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Lernen vom Fahrmeister: Michael Freund

Ü40-Reiter im Pferdesport

Pferdeliebe rostet nicht – oder doch?

Reiten ist Sport und Hobby für das ganze Leben. Trotzdem verändert sich mit der Zeit so einiges. Etwa ab 40 Lebensjahren zeigt sich der Körper meistens weniger elastisch, dafür wird der Kopf aktiver: Man wird vorsichtiger, überlegter und wissbegieriger. Das betrifft Turnierreiter, Freizeitreiter, Wiedereinsteiger wie auch Reitanfänger.

Pferdeliebe kennt kein Alter. Oder etwa doch? Foto: Christiane Slawik

Es passiert schleichend: Das Bücken zum Hufe säubern wird bedächtiger. Die Aufsitzhilfe ist willkommen – nicht nur zur Schonung des Pferderückens. Ein Galopp im kontrollierten Arbeitstempo fühlt sich so wunderbar an wie früher das Wettrennen. Beim Absitzen melden sich die Knie und am Abend der Rücken. Dafür ist die Zeit mit dem Pferd kostbarer denn je.

Lust auf Reiten

Wer rund um die 40 Lebensjahre auf dem Buckel hat und mehr am Schreibtisch sitzt als sich bewegt, erkennt sich vielleicht wieder. Aber auch Berufsreiter oder Sportler bleiben nicht ganz verschont. In dem Alter 40 plus passiert in Geist und Körper so einiges, was Veränderungen für den Reitsport mit sich zieht. Dass die Ü40-Reiter nicht wenige sind, zeigt die IPSOS-Studie von 2019: Im Reitsport macht sich generell ein Alterungsprozess bemerkbar – der Anteil der über 40-Jährigen ist seit dem Jahr 2001 von 24 Prozent auf 37 Prozent gestiegen. Diese Gruppe hat einige Gemeinsamkeiten: In diesem Alter bestimmen meist Familie und/oder Beruf den Alltag. Das Zeit fenster für Hobbys wird eher kleiner, dafür umso wichtiger als Ausgleich zu Stresszeiten. Weil das Hobby Reiten trotzdem ein lebenslanger Begleiter sein kann, müssen wir uns darauf einstellen, auf die Veränderungen reagieren und damit leben – Ausbilder können so einiges beim Training mit Erwachsenen berücksichtigen – ebenso Turnierveranstalter oder Reitvereine. Und wir Reiter selber!

Körperlich altern

Der Zahn der Zeit nagt also am Körper. Gerade bei den Pferdeleuten, die kaum Sport treiben, bilden sich Muskeln eher zurück, haben eine verringerte Dehnfähigkeit und brauchen länger Zeit, um sich nach Anstrengungen zu regenerieren. Der Knochenaufbau verlangsamt sich, der Knorpel zeigt sich manchmal abgenutzt, Sehnen und Bänder sind weniger elastisch. Reflexe werden langsamer, die Kraft weniger. Die gute Nachricht: Mit Gymnastik, Yoga, Pilates, Fitness- und Kraftübungen lässt sich dagegen steuern. Eine verbesserte Beweglichkeit macht wiederum den Kopf freier, denn der ist auch im Veränderungsprozess.

Kopfsache(n)

Mit Köpfchen reiten: Auf der einen Seite sammeln sich über Jahre Erfahrungen, von denen man im Sattel und im Umgang mit den Pferden profitiert. Mit geschärften Sinnen ans Pferd gehen, bringt manches mal mehr als körperliche Kraft – das ist das Schöne und zugleich Knifflige am Pferdesport. Auf der anderen Seite denkt der Kopf der Ü40-Reiter etwas komplexer: Das Wissen um die Verantwortung für Familie oder Beruf reitet mit, man hat von manchen Unfällen gehört oder sie selbst erlebt – das macht vorsichtig und nicht gerade lockerer. Die Vorsicht steigt, manchmal wird Angst oder ein Kontrollzwang daraus. Auch hier gibt es Gegenmaßnahmen, allen voran eine gute Ausbildung für Reiter und Pferd. Das relativiert das Risiko und schafft Vertrauen zueinander.

