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Besuch bei den Pferden der Heimstatt Röderhof

Vierbeinige Therapeuten

Alt-Oldenburger Louie (4) und Tinkerstute Siska (14) haben einen ganz besonderen Job: Sie sind Therapiepferde in der Heimstatt Röderhof, einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen in der Nähe von Hildesheim. Durch den Kontakt mit Pferden machen die Kinder und Jugendlichen oft große Fortschritte in ihrer Entwicklung.

Für Jacqueline gehören die Minuten auf dem Rücken von Siska zu den schönsten Momenten im Alltag. Die junge Reiterin zeigt hier motorische Übungen. Alle Fotos: Jürgen Stroscher

Wenn eine die Herzen von ängstlichen und schüchternen Kinder sofort gewinnt, dann ist es Siska. Die kräftige Tinkerstute mit der auffälligen Braunscheckung und dem dichten Behang ist mittelgroß und die Ruhe selbst. Jacqueline (12), die auf dem Röderhof in einer Wohngruppe lebt und auch dort die Schule besucht, ist ein großer Fan von Siska. „Sie ist hübsch und lieb“, strahlt das Mädchen. Jacqueline hat so viel Vertrauen zu der Stute, dass sie heute einmal vorführt, wie cool Siska abwartet, bis ein Mensch mit einem Lifter in ihren Sattel gehoben wird. Der Lifter kommt oft zum Einsatz bei körperlich beeinträchtigen Menschen, die nicht selbstständig aufsteigen können, weil sie zum Beispiel im Rollstuhl sitzen. Dafür führt Susanne Schmitt, die Leiterin der Reittherapie auf dem Röderhof, die von ihren Kolleginnen Maren Rengelshausen, Viola Apphun und Gesine Pietsch unterstützt wird, Siska in eine extra eingebaute Gasse an der langen Seite der hellen Reithalle. Hier bleibt das Pferd so lange stehen, bis Jacqueline mit beiden Beinen vorsichtig in den Sattel geglitten ist. „Die Pferde werden natürlich ganz sorgfältig auf diese Aufgabe vorbereitet. Sie müssen den über ihnen schwebenden Lifter akzeptieren und lernen, ganz ruhig stehen zu bleiben, bis sie im Schritt wieder aus der Gasse geführt werden.“

Dafür führt Susanne Schmitt, die Leiterin der Reittherapie auf dem Röderhof, die von ihren Kolleginnen Maren Rengelshausen, Viola Apphun und Gesine Pietsch unterstützt wird, Siska in eine extra eingebaute Gasse an der langen Seite der hellen Reithalle. Hier bleibt das Pferd so lange stehen, bis Jacqueline mit beiden Beinen vorsichtig in den Sattel geglitten ist. „Die Pferde werden natürlich ganz sorgfältig auf diese Aufgabe vorbereitet. Sie müssen den über ihnen schwebenden Lifter akzeptieren und lernen, ganz ruhig stehen zu bleiben, bis sie im Schritt wieder aus der Gasse geführt werden.“

Marie (15) ist ein großer Pferdefan und genießt den Augenblick mit Siska nach der Therapie-Einheit.

Nähe zum Pferd

Siska hat dafür die perfekte Größe und natürlich auch einen Traum-Charakter. Sie lässt sich nicht von unruhigen Bewegungen oder lauten Geräuschen beeindrucken. Jeweils etwa 20 Minuten dauern die Therapieeinheiten am Vormittag. Auch Marie (15) fiebert jedes Mal auf das Reiten und Voltigieren hin. Sie ist einfach gerne in der Nähe von Pferden und hilft Susanne oft im Stall. Bei einem kleinen Hausturnier mit verschiedenen Wettbewerben können die jungen Pferdefreunde auch in sportlicher Hinsicht demonstrieren, was sie schon gelernt haben. Beide Mädchen zeigen heute mit Schaumstoff-Würfeln, Ringen, Bändern und Bällen, wie gut sie sich schon auf Siskas Rücken ausbalancieren können. Dabei müssen sie sich auf die Geschicklichkeitsaufgaben konzentrieren, die ihnen Gesine Pietsch stellt, und dabei auch Farben und Formen unterscheiden. Jacqueline schafft es, verschiedene Gegenstände aus dem Schritt in Körbe fallen zu lassen. Dafür muss sie einschätzen, in welchem Tempo Siska unterwegs ist, damit alles im Körbchen landet. Das klappt heute perfekt, so dass beide Mädchen sich richtig freuen und zum Abschied noch ausgiebig mit Siska schmusen.

Mit Hilfe des Lifters können stark körperlich beeinträchtigte Menschen in den Sattel gehoben werden.

Louie ist ein richtiger „Planen-Fan“  und zeigt großes Vertrauen zu seinen Ausbildern.

