zum Beispiel die Beleuchtungsanlage: „Hier schaue ich, wie viel Watt eine Lampe verbraucht und ob an der Stelle dauerhaft Licht brennen muss. In Sattelkammer oder Toilette können Bewegungsmelder dafür sorgen, dass das Licht nicht dauernd brennt“, erklärt Hoffmann. Während alte Halogenlampen wahre Stromfresser sind, verbrauchen LED-Lampen weniger Energie und sind damit umweltfreundlicher. Eine Umrüstung lohnt oft auch finanziell. Anlagenmanagement ist hier letztlich das Stichwort. Denn keineswegs müssen alle Verbraucher von heute auf morgen durch neue Geräte ersetzt werden. Vielmehr ist eine mittelfristige Planung notwendig, betont Gerlinde Hoffmann.

„Als Hofbesitzer oder Verein sollte ich meine technischen Anlagen im Blick haben. Wenn ich modernisiere, dann immer mit Blick auf die Nachhaltigkeit. Dabei sollte man nicht ausschließlich auf den Anschaffungspreis, sondern auch auf den Verbrauch während der Lebensdauer achten“, sagt die Agrar-ingenieurin. Nicht nur beim Stromverbrauch gibt es oft Sparpotenzial, sondern auch beim Thema Heizen. Die betreffenden Räume sollten gut isoliert sein, sodass keine Wärme nach Außen verloren geht. Gerade auf älteren Höfen stellt das häufig ein Problem dar. Durch eine Modernisierung können langfristig Heizkosten gespart werden.

Pferdemist zum Heizen nutzen, auch das ist möglich. Foto: Shutterstock

Wärme aus Mist

Apropos Heizen: Pferdemist dafür zu nutzen, hört sich zweifelsohne ziemlich schräg an. Doch laut Heiner Cuhls vom Verein Native Power funktioniert das tatsächlich. „Das Phänomen ist ja, dass Mist eine hohe Temperatur entwickelt. Jeder der schon mal an einer Mistplatte vorbeigelaufen ist, sieht den Dampf“, sagt Cuhls. Die von dem Verein entwickelte Pferdemist-Kompost-Heizung macht sich diesen Effekt zunutze. Wie das genau abläuft? Auf die Mistplatte wird ein Wärmetauscher gelegt, der mit einer Fernwärmeleitung verbunden ist. Über den Tauscher wird zudem ein Silonetz gelegt. Bevor der Mist nun auf der Platte landet, wird er gehäckselt. „Dadurch wird die Struktur des Pferdeapfels und Strohs zerstört. Der Vertikutierer wirft die Masse dann auf die Platte, sodass das Ganze recht locker aufliegt“, erklärt Cuhls und führt weiter aus: „Während sich die Biomasse auf der Platte auf etwa 70 Grad erhitzt, erreicht der Wärmetauscher dann Temperaturen von etwa 60 Grad.“ Nach etwa einem Monat wird ein zweites Silonetz mit einem neuen Wärmetauscher über das Alte gespannt. Dieser Prozess kann sich über ein Jahr lang wiederholen, ehe der Kompost als Dünger auf dem Feld landet. „Bei zehn Pferden kann ein Nettoertrag von 1.800 Euro erzielt werden, sobald sich die Anschaffung nach etwa drei Jahren amortisiert hat. Außerdem reduziert sich der Mist-haufen durch das vorherige Häckseln“, berichtet Cuhls. Das Besondere an der Pferdemist-Kompost-Heizung ist dabei, dass sie jeder Hofbesitzer mit etwas handwerklichem Geschick selbst aufbauen kann. Der Verein Native Power stellt die Anleitung sowie die Wärmetauscher.

Eine eher klassische Variante zur Energiegewinnung ist dagegen die Photovoltaik-Anlage. Natürlich verursacht diese zunächst hohe Anschaffungskosten, diese amortisieren sich jedoch durch Eigennutzung der Energie sowie Einspeisung in das öffentliche Netz. Außerdem bieten die Bundesländer verschiedene Förderprogramme an. „Reithallen haben oft große Dächer. Ob sich eine Solar-anlage aber realisieren lässt, muss im Einzelfall entschieden werden“, sagt Hoffmann und gibt zu bedenken: „Der große Solar-Boom ist aktuell vorbei. Wasser wird dagegen ein immer wichtigeres Thema, wir haben häufiger Trockenperioden.“ Mithilfe einer Regenwassersammelanlage könne der Platz bewässert, das Pferd gewaschen oder der Stall geputzt werden, ohne wertvolles Trinkwasser zu vergeuden. Eine sogenannte Zisterne kostet selbstverständlich Geld, angesichts von steigenden Wasserpreisen erscheint sie aber als durchaus sinnvolle Alternative.