Ob beim Reiten, der Boden- oder sogar Freiarbeit, Pylonen sind vielseitig einsetzbar und ein einfaches Hilfsmittel um die punktgenaue Hilfengebung zu verbessern. Foto: Christiane Slawik

Ausreiten steht bei den meisten Ü40- Reitern ganz oben auf der Wunschliste. Doch auch der sportliche Wettkampf und das gesellige Beisammensein sind starke Motive, mit dem Reiten zu beginnen. Foto: Stefan Lafrentz

Ü40-Reiter sind auch im Turniersport aktiv, freuen sich jedoch gerade in den unteren Klassen über speziell für ihre Altersklasse ausgeschriebene Prüfungen. Foto: Christiane Slawik

Kindheitsträume

„Im Erwachsenenalter kann sich das Gefühl einstellen, angekommen zu sein“, erklärt Johanna Constantini, Sportpsychologin aus Innsbruck. „Die einen haben sich dafür entschieden, in ihrer Komfortzone zu bleiben und in aller Gemütlichkeit ohne Herausforderung zu reiten. Man ist ehrlich zu sich selbst, steht zu seinen Schwächen und macht das, was gefällt.“ Die anderen entdecken und folgen ihrem Ehrgeiz. Oft sind Kindheitsträume der Antrieb: Da gibt es den oder die Ü40er, der oder die sich endlich Geld, Zeit und die Möglichkeit leistet, sportliche Ziele zu setzen. Nicht selten starten in dem Alter zum Beispiel Dressurreiter erst durch bis zu den hohen Klassen. Andere hatten bis dahin noch keinen Kontakt zu Pferden, können aber den Kindheitstraum verwirklichen und lernen Reiten. Wieder andere beenden eine jahre- oder jahrzehntelange Reitpause und kehren zurück in den Sattel. Viele finden mit der Zeit fürs Pferd endlich auch die Zeit für sich. Charakteristisch für die Zielgruppe ist, dass der Anspruch steigt: an die Reitanlagen, die Infrastruktur, an die Atmosphäre in der Gemeinschaft, an verlässliche Pferdeversorgung, wenn man nicht täglich in den Stall kommt.

Nicht im Fokus

„Dennoch wird ausgerechnet die Zielgruppe der Ü40-Reiter oft vernachlässigt“, findet Markus de Ryck aus Viersen im Rheinland. Der Marketingfachmann ist Amateurreiter bis zur Klasse S. Er beobachtet seit längerem, dass viele Ü40-Reiter, gerade in den unteren Klassen A und L, den Spaß am Turnierreiten verlieren, weil die Prüfungen von jungen und geschmeidig sitzenden Mädchen dominiert werden. „Da darf man ehrlich sein: Die Chancen der Ü40-Reiter sind oft einfach kleiner, weil die Nachwuchsszene in Deutschland wahnsinnig stark ist“, gibt auch Rolf-Peter Fuß zu, Turnierrichter aus dem Rheinland. In den höheren Klassen ist die Altersstruktur zwar eher durchmischt. Allerdings ist es für die Amateure Ü40 nicht leicht, weil sie dort oft gegen Berufsreiter antreten. Das war für Markus de Ryck die Motivation, vor etwa zehn Jahren den „Dressurclub Rheinland 40plus“ ins Leben zu rufen. „Die Leute wollen eine faire Chance haben, genau wie Jugendliche oder Profis, für die es jeweils eigene Prüfungen gibt. Die 40 plus-Reiter wollen auch mal unter sich bleiben“, erklärt der Initiator. Für die Mitglieder werden eigene Turniere veranstaltet, oder Vorträge und Lehrgänge mit hochkarätigen Profis aus dem großen Sport. „Der Club ist ein Sammelbecken für Freizeitreiter mit und ohne Turnierambitionen. Der Spaß und die Geselligkeit stehen im Vordergrund. So entstand auch manches Netzwerk für das Berufsleben“, erklärt Markus de Ryck.

