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Ausbildungstipp von Christoph Hess

Seitengänge systematisch erarbeiten

Das Pferd geht erfolgreich Dressurprüfungen bis Klasse L. Doch nun steht der Schritt von L nach M an, der über Zwei-Sterne-L-Prüfungen entwickelt werden soll und bei dem die Seitengänge ein Knackpunkt sind. Hier heißt es: Systematisch vorbereiten und mit methodischen Übungsreihen Schritt für Schritt zum Erfolg vorarbeiten.

Herausforderung ab Prüfungen der Klasse Zwei-Sterne-L: das Reiten von Seitengängen. Foto: Arnd Bronkhorst

Frage: Mein achtjähriger Hannoveraner-Wallach und ich sind nun schon seit einigen Jahren ein Paar und nehmen erfolgreich an Dressurprüfungen der Klasse L teil. Nun peile ich für diese Saison eine Dressurprüfung der Klasse L mit zwei Sternen an. Darin sind auch erste Seitengänge wie Schulterherein und Traversalen enthalten. Diese Lektionen fallen uns noch schwer – meist gelingen ein paar gute Tritte zu Beginn, doch dann verliert mein Pferd an Schwung, der Trab wird laufend, er verwirft sich im Genick und blockiert zuweilen ganz. Haben Sie einen Tipp, wie ich das Reiten von Seitengängen systematisch und sinnvoll gestalten kann, ohne mein Pferd zu überfordern?

Mit den von Ihnen beschrieben Erfolgen haben Sie sich und Ihr Pferd in der Ausbildung schon ein gutes Stück vorangebracht. Die Dressurprüfungen der Klasse L mit zwei Sternen wurden mit der LPO 2013 ins Programm genommen, um den großen Schritt zwischen L und M zu überbrücken. Dabei spielen natürlich die Seitengänge eine entscheidende Rolle. Bevor mit der gezielten Erarbeitung der Seitengänge begonnen werden kann, muss sich der Reiter Folgendes fragen:
• Sitze ich geschmeidig im Sattel und schwinge ich gefühlvoll in die Bewegung hinein?
• Sitze ich unabhängig von den Zügeln und im Gleichgewicht?
• Bin ich in der Lage, vermehrt vom inneren Schenkel an den äußeren Zügel heranzutreiben?
Sollten Sie Zweifel bei einer dieser Fragen haben, müssen Sie zunächst Ihren Sitz und Ihre Einwirkung verbessern. Denn korrektes Reiten von Seitengängen setzt eine sichere diagonale Hilfengebung aus einem korrekten Sitz heraus voraus.

Die Basis macht‘s

Bevor Sie mit dem Erarbeiten der Seitengänge beginnen, stellen Sie bitte sicher, dass Ihr Pferd die vortreibenden Hilfen zu jeder Zeit und auf jeder Linie bedingungslos annimmt. Wir halten fest: Das Vorwärts kommt vor dem Seitwärts und dieses Vorwärts muss während der Seitengänge ständig zu spüren sein. Daher ist der erste Schritt das Sensibilisieren des Pferdes auf die vortreibenden Hilfen. Der zweite Schritt ist das Reiten von Schenkelweichen auf allen nur denkbaren Linien – von der Mittellinie zum Hufschlag oder vom Hufschlag zurück zur Mittellinie, an der offenen Zirkelseite und als klassisches Schenkelweichen an der langen Seite. Um vom Schenkelweichen zu den Seitengängen zu gelangen, ist etwas Theorie unerlässlich. Beim Schenkelweichen ist das Pferd nur gestellt und nicht gebogen. 

Erst wenn Vorübungen wie Schulterherein und Travers in sicherer Selbsthaltung und gutem Fluss klappen, sollte mit dem Erarbeiten der Traversale begonnen werden. Foto: Stefan Lafrentz

Das Pferd wird gegen die Bewegungsrichtung gestellt, es weicht dem vorwärts-seitwärts treibenden Schenkel des Reiters. In den Seitengängen hingegen ist das Pferd stets gestellt und gebogen, es bewegt sich also in Längsbiegung vorwärts, das macht den hohen Wert für die Gymnastizierung aus. Um also vom Schenkelweichen zu den Seitengängen zu gelangen, ist im dritten Schritt das Erarbeiten einer geschmeidigen Längsbiegung wichtig. In den Seitengängen hat der Erhalt der Qualität der Grundgangart immer oberste Priorität. Das Seitwärts in den Seitengängen ist zunächst sekundär, in erster Linie sind Takt, Losgelassenheit, Anlehnung und Schwung sowie die Selbsthaltung des Pferdes zu erhalten. Daran muss jeder Reiter beim Reiten der Seitengänge denken und die Lektion beenden, wenn die Qualität der Grundgangart nachlässt. Ich empfehle, vor dem Seitengang vermehrt Schwung zu holen, beispielsweise an der kurzen Seite eher an Arbeitstempo zu denken und mit den treibenden Hilfen das Hinterbein nochmals zu aktivieren, bevor daraus der Seitengang eingeleitet wird.