Mist kann eine hohe Temperatur ent­wickeln. Foto: Heiner Cuhls/Native Power

Mist in drei Zer­setzungsstufen: Frischer Mist aus dem Stall, homogenisierter Mist und Kompost, der als Dünger verwendet werden kann. Foto: Heiner Cuhls/Native Power

Unser Tipp: Öko-Check für den eigenen Stall

Viele Landessportbünde bieten Öko-Check-Programme an, die helfen, Sportstätten klimafreundlich zu sanieren. Professionelle Energieberater überprüfen und analysieren dabei die Sportstätte und geben Empfehlungen zu energetischen Sanierungsmaßnahmen ab. Eine tolle Chance auch für Pferdesportvereine und -betriebe, Tipps zu bekommen, wie sie etwas Gutes für die Umwelt tun und gleichzeitig Kosten einsparen können. Wie so ein Öko-Check aussieht, kann von Bundesland zu Bundesland variieren. Einige Landessportbünde haben sogar eigene Fördermittel dafür. Unter https://klimaschutz.dosb.de/sportstaetten/ gibt es eine Übersicht über die verschiedenen Beratungsangebote der einzelnen Landessportbünde. Mit einem Klick auf das gewünschte Bundesland erscheinen Informationen zu Ablauf, Kosten und Fördermöglichkeiten.

Es muss nicht immer teuer sein 

Eine Modernisierung der eigenen Anlage kann viel Geld verschlingen. Geld, das nicht immer vorhanden ist. Umweltschutz muss aber keineswegs am Portemonnaie scheitern. Oft reicht es schon aus, etwas am eigenen Verhalten zu verändern. Mülltrennung sollte beispielsweise nicht aufhören, sobald man die eigene Haustür verlässt. Ein weiterer Punkt ist die Ausrüstung. Sicherlich ist es nicht unbedingt notwendig, sich jedes Jahr fünf neue Sets aus Schabracke und Bandagen in den aktuellen Trendfarben zu kaufen. „Ansonsten gilt im Sport dasselbe wie im normalen Leben: Als Reiter sollte ich darauf achten, ob das Produkt umweltschonend erstellt und gehandelt ist. Einige Anbieter haben bereits ein Umweltsiegel“, erzählt Gerlinde Hoffmann. Genauso kann man – wenn möglich – auf das Auto verzichten und stattdessen die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, um zum Stall zu kommen. Noch besser wäre es, sich auf den Drahtesel zu schwingen. Das hat neben dem Kosten- und Umweltaspekt noch einen weiteren Vorteil: Man ist bereits aufgewärmt, wenn man ankommt, idealerweise frei von Verspannungen. So steht einem losgelassenen und geschmeidigen Sitz beim anschließenden Reiten nichts mehr im Wege. „In der Summe sind diese kleinen Dinge effektvoll und sie sind eben oft auch möglich“, meint Diana Koch.

Eine Photovoltaik-Anlage verursacht zunächst hohe Anschaffungs­kosten, diese können sich jedoch amortisieren. Foto: Frank Sorge

Regenwasser sammeln und mit diesem den Platz bewässern, ist nachhaltig. Foto: Christiane Slawik

Umweltschutz beim Turnier 

Unbestreitbar ist jedoch, dass sich manche, eher umweltschädliche Dinge kaum vermeiden lassen. Wie etwa die Anreise mit LKW oder Pferdeanhänger zum Turnier. „Die Fahrtstrecken spielen natürlich eine Rolle und sind nicht gerade umweltfreundlich. Aber man sollte alles auch positiv sehen. So haben viele Spitzensportler ihre Pferde auf größeren Anlagen stehen. Und diese können technisch modern und zugleich umweltfreundlich sein oder eben nicht“, sagt Hoffmann. Dabei spiele die Gestaltung des Hofes eine Rolle. Ist das Grünland vernünftig angelegt? Gibt es auf der Weide Bauminseln, Blühstreifen und wird Holz aus der Region verwendet? „Diese Dinge kann wirklich jeder Spitzensportler umsetzen und auf diese Weise seinen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Und natürlich sollte auf Pestizide verzichtet werden“, sagt Hoffmann.

