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Basisausbildung: Hufschlagfiguren

Auf der richtigen Linie

Hufschlagfiguren sind viel mehr als Pflichtübungen auf Turnieren. Sie unterstützen Reiter und Pferde, sie sind Lektionen und Hilfslinien zugleich und im Training schaffen sie eine Win-Win-Situation.

Hufschlagfiguren sorgen für Ordnung in der Bahn – und für individuelle Gymnastizierung des Pferdes beim Durcheinanderreiten. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Hufschlagfiguren gehören auf die eine oder andere Weise schon seit Jahrhunderten zum Dressurreiten und zur klassischen Ausbildung von Reitern und Pferden. Ein Glück! Denn die Linien sind so viel mehr als die Grundlage für Dressurprüfungen. Sie sind ein Rundum-Paket. „Was ich ganz oft im Unterricht sage: Hufschlagfiguren sind Arbeitslinien, sie dienen dazu, sein Pferd systematisch zu gymnastizieren“, betont der Ausbildungsleiter der Landes-Reit- und Fahrschule Rheinland, Daniel Weinrauch. Dem pflichtet auch der FN-Ausbildungsbotschafter und Dressurrichter Christoph Hess bei. „Ich lebe die Philosophie, dass mir korrekte Hufschlagfiguren wie ein reifer Apfel in den Schoß fallen sollten. Ich erlebe immer wieder, dass ein Reiter sagt, er müsse am Wochenende eine Aufgabe reiten und noch üben. Dabei sind Hufschlagfiguren ein Mittel zum Zweck. Ich muss bestimmte Lektionen reiten, um Geschmeidigkeit zu erreichen, aber ich sollte mich nicht an der Aufgabe ausrichten, sondern sollte mich stattdessen auf die Grundlagenarbeit konzentrieren.“

Zwei Pylonen markieren einen Durchritt und helfen so, Hufschlagfiguren präzise zu reiten. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Hilfslinien fürs Training

Hufschlagfiguren sind also zum einen Linien, auf denen man das Pferd ausbilden und trainieren kann, zum anderen sind es Linien, auf denen man überprüfen kann, ob man das Pferd korrekt an den Hilfen hat. Kurz gesagt: Man übt auf den Linien, die Linien richtig reiten zu können. „Hufschlagfiguren sind Hilfslinien für mein Training“, erklärt Christoph Hess, „und sie helfen mir zu zeigen, ob ich es richtig mache – wie ein Test in der Schule.

Beispielsweise ob ich in der Lage bin, auf gerader Linie durch die Bahn zu wechseln. Deshalb rate ich jedem Reiter, egal ob er Dressur, Springen oder Vielseitigkeit reitet, regelmäßig auf einem Dressurviereck zu trainieren. Es müssen keine schwierigen Abfolgen sein, allein die Linien abzureiten, setzt einen hohen Grad an Durchlässigkeit und Konzentration voraus. Ich würde auch jedem raten, immer mal wieder eine Aufgabe zur eigenen Überprüfung zu reiten, auch wenn man kein Turnierreiter ist.“

Auf-dem-Zirkel-geritten

Ein Beispiel: die Hufschlagfigur Auf-dem- Zirkel-geritten. Ein Zirkel sollte kreisrund mit einem Durchmesser von 20 Metern von den Punkten A oder C, zum Zirkelpunkt, zu X, zum Zirkelpunkt und wieder zu A oder C geritten werden. Solch ein kreisrunder Zirkel überprüft die diagonale Hilfengebung. Man braucht die äußeren Hilfen, um das Pferd zu begrenzen, und den inneren Schenkel, um das Pferd zu aktivieren. „Das ist mein Energiezentrum, mit dem ich gleichzeitig eine biegende Wirkung ausübe“, so Christoph Hess. „Das Pferd ist gestellt und gebogen. Ich brauche meine äußeren Hilfen, mein äußerer verwahrender Zügel ist begrenzend. So erreiche ich, dass mein Pferd wie auf Schienen geht. Ein tolle Übung ist das Zirkel verkleinern und vergrößern. Dabei transformiere ich die Energie mit den äußeren Hilfen, meinem inneren Gesäßknochen und meinem inneren Bügel und führe das Pferd mit den äußeren Hilfen in den Zirkel hinein. Eine perfekte Übung, um Wendungen zu reiten.“