Was ändert sich mit 40 plus?

Johanna Constantini ist Klinische, Sport- und Arbeits-Psychologin aus Innsbruck und analysiert die Zielgruppe der 40 plus so: „Der Fokus verschiebt sich oft auf Familie oder Beruf, manchmal ist auch weniger Zeit fürs Reiten. Die Verantwortung für Familie oder Beruf oder beides ist möglicherweise höher, deshalb steigt manchmal auch die Vorsicht. Schlechte Erfahrungen oder Unfälle können ängstlich machen. Die eigene Fitness wird wichtiger, weil der ganz natürliche, körperliche Abbau im Gange ist. Je nach Lebensentwurf ist das Pferd ein Sportpartner oder Ruhepol, ein Freizeitgestalter oder mittlerweile sogar zum Beruf geworden. Eine pauschale Richtung gibt es auch mit über 40 Lebensjahren nicht, zumal Pferdesport im Gegensatz zu anderen Sportarten bis ins hohe Alter ausgeübt werden kann. Das zeitliche und finanzielle Budget jedenfalls bestimmen das Hobby mehr denn je. Und es ist auch nach wie vor wichtig, dass das Pferd zu der körperlichen Konstitution und der reiterlichen Erfahrung passt. Ein langes Reiterleben lässt Erfahrungen und Wissen sammeln, dies kann sich mehr denn je zunutze gemacht werden.“ www.constantini.at

Fortschritt im Blick

Die Lust darauf, sich reiterlich zu verbessern, eint viele Ü40-Reiter. Das ist auch das Gute am Reitsport: Egal auf welchem Niveau, jeder kann sich immer weiter verbessern, sich tief in die Materie einarbeiten. Selbst auf A Niveau kann man quasi täglich Fortschritte machen und zum Beispiel Übergänge oder Lektionen immer noch etwas feiner reiten. Mit oder ohne Turnierprüfungen, jeder, wie er mag. Der besondere Clou in den Lehrgängen des Dressurclubs ist der „Sonderpreis für die beste Weiterentwicklung während des Lehrgangs“, gesponsert von jeweils einem der zahlreichen Partner aus der Pferdesportindustrie. Der Sieger wird gefeiert und auf Social Media präsentiert. Neu ist die „Prüfung mit Sicherheit“: „Wir schreiben Dressurprüfungen aus, bei denen die Reiter mit dem Knopf im Ohr, also mit Anweisungen ihres Trainers in der Prüfung reiten“, erklärt Markus de Ryck. „Diese Sicherheit ist vielen wichtig, dann haben sie mehr Spaß daran.“ 2.000 Leute folgen der Interessensgemeinschaft, 500 aktive Reiter sind dabei. Turnierrichter Rolf-Peter Fuß bemerkt in den letzten Jahren eine steigende Qualität der Ü40-Reiter. Das führt er auf die Aktivitäten für diese Zielgruppe zurück.

Realistisches Erwartungsmanagement und eine offene, gute Kommunikation auf Augenhöhe – so wünschen sich das die meisten Ü40-Reiter. Foto: Stefan Lafrentz

Gerne unter sich. Die wenigsten Ü40-Reiter möchten zusammen mit Kindern und Jugendlichen Unterricht nehmen – und das ist wegen der unterschiedlichen Herangehensweise auch nicht unbedingt sinnvoll. Foto: Stefan Lafrentz

