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Seminar der DOKR-Trainerakademie

Erste Hilfe – aber richtig

Unfälle im Reitsport und im Umgang mit Pferden sind keine Seltenheit. Nicht immer gehen sie glimpflich aus. In einem solchen Fall kann und muss jeder Erste Hilfe leisten. Im Zweifel kann er damit sogar Leben retten – wenn er denn weiß, wie’s geht. Die DOKR-Trainerakademie frischte das Wissen der Bundes- und Toptrainer auf.
Die meisten Stürze gehen glimpflich aus. Falls nicht, ist schnelle Hilfe gefragt. Foto: Arnd Bronkhorst
Reiter sind hart im Nehmen. Gerade im täglichen Umgang mit Pferden sind kleine Verletzungen schnell passiert. Doch können die Auswirkungen bei einem Sturz vom Pferd oder einem Tritt auch schwerer sein. In einer solchen Ausnahmesituation ist schnelles Handeln gefragt. Klar, helfen möchte jeder. Häufig weiß aber keiner so recht, was er tun soll. Über allem steht die Angst, etwas falsch zu machen. Grundlos, wie Uwe Brolle von den First Aid Heroes klarmacht: „Es gibt ein paar Kleinigkeiten, mit denen man jedem Patienten in jeder Situation direkt helfen kann.“

Wie funktioniert ein Notruf?

  • 112 wählen Vom Festnetz immer mit der richtigen Leitstelle verbunden. Vom Handy u. U. mit einer anderen Leitstelle verbunden. Genau mitteilen, wo man ist, damit man schnell weiter verbunden werden kann.
  • Wo bin ich? Ortsangabe so detailliert wie möglich.
  • Was ist passiert? Sofern man es mitbekommen hat, z.B. Sturz oder Tritt vom Pferd
  • Wie viele Verletzte? Möglichst genaue Anzahl der verletzten Personen nennen.
  • Welche Verletzungen? Die man augenscheinlich erkennen kann, Vermutungen oder Beschwerden des Verletzten (sofern ansprechbar) äußern
  • Person bestimmen, die sich an die Straße stellt und den Rettungswagen einweist
  • Unsicherheiten äußern, man kann sich vom Leitstellendisponenten am Telefon helfen bzw. Anweisungen geben lassen, bis RTW oder Hubschrauber eingetroffen sind.
  • Hinweis geben, dass man sich auf einem Pferdebetrieb befindet, damit der RTW nicht mit Martinshorn auf den Hof fährt (und dabei evtl. Pferde erschreckt).
  • Anweisungen der Leitstelle genau befolgen.

First Aid Heroes

Die First Aid Heroes sind ein Team aus speziell geschulten Maskenbildnern und erfahrenen Rettungsdienstlern. Uwe William Brolle und Andrea Eder-Sonaike schulen Erste Hilfe nach den neuesten Erkenntnissen und unter realistischen Voraussetzungen. So auch für Ausbilder am Deutschen Olympiade Komitee für Reiterei im Rahmen der DOKR-Trainerakademie. Mehr Infos unter: www.first-aid-heroes.com
Einen Erste-Hilfe-Kurs hat zwar jeder schon einmal gemacht, sei es zu Führerschein-Zeiten oder beim Erwerb einer Trainerqualifikation. Doch meist liegen solche Kurse Jahre oder gar Jahrzehnte zurück. Im Ernstfall sind die verblassten Erinnerungen nicht sicher abrufbar. Dabei sind es nur wenige Schritte, die dem Patienten helfen oder gar das Leben retten können. So gilt es zunächst, die verunfallte Person anzusprechen – ganz gleich was passiert ist. Liegt sie am Boden, kniet der Ersthelfer sich daneben und spricht sie an. Folgt keine Reaktion, kann er lauter werden, die Person rütteln und in letzter Instanz leicht in die Schulter kneifen.

Verletzungen versorgen

Ist die Person ansprechbar, folgt die Frage nach Schmerzen und danach, was genau passiert ist. Umherstehende Personen werden angewiesen, einen Verbandskasten zu holen und den Rettungswagen zu rufen. Sind Verletzungen erkennbar, gilt es diese zu versorgen. Starke Blutungen werden mit einem Druckverband gestoppt (s. Kasten: Druckverband richtig anlegen). Bei schwacher Blutung genügt es, die Wunde mit sterilen Kompressen und einem Verband gegen Verunreinigung zu schützen. Knochenbrüche können mit einer Aluschiene aus dem Verbandskasten vorübergehend stabilisiert werden.