Kreisrund positiv

Ein kreisrunder Zirkel als solcher hat einen tollen positiven Effekt. Daniel Weinrauch erklärt: „Wenn ich anfange, einen kreisrunden Zirkel zu reiten, fange ich automatisch an, mein Pferd mit dem inneren Schenkel an den äußeren Zügel heranzureiten. Wenn das nicht klappt, kommt das Pferd nach innen und es ist nicht gestellt und gebogen. Aber wenn ich dann nach außen reiten will, komme ich auch mit dem inneren Schenkel durch. Stichwort diagonale Hilfengebung, innerer Schenkel, äußerer Zügel – dadurch erreiche ich die korrekte Zirkellinie. Wenn ich den Zirkel nicht kreisrund reite, entzieht sich das Pferd den Hilfen. Die Linie fördert auch die Geraderichtung, weil ich mein Pferd immer wieder dazu auffordere, hufschlagdeckend zu gehen. Hufschlagfiguren sind wie ein Werkzeug. Allein dadurch, dass ich meinem Schüler sage, er soll korrekte Hufschlagfiguren reiten, ist er bestrebt, es besser zu machen. Durch Hufschlagfiguren wirke ich korrekter auf das Pferd ein, dadurch wird die Hilfengebung präziser und feiner. Je mehr Wert ich auf Hufschlagfiguren lege, desto präziser reiten die Reiter.“

Jede gut ausgerittene Ecke ist eine Viertelvolte und hat schon einen gymnastizierenden Effekt. Foto: Stefan Lafrentz

Eine tolle Übung, um das Reiten von Wendungen zu verfeinern: Zirkel verkleinern und vergrößern. Das Pferd wird dabei vom Reiter mit diagonaler Hilfengebung in den Zirkel hinein geführt. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv 

Gewicht der Kleinigkeiten

Dabei haben bei der Arbeit auf den Hufschlagfiguren schon Kleinigkeiten viel Gewicht. Wie das korrekte Ausreiten einer Ecke. Das tun die wenigsten, da sind sich die beiden Experten einig. Dabei hat schon das einen  gymnastizierenden Effekt, denn jede gut ausgerittene Ecke ist eine Viertelvolte. „Ich sage meinen Schülern immer: Reitet die Ecke so tief aus, wo heute noch keiner war. Da werden sie richtig ehrgeizig“, erzählt Daniel Weinrauch aus der Praxis. 

Volten sind unter den Hufschlagfiguren die Alleskönner. Volten an der langen Seite, Mitte der kurzen Seite oder auch in einer Ecke unterstützen die diagonale Hilfengebung sowie das Stellen und Biegen des Pferdes. Sie lassen sich auch wunderbar kombinieren mit anderen Figuren. „Nehmen wir die einfache Schlangenlinie, eine sehr wertvolle Lektion, die Pferde werden gestellt und gebogen und umgestellt wie bei einem Handwechsel. Und ich muss am  Anfang und am Ende die Ecken korrekt reiten. Wenn das nicht klappt, lasse ich meinen Schüler in der Ecke eine Volte und dann daraus die Schlangenlinie reiten. Oder ich lasse die Schlangenlinie mal größer und dann im  Mittelpunkt der Schlangenlinie eine Volte zum Hufschlag reiten. Eine Volte vor einer Traversale hilft mir, mein Pferd einzurahmen, es zu stellen und zu biegen und die diagonale Hilfengebung zu überprüfen. Eine Volte ist einfach ein tolles Korrekturmittel“, so Daniel Weinrauch.