Für die Kinder sind das absolute „Ausnahmeminuten“ im Alltag, wenn sie im Kontakt mit den Pferden sind. „Das Pferd spricht alle an und macht keinen Unterschied bei den Beeinträchtigungen, die die Kinder haben. So fühlen sie sich angenommen. Eher laute und fordernde Kinder müssen sich im Unterricht zurücknehmen, und die in sich gekehrten Kinder sehen, dass Kommunikation mit dem Tier auch ohne Worte bestens funktioniert. Die dreidimensionale Bewegung des Pferdes vermittelt das Gefühl, getragen zu werden. Bei schwer körperlich beeinträchtigten Menschen kann das die verkrampften Muskeln lösen“, berichtet die Therapeutin, wie unterschiedlich die Röderhof-Pferde den Menschen in den Therapieeinheiten helfen.

Azubi-Pferd Louie

Insgesamt vier Pferde sind hier in diesem kleinen Pferdeparadies zuhause. Neben Louie und Siska gehören die beiden siebenjährigen braunen Alt-Oldenburger Hannah und Lucas mit zum Team. Die beiden haben neben der Reitausbildung auch ein Fahrtraining absolviert, um den Bewohnern Ausfahrten in die Natur mit der Wagonette zu ermöglichen. Der hübsche Rappe Louie steckt noch mitten in seiner Ausbildung zum Therapiepferd, ist aber schon so cool, dass er sämtliche Aufgaben einer Gelassenheitsprüfung am Boden wie ein Musterschüler meistert. Er lässt sich in knisternde Planen einwickeln und von großen Gymnastikbällen überall berühren. „Etwa ein halbes Jahr geben wir den Pferden Zeit, bis wir sie an ihren eigentlichen Therapiejob heranführen. Dann haben sie sich hier gut eingelebt und wurden mit vielen Situationen aus dem Therapie-Alltag bekannt gemacht“, erklärt Susanne Schmitt, die „ihre“ Pferde sehr sorgfältig aussucht. „Sie müssen gesund sein und sich auch für das Voltigieren und Fahren gut eignen.“

Alt-Oldenburger Louie steckt noch in seiner Therapie­pferdeausbildung. Dazu gehören Bodenarbeit und Gelassenheits-Übungen mit verschiedenen Gegenständen.

Alle Pferde stehen tagsüber draußen auf großen Paddocks und kommen stundenweise auf die Weide. Nachts stehen helle und geräumige Boxen zur Verfügung. Am Wochenende haben die Pferde frei und dürfen einfach nur Pferd sein. Susanne Schmitt ist gelernte Pferdewirtin und Erzieherin und selbst bis zur Kl. M Dressur und Springen geritten. Sie hat wie ihre Kolleginnen eine zusätzliche Qualifikation für die Reittherapie beim Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR) absolviert. Vormittags widmet sie sich mit Leidenschaft und viel persönlichem Einsatz den beeinträchtigten Menschen, am Nachmittag gibt sie als Ausbilderin in einem Verein in der Nähe Reitunterricht. Ihr ist besonders wichtig, dass die Therapiepferde sich rundum wohlfühlen und in bestem Zustand sind. Dazu gehören neben optimaler Fütterung, Haltung und passender Ausrüstung natürlich auch eine sehr gute Grundausbildung sowie regelmäßiger Beritt durch die Ausbilder. „Ein Therapiepferd sollte bis L-Niveau ausgebildet sein, um die korrekte Reitpferdemuskulatur auszubilden und fein auf die Hilfen zu reagieren. Wir gehen natürlich mit unseren Pferden auch regelmäßig ins Gelände, so dass sie viel Abwechslung zu ihrem Haupt-Job haben.“

Tina Pantel

Infos zur Heimstatt Röderhof

Seit den 1970er Jahren werden in der Heimstatt Röderhof Menschen mit geistigen, körperlichen und/oder psychischen Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen unterstützt (seit 2011 unter der Trägerschaft der Stiftung Katholische Behindertenhilfe im Bistum Hildesheim). Der Röderhof hat 236 Wohnplätze (davon 80 für Kinder). Seit vielen Jahren gibt es für die Bewohner auf dem eigenen Gelände therapeutisches Reiten, das maßgeblich von Susanne Schmitt aufgebaut und optimal für die Therapiepferde eingerichtet wurde. Dabei geht es in erster Linie nicht um den sportlichen Aspekt des Reitens, sondern um die Freude am Umgang mit Pferden. Allein durch den Körperkontakt mit dem Pferd können körperliche und seelische Einschränkungen gelindert und das allgemeine Wohlbefinden verbessert werden. Darüber hinaus fördert die spezielle Reittherapie das Selbstbewusstsein, die Motorik und das Sozialverhalten im Alltag. Über Spenden ist es möglich, die Therapiepferde zu finanzieren.

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