Druckverband richtig anlegen

1. Handschuhe anziehen! 2. Sterile Kompresse auf die Wunde legen 3. Den Verband zwei bis drei Mal umwickeln 4. Aufgewickelte Mullbinde auf die Wunde legen 5. Verband vollständig herumwickeln, um Druck aufzubauen 6. Die Enden entweder festkleben, festklammern, verknoten oder unter den Verband stecken
Generell darf man eine verunfallte Person niemals alleine lassen. Seelischer Beistand, beruhigende Worte und eine warme Decke sind in einer solchen Situation das Allerwichtigste. Kritischer wird die Situation, wenn das Unfallopfer bewusstlos ist. Dann muss zu allererst die Atmung kontrolliert werden. Dazu legt man die Hände auf den Bauch des Opfers. So lassen sich auch Unregelmäßigkeiten in der Atmung feststellen. In Bauchlage legt man die Hände unter die Kleidung an die Flanken des Patienten. Ist trotz Bewusstlosigkeit eine regelmäßige Atmung vorhanden, muss der Betroffene in die stabile Seitenlage gebracht werden. So ist das Risiko des Erstickens gebannt, sollte die Person im bewusstlosen Zustand erbrechen müssen. Ein weiterer Helfer sollte bereits den Rettungsdienst alarmiert haben. Atmet die Person nicht mehr, ist schnelles Handeln gefragt. Und zwar in Form der Herzdruckmassage und Beatmung.
Im Rahmen eines Lehrgangs der DOKR-Trainerakademie frischten Bundes- und Toptrainer ihre Kenntnisse in Erster Hilfe auf. Fotos: Monika Kaup-Büscher
Ein Unfall kann im Stall schnell passieren – gut, wenn man weiß, was zu tun ist.

Zum Helfen verpflichtet

Bei einem Sturz vom Pferd spukt in vielen Köpfen sofort das Schreckgespenst namens Rückenverletzung umher. Bloß nicht anfassen, bloß nicht bewegen, bloß nichts kaputtmachen, lautet dann fälschlicherweise die Devise. Dennoch gilt: Ist die Person bewusstlos, muss sie in die stabile Seitenlage gebracht werden, atmet sie nicht, muss sie reanimiert werden. Die Reitkappe nimmt der Helfer dem Opfer übrigens immer ab. „Sonst kann der Mund bei der stabilen Seitenlage nicht der tiefste Punkt sein“, erklärt Uwe Brolle. Der größte Fehler bei der Ersten Hilfe bleibt nach wie vor der, nichts zu tun. Denn unterlassene Hilfeleistung ist eine Straftat.

DOKR-Trainerakademie

Die DOKR-Trainerakademie macht es sich zur Aufgabe, den Pool an Spitzensporttrainern zu vergrößern – von der Bundesebene bis hin zu den Heimtrainern der Kaderathleten. Sie bietet Ausbildern auf Bundesund Landesebene sowie Berufsreitern Seminare, Workshops, Trainer-Patenschaften und weitere Modelle der Trainerbildung. Unterstützt wird die Trainerakademie von der Liselott und Klaus Rheinberger Stiftung sowie der Stiftung Deutscher Spitzenpferdesport. Mehr Infos unter: www.pferd-aktuell.de/trainerakademie    

Bei Stürzen und Tritten

Bei einem Tritt vom Pferd können im Zweifel innere Organe stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Folge: innere Verletzungen und Blutungen. Ist das der Fall, lässt sich eine deutliche Abwehrspannung an der betroffenen Stelle, beispielsweise im Bauchraum, ertasten. In solchen Fällen sollte die verunfallte Person auf die betroffene Seite gelagert werden. Der so entstehende Druck sorgt für Schmerzlinderung. Hat es den Kopf getroffen, ist ein Schädel-Hirn-Trauma häufig die Folge. Auch der Sturz vom Pferd kann ein solches Schädel-Hirn-Trauma verursachen. Man unterscheidet dabei drei Grade. Grad I bezeichnet eine Gehirnerschütterung entweder mit einer Beule oder einer Kopfplatzwunde. Je nach Größe der Wunde sollte sie chirurgisch behandelt werden. Kommen starke Kopfschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen hinzu, sollte der Betroffene mindestens 24 Stunden im Krankenhaus unter Beobachtung stehen. Grad II äußert sich mit zusätzlichem Bewusstseinsausfall, der sogenannten Amnesie, die unterschiedlich lang andauern kann. Grad III meint eine Eröffnung des Schädels. Grad II und III müssen ärztlich versorgt werden.