Ordnung und Offenbarung

Ein weiterer positiver Effekt von Hufschlagfiguren ist, dass sie für Ordnung sorgen, wenn mehrere Reiter in der Bahn sind. Beherrscht man die Hufschlagfiguren, kann man an der Linienführung der anderen teilhaben und sich darauf einstellen. Hufschlagfiguren sind auch Grundlage für die Bahnregeln: Auf- und abgesessen wird auf der Mittelinie, Ganze Bahn hat Vorfahrt vor Zirkel, linke Hand hat Vorrang vor rechter Hand, der erste Hufschlag/ ganze Bahn ist im Schritt freizuhalten. Und zu guter Letzt bilden Hufschlagfiguren auch die Grundlage der Dressuraufgaben und des Richtens. „Einreiten, halten, grüßen – das ist eine irre schwierige Abfolge. Auf gerader Linie kann man alles sehen: Kommt der Reiter zum Loslassen, wie reitet er Übergänge, wie steht das Pferd, kam die Parade durch?“, berichtet Christoph Hess aus seiner Arbeit als Richter. „Es geht darum, diese Linien korrekt und wirkungsvoll in die Arbeit einzubauen. Man muss sich konzentrieren, auf den Linien zu reiten. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme in der Ausbildung von Reiter und Pferd und zur Überprüfung richtigen Reitens.“

Als Reiter sollte man sich immer wieder überprüfen: Schaffe ich es auf schnurgerader Linie und von Punkt zu Punkt durch die Bahn zu wechseln? Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Pylonen als Hilfsmittel

Es gibt einige Hilfsmittel, die das Reiten korrekter Hufschlagfiguren unterstützen. Pylonen kann man beispielsweise sehr gut als Orientierung für den Reiter nutzen. Man schaut hin und sitzt besser in der Bewegungsrichtung. Außerdem nehmen auch Pferde diese Orientierungshilfe wahr. Mit Pylonen lässt sich eine Zirkelrunde markieren, man kann bei X einen Durchritt darstellen für das Umstellen auf einer Pferdelänge beim Handwechsel – das hilft Anfängern sehr, aber auch auf dem Niveau der Klasse L bei einem einfachen Galoppwechsel.

„Reiter bekommen durch Pylonen ein Gefühl für Hufschlagfiguren, um irgendwann so versiert zu sein, sie automatisch korrekt zu reiten“, so Daniel Weinrauch. „Mit einem jungen Pferd, das noch nicht so ausbalanciert ist, reite ich die Ecken zunächst ein paar Mal im Schritt aus, dann kommt man auch im Trab viel besser in die Ecke. Und eine Pylone kann mir und dem Pferd dabei als optische Orientierung dienen.“ Der Ausbilder erzählt aus der Lehrgangspraxis: „Im Unterricht ritt ein Mädchen mit einem Pony den Zirkel nicht korrekt und ihr Pony ging nicht in korrekter Anlehnung. Statt aber anzufangen, ihr zu sagen, wie sie ihr Pony an die Hilfen stellen kann, haben wir vier Pylonen auf der Zirkellinie aufgestellt und ihr gesagt, sie solle zu den Pylonen gucken. Dadurch war das Kind bestrebt, von Punkt zu Punkt zu reiten, sie drehte ihren Oberkörper und musste mit dem inneren Schenkel treiben und außen mehr führen. Die Hilfengebung verbesserte sich automatisch und das Pony ging am Zügel.“

Auch Seitengänge können auf unterschiedlichen Linien geritten oder mit Volten kombiniert werden. Foto: Jacques Toffi

