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Karin Link über Wohlbefinden

Upgrade für die Putzroutine

Dem Pferd nahe kommen, den Status quo des Wohlbefindens prüfen und auf die folgende Trainingseinheit vorbereiten: Putzen ist viel mehr als das Säubern des Fells und das Reinigen der Mähne und Hufe. FNverlags-Autorin Karin Link hat über die Bedeutung einer ausgedehnten Putzroutine ein Buch geschrieben und beschreibt in einem Interview, welchen Einfluss das ausgiebige Putzen auf Pferde haben kann. 

Zu Beginn der Routine putzt Karin Link ihr Pferd im Bereich des Widerrists – das ist auch die Stelle, die Pferde untereinander als erstes wählen, wenn sie mit der Fellpflege beginnen. Alle Fotos: Alexandra Vosding

PM-Forum: Wir alle putzen unsere Pferde vor der täglichen Arbeit – warum sollten wir diesem Ritual besondere Beachtung schenken?

Karin Link: Das Putzen stellt mitunter die erste intensivere Kontaktaufnahme zu meinem Pferd an diesem Tag dar. Hier bin ich dem Pferd nahe und kann meine Sinne nutzen. Nur mit den Augen kann ich das Wohlbefinden nicht so gut einschätzen. Nehme ich aber meine Hände und Finger zusätzlich zur Hilfe, kann ich eine ganz gute Einschätzung über den aktuellen Zustand des Pferdes geben. So wie bei uns auch, kann die Tagesform beim Pferd wechseln. Sie sind keine Maschinen, die jeden Tag gleich funktionieren. Sie haben sowohl eine körperliche als auch eine mentale Verfassung, für die ich beim Putzen ein Gespür entwickeln kann.

PM-Forum: Wie beginnen Sie die Putzroutine?

Link: Ich starte im Bereich der Sattellage auf Höhe des Widerrists mit der Kontaktaufnahme. Das hat einen einfachen Grund: Wenn man Pferde untereinander bei der Fellpflege beobachtet, ist das der Punkt, der meist zuerst berührt wird. Hier kann ich eine direkte Reaktion vom Pferd erwarten. Die meisten Pferde mögen es nicht, wenn ich zu Beginn direkt in ihr Gesicht fasse und sie am Kopf berühre. Sie haben Angst oder halten ihre Gefühle zurück. Wenn ich putze, bin ich aber auf eine Reaktion meines Pferdes angewiesen.

PM-Forum: Wie sehe ich, dass meinem Pferd das Putzen guttut? Wie sieht eine positive Reaktion aus?

Link: Wenn mein Pferd Gefallen an der Berührung und dem Putzen findet, dann lehnt es sich beispielsweise gegen die Bürste, formt mit dem Maul eine Schnute oder atmet hörbar durch. Wenn sich das Pferd bei einer bestimmten Körperregion allerdings unter der Bewegung wegduckt, die Oberlippe hochzieht oder die Luft anhält, dann ist ihm die Berührung unangenehm. In diesem Fall kann es helfen, an die „Wohlfühlregion“ im Bereich des Widerrists zurückzukehren und dann mit weniger Druck zur eigentlichen Körperregion zurückzukehren.

PM-Forum: Wie viel Zeit sollte ich für die neue Putzroutine einplanen?

Link: 20 bis 30 Minuten sollte ich mir für das Putzen schon nehmen. Es bringt nichts, abgehetzt im Stall anzukommen, meinen Stress auf das Pferd zu übertragen und dann zu erwarten, dass ich jetzt eine grandiose Reitstunde haben werde – das geht eher nach hinten los. Das Pferd spiegelt unsere Stimmung wider. Ich würde versuchen, einmal durchzuatmen, bevor ich mit dem Pferd in Kontakt trete. Im Idealfall lasse ich mein Handy in der Tasche und konzentriere mich ganz auf die Verbindung zu meinem Pferd. Wenn ich an einem Tag tatsächlich mal mit wenig Zeit in den Stall fahre, würde ich lieber entspannt und ausgiebig putzen, als gestresst und unter Zeitdruck zu reiten.

PM-Forum: Welche Auswirkungen hat das intensive Putzen auf mein Pferd?

Link: Ich habe beobachtet, dass Pferde, die mit dieser Strategie geputzt werden, lockerer sind. Beim Reiten zeigen sich mehr Vorwärtsdrang und sind fleißiger und kooperativer. Ich verstehe, dass das intensive Putzen am Anfang wie ein Mehraufwand aussieht. Dieser kann sich aber darauf auswirken, dass die Aufwärm- und Lösungsphase deutlich verkürzt wird. Meist stellt sich der Erfolg der neuen Putzstrategie nach zwei bis vier Wochen ein. Die Bewegungsqualität der Pferde verbessert sich, sie zeigen sich kraftvoller und konzentrierter. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Pferde nach einer intensiven Trainingseinheit schneller regenerieren.

PM-Forum: An wen richtet sich Ihr Buch „Pferde putzen – Gesundheitlicher Nutzen“?

Link: Die Putzstrategie lässt sich von jedem anwenden. Wichtig ist, dass man etwas Zeit mitbringt, um systematisch zu putzen und dabei die Pferdegesundheit zu fördern.

PM-Forum: Welche Utensilien benötige ich, um mein Pferd nach Ihrer Technik zu putzen?

Link: Ich benutze am liebsten einen runden Plastikstriegel mit kleinen Noppen. Der ist nicht teuer, liegt gut in der Hand und ist flexibel. So passt er sich wunderbar den Körperkonturen des Pferdes an.

PM-Forum: Sicher waren einige Reiter schon davon betroffen: Das Pferd hat sich verletzt und muss eine strikte Boxenruhe einhalten – wie kann ich mein Pferd in dieser schweren Zeit unterstützen?

Link: Die Boxenruhe bei Krankheit stellt eine besondere Herausforderung für das Lauftier Pferd dar. In der Situation ist es wichtig, dass ich meinem Pferd zeige, dass es nicht alleine ist und ich mich intensiv mit ihm befassen werde. Durch das Putzen biete ich meinem Pferd eine Massage und kann es mobilisieren. Das hilft enorm beim Heilungsprozess – wer lässt sich in einer schweren Zeit nicht gerne umsorgen?

Das Interview führte Christiane Pietsch.

ISBN: 978-3-88542-864-0
1. Auflage 2024
Umfang: 176 Seiten, mit vielen Fotos, Grafiken und Illustrationen
Format: 195 x 235 mm, Klappenbroschur
Autor: Karin Link

Preis 24 Euro

Karin Link macht das Putzen zu einer ausgiebigen Routine.

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