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Erstes Lehrpferd: Jessica von Bredow-Werndl

Was zeichnet einen guten Trainer aus?

Richtig unterrichten reicht

Ohne Trainer geht nichts im (Pferde-)Sport. Sie sind diejenigen, die ihr Wissen weitergeben, die fordern und fördern, die aus Reitschülern Pferdesportler machen, die vielleicht sogar den ein oder anderen davon zu Medaillen führen. Vorausgesetzt, sie sind gut und können gut unterrichten. Wann aber ist ein Trainer „gut”? Dr. Britta Schöffmann, selbst Sportwissenschaftlerin, Ausbilderin und Autorin, geht der Frage nach.

Ein Ausbilder sollte so erklären, dass der Reitschüler versteht, warum er etwas wie machen soll. Foto: pferdia/Inge Vogel

Die Frage, was einen guten Trainer ausmacht, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Warum? Das geht eigentlich schon los mit der Unklarheit, was ein Trainer überhaupt ist. Entsprechend des Lizenzsystems des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), an das sich auch die Amateurtrainer-Ausbildung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung anlehnt, ist jeder, der eine entsprechende Prüfung ablegt und regelmäßige Weiterbildungen nachweist, ein Trainer. Ganz gleich, ob er im Anfängerbereich, im Breitensport oder im Spitzensport aktiv ist. Und der Pferdewirt oder Pferdewirtschaftsmeister? Ist er Trainer oder Ausbilder oder Lehrer? Laut Synonymelexikon ist ein Trainer annähernd das Gleiche wie ein Pädagoge, Betreuer, Coach, Dozent, Instruktor oder Lehrer. Im Bundesliga-Fußball scheint ein Trainer dagegen der zu sein, der bei Erfolg Top-Gagen kassiert, bei Misserfolg dagegen umgehend gefeuert wird.

In der Sportwissenschaft wird die Sache noch ein wenig anders differenziert, denn da kommt eine Lernkette ins Spiel, die auf (motorischem) Lernen, Üben, Trainieren und Beherrschen/ Vervollkommnen basiert. Das heißt: Bevor überhaupt von Training, also dem zielgerichteten, planmäßigen und systematischen Prozess zur Leistungssteigerung und -optimierung, gesprochen wird, steht das Erlernen einer Bewegung im Vordergrund, unterstützt letztlich vom Lehrer und im Reitsport auch vom entsprechenden (Lehr)Pferd. Dann erst geht es ans Üben des zuvor Gelernten, wobei in der Wissenschaft damit das noch unregelmäßige Wiederholen von Übungen und Bewegungsabläufen gemeint ist mit dem Ziel, sich diese überhaupt erst einmal mehr oder weniger sicher anzueignen.

Viele Rollen

Dem Ausbilder im Pferdesport kommt in dieser komplexen Dreiecksbeziehung zwischen Schüler, Pferd und Trainer eine Vielzahl an Rollen zu. Je nach Situation fungiert er als Lehrer, Coach, Betreuer, Erzieher, Freund, Psychologe oder Ratgeber. Der gute Ausbilder weiß mit zunehmender Erfahrung, welche Funktion der Schüler braucht, um den gestellten Anforderungen gerecht werden zu können. Über allem steht aber immer noch das Wohl des Pferdes. Dessen Bedürfnisse mit denen des Schülers in Einklang bringen zu können, das ist die hohe Kunst des guten Ausbildens. Wenn schon die Begrifflichkeit so vielschichtig und kompliziert ist, wie sieht es dann erst mit der Frage nach dem „guten” Lehrer/Ausbilder/Trainer aus? Was macht den Unterschied zwischen gut, durchschnittlich und schlecht aus? Ist es der sportliche Erfolg, der die Antwort gibt? Demnach wäre der Trainer eines Gold-Olympioniken der gute Trainer und der eines medaillenlosen Freizeitreiters der schlechte. Es liegt auf der Hand, dass es so einfach nun wirklich nicht sein kann und darf. Vielmehr spielen viele Faktoren zusammen, die jede für sich von größter Bedeutung sind. Eine Standardantwort auf die Eingangsfrage gibt es nicht, wohl aber Orientierungspunkte.

Der gute Lehrer/Ausbilder/Trainer ist mit Herzblut bei der Sache.