Reanimation

1. Bewusstlose Person auf den Rücken legen und daneben knien (Knie fest zusammen, Stabilität). 2. Oberkörper der Person komplett freimachen. 3. Im unteren Drittel des Brustbeins (zwei Fingerbreit über der Brustbeinspitze) den Handballen flach aufsetzen, andere Hand flach darauflegen, Arme durchdrücken und mit fließenden Bewegungen drei bis fünf Zentimeter tief drücken. 4. Frequenz: Kompression des Brustkorbs 100 mal pro Minute (Rhythmus „Stayin‘ alive“ von den Bee Gees). 5. 30 Mal komprimieren, dann zwei Mal beatmen (Mund zu Nase). 6. Reanimation so lange, bis RTW eintrifft (wenn möglich sollten sich alle Ersthelfer nach zwei Minuten gegenseitig ablösen). 7. Falls vorhanden: Einsatz des Automatisierten Externen Defibrillators (AED).
Der Notruf 112 vom Festnetz verbindet immer mit der richtigen Leitstelle, bei Anrufen vom Handy muss man genau mitteilen, wo man gerade ist, um schnell weiter verbunden zu werden.
Im schlimmsten Fall verursacht ein Schlag auf den Kopf oder ins Gesicht nämlich einen Schädel-Basis-Bruch. Der lässt sich am sogenannten Brillenhämatom eindeutig erkennen. Dabei laufen die Bereiche um Augen und Nase des Verletzten rötlich, violett und bläulich an. Zusätzlich kann Blut aus Nase, Ohren und Mund laufen. Ist der Betroffene bei Bewusstsein, sollte er mit erhöhtem Oberkörper gelagert werden, bis der Rettungsdienst eintrifft.

Schockierende Bilder

Eine sicher schockierende, aber im Reitsport doch sehr häufige Verletzung sind abgetrennte Finger. Wie schnell gerät ein Finger beim Anbinden versehentlich in die Schlaufe des Stricks. Erschrickt das Pferd in genau diesem Moment und wirft sich infolgedessen nach hinten, zieht sich die Schlinge um den Finger erbarmungslos zu. Aber auch wenn der Reiter sein Pferd fälschlicherweise ohne Strick allein am Ring des Halfters festhält, kann ein Finger hängenbleiben, sollte es den Kopf plötzlich hochreißen. In einem solch traumatischen Fall gilt es insbesondere, Ruhe zu bewahren. Ein abgetrennter Finger lässt sich in den meisten Fällen wieder annähen.
Ein abgetrennter Finger ist im Reitsport leider keine Seltenheit, kann aber in den meisten Fällen wieder angenäht werden. Wichtig ist, die Wunde mit einer sterilen Kompresse abzudecken und zu verbinden.
Doch zunächst muss die Wunde mit einer sterilen Kompresse abgedeckt und verbunden werden. Erleidet die Person einen traumatischen Schock, der sich mit starkem Schwindel äußert, sollte sie hingelegt und warm zugedeckt werden. Die Unterschenkel werden mit angewinkeltem Knie hochgelegt, beispielsweise auf einen Stuhl. Der abgetrennte Finger gehört in eine sterile Kompresse gewickelt in einen Plastikbeutel. Zur Kühlung legt man diesen in einen zweiten, mit kaltem Wasser gefüllten Plastikbeutel. Auf gar keinen Fall sollte man versuchen, den Finger selber zu säubern. Das ist allein Aufgabe der Ärzte im Krankenhaus.

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Herzinfarkt & Co.