Ob mit Sattel im Gepäck oder doch lieber ohne: Wer mit dem Fahrrad in den Stall fährt, kommt bereits aufgewärmt zum Pferd und tut etwas für die Umwelt. Foto: Frank Sorge

Beim Turnier selbst hat der Reiter eher wenige Möglichkeiten. Ganz im Gegensatz zum Veranstalter. Dazu sagt Hoffmann: „Die umweltverträgliche Organisation von großen Events ist ein Riesenthema. Und das beginnt mit der Anreise.“ Bei den großen Veranstaltungen wie etwa in Aachen, Hamburg oder Wiesbaden sei die Anreise für Funktionäre oder Besucher mit öffentlichen Verkehrsmitteln problemlos möglich. „In Aachen sitzen an einem Tag mal gut und gerne 50.000 Zuschauer im Stadion. Dann ist die Anreise schon relevant. Andere Bereiche machen es in der Mobilität vor. Häufig ist ein Ticket für den Nahverkehr bereits in der Eintrittskarte enthalten“, erzählt Hoffmann. Im ländlichen Bereich, wo noch immer ein Gros der Veranstaltungen ausgerichtet wird, ist das mit den öffentlichen Verkehrsmitteln aber oft so eine Sache. Warum? Häufig gibt es eben einfach keine, die Besucher und Helfer müssen schlichtweg mit dem Auto fahren. „Das bedeutet jedoch nicht, dass man nichts machen kann“, sagt die Agraringenieurin. So seien Fahrgemeinschaften eine Möglichkeit. Und auch beim Catering hat der Veranstalter einigen Einfluss: Er sollte beispielsweise auf Einweggeschirr verzichten und stattdessen auf ein Mehrweg-System setzen.

Außerdem kann er darauf achten, dass das Essen aus der Region kommt. „Als Veranstalter hat man die Möglichkeit, verschiedene Umweltkriterien aufzustellen. Zu Beginn reicht es, wenn ein Dienstleister beispielsweise zwei von fünf Kriterien erfüllt. Von Jahr zu Jahr wird die Anzahl der zu erfüllenden Kriterien dann gesteigert. Man sollte nicht gleich mit zu hohen Anforderungen beginnen.“

Bewusstsein schaffen 

Letztlich ist es wichtig, dass sich jeder Reiter und Pferdefan die Umwelt und deren Schutz ins Gedächtnis ruft. So können Vereine und Betriebe etwa mit Aktionen auf das Thema aufmerksam machen und dabei gleichzeitig den Nachwuchs schulen. „Über das Pferd ist es möglich, relativ viele Sachen miteinander zu verknüpfen und zu vermitteln“, meint Hoffmann. Beispielsweise könnten Kinder beim Pflanzensammeln lernen, was gut für das Tier und was eher schädlich ist. Ebenso interessant und förderlich ist es, mit dem Nachwuchs zu erarbeiten, welches Heu gut und welches eher schlecht ist.

Und noch eine andere Aktion für Kinder: Die verschiedenen Vogelarten auf dem Betrieb zählen lassen und gemeinsam ein, zwei oder mehr Häuschen und Brutstellen für den Piepmatz-Nachwuchs aufhängen. Im neuen Jahr können die Kinder sich dann erneut aufmachen und zählen, wie viele Nester und neue Arten hinzugekommen sind. Berichte über solche Aktionen in der örtlichen Tageszeitung können sich wiederum positiv auf Image und Bekanntheitsgrad des Vereins oder Betriebs auswirken. Hoffmann sagt: „Bei solchen Aktionen kann man zum Beispiel auch mit der örtlichen Naturschutzjugend zusammenarbeiten. Ich habe das Gefühl, dass gerade Kinder und Jugendliche aktuell ohnehin sehr empfänglich für solche Themen sind, wie sich bei den Fridays-for-Future-Demonstrationen zeigt.“

Nico Nadig

Blühstreifen auf dem Gelände tragen zum Umweltschutz bei und bieten Bienen und anderen Insekten eine wichtige Lebensgrundlage. Foto: FN-Archiv

Auch Mülltrennung ist gelebte Nachhaltigkeit. Foto: Pixabay

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