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Pferdemenschen: Anna Maria Sturm

„Man ist gezwungen, durchzuatmen“

Sie hat im Polizeiruf 110 ermittelt, dreht Kinofilme, spielt Theater und hat vor wenigen Monaten ihr Album ‚Nur mich‘ herausgebracht. Ein turbulentes Leben, aber Schauspielerin und Sängerin Anna Maria Sturm hat den perfekten Gegenpol gefunden – Pferde! Mit denen sie Natur erlebt, die sie erden und durch die man nicht so egoistisch denkt…

Isis war das erste Pferd von Anna Maria Sturm. Aus der Stute zog sie ein Fohlen. Foto: Barbara Koedel

PM-Forum:  Pferde gehören seit vielen Jahren zu Ihrem Leben – wie haben die Pferde und Sie zusammengefunden??

Anna Maria Sturm: Ich bin immer schon ein Pferdemädchen gewesen. Seit ich klein war, war das Pferd mein Traumtier und ich wollte schon immer ein Pferd haben. Ich bin in der Oberpfalz auf dem Land aufgewachsen, komme allerdings nicht direkt aus einer Pferdefamilie. Mein Urgroßvater war ein sehr guter Reiter beim Militär und begeisterter Pferdemann, aber in meiner Familie kam der Wunsch ‚aus mir heraus‘ und ich musste mir das Reiten eher erarbeiten bzw. erkämpfen. Ich habe als ich klein war mit Voltigieren angefangen, hatte dann aber nicht den typischen ‚Reitschul-Werdegang‘. Bei mir ging es mehr über Freunde, die Pferde hatten. Und als ich dann in der Schauspielschule war, habe ich mir mit 22 Jahren meinen großen Traum erfüllt und ein Pferd gekauft.

PM-Forum:  Erzählen Sie uns etwas über Ihren erfüllten Traum?

Anna Maria Sturm: Ich kam damals mehr durch Zufall an eine Araber-Stute, Isis. Ich hatte im Grunde kaum Ahnung, wie man das mit einem eigenen Pferd so macht und habe mir alles mit der Stute zusammen erarbeitet. Isis stand in einem kleinen privaten Zuchtstall im Bayerischen Wald und ich bin viel mit ihr ausgeritten. Das Tolle war, dass ich in diesem Stall alles lernen konnte. Die Pferde hatten dort ein wunderbares Leben und ich habe mitbekommen, wie man sie aufzieht und alles, was zur Pferdehaltung dazugehört. Ich habe mitbekommen, was es wirklich bedeutet, ein Pferd zu haben, zu pflegen, zu versorgen. Mir ist es wichtig, dass es den Tieren, den Pferden gut geht. Das tut mir dann auch gut und deshalb habe ich mich in dem Stall damals so wohlgefühlt. Und das Reiten habe ich mir dann nach und nach selbst beigebracht.

PM-Forum: Sehr schnell sind Sie auch unter die Züchter gegangen…

Anna Maria Sturm: Ja genau, ich habe aus Isis dann auch ein eigenes Fohlen gezogen, ein Stutfohlen, Nut, die ich auch heute noch habe. Isis und Nut – das sind zwei ägyptische Namen, weil es ägyptische Vollblutaraber sind. Nut ist inzwischen 13, mit ihr bin ich dann reiterlich noch viel tiefer eingestiegen, habe viel Unterricht auf ihr genommen und hatte sie einige Zeit auch in Beritt gegeben. Ich war häufig bei Marc de Broissia, einem Franzosen, der nach alten, klassischen Prinzipien reitet. Als ich ihn das erste Mal reiten sah, war ich fasziniert. Galopp-Pirouetten, Spanischer Schritt – ich dachte nur: ‚Wahnsinn!‘ Da hat es bei mir gezündet, das hat mich interessiert und begeistert mich nach wie vor. Ich fahre immer noch ab und zu zu Marc und seiner Frau Kay-Eva Jagla oder habe Unterricht bei einer Schülerin von Philippe Karl, Edith Herrmann.

PM-Forum:  Wie viel Zeit verbringen Sie neben Ihrem anspruchsvollen Job mit Ihrem Pferd?