Egal ob die Schüler jung oder alt, begabt oder unbegabt, reich oder arm sind, ob sie einmal im Monat, wöchentlich oder täglich Unterricht nehmen (können) – jeder von ihnen hat in jeder Unterrichtseinheit den hundertprozentigen Einsatz seines Ausbilders verdient. Das Dauergeplaudere mit Zuschauern an der Bande ist ebenso ein No-Go wie Telefonate oder Internet-Surfen während der Stunde, Heruntergeleier auswendig gelernter Lehrsätze oder schlicht das Nachlassen der Motivation.

Das zuvor Erklärte soll der Reiter anschließend umsetzen und erfühlen können. Foto: pferdia/Inge Vogel

Und auch unter Sicherheitsaspekten ist ein engagiertes Unterrichten wichtig, denn wer nicht richtig bei der Sache ist, übersieht eventuell aufkommende Angst beim Reiter oder Anspannung beim Pferd.

Der gute Trainer behandelt seinen Schüler so, wie er umgekehrt von ihm behandelt werden möchte.

Pünktlichkeit, Höflichkeit, Fairness, Freundlichkeit, Zuverlässigkeit – Werte, die dem ein oder anderen vielleicht altmodisch und ein wenig verstaubt erscheinen mögen, im achtungsvollen Miteinander aber bis heute immanent wichtig sind. Die Einhaltung dieser simplen Forderungen von beiden Seiten motiviert auch auf beiden Seiten. Gerade wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, muss sich in diesem Zusammenhang seiner Vorbildfunktion bewusst sein.

Der gute Trainer kann auf seine Schüler individuell eingehen.

Die Art und Weise des Unterrichtens hinsichtlich Tonfall und Wortwahl sowie der Entscheidung hin zu mehr Anweisungs- oder aber mehr Handlungsorientierung oder einer Mischung von beidem hängt individuell von jedem einzelnen Schüler ab. Ein und derselbe Ausbilder muss ein Kind anders unterrichten können als einen Jugendlichen, einen erwachsenen Späteinsteiger anders als einen Wiedereinsteiger, einen Anfänger anders als einen Fortgeschrittenen. Als Ausbilder muss ich wissen, wen ich wann etwas erst einmal ohne viele Erklärungen ausprobieren lassen kann, in welchen Situationen ich mehr erklären muss und wann ein paar Stichworte ausreichen. „Mehr Genickkontrolle!” wäre für einen fortgeschrittenen Reiter vermutlich schon ein ausreichender Hinweis, ein Anfänger würde sich dagegen vermutlich verzweifelt fragen „Und wie mach ich das?”. Hier wären Erklärungen zu Hilfengebung und Einwirkung wichtig, die der höher reitende Schüler meist nicht mehr benötigt.

Auch das Alter macht einen Unterschied im „Wie” des Unterrichtens. So können Kinder mit vielen Erklärungen und Anweisungen meist nicht viel anfangen, sie lernen schneller durch intuitives, ihnen relativ freigestelltes Ausprobieren. Erwachsene Anfänger sind dagegen häufig viel verkopfter und fühlen sich sicherer, wenn der Ausbilder ihnen genau erklärt, welche Hilfe sie wann und wie geben sollen. So, wie sich ein guter Ausbilder auf jedes Pferd einstellen kann, so sollte er sich auch auf jeden Reiter einstellen können.

Der gute Trainer bildet sich stetig weiter.

Wie heißt es so schön: Stillstand ist Rückschritt. Das gilt auch für Ausbilder, egal ob Amateur- oder Profiausbilder. Niemals sollte man sich auf seinen einmal erreichten Lorbeeren ausruhen, sondern sich selbst zu jeder Zeit auch als Lernenden begreifen. So wie man als Reiter von jedem Pferd lernt, so lernt ein Ausbilder auch von seinen Schülern, von Büchern, Fortbildungsseminaren, Konferenzen, Mentoren, Diskussionen etc. Weiterbildung ist wichtig, denn je mehr ich als Ausbilder kann – sowohl auf reiterlicher als auch auf pädagogischer Basis –, desto besser kann ich meine Schüler fördern, die Zweibeinigen genauso wie die Vierbeinigen. Die Möglichkeiten (eine davon ist zum Beispiel die traditionelle FN-Bildungskonferenz, siehe Kasten) dazu sind vielschichtig und vorhanden, man muss sie nur ergreifen.

Reitunterricht erfordert auch schon mal Körpereinsatz. Foto: pferdia/Inge Vogel

Der gute Trainer läuft nicht jedem Trend hinterher.