Schritt für Schritt

Auch für das Erlernen der Seitengänge sind methodische Übungsreihen der Schlüssel zum Erfolg: Als erste Übung bietet sich das Reiten im Schultervor an. Bei dieser Übung wird nur eine geringfügige Abstellung verlangt. Schon hier ist besonderer Wert auf den Erhalt des Bewegungsflusses zu legen. Aus dem Schultervor lässt sich dann gut das Schulterherein entwickeln, dabei bewegt sich das Pferd dann auf drei Hufschlaglinien und bringt das innere Hinterbein vermehrt unter den Schwerpunkt. Wenn Sie eine halbe lange Seite Schulterherein reiten und daraus durch die halbe Bahn wechseln und die Trabtritte verlängern, merken Sie schnell, wie gut es um die Qualität des Trabs bestellt ist. Daran anschließend macht es Sinn, Travers an der langen Seite zu entwickeln. Dabei sollte sich der Reiter mit einigen wenigen Metern in gutem Fluss begnügen und dann die Übung beenden. 

Wer eine halbe lange Seite Schulterherein, dann eine Volte und daraus eine halbe lange Seite Travers in sicherer Selbsthaltung und gutem Fluss reiten kann, darf sich an die Traversalen heranwagen. Dazu sollte zunächst Travers auf der Wechsellinie geritten werden. Ich empfehle, vom Travers direkt in das Schulterherein überzugehen. Dieser Übergang hat den Vorteil, das Pferd vermehrt für das Annehmen des inneren Schenkels zu sensibilisieren, was für das spätere Reiten guter Traversalen unerlässlich ist. Nutzen Sie immer die Ecken der kurzen Seite, um die Biegung und die Akzeptanz des inneren Schenkels zu verbessern. Ich empfehle Ihnen sogar vor Beginn der Seitengänge, Volten in die Ecken hinein zu reiten. Auf Dauer werden Sie merken, dass richtiges Ausreiten der Ecken und schwungvolles Traben und Galoppieren an der kurzen Seite wichtige Garanten dafür sind, gute Seitengänge zu reiten. Nutzen Sie die Spiegel in der Bahn oder auch Videoaufzeichnungen, um den Grad der Abstellung zu überprüfen.

Definition Seitengänge

Als Seitengänge werden Vorwärts-Seitwärts-Bewegungen mit gleichmäßiger Längsbiegung (gegen oder in Bewegungsrichtung) bezeichnet, die in entsprechender Versammlung geritten werden. Zu den Seitengängen zählen Schulterherein, Travers, Renvers und die Traversalen. Seitengänge sind ein wesentlicher Bestandteil der fortgeschrittenen Ausbildung des Pferdes. Sie fördern Gleichgewicht, Geschmeidigkeit und Durchlässigkeit. Auf dem Turnier werden ab Klasse L mit zwei Sternen Schulterherein und Traversalen im versammelten Trab gefordert, in den höheren Klassen kommen dann auch Traversalen im versammelten Galopp hinzu.

FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess Foto: FN-Archiv

Ihre Frage an Christoph Hess

Sie haben ein Ausbildungsproblem und möchten professionellen Rat? Dann schicken Sie uns Ihre Frage an FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess. Schildern Sie Ihre Schwierigkeiten beim Reiten kurz und bündig, die Redaktion wählt die Beiträge für die Veröffentlichung aus. Wenn Sie ein gutes, druckfähiges Foto haben, können Sie dies selbstverständlich mitschicken. Zuschriften bitte per E-Mail an pm-forum@fn-dokr.de.

Fazit:

Wer in der Lage ist, mit seinem Pferd Seitengänge in korrekter Weise zu reiten, ist in der Ausbildung schon weit fortgeschritten. Seitengänge verbessern die Balance, die Elastizität und die Geschmeidigkeit des Pferdes. Und damit dient die Arbeit an den Seitengängen immer auch der Gesunderhaltung – zum Wohle des Pferdes.

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