Anna Maria Sturm: Bei mir ist es so: entweder ich habe ziemlich viel Zeit oder gar keine. Ich habe immer jede freie Minute den Pferden gewidmet und auch ziemlich viel Zeit im Auto verbracht. Schöne Ställe mit viel Koppeln drumherum findet man in der Stadt nicht, aber weil mir das sehr wichtig ist, bin ich auch schon längere Strecken aus der Stadt zum Stall gefahren. Im Moment habe ich den kürzesten Weg zum Stall, den ich je hatte – etwa 15 Minuten mit dem Auto. Im Bayerischen Wald damals bin ich gut eine Stunde gefahren. Wenn ich gerade nicht drehe oder sonst Arbeit habe, bin ich eigentlich jeden zweiten Tag im Stall. Und noch häufiger, wenn mein Pferd krank ist. Dann versuche ich wirklich jeden Tag hinzufahren. Im Moment lebe ich noch auf dem Land in der Oberpfalz, aber ich ziehe bald um nach Brüssel. Dann muss ich wieder einen neuen Stall suchen und mich wahrscheinlich auf längere Fahrzeiten einstellen.

PM-Forum:  Was ist Ihnen neben den Koppeln bei der Suche nach einem Stall noch besonders wichtig?

Foto: Jeanne Degraa

Anna Maria Sturm: Ich habe mein Pferd eigentlich immer in Herdenhaltung stehen. Es ist natürlich schwierig, eine passende kleine Herde zu finden. Seitdem ich auch noch aktiver reite, brauche ich auch gute Reitmöglichkeiten, am liebsten eine Reithalle oder mindestens einen guten Außenplatz – diese Kombination mit natürlicher Pferdehaltung und guten Reitmöglichkeiten ist unheimlich schwer zu finden.

PM-Forum:  Pferde sind Persönlichkeiten – wie würden Sie Ihre Stuten beschreiben?

Anna Maria Sturm: Meine Isis ist leider inzwischen schon gestorben, aber sie war ganz speziell. Manchmal liest man in Büchern: ‚Der Araber traut nur einem Menschen‘. So war sie. Wen sie nicht mochte, dem hat sie es deutlich gezeigt. Sie war teilweise schwierig im Umgang, hatte viel Temperament und einen starken Charakter. Und ihre Tochter ist genauso. Auch sie sagt immer ihre Meinung, ist kraftvoll und eine starke Persönlichkeit. Ich habe eine sehr starke Bindung zu ihr. Wenn es ihr schlecht geht, werde ich unglaublich nervös. Dann bin ich froh, wenn ich nicht arbeiten muss und mich in Ruhe um sie kümmern kann. Ich kenne Nut ja wirklich von Beginn an. Ich war leider nicht bei der Geburt direkt dabei, aber ein paar Stunden später. Es war für mich ein ganz tolles Erlebnis – auch das Großziehen und dass alles so toll geklappt hat. Ich habe sie am Anfang drei Monate in Beritt zu Frau Jagla und Herrn de Broissia gegeben und dann selber weiter gemacht.

PM-Forum: Ein Blick zurück auf Ihre bisherigen ‚Pferde-Erlebnisse‘ – was war ein ganz besonderer Moment?

Anna Maria Sturm: Da gibt es natürlich etliche, aber ich denke sehr gerne daran zurück, als Nut noch ein Fohlen war, ich auf Isis ausgeritten bin und Nut ist nebenher gelaufen. Das war damals im Bayerischen Wald, da ging das wunderbar. Ich habe auch viele schöne Erinnerungen an das Reiten mit Handpferd. Ich habe dann Nut geritten und meine kleine Tochter hat auf Isis, die ich als Handpferd hatte, gesessen. Inzwischen ist meine Tochter sieben und ich nehme sie auf Nut an die Longe. Das sind sehr schöne Familienerinnerungen und -momente.

PM-Forum: Ein Pferdemädchen durch und durch – warum? Was geben Ihnen die Pferde?

Anna Maria Sturm: Man kommt runter. Man ist viel draußen, spürt die Verbindung mit der Natur und muss sich auf ein Lebewesen einlassen. Dadurch ist man nicht so egoistisch und denkt nicht nur ‚menschlich‘, sondern eben für und mit dem Pferd. Mit dem Pferd in der Natur – das war damals auch der Auslöser, warum ich mir meine erste Stute gekauft habe. Es war so schön dort im Bayerischen Wald, idyllisch. Es war ein kompletter Kontrast zu meinem Schauspiel-Dasein, zu dem Leben, was ich sonst führe. Der Umgang mit Pferden erdet wahnsinnig und jeder weiß, mit Stress kommt man bei Pferden nicht weit. Man ist gezwungen durchzuatmen. Das ist so wertvoll.

