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Pferdemenschen: Stefan Aust

„Man freut sich doch unbändig!“

1972 hat Stefan Aust ein ehemaliges Forsthaus mitten im Wald bei Lamstedt entdeckt und es zu einer WohlfühlOase für Pferde um und ausgebaut. Dort genießt er täglich sein Leben mit den Pferden. Pferde als fester Bestandteil eines äußerst bewegten, aufregenden und erfolgreichen Lebens. Das PMForum im Gespräch mit Stefan Aust.

Von Kindesbeinen an faszinieren Stefan Aust Pferde, selbst züchtet er vor allem Hannoveraner – und steigt auch selbst noch regelmäßig in den Sattel. Fotos (5): Kim Kreling

PM-Forum:  Herr Aust, zäumen wir das Pferd mal von hinten auf: Sie sind Pferdemann durch und durch, züchten seit mehr als fünf Jahrzehnten Pferde und das mit großem Erfolg. Haben Sie noch einen Wunsch offen?

Stefan Aust: Ja, selbstverständlich – dass ein von mir gezogenes Pferd Aachen gewinnt! (lacht). Das ist doch klar.

PM-Forum:  Wie ging das mit Ihnen und der Pferdezucht los?

Stefan Aust: Ich bin ein Bauernsohn aus Stade. Wir hatten früher einen kleinen Hof mit Kühen und Pferden. Das ging dann alles den Weg, den es bei kleinen Bauern gelegentlich geht: Es wurde alles verkauft, aber die Pferde haben wir behalten. Das erste Fohlen, das bei uns auf die Welt gekommen ist, wurde am 6.6.66 geboren. Mein Vater hatte mal drei Stuten gekauft, Vorbuchstuten, mit ihnen haben wir gezüchtet. Dieses Fohlen war von einer dieser Stuten und von dem Hengst Duden II. Unsere Stuten, die Fohlen – das waren alles keine sehr hochwertigen Pferde und irgendwann habe ich mir mal gesagt: Ein gutes Pferd frisst auch nicht mehr als ein schlechtes. So habe ich vor vielen Jahren ein paar gute Fohlen gekauft und habe über die letzten gut 50 Jahre Pferdezucht betrieben. Ich habe neulich mit meinem Bruder Christian mal überschlagen, wie viele Pferde ich in den vergangenen 50 Jahren gezogen habe. Drei im Jahr waren es mindestens, manchmal auch mehr. Also ich denke, mit 150 Pferden kommen wir nicht aus.

PM-Forum: Pferde waren von Anfang an Teil Ihres Lebens…

Stefab Aust: Pferde waren für uns, für meine Brüder und mich, ein Teil der Landwirtschaft, wir sind so aufgewachsen. Wir hatten Pferde vorm Wagen, dann wurden sie abgeschafft und ein Holder Diesel 15 PS gekauft, den man noch mit der Kurbel andrehen konnte. Und unsere Kühe sind bei der Sturmflut 1962 ertrunken, unser Hof lag direkt an der Elbe. Danach war das für uns mit den Kühen vorbei und die Weiden, die wir hatten, waren frei. Ein befreundeter Augenarzt aus Stade hat dann seine Ponys auf unsere Weiden gestellt. Dafür, dass die beiden dort grasen durften, durften wir auf ihnen reiten. So ging das mit dem Reiten los.

PM-Forum:  Was bedeuten Pferde für Sie heute?

Stefan Aust: Im Endeffekt sind Pferde für mich ein Hobby und zwar ein ziemlich teures (lacht). Mein Freund der Aga Khan hat mal gesagt: „Wenn ich heute alle meine Pferde verkaufen würde, dann hätte ich dieses Jahr ein Plus.” Mir geht es genauso. Aber die Pferde, dieses Hobby, macht mir Spaß. Ich bin dadurch viel an der frischen Luft und ich reite gerne. Unser Hof liegt mitten im Wald. Ich kann aufsteigen und stundenlang durch den Wald reiten und das tue ich eigentlich jeden Tag mit drei Pferden – auch gerne im Winter. Den Reitplatz und die Halle brauche ich gar nicht. Deswegen bin ich für mein fortgeschrittenes Lebensalter noch einigermaßen fit: Ich bewege mich viel an der frischen Luft.

PM-Forum:  Wobei Sie nicht einfach der gemütliche Freizeitreiter sind, sondern auch immer ein bisschen Herausforderung im Spiel ist?

Die Zukunft des Pferdesports? Ohne Reiter gibt es keine Pferde mehr, dessen müsse man sich bewusst sein, sagt Aust.