„Senioren“ auf dem Turnier

Andere Reitvereine schreiben einzelne Prüfungen für „Senioren“ ab 40 Jahre aus. Etwa der Reit- und Fahrverein Ostbevern im Münsterland. Im Rahmen des Sommerturniers finden A-Dressuren für Ü40-Reiter und A Springen für Ü30-Reiter statt. Der Vereinsvorsitzende Hubertus Nowag erzählt: „Wir haben das vor etwa zehn Jahren erstmals ausprobiert und der Erfolg stellte sich spontan ein: um die 35 bis 40 Nennungen gab es.“ Sponsoren für die Prüfungen habe er recht leicht finden können, weil „mancher Unternehmer auch Turnierreiter in diesem Alter ist.“ Was Hubertus Nowag bei dieser Zielgruppe beobachtet: „Das sind die, die mindestens eine Stunde vorher anreisen und danach länger bleiben: Kaffee trinken, Kuchen essen, sich an der Cocktailbar mit Leuten treffen. Die haben richtig Spaß an dem Turniertag.“ Auch im Alltag sind die Ü40er diejenigen im Reitverein, die das Reiterstübchen beleben oder beim Turnier als ehrenamtliche Helfer sehr engagiert sind.

Lerntypen

40 plus ist ein typisches Alter, in dem viele Wiedereinsteiger nach einer langen Pause in den Sattel zurückkehren. Oder gar erst mit Reiten beginnen. Dabei spielt die Unterscheidung zwischen Spät- und Wiedereinsteigern für das Reiten lernen eine wichtige Rolle: Während der Wiedereinsteiger oft recht schnell an einmal abgespeicherte Bewegungen anknüpfen kann, muss sich der Späteinsteiger auf einen langen Weg einstellen. In vielen Fällen werden die reiterlichen Fähigkeiten zwar erlernt, die Feinform – müheloses, elegantes Aussitzen etwa – wird aber nicht mehr erreicht. Da ist ein ehrlicher Ansatz seitens der Ausbilder wichtig, um Frustration vorzubeugen und Alternativen aufzuzeigen. Ausbilder sollten außerdem berücksichtigen, dass unter den erwachsenen Reitschülern diese drei Lerntypen vorherrschen: der visuelle Typ – für ihn sind vorgerittene Sequenzen oder Videoanalysen wichtig. Der auditive Lerntyp braucht Erklärungen, ihm helfen zum Beispiel Vorträge und Podcasts. Der kommunikative Lerntyp ist Anhänger des Gesprächs und Austauschs mit anderen. Er möchte Fragen stellen und Argumente sammeln. All das ist für das Bewegungslernen im „Alter“ wichtig. Das intuitive Fühlen und das unbeschwerte Ausprobieren, wie es jugendliche Reiter tun, können die wenigsten erwachsenen Reiter umsetzen.

Gar nicht so einfach der Bewegung des Pferdes jederzeit geschmeidig zu folgen – was genügend jüngeren Reitern schwer fällt, wird im Alter nicht leichter. Foto: Stefan Lafrentz

Ehrgeizig und um Fortschritt bemüht – auch das sind Ü40-Reiter. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Eigene Ansprache

Ausbilder wie Eva Potthoff aus Dülmen, Andrea Winkler aus Füchtorf, Jochen Schumacher von der FN-Reitschule Reken oder Anja Krüger von der Reitschule Schulze Niehues aus Freckenhorst haben in ihren Reitschulen viel mit Anfängern und Wiedereinsteigern zu tun. Sie sind sich einig: Anfänger im Erwachsenenalter brauchen eine besondere Ansprache und eine Rundumbetreuung, weil zum einen für diese Gruppe nichts selbstverständlich ist und zum anderen, weil Gefahrensituationen vermieden werden sollen. Das Sicherheitsdenken ist stark ausgeprägt. Da helfen Methoden, wie der 8-Tage-Crashkurs an der Reitschule in Reken: Das Herzstück ist die eingezäunte Ovalbahn. Die Anfänger reiten nicht an der Longe, sondern wie in einem umzäunten Gang und fühlen sich gut behütet.