PM-Forum:  Kontrast, Idylle, Runterfahren – würden Sie sagen, Sie haben von Pferden auch etwas gelernt?

Anna Maria Sturm: Ja, auf jeden Fall. Ich habe gelernt, dass man auch mal sein Ego zurückstellen muss, dass man zuhören und über sich selbst nachdenken muss. Man spiegelt sich ja auch in seinem Pferd immer wider. Meistens möchte man irgendetwas von seinem Pferd und dann muss man sich fragen: Was genau möchte ich, warum, wie möchte ich das erreichen? Muss ich mich jetzt beweisen? Warum eigentlich? Für mich bedeutet der Umgang mit Pferden, viel an sich selbst zu arbeiten – gerade auch beim Reiten.

Neben der Schauspielerei widmet sich Anna Maria Sturm in der Band „Sturm“ auch musikalischen Herausforderungen. Foto: Dovile Sermokas

Nut ist inzwischen 13 Jahre alt – mit der Tochter von Isis ist Anna Maria Sturm noch tiefer in die Reiterei eingestiegen. Foto: Barbara Koedel

PM-Forum: Das klingt so, als ob das sehr gut zu Ihrem Beruf passen könnte? Auch da müssen Sie an sich selbst arbeiten?

Anna Maria Sturm: Ständig! Und man muss kritisch mit sich selbst sein. In der Musik, beim Theater spielen – immer muss man selbstkritisch sein. Wenn man das nicht mehr ist, bringt man schlechtere Leistung. Das ist beim Reiten genauso. Und man braucht eine gute Selbstdisziplin, wenn man gut reiten möchte, und viel an sich arbeiten. Natürlich ist auch das Pferd selbst ein Faktor, aber ICH setze mich ja auf seinen Rücken. Deswegen muss man viel Respekt und Wertschätzung mitbringen und an sich arbeiten, um das Miteinander mit dem Pferd so harmonisch wie möglich zu gestalten.

PM-Forum: Wie sind die Rückmeldungen von Freunden und Kollegen auf Ihr Hobby Reiten?

Anna Maria Sturm: Ich erfahre meistens positive Rückmeldungen, aber einige Schauspiel-Kollegen sagen auch ‚Warum tust Du Dir das an mit eigenem Pferd? Das ist doch viel zu stressig und teuer?‘ Als ob ich mir mit einem Pferd ein absolutes Luxusobjekt leisten würde. Und das ist es ja inzwischen auch fast. Andere kaufen sich drei Handtaschen im Monat oder das neueste iPhone, aber das wird als normal empfunden. Ein eigenes Pferd zu halten ist eine Herausforderung, aber es ist auch wirklich schwierig geworden, mit Pferden überhaupt erst mal in Kontakt zu kommen, auch und gerade für Kinder. Es gibt kaum gute Reitlehrer für Kinder, die dann auch noch gut ausgebildete Ponys zur Verfügung haben. Das ist unheimlich schade. Es geht ja nicht nur ums Reiten, sondern auch um die Versorgung und alles andere drumherum. Das alles hat ganz viel mit Natur zu tun und das tut auch Kindern, Menschen generell gut. Eins darf man auch nicht vergessen: Pferde haben uns durch Kriege getragen und unsere Zivilisationen mit aufgebaut. Sie sind Begleiter der Menschen. Die breite Öffentlichkeit betrachtet Pferde heute als Sportobjekt und nehmen sie nur noch bei Olympia wahr. Das ist das einzige ‚abstrakte Wissen‘, das die meisten noch über Pferde haben. Bei uns herrscht nicht mehr diese ‚Pferdebildung‘, die es früher gab rund um Zucht, Haltung, die Reiterei. Diese Bildung hat nur noch eine kleine Elite oder die, die sich ein Pferd halten können.

PM-Forum: Was können wir machen, um das Pferd in unserer Gesellschaft wieder mehr zu etablieren, die Bedeutung zu stabilisieren – haben Sie eine Idee?

