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Ausbildungstipp von Christoph Hess

Kurzkehrtwendung – ein Knackpunkt

Wer die Kurzkehrtwendung nicht beherrscht, wird es in Dressurprüfungen der Klasse L schwer haben. Diese Lektion ist eine echte Herausforderung, die manche Reiter und Pferde vor Probleme stellt. Wie die Kurzkehrtwendung gelingt, erläutert FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess.

Eine korrekt ausgeführte Hinterhandwendung. Fotos: Stefan Lafrentz; mit frdl. Genehmigung entnommen aus „111 Lösungswege für das Reiten – Methodische Übungsreihen für Reiter und Ausbilder in der dressurmäßigen Grundausbildung“ von Karin Lührs, 4. überarbeitete Auflage 2016 Hrsg.: FNverlag, Warendorf 2016.

Frage: Meinem neunjährigen Wallach fällt es schwer, aktiv abzufußen und schwungvoll mit den Hinterbeinen in Richtung unter den Schwerpunkt zu arbeiten. Jetzt sind wir gerade dabei, an den Lektionen der Klasse L zu feilen, aber insbesondere die Kurzkehrtwendung will uns einfach nicht gelingen. Im Kurzkehrt tritt er für ein bis zwei Schritte hinten mit, danach bleibt das Hinterbein stehen oder weicht aus. Haben Sie einen Tipp für mich, wie ich diese Lektion besser vorbereiten und begleiten kann, damit es mein Pferd leicht hat?

Das richtige Reiten der Kurzkehrtwendung ist die größte Herausforderung, die ein Reiter auf dem Niveau der Kl. L* zu meistern hat. Geduld und Ausdauer sind erforderlich, weil der Reiter für diese Lektion ein besonders sensibles Gefühl entwickeln muss. Es geht dabei darum, das Zusammenwirken aller reiterlichen Hilfen zu optimieren. Das Timing muss also stimmen. Der Reiter muss lernen, wann und in welcher Intensität er seine vor- und seitwärtstreibenden sowie verwahrenden Hilfen anwenden muss und wann er in welcher Dosierung seine Zügelhilfen anzunehmen bzw. nachzugeben hat. Um das Gefühl für die feinabgestimmte Hilfengebung zu entwickeln, bedarf es eines sorgfältigen und systematischen Trainings, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Ausbildung von Reiter und Pferd zu ziehen hat – und das unabhängig vom gezielten Üben der Kurzkehrtwendung.

Wie sollten Sie in Ihrem konkreten Falle vorgehen?

Ihr Pferd ist neunjährig und befindet sich auf dem Weg in die Klasse L. Ihr Pferd ist nicht mehr ganz jung, deshalb ist dem Gymnastizierungsprozess besondere Sorgfalt zu widmen, um ein hohes Maß an Geschmeidigkeit sicherzustellen. Das aktive Vor- und Unterfußen der Hinterbeine ist eine wichtige Voraussetzung, damit Sie Ihrem Pferd mit Erfolg die Kurzkehrtwendung beibringen können. Für Sie bedeutet dies, dass Sie versuchen sollten, die eher passiven Hinterbeine Ihres Pferdes zu aktivieren, damit diese zur vermehrten Lastaufnahme angeregt werden.

An den treibenden Hilfen

Welche Vorübungen sollten Sie absolvieren? Die Kurzkehrtwendung wird Ihnen gelingen, wenn Sie im Schultervor Ihr Pferd vor sich und damit an Ihren treibenden Hilfen haben. Ihr Pferd muss sensibel Ihren inneren Schenkel annehmen und Sie müssen Ihren inneren Gesäßknochen vermehrt belasten, ohne in der Hüfte einzuknicken. Dabei müssen Sie im frischen versammelten Trab oder im Arbeitstempo reiten. Auf keinen Fall darf Ihr Wallach während des Schultervors langsamer werden, sich auf das Gebiss legen oder den Einsatz Ihrer inneren Hilfen – Schenkel und Gesäßknochen – ignorieren.

Die Einleitung einer korrekten Hinterhandwendung erfolgt im Schultervor.

In diesem Falle würde das aktive Vor- und Unterfußen Ihres Pferdes beeinträchtigt, wodurch das so wichtige Beugen des inneren Hinterbeines nicht erfolgt; denn es wird in diesem Falle nicht gymnastiziert und nicht gestärkt. Beides ist für eine korrekt durchgeführte Kurzkehrtwendung von zentraler Bedeutung. Was ist noch erforderlich? Generell ist dem sorgfältigen Reiten und Ihrem losgelassenen und balancierten Sitzen Ihr besonderes Augenmerk zu schenken. Sie sollten sich vor diesem Hintergrund regelmäßig durch einen Ausbilder überprüfen lassen – und das nicht nur, wenn Sie sich dem Thema Kurzkehrtwendung widmen.

Wertvolle Tipps

1. Jede Ecke, ja, jede gebogene Linie, unabhängig vom Radius, ist unabhängig vom Einsatz des inneren Zügels zu reiten. Sie müssen versuchen, die gebogenen Linien und die Wendung aus Ihrem Sitz auszuführen. Mit Ihrem Blick und mit Ihrer Kopfhaltung antizipieren Sie die Bewegungsrichtung. Dadurch fällt es Ihnen leichter, in Bewegungsrichtung zu sitzen. Sie verschaffen Ihrem Wallach die Möglichkeit, sich selbst und Sie zu balancieren. Auf der gebogenen Linie muss Ihr Pferd „gerade gerichtet“ sein, d. h. die Hinterhand Ihres Wallachs hat der Spur der Vorderbeine zu folgen.