Der Blick über den Gartenzaun hin zu anderen (reit)sportlichen Disziplinen, neuen pädagogischen Konzepten oder psychologischen Erkenntnissen ist immer empfehlenswert – solange man selbst einen roten Faden in seinem ausbilderischen Tun verfolgt und nicht wie ein Ping-Pong-Ball von einer neuen Idee auf dem schillernden Pferdesportmarkt zur anderen springt. Dieser rote Faden ist letztlich durch die Richtlinien für Reiten und Fahren der FN vorgegeben, die Orientierung geben und damit auch eine Standardisierung ermöglichen.

Der gute Trainner weiß, wo seine Stärken liegen.

Als (ehemaliger) Spitzenreiter weiß man jede erforderliche Schenkelhilfe auch vom Boden aus und kann sie seinem weit geförderten Schüler punktgenau per knappem Stichwort vermitteln und so das Gesamtbild optimieren? Großartig! Auf der anderen Seite fehlt aber vielleicht das geduldige Verständnis für die Probleme eines weniger erfahrenen Reiters, da man sich selbst an derartige Schwierigkeiten gar nicht mehr erinnern kann oder sie nie erlebt hat. Nicht sehr hilfreich! Das gegenteilige Szenario: In der Kinderreitstunde sind schon die Kleinsten mit Eifer bei der Sache und begeistern sich für ihre Ponys ebenso wie für ihre Reitlehrerin. So soll es sein! Dieselbe Reitlehrerin verfügt aber vielleicht nicht über entsprechende eigene reiterliche Erfahrung, wenn es um das Erarbeiten und Vermitteln höherer Lektionen und Klassen geht. Hier helfen auch Bücher nicht weiter, wohl aber eine realistische Selbsteinschätzung und ein guter Draht zu Kollegen!

Stärken haben also auch etwas mit Fachlichkeit zu tun, und diese können auf unterschiedlichen Gebieten vorliegen. Während der bis in hohe Klassen selbst erfolgreiche Ausbilder auf ein riesiges Repertoire an reittechnischen Lösungen zurückgreifen und so seinen Schüler weiterbringen kann, so sind es beim anderen Ausbilder vielleicht eher die pädagogischen Fähigkeiten, die ihn ausmachen. Optimal ist es natürlich, wenn beides zusammenkommt und der Ausbilder außerdem Fach-, Sozial- und Vermittlungskompetenz im individuell für Pferd und Reiter passenden Verhältnis vereint.

Der gute Trainer kennt seine eigenen Schwächen.

Auch Ausbilder sind nur Menschen. Ungeduld, Launigkeit, Antipathien – solche Gefühlsregungen können auch einen Ausbilder mehr oder weniger beeinflussen. Wichtig ist nur, dass er sich selbst gut einschätzen kann und derartige Seelenverfassungen mit sich selbst ausmacht und nicht an seinen Schülern auslässt.

Der gute Trainer kritisiert konstruktiv.

Einfach mal regelmäßig in sich selbst hineinhorchen und überlegen, mit welchen Worten man seinen Schüler jüngst kritisiert hat. „Kein Wunder, dass dein Pferd die Stange abgeworfen hat, du bist ja auch völlig falsch angeritten” oder: „Der Außengalopp ging aber total in die Hose”. Anmerkungen wie diese mögen stimmen, sie bringen den Reitschüler aber nicht weiter, weil sie keine neue und vor allem keine zielführende Information beinhalten (die gefallene Stange oder das Ausfallen im Außengalopp haben die Reiter nun wirklich selbst bemerkt). Solch nörgelnde Kritik motiviert auch nicht gerade. Sinnvoller wären hier Hinweise, was der Reiter hätte machen können, damit
der Sprung bzw. die Lektion künftig besser gelingt, zum Beispiel „versuche beim nächsten Mal, etwas früher aus der Ecke abzuwenden, damit du passender zum Sprung kommst” und „Gib vor allem in den Ecken bewusst Galoppsprung für Galoppsprung mit dem inneren Zügel neu nach, damit das innere Hinterbein deines Pferdes Platz zum Vorspringen hat und es so sein Gleichgewicht halten kann”.

Der gute Trainer weiß mit Lob und Tadel umzugehen.

Tadel, besser in Form konstruktiver Kritik, motiviert und bringt einen Schüler durchaus weiter. Lob ebenfalls – aber nur, wenn es zum Reiter und zur Situation passt. Es bringt nichts, immer nur „gut, gut, toll, toll” zu sagen, wenn es in Wahrheit überhaupt nicht gut war. Ein Reitschüler will ernst genommen werden und das Gefühl haben, dass ihn der Ausbilder tatsächlich weiterbringen möchte. Dass auf diesem beschwerlichen Weg nicht immer alles „gut” sein kann, weiß der Reitschüler selbst. Dauerlob in Form von „Honig um den Bart
schmieren” wollen, bis auf einige Ausnahmen, die Wenigsten. Kommt im engagiert-kritischen Unterricht dann mal ein Lob, hat es eine ganz andere Wertigkeit, macht stolz und motiviert viel mehr.