Stefan Aust: Der Witz ist: Wenn man auf Pferden sitzt, muss man schon höllisch aufpassen. Ich sitze häufig auch auf jungen Pferden. Die können sich immer erschrecken, wenn ein Hirschrudel über den Weg prescht oder wenn man einem Wolf begegnet – das ist hier auch möglich. Wir haben unseren ganzen Hof eingezäunt und Wolfstore eingebaut, weil wir Wölfe auf dem Hof hatten. Neulich bin ich mit meinem Bruder ausgeritten und plötzlich rannte etwa zehn Meter vor uns eine Hirschkuh über den Weg und hinterher lief ein Wolf. Ich kann nur sagen: Dieser Wolf war riesig. Man denkt, die sind so groß wie ein Schäferhund, aber der war mindestens so groß wie ein Bernhardiner.

PM-Forum:  Sie sind nicht „nur“ Pferdezüchter und Reiter, Sie sind auch ein Pferdebesitzer, der seine Pferde im Sport vorstellen lässt – warum?

Stefan Aust: Man freut sich doch unbändig: Wir waren zum Beispiel 2023 in Bremen auf dem Turnier, da sind schon richtige Spitzenreiter am Start und das Zwei-Sterne-S war schwer aufgebaut. Es gab nur drei oder vier Nullfehlerritte und Tim-Uwe Hoffmann hat das mit meiner Flair gewonnen. Da freut man sich riesig und ist auch stolz. Im Moment gibt es bestimmt ein halbes Dutzend Pferde aus unserer Zucht, die S-Springen gehen – auch das macht große Freude.

PM-Forum: Wie viele Pferde leben zurzeit auf Ihrer idyllischen Anlage?

Stefan Aust: Wir haben im Moment 28 Pferde und zwei Fohlen. Darunter sind natürlich auch Rentner, weil wir uns von den selbstgezogenen Pferden nicht trennen. Sechs Rentner, die 20 oder älter sind, darunter unser Collin, der früher S gegangen ist und viel gewonnen hat. Mit den Rentnern läuft noch eine tragende Stute auf der Wei-
de und zwei Zweijährige. Drei weitere Stuten habe ich noch decken lassen, die kommen dann auch noch dazu. Im letzten Jahr hatte ich nur zwei Fohlen bekommen, aber dieses Jahr sind es dann hoffentlich vier. Und ich habe noch eine riesengroße Weide, da stehen zwei junge Hengste von mir und noch einige von Bekannten. Da läuft eine ganze Hengstherde. Im Stall haben wir aktuell 14 Reitpferde, alles eigene. Wir haben eine Dressurstute, die meinem Bruder gehört, alle anderen sind Springpferde.

PM-Forum: Pferde gehören nicht nur zu Ihrem Leben, sie gehören zu Ihrer ganzen Familie?

Stefan Aust: Pferde sind bei uns in der Familie fest verankert. Mein Bruder ist Arzt in Hamburg, kommt aber fast je- des Wochenende her. Antonia, meine ältere Tochter, ist eine sehr talentierte Reiterin, die aber nicht den Ehrgeiz hat, auf Turniere zu gehen. Und die jüngere, Emilie, war mal eine sehr gute Reiterin und hat auch viele M- und S-Springen gewonnen. Aber Emilie hat aufgehört, als sie angefangen hat, in Berlin Jura zu studieren. Sie ist sehr ehrgeizig, entweder sie möchte vorne mitreiten oder gar nicht. Ich bin da anders (lacht). Ich freue mich auch, wenn ich ein A-Springen gewinne. Das mache ich jetzt nicht mehr, aber vor gar nicht allzu langer Zeit habe ich das noch gemacht. Und meine Frau Katrin ist auch eine sehr gute Reiterin

PM-Forum: Was würden Sie als Ihren bisher schönsten „Pferdemoment“ bezeichnen?

Stefan Aust: Da gibt es verschiedene Momente. Das Erste, was wirklich klasse war: Ein von uns gezüchtetes Pferd, Abilaly, hat Ulf Plate geritten. Mit ihr ist Ulf in Verden freitags Zweiter in der Großen Tour geworden, hat Samstag die Große Tour gewonnen und Sonn- tag auch noch den Großen Preis – und zwar vor Meredith Michaels Beerbaum. Das war ein ganz großer Moment.

Im Norden Deutschlands zwischen Hamburg und Cuxhafen betreibt Stefan Aust einen kleinen Zucht- und Ausbildungsstall.