Mit Präzision besser reiten

Neben Pylonen können auch halbrunde Stangen als Orientierungshilfe dienen. Sie können nicht wegrollen und geben einem die Möglichkeit, eine Gasse für eine Pferdelänge aufzubauen – wenn man zum Beispiel vom Handgalopp zum Außengalopp wechseln möchte oder wenn man eine „halbe Volte links, halbe Volte rechts“ mit einer Pferdelänge geradeaus reiten möchte. Genauso kann man die Linie in den Sand harken oder zu Fuß die Linie vor dem Reiten abgehen (lassen). „Optische Hilfsmittel sind wichtig für Lernende, Kinder und Jugendliche“, betont Christoph Hess. „Zum Erlernen ist es immer hilfreich, Hufschlagfiguren zu Fuß abzugehen, sie zu visualisieren, alle Sinne  anzusprechen, und als Ausbilder sollte man immer erklären, warum man das macht.“ Hufschlagfiguren dienen der systematischen Gymnastizierung. Dabei ist es wichtig, sie so einzusetzen, wie es der Ausbildungsstand des Pferdes bzw. Reiters fordert, also auf beiden Händen, in verschiedenen Richtungen, an verschiedenen Stellen im Viereck, mal größer, mal kleiner. „Ich muss die Linien variieren, denn ein Pferd ist nicht auf beiden Seiten gleich geschmeidig. Die Linien helfen mir in diesem Prozess. Sie helfen mir, mein Reiten zu verbessern und sorgfältig zu reiten“, so Christoph Hess. „Viele reiten so belanglos auf einem großen Platz umher. Dabei verhilft mir präzises Reiten zu einer präziseren Hilfengebung und somit zu feinerem Reiten.“

Auf gerader und gebogener Linie

Es gibt verschiedene Hufschlagfiguren in einem Dressurviereck: Ganze und halbe Bahn, durch die ganze/halbe Bahn wechseln und durch die Länge der Bahn wechseln/geritten sind Beispiele für Hufschlagfiguren auf gerader Linie. Daneben gibt es noch zahlreiche Hufschlagfiguren auf gebogener Linie, etwa Zirkel, aus dem/ durch den Zirkel wechseln, einfache/ doppelte Schlangenlinie, Schlangenlinien durch die Bahn sowie Volten/ Kehrvolten auf acht oder zehn Metern. Dabei gehen Lektionen und Hufschlagfiguren Hand in Hand: Eine Volte ist sowohl Hufschlagfigur als auch Lektion. Das Schenkelweichen ist eine Lektion, das Viereck verkleinern ein Schenkelweichen entlang einer gedachten Diagonale.

Geschichte der Hufschlagfiguren

Der genaue Ursprung der Hufschlagfiguren ist nicht ganz klar auszumachen. Im Rossballett (17. Jahrhundert) in Wien und bei Georg Engelhard von Löhneysen (1552 bis 1622) tauchte das Reiten „kunstvoll verschlungener Linien“ und einfacher Figuren auf, begonnen bei großen Zirkellinien, dann geradeaus und später auf einer Acht. Auch die Schlangenlinie mit birnenförmigen Bögen hatte zu dieser Zeit ihren Ursprung. (Erst seit 1990 sollen die Schlangenlinien mit geraden Bögen geritten werden.) Nach Angelika Frömmings Buch „Bilder und Fakten zur Entwicklung der Ausbildung von Reiter und Pferd im Dressur- und Springreiten“ begann Guérinière im 18. Jahrhundert korrekte Wendungen, Volten und Ecken, aber auch Wechsellinien zu definieren. Die Heeres-Dienstvorschrift 12 (H.Dv.12) von 1937, die die Grundlage für unsere späteren Richtlinien bildete, enthielt bereits die meisten der uns bekannten Hufschlagfiguren.

Schon das korrekte Reiten auf dem ersten Hufschlag ist eine Hufschlagfigur: die Ganze Bahn. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv 

„Grundsätzlich ergeben sich die Hufschlagfiguren meines Erachtens ganz pragmatisch aus den Erfordernissen einer systematischen, gymnastizierenden Arbeit der Pferde auf beiden Händen nach den Grundsätzen der klassischen Reitausbildung“, so Thies Kaspareit, Leiter der FN-Abteilung Ausbildung. „Einerseits zur Erreichung der Losgelassenheit, aber auch mit steigenden Ansprüchen an Stellung, Biegung, Schwung und Versammlung.“

Laura Becker

Volten sind die Alleskönner unter den Hufschlagfiguren: Stellung, Biegung und diagonale Hilfengebung werden hier abgefragt. Foto: Arnd Bronkhorst

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