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Lernen vom Fahrmeister: Michael Freund

Mr. Fahrsport teilt sein Wissen

1976 gewann Michael Freund Gold bei der Deutschen Meisterschaft der Vierspännerfahrer. 19 weitere DM-Medaillen folgten, elf davon waren Gold. 2013, sieben Jahre nachdem er seine aktive Laufbahn beendet hatte, hat er doch noch mal eine Goldmedaille „angehängt“. Dieses Mal bei der Deutschen Meisterschaft der Zweispänner, mit Pferden, die er für eine US-Amerikanerin trainierte. Typisch „Mr. Fahrsport“ – der viele Geschichten im Fahrsport geschrieben hat.

Bei der WM in Aachen 2006 gab es Mannschaftsgold für Michael Freund und seine Kollegen. Foto: Charles Mann/Arnd Bronkhorst

1992, 1994 und 2006 – dreimal war Michael Freund Mannschaftsweltmeister, 1994 sicherte er sich dazu auch noch Einzelgold. Dreimal – 1978, 1996, 1998 – war er Vize-Weltmeister mit der Mannschaft, 1998 zudem Vize-Weltmeister der Einzelwertung. Außerdem gewann er mit deutschen Vierspännerteams noch vier weitere Bronze-Medaillen. Er hat etliche internationale Siege und Platzierungen gesammelt, hält mit satten zwölfmal den Siegrekord bei den German Masters in Stuttgart und hat viermal die Weltcup-Serie der Vierspännerfahrer gewonnen.

Aachen-Liebe

Unglaubliche 28 Mal war Michael Freund in Aachen am Start und hat die Zuschauer in der Soers begeistert. So war der Ort seines Abschieds eine logische Folge: Bei den Weltreiterspielen 2006 in Aachen – und zwar mit Mannschaftsgold! 20.000 Fahrsport-Fans sind gekommen, um „Mr. Fahrsport“ zu verabschieden. „Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, erklärte er mit belegter Stimme. „Dass ich hier eine Ehrenrunde fahren kann.“ Es wurden viele Runden mit großem Jubel – und neben ihm auf dem Kutschbock saß die Zukunft, Sohn Marco.

Der Blick zurück: Fahrsportprofi zu werden, hat Michael Freunds Leben vollendet. Heute gibt er als Trainer weltweit sein Wissen weiter. Fotos (3): Jacques Toffi

Schon früh hat Michael Freund die Begeisterung für das Fahren an seinen Sohn Marco weitergegeben.

Familiensache

Der Fahrsport ist im Hause Freund seit Generationen Tradition. Schon Michaels Vater hatte den Kutschen 1950 in der Soers zu neuem Aufschwung verholfen. Bruder Fred hat seine Runden in Aachen gedreht und vielleicht wird auch bald Sohn Marco ein Gespann durch die Soers lenken. Noch ist Marco mit den Zweispännern unterwegs, war da bereits Vize-Weltmeister und trainiert zu Hause – natürlich – mit Vater Michael. Mit 14 Jahren erhielt Freund Junior als jüngster Fahrer aller Zeiten bereits das Goldene Fahrabzeichen: eine Familie, eine Passion.

Wissen weitergeben

Nach der aktiven Laufbahn bedeutete bei Michael Freund weiterhin mittendrin im Fahrsport. Als Trainer gibt er Fahrern und Teams rund um den Globus sein Wissen, seine Erfahrung und seine Visionen weiter. So hat er unter anderem die US-Amerikaner und die Schweden als Nationalcoach unterstützt und führt junge Fahrer in seinem Fahrsportzentrum Freund im hessischen Dreieich an die Kunst mit den Leinen heran.

Vom Hobby zum Beruf

Ursprünglich hatte Michael Freund den Futter- und Düngemittelbetrieb seines Vaters übernommen, aber die Turniere, das tägliche Training und der väterliche Betrieb waren nicht mehr unter einen Hut zu bringen, als seine sportliche Karriere in den 1990er-Jahren so richtig an Fahrt aufnahm. Also hat er sein „Hobby zum Beruf gemacht. Profi zu werden, war die Vollendung meines Lebens“, blickt er zurück.

Kim Kreling

Funktioniert nur, wenn die Basics stimmen und die Pferde auch dressurmäßig gut gearbeitet sind: eine rasante Fahrt im Marathon.