Die Hinterhandwendung erfolgt aus dem Halten. Mit der Vorhand soll ein Halbkreis um die Hinterhand beschrieben werden. Illustration: Cornelia Koller, Dierkshausen; mit frdl. Genehmigung entnommen aus „Grundausbildung für Reiter und Pferd, Richtlinien für Reiten und Fahren Band 1“, Hrsg.: Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN), FNverlag, Warendorf 2018.

2. Sie müssen Ihr besonderes Augenmerk auf gefühlvolle Übergänge richten. Die Übergänge vom Trab in den Schritt bieten sich hierfür in besonderer Weise an. Ihr Pferd muss im Übergang vom Zweitakt des Trabes in den Viertakt des Schrittes mit den Hinterbeinen vermehrt Last aufnehmen und weiter vor- und durchfußen. Dabei sollten Sie das Gefühl haben, dass Ihr Pferd mit den Vorderbeinen bereits im Schritt ist, während die Hinterbeine noch traben – und das in fast piaffartiger Art und Weise. Gelingt der Übergang in den Schritt, so sollten Sie nach kurzer Schrittreprise erneut antraben. Das Antraben hat auf eine dezente Hilfe hin unmittelbar aus der Hinterhand heraus zu erfolgen. Je sensibler Ihr Pferd auf Ihre Hilfen hin antrabt, desto besser sind Sie auf das gezielte Üben der Kurzkehrtwendung vorbereitet. Trabt Ihr Wallach allerdings nicht aktiv von hinten an, so haben Sie dieses von ihm durch impulsartiges Treiben unmissverständlich einzufordern.

Gezieltes Üben

Für das gezielte Üben der Kurzkehrtwendung bringt Ihr Wallach gute Voraussetzungen mit. Ihr Pferd tritt während des ersten Schrittes bzw. der ersten zwei Schritte mit seinen Hinterbeinen mit.

Damit das Stehenbleiben bzw. das Zur-Seite-Ausweichen verhindert wird, empfiehlt sich folgende Übung: Sie reiten auf leicht gebogener Linie im Schritt im Schultervor. Haben Sie dabei das Gefühl, Ihren Wallach sicher am inneren Schenkel zu haben, dann wenden Sie Ihr Pferd für einen Schritt bzw. maximal zwei Schritte ins Innere der Bahn ab, führen eine halbe Kurzkehrtwendung aus und reiten danach sofort nach vorne. Dem Stehenbleiben bzw. dem Ausweichen der Hinterbeine werden Sie auf diese Weise zuvorkommen. Damit Ihr Pferd sich in gewünschter Weise wenden lässt, empfehle ich den Einsatz einer kurze Gerte (ca. 80 cm) an der äußeren Schulter Ihres Wallachs. Dadurch veranlassen Sie Ihr Pferd, die Vorhand um die Hinterhand zu wenden, ohne dabei Ihre äußeren Hilfen – Schenkel und Zügel – stark einsetzen zu müssen. Stattdessen konzentrieren Sie sich zunächst auf den Einsatz Ihres inneren Schenkels, der Ihren Wallach zum Abfußen auffordern soll.

Durch das gleichzeitige Belasten des inneren Gesäßknochens wird sich Ihr Pferd in die gewünschte Richtung bewegen. Pferde bewegen sich in die Richtung, in die der Reiter sitzt, weil sie stets das Bedürfnis haben, ihren Schwerpunkt und den ihres Reiters in Übereinstimmung zu bringen. Wird zunächst nach maximal zwei Schritten aus der Kurzkehrtwendung heraus nach vorne geritten, so sollten Sie zufrieden sein, vorausgesetzt Ihr Pferd fußt dabei fleißig und rhythmisch hinten ab. Ist dies gegeben, dann können Sie einen dritten, später einen vierten Schritt dazu nehmen und diesen Prozess steigern bis Ihnen die ganze Kurzkehrtwendung gelingt, ja, sie Ihnen fast wie „ein reifer Apfel in Schoß fällt“.

Hinterhandwendung fehlerhaft: Reiterin sitzt nach außen.

Mit Hinterhand voraus und kreuzend, weil die Reiterin den äußeren (rechten) Schenkel zu stark einsetzt.

Fazit

Die Kurzkehrtwendung ist ein wichtige Schlüsselübung, die es systematisch zu erarbeiten gilt, um mit einem Pferd in der Ausbildung auf einem höheren Niveau langfristig voranzukommen. Gelingt diese Übung, dann werden Dressurprüfungen der Kl. L* und die Seitengänge in Dressurprüfungen der Kl. L** keine besonderen Schwierigkeiten bereiten.

FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess Foto: FN-Archiv

Ihre Frage an Christoph Hess

Sie haben ein Ausbildungsproblem und möchten professionellen Rat? Dann schicken Sie uns Ihre Frage an FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess. Schildern Sie Ihre Schwierigkeiten beim Reiten kurz und bündig, die Redaktion wählt die Beiträge für die Veröffentlichung aus. Wenn Sie ein gutes, druckfähiges Foto haben, können Sie dies selbstverständlich mitschicken. Zuschriften bitte per E-Mail an pm-forum@fn-dokr.de.

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