Doch nicht immer sind es Unfälle, die eine schnelle Erste Hilfe notwendig machen. Auch Herzinfarkt, Schlaganfall oder der plötzliche Herztod können jedem überall begegnen. Sei es auf Veranstaltungen oder im heimischen Reitstall. Herzinfarkt wie Schlaganfall sind die Folge einer Verstopfung der arteriellen Gefäße durch ein Blutgerinnsel. Die Symptome sind nicht immer eindeutig. Bei einem Herzinfarkt klagen die Betroffenen oftmals über ein Engegefühl im Brustkorb und ein Ziehen im linken Arm, das bis in den Unterarm strahlen kann. Sie bekommen schlecht Luft, sind blass bis fahlgrau, kaltschweißig und haben blaue Lippen. Hinzu kommen teils Übelkeit und Erbrechen. Manche beschreiben allerdings auch ein Unwohlsein in der Magengegend, ein Ziehen bis in den Unterkiefer und klagen über Rückenschmerzen. Selbst beim kleinsten Verdacht auf einen Herzinfarkt sollte man nicht zögern und sofort den Rettungsdienst rufen. Bis dieser eintrifft, lagert man den Betroffenen mit erhöhtem Oberkörper, öffnet enge Kleidung und sorgt für ausreichend frische Luft. Ist die Person bewusstlos, gilt es die Atmung regelmäßig zu kontrollieren. Setzt diese aus, ist Reanimation gefragt. Viele öffentliche Gebäude sind zudem mit sogenannten Automatisierten Externen Defibrillatoren (AED) ausgestattet. Falls vorhanden, sollte man diesen unbedingt hinzuholen. Mit Sprachanweisungen erklären die Geräte die korrekte Verwendung. Sie begleiten den Anwender vom Aufkleben der Pads an den richtigen Stellen bis hin zum möglichen Defibrillieren bei Kammerflimmern. Auch das können solche Geräte erkennen. Entweder löst der Defibrillator den Elektroschock automatisch aus oder weist den Anwender an, diesen auf Knopfdruck auszulösen. Die Defibrillation ist die einzige Möglichkeit, ein Kammerflimmern zu therapieren. Denn nur so hat das Herz die Möglichkeit, seinen eigenen Rhythmus wiederzufinden. Ein Defibrillator ist auch in Fällen des plötzlichen Herztods gefragt. Dabei bricht die betroffene Person zusammen, weil ihr Herz aus unerklärlichen Gründen ein Kammerflimmern entwickelt hat.
Die stabile Seitenlage verhindert das Risiko des Erstickens.
Bei einem Schlaganfall hingegen machen sich beim Betroffenen plötzlich sensorische und motorische Ausfallerscheinungen bemerkbar. Es kommt zu Lähmungserscheinungen in Gesicht, Armen, Beinen oder sogar einer kompletten Körperhälfte.

Stabile Seitenlage

bei Rückenlage: 1. neben die Person knien 2. zugewandten Arm ausstrecken 3. gegenüberliegenden Arm auf die Brust legen 4. gegenüberliegendes Bein aufstellen 5. an Knie und Schulter fassen und die Person zu sich auf die Seite ziehen 6. Kopf überstrecken (an Stirn und Kiefer fassen und Kopf in den Nacken legen) bei Bauchlage: 1. in Blickrichtung neben die Person knien 2. gegenüberliegenden Arm nach oben ausstrecken und anwinkeln 3. zwischen die Beine in die gegenüberliegende Kniekehle fassen und zu sich nach vorne ziehen
Herunterhängende Mundwinkel, Gesichtsfeldausfall sowie Schluck- und Sprachstörungen zählen ebenso zu den typischen Symptomen. Der Vorbote eines Schlaganfalls nennt sich transitorische ischämische Attacke, kurz TIA. Diese äußert sich mit plötzlichen Sprachstörungen, den Betroffenen fällt etwas aus der Hand oder sie knicken plötzlich mit den Beinen ein. Diese Vorboten bilden sich in den ersten 24 Stunden komplett zurück. Der eigentliche Schlaganfall tritt manchmal erst nach Tagen ein, schildert Uwe Brolle und rät: „Bei Verdacht kann man die Person zunächst nach dem Datum fragen.“ Eine falsche Antwort erhärtet den Verdacht. Um Folgeschäden zu vermeiden, ist es bei einem Schlaganfall enorm wichtig, dass die betroffene Person schnellstmöglich vom Rettungsdient versorgt und zur weiteren ärztlichen Versorgung in ein Krankenhaus gebracht wird. „Das sollte innerhalb von sechs Stunden nach Auftreten der Symptome passieren“, nennt Uwe Brolle ein Zeitfenster. Bis der Notarzt eintrifft, sollte der Helfer den Betroffenen mit erhöhtem Oberkörper lagern, um den Kopf durch den eventuell erhöhten Blutdruck zu entlasten.
Uwe Brolle macht nochmals auf die wichtige Aufgabe der Ersthelfer aufmerksam: „Es gibt so viele Kleinigkeiten, mit denen man helfen kann. Angefangen beim Notruf, über die stabile Seitenlage, die Versorgung der Wunden bis hin zu Wärmeerhaltung und der psychischen Hilfe“, zählt er auf. „Wäre man selbst betroffen, würde man sich auch Hilfe wünschen.“ Er plädiert deshalb für eine regelmäßige Auffrischung der Erste Hilfe-Kenntnisse in speziellen Kursen. Seine Empfehlung: „Am besten jedes Jahr, spätestens jedoch alle zwei Jahre. Kirsten Ahrling
Auch aktiv dabei: Autorin Kirsten Ahrling wird von der Maskenbildnerin zum Unfallopfer geschminkt.

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