Schlangenlinien sind für Michael Freund das A und O der Fahrsportdressur. Foto: Charles Mann/Arnd Bronkhorst

Michael Freunds Ausbildungstipp: Fünf Bögen, auf die es ankommt

„Für mich ist die Schlangenlinie durch die Bahn mit fünf Bögen die perfekte Lektion, um die Stellung und Biegung der Pferde und somit auch die Durchlässigkeit zu verbessern. Auf einem 40 x100 Meter Platz legt man die Bögen mit 20 Metern an, bei einem 40 x 80 Meter Platz mit 16 Metern. Für Ein- und Zweispänner ist das gar kein Problem, bei Vierspännern ist es schon eine anspruchsvollere Lektion. Aber speziell für Gespanne in der mittleren und schweren Klasse und im internationalen Bereich ist diese Übung unglaublich wertvoll. Ich würde immer raten, diese Lektion zunächst in etwas ruhigerem Trabtempo zu fahren und das Tempo erst mit erhöhter Sicherheit Schritt für Schritt bis zum Gebrauchstrab zu steigern. Gibt es Probleme oder Unsicherheiten, kann man die Schlangenlinie natürlich auch erst einmal im Schritt anlegen. Je schneller ich fahre, desto mehr Möglichkeiten haben die Pferde auszuweichen oder über die Schulter auszufallen. Deswegen lieber in langsamem Tempo beginnen, darauf achten, dass man an der äußeren Leine führt und an der inneren zum Nachgeben kommt. Wenn ich Unterricht gebe, dann stelle ich auch oft an den Wendepunkten Kegel zur Orientierung auf. Wenn das Einhalten der Linie bei fünf Bögen noch unsicher ist, kann es helfen, zunächst nur drei oder vier Bögen zu fordern. Wenn man das Problem hat, dass bei den Pferden zu einer Seite nicht genug Stellung und Biegung vorhanden ist, kann man gut zusätzlich in die Bögen bei Erreichen der langen Seite eine 20-Meter-Volte einbauen. Man kann außerdem beim Überfahren der Mittellinie gut einmal zum Schritt durchparieren, um so die Losgelassenheit zu fördern. Oder man hält auf der Mittellinie an und beim nächsten Bogen baut man vielleicht sogar Halten und Rückwärtsrichten ein. Da gibt es sehr viele Kombinationsmöglichkeiten.

Sehr häufig sieht man bei den Schlangenlinien, dass die Pferde im Bogen über die innere Schulter ausfallen. Bei diesen Pferden muss man mit der entsprechenden Peitschenhilfe an der inneren Schulter oder am Kammdeckel auf die Stellung und Biegung achten – so wie der Reiter den Schenkel einsetzt, so kann ich als Fahrer die Peitsche einsetzen. Grundvoraussetzung dabei ist natürlich, dass die Pferde die Peitsche als Hilfe akzeptieren. Gerade wenn Stellung und Biegung noch nicht optimal gelingen, empfiehlt es sich, in den Bögen eine zusätzliche Volte einzubauen und schon frühzeitig beim Überfahren der Mittellinie die Pferde auf die neue Wendung vorzubereiten. Es gibt auch Pferde, die auf der Schlangenlinie zu viel nach vorn wollen und stark oder schnell werden. Dann rate ich: Anhalten und zunächst im Schritt weiterfahren. Man muss mit der Hand zum Nachgeben kommen! Am besten durchfährt man die Schlangenlinie einmal ganz in Ruhe und sehr korrekt im Schritt. Oder man baut in die Schlangenlinie Schritt-Volten ein und trabt aus der Volte heraus wieder an. Grundsätzlich gilt: Immer wenn es Probleme gibt, Tempo herausnehmen.

Man kann natürlich die Gymnastizierung der Pferde auch durch Reiten fördern, aber wenn man diesen Gedanken verfolgt, dann unbedingt gute Reiter auf die Fahrpferde setzen. Wenn man keinen wirklich guten Reiter für seine Fahrpferde hat, dann lieber die Pferde beim Fahren gymnastizieren. Hat man Pferde, die sich dabei schwer tun, dann würde ich empfehlen, sie aus dem Vierspänner herauszunehmen und ein- oder zweispännig zu fahren. So kann man individueller auf sie eingehen und noch gezielter an den Schlangenlinien arbeiten. Das Ziel sollte sein, dass man die Schlangenlinie mit fünf Bögen sicher, in guter Stellung und Biegung im Gebrauchstrab fahren kann. Man kann natürlich auch Zirkel in verschiedenen Größen fahren, aber der große Vorteil der Schlangenlinie ist der permanente Handwechsel. Und noch eine Bemerkung: Durch die Schlangenlinie mit fünf Bögen verknüpft mit einzelnen Übergängen könnte man auch die langweiligen Dressuraufgaben im Fahrsport verkürzen und trotzdem alles abprüfen. Für mich sind diese Schlangenlinien das A und O der Fahrsportdressur.

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