Erfolg der kleinen Schritte

Für das Sicherheitsgefühl gibt es auch andere Methoden, etwa ein Ausritt am langen Zügel des Reitlehrers. Auch das verhindert negative Erlebnisse, die Angst auslösen. Denn jede Angst-Situation hemmt das Bewegungslernen und führt zu Rückschritten. Um das alles zu berücksichtigen, ist viel Zeit für das Training nötig. Zeit, um Lernschritte wirklich zu festigen. Lernziele sollten in kleine Portionen zerstückelt werden. „Ich lasse die Einsteiger zum Beispiel lang Leichttraben. Erst wenn die Reiter sicher ausatmen und weniger hoch aufstehen können, lasse ich sie erst einmal in den Schritt hinein aussitzen“, erklärt Anja Krüger ihren kleinen,„Trick“, das Aussitzen zu lehren. Alles gute Gründe, warum es von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in der Ausbildungs-Prüfungs-Ordnung (APO) eine Ergänzungsqualifikation für „Spät- und Wiedereinsteiger“ gibt.

Vorteil Grundfitness

Leichter tun sich diejenigen Reitanfänger, die aus anderen Sportarten kommen und eine bestimmte Grundfitness und Grundbalance mitbringen. „Solche Typen finden im Sattel schneller zur Balance“, beobachtet Anja Krüger aus Freckenhorst. „Kürzlich brachte eine treue Reiterin ihren Freund mit, der war Mitte 40, semiprofessioneller Snowboarder und wollte nach zehn Reitstunden schon auf dem Geländeplatz über die Baumstämme reiten. Der brachte eine gute Kondition und Koordination mit. Dadurch konnte er seinen Körper auf verschiedene Situationen schnell anpassen. Und er hatte keine Angst vor Geschwindigkeit – das hilft natürlich“, sagt Anja Krüger. Weil die Beweglichkeit so wichtig ist, lässt Eva Potthoff, die auch Bewegungstrainerin nach Eckart Meyners ist, ihre Reitschüler vor der Stunde kurz am Boden aufwärmen und zeigt ihnen Übungen, die sich super in den Alltag integrieren lassen: zum Beispiel Laufen auf den Zehenspitzen.

Passende Lehrpferde

Ein anderer wichtiger Punkt für die Anfänger und Wiedereinsteiger in dem Alter sind geeignete Lehrpferde: brav, sitzbequem, gut ausgebildet mit einer hohen Toleranz gegenüber Reiterfehlern. Das Pferd muss zum Reiter passen. Umgekehrt hilft es, wenn der Reiter seinen Pferdetyp gefunden hat und sich besonders wohl mit ihm fühlt. Wichtig ist, dass es den leider oft sogenannten „Gewichtsträger“ unter den Pferden nicht gibt. Kein Pferd ist für das dauerhafte Tragen schwerer Lasten konzipiert, mehr als etwa 15 Prozent des eigenen Körpergewichts sollten zur Gesunderhaltung nicht überschritten werden. „Das Thema Körpergewicht
muss man als Ausbilder offen und ehrlich ansprechen und gleichzeitig zu
Gymnastik oder Konditionstraining ermutigen“, findet Anja Krüger. 

Reiter gibt Ziel vor

Auch weil fast alle Erwachsene sich ungern reinreden lassen, gilt auch – unabhängig vom reiterlichen Können: Nicht der Ausbilder bestimmt das Ziel. Sondern der Reiter selbst. Ob das Ziel ein Schrittausritt durch das raschelnde Herbstlaub ist, ein Pferd, das bei der Bodenarbeit auf den Menschen fokussiert ist, die schwierigsten Dressurlektionen oder anspruchsvolle Springparcours: Der Idealfall ist für jeden Ü40- Reiter, wenn er vom Umfeld für das respektiert wird, was er macht. Man möchte sich ernstgenommen fühlen.