Der gute Trainer hinterfragt sich immer wieder selbst.

Die kritische Auseinandersetzung mit sich selbst gehört sicher zu den anspruchsvollsten Anforderungen an einen Ausbilder. Es ist nicht nur wichtig, dass ein Reitschüler in der Stunde möglichst alles richtig gemacht und etwas gelernt hat, es ist mindestens genauso wichtig, wenn nicht gar wichtiger, dass der Ausbilder möglichst alles richtig gemacht hat. Deshalb sollte man sich immer wieder selber Fragen stellen (und beantworten): Habe ich meinen Schüler heute da abgeholt, wo er stand?

Auch im Gelände fungiert der Trainer als Lehrer, Vorbild und Motivator. Foto: Thoms Lehmann

Habe ich das mögliche Kernproblem (des Schülers/des Pferdes) erkannt und daran gearbeitet? Habe ich die richtigen Anweisungen/Hinweise gegeben? Habe ich meinem Schüler genügend Freiraum ermöglicht, Dinge selbst herauszufinden und zu erfühlen? Hat mein Schüler mich verstanden, oder gab es Missverständnisse? Hat mein Schüler mir vertraut/vertraut er mir? War ich vielleicht an der einen oder anderen Stelle ungeduldig und ungerecht? Habe ich mit meinem Schüler das heutige Ziel erreicht? Konnte ich meinen Schüler einen Schritt auf dem Weg zu selbstständigem Reiten weiter bringen? Konnte ich meinen Schüler so motivieren, dass er sich auf die nächste Stunde freut?

Der gute Trainer hat einen Plan für seine Schüler.

Es gibt einen Masterplan, der da lautet: Seine Schüler so für den Pferdesport zu begeistern, dass sie diesen über Jahre oder sogar ihr ganzes Leben lang lieben und, wenn möglich, ausüben. Daneben gibt es natürlich noch speziellere, kleinere Pläne, die aber nicht minder groß und anspruchsvoll sind: Kinder ans Pferd heranführen; Ethik und Anstand im Umgang mit Pferden, Reiten/Fahren/ Voltigieren und Sport vermitteln; unsicheren Reitern die Angst nehmen; Späteinsteiger dauerhaft gewinnen; talentierte, sportbegeisterte Kinder oder Jugendliche Richtung Sport fördern; Turniersportler begleiten hinsichtlich Training, Coaching und Karriereplanung. Letzteres sollte in
enger Abstimmung mit dem Schüler und seinem Umfeld (z.B. Eltern) gestaltet werden, damit es nicht am Ende zu Enttäuschungen kommt.

Der gute Trainer kann auch loslassen.

Jeder Trainer hat seine Berechtigung zu „seiner” Zeit – und der „gute” Trainer sollte wissen, wann es für das Weiterkommen des Reitschülers Zeit für einen anderen Trainer ist. Der eine kann eben gut mit Reitanfängern umgehen, der andere ist vielleicht der perfekte Lehrer vom Basis-Bereich bis L oder M. Und der nächste beherrscht höhere Prüfungsniveaus, kennt sich aus mit nationalen und internationalen Organisations-Anforderungen und kann deshalb den aufstrebenden Sportler vielleicht bis an die Spitze führen. Und der Top-Trainer sollte nie vergessen, dass es ohne die Arbeit der Trainer an der Basis und im Mittelbau den kommenden Sportstar vermutlich gar nicht geben würde.

Dr. Britta Schöffmann

FN-Bildungskonferenz 2018

Die 11. FN-Bildungskonferenz findet am 12. Juni im Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt Neustadt/ Dosse statt, diesmal zum Schwerpunktthema „Langjährige und systematische Ausbildungsplanung”. Die Veranstaltung kann den Inhabern von DOSB-Trainerlizenzen als Fortbildung mit 6 Lerneinheiten/Profil 3 anerkannt werden. Weitere Informationen über Referenten, Vorträge und Praxis-Demonstrationen sowie Anmeldung über das Trainerportal der FN.

Mehr zur 11. FN-Bildungskonferenz gibt es auch im PM-Forum Digital Ausgabe 4/2018 zu lesen.

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