Anna Maria Sturm: Ich denke, man müsste die Jugend wieder mehr ans Pferd bekommen. So würden die Jugendlichen durch das Pferd auch wieder mehr an die Natur herangeführt. Die Notwendigkeit für gesunde Wiesen und Wasser wird ihnen bewusster, denn ohne das kann man keine Pferde halten. Wenn wir das alles kaputt machen, gibt es bald keine Pferde mehr. Das verstehen die Jugendlichen auch, wenn man es ihnen erklärt. Ich finde es beispielsweise klasse, wenn in Schulen auch Reitstunden angeboten werden. Sie können so viel von Pferden lernen, auch und vor allem Verantwortungsbewusstsein. Man wird es irgendwann bereuen, wenn wir keine Pferde mehr in der Gesellschaft haben. Das Problem ist: Alles wird immer teurer und das wiederum hängt nicht zuletzt mit dem Klimawandel zusammen. Die Stallbetreiber stöhnen wegen der wachsenden Kosten, die Tierarztkosten sind in die Höhe geschossen. So wird das Pferd gerade wieder zu einem absoluten Luxusgut. Das ist sehr traurig. Der Otto-Normal-Verbraucher kann sich schon fast kein Pferd mehr leisten. Die meisten Reiter sind Freizeitreiter, die ihr verdientes Geld in ihr Pferd stecken. Das hat nichts mit Luxusgut zu tun. Und mal ganz ehrlich: Es gibt viel unsinnigere Hobbys als Pferde!

PM-Forum: Wenn Sie kein Pferd hätten, was würde Ihnen am meisten fehlen?

Anna Maria Sturm: Das Draußen-Sein und die Bewegung in der Natur mit dem Pferd, dass ich das Pferd dabei schnaufen höre und auch die Stallgemeinschaft, mit der man sich austauscht. Über mein Pferd habe ich auch unglaublich viele Kontakte mit Bauern gehabt und habe ihre Probleme gehört – das bekommt man in der Stadt alles nicht mit. Für mich ist das Pferd eine Art Verbindungsglied zwischen verschiedenen Menschen, auch das ist wichtig, denke ich.

Das Interview führte Kim Kreling

Zur Person:

Anna Maria Sturm

Die Schauspielerin und Sängerin Anna Maria Sturm, 1982 in Regensburg geboren, studierte zunächst Pharmazie, bevor sie 2007 ihre Schauspielausbildung an der Otto-Falkenberg-Schule in München abschloss. Schon als Studentin stand sie mehrfach auf der Bühne der Münchner Kammerspiele, welche zu ihrer ersten künstlerischen Heimat wurde. Parallel zu ihrer Theaterarbeit begann Sturms Filmkarriere: Bereits als Schauspielstudentin wurde sie für die Hauptrolle in der Kinotrilogie: ‚Beste Zeit’ (2007), ‚Beste Gegend’ (2008) und ‚Beste Chance‘ (2014) besetzt. Es folgten weitere Fernsehrollen, wobei ihre bisher bekannteste wohl die der jungen Kommissarin ‚Anna Burnhauser‘ sein dürfte, die sie in der Krimireihe ‚Polizeiruf 110‘ bis ins Jahr 2013 verkörperte. Erste musikalische Auftritte begannen ebenfalls während ihres Schauspielstudiums; schnell entwickelte sie ihre Liebe für klassische Musik und Jazz. 2014 nahm sie ihre erste Jazz-Platte ‚Tales of Woe‘ auf, 2016 gründete sie das Trio ‚Love&Lost‘ und brachte im Januar 2024 mit ihrer neuen Band STURM ihr neues Album heraus.

Foto: Jeanne Degraa

Hintergrund:

Pferdemenschen im PM-Forum

Sie sind bekannt aus Fernsehen, Funk und Media, von roten Teppichen, als Meinungsbildner und Meinungsmacher. Doch auch wenn wir sie vor allem aus einer anderen Sparte kennen, haben sie eines gemein: Sie sind privat Pferdemenschen. Im Interview mit dem PM-Forum sprechen Prominente aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen über ihre Leidenschaft und die Liebe zu Pferden und erzählen, wie Pferde ihr Leben bereichern.

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