Cornelia Höchstetter

Wer als Späteinsteiger reiten lernt, braucht Geduld, Zeit und Ausdauer, denn der Lernweg ist lang. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Klappt das Reiten im leichten Sitz, kann auch im Alter noch mit dem Springreiten begonnen werden. Ein passendes Lehrpferd ist hier besonders wichtig. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv

Wer eine gute Grundfitness und ein gutes Körpergefühl aus anderen Sportarten mitbringt, tut sich auch beim Reiten leichter. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Erfahrungen der Ü40-Reiter im Pferdesport

Martin Thünenkötter, 52, aus dem Münsterland, hat vor knapp zehn Jahren mit dem Reiten angefangen.
„Als unsere Tochter in der Ponystunde ritt und ich ihr von außen sagte, wassie besser machen soll, hieß es: ‚Selbermachen statt Besserwissen‘. So kam ich aufs Pferd und hatte anfangs ganz schön Respekt vor der Größe der Tiere. An der Longe fand ich esanfangs schwierig, Gleichgewicht zu halten und merkte, dass Reiten doch nicht so einfach war, wie es aussieht. Dank der Geduld und Unterstützung durch meine damalige Reitlehrerin und ihre Schulpferde stellten sich aber Fortschritte ein und ich konnte meine Frau Rita überzeugen, auch mit dem Reiten anzufangen. Heute haben wir eigene Pferde. Mein Freiberger ist für mich ein guter Freund geworden. Mein größtes Glück sind Ausritte in der Natur.“

Nina von Manstein, 51, aus Everswinkel, ist als Jugendliche geritten und war vor einigen Jahren die klassische Wiedereinsteigerin, weil sie wegen ihrer Familie und dem Beruf als Gymnasiallehrerin lange pausiert hat.
„Als mein Sohn eines Tages strahlend vor Glück vom Therapeutischen Reiten kam, konnte ich ihm das so gut nachfühlen und habe beschlossen, auch wieder mit dem Reiten anzufangen. Ich habe mich in der Reitschule angemeldet und mich im ersten Moment gewundert, warum ich nochmal an die Longe sollte – im Sattel habe ich dann doch für die ersten Runden die Sicherheit nach der langen Reitpause genossen. Dann fühlten sich aber die Bewegungen und die reiterlichen Hilfen schnell vertraut an. Hilfreich war, dass die Lehrpferde so zuverlässig und gut ausgebildet waren. Inzwischen habe ich eine feste Reitbeteiligung und genieße das Reiten schon deshalb, weil diese Zeit nur für mich ist und ich alle anderen Themen ausknipsen kann.“

Andrea Ruland, 47, aus der Eifel, reitet seitdem sie acht Jahre alt ist und ist 2022 dank ihres talentierten Pferdes Limoncelli zum ersten Mal in der Klasse S gestartet.
„Mit etwa 40 Jahren wurde ich tatsächlich auch bedachter. Wenn ich mich erinnere, wie wir uns als Jugendliche auf die Pferde stellten, um Äpfel zu pflücken, oder wie ich früher die jungen Stuten bei den Leistungsprüfungen vorgestellt habe. Auf jedes Pferd habe ich mich gesetzt. Das ist vorbei. Ich habe in der Corona-Zeit ein zweieinhalbjähriges Pferd gekauft. Der ist inzwischen vier Jahre alt, wird aber mein letztes junges Pferd sein. Etwas Gutes hat das Alter: Wenn ich heute auf dem Vorbereitungsplatz bin, kann ich mich viel besser fokussieren. Früher habe ich mich von den Pferden der anderen Reiter blenden lassen, bekam Zweifel, ob wir da mithalten können. Heute weiß ich, dass jeder erst einmal im Viereck seine Leistung am Punkt abliefern muss. Es ist schon eine Bestätigung, dass Ehrgeiz und intensive Arbeit plus meine Erfahrung dann auch mit Ü40 zu Erfolgen führt. Nach wie vor ist die Reiterei ein toller Ausgleich zu Beruf und Familienleben. Das weiß man erst als Erwachsene richtig zu schätzen.“

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