Austs Tochter Emilie war sehr erfolgreich bis zur schweren Klasse im Springen unterwegs – hier 2019 bei der Amateur-Tour des Hamburger Derbys mit dem von Aust selbst gezogenen Diarados. Foto: Stefan Lafrentz

PM-Forum: Und aus Sicht des Reiters Stefan Aust?

Stefan Aust: Einen meiner größten Erfolge habe ich in einer „Spezialprüfung” gehabt. Auf dem Hamburger Derby gab es mal ein Paarspringen, jeweils ein Amateur und ein Profi im Team. Damals bin ich mit meinem Freund Achaz von Buchwaldt zusammen geritten – und wir haben gewonnen. Bei der Siegerehrung standen wir beide vorne und es war der Amateur, der den Ausschlag gegeben hat. Damals habe ich mich umgedreht und hinter uns standen Ludger Beerbaum, Nelson Pessoa und Co. und ich habe die Siegesrunde angeführt. Das war definitiv auch ein besonderer Moment.

PM-Forum: Pferde als Hobby – ernten Sie manchmal verblüffte Reaktionen dafür?

Stefan Aust: Meine Freunde und Bekannte wissen alle, dass ich eigentlich Bauer bin und mit Pferden zu tun habe. Aber als ich noch Chefredakteur des SPIEGEL war, habe ich schon erlebt, dass die Leute gesagt haben: „Das kann doch nicht sein, dass der Chefredakteur was mit Pferden zu tun hat. Das geht überhaupt nicht.” Das gab’s. Aber ich weiß nicht, warum.

PM-Forum: Hat der Pferdesport ein gesellschaftliches Problem oder nicht – wie würden Sie die aktuelle Lage einschätzen?

Stefan Aust: Doch – das Standing des Pferdesports hat in der Gesellschaft ein Problem, weil es Aktivisten gibt, die der Meinung sind, es ist schon Tierquälerei, sich überhaupt auf ein Pferd zu setzen, ein Zaumzeug anzulegen und es im Stall einzusperren. Aber die wissen einfach nicht Bescheid und die meisten von ihnen wollen auch nicht aufgeklärt werden.

Sie wollen keine Tatsachen wissen, sie wollen an ihrem Glauben festhalten. Damit muss man leben. Da muss man sich sagen: Wenn ihr nicht wollt, dann eben nicht. Dann merkt ihr nicht, was euch an Vergnügen und Spaß entgeht. Wenn man die Reiterei abschaffen will, dann bedeu- tet das, dass man die Pferde abschafft – dessen muss man sich bewusst sein. Ohne Reiter gibt es im Endeffekt keine Pferde mehr. Es kann schon sein, dass wir in 20 Jahren nicht mehr reiten dürfen, aber das ist bei mir dann egal, weil ich in 20 Jahren sowieso nicht mehr reite (grinst).

Stefan Aust mit seinem langjährigen guten Freund und Derbysieger Achaz von Buchwaldt. Gemeinsam haben die beiden schon eine Team-Spezialprüfung Profi-Amateur beim Hamburger Derby gewonnen – damals vor Größen wie Ludger Beerbaum und Nelson Pessoa.

PM-Forum: Was würden Sie sagen: Haben Sie von den Pferden etwas gelernt?

Stefan Aust: Ja, dass man sie fordern muss, aber nicht überfordern darf. Bei Menschen ist es ähnlich: Ich weiß, dass man Leute dazu bringen muss, eine Höchstleistung zu bringen, aber man darf sie nicht dadurch dazu bringen, dass man sie überfordert. Wenn man bei Pferden immer so weit geht, bis die Stange runterfällt und das zu oft passiert, dann geht man nicht mehr höher. Ein Beispiel: Meine Stute hat neulich ein schweres Springen gewonnen, aber gestern hat sie am Wassergraben gestoppt, was sie normalerweise nicht macht. Deswegen haben wir das Turnier am Folgewochenende abgesagt. Da mussten wir ein bisschen zurückschrauben. Man darf sie nicht überfordern.

PM-Forum:  Bei so vielen selbst gezogenen Pferden und aktuell 30 Pferden in Ihrem Stall – kann man trotzdem noch von einer emotionalen Bindung sprechen?

Stefan Aust: Die meisten Leute, die sich mit Pferden beschäftigen, haben eine sehr enge emotionale Beziehung zu ihren Pferden. Was meinen Sie, wie schwer es mir fällt, überhaupt ein Pferd zu verkaufen? Das fällt mir echt schwer, aber manchmal geht es nicht anders.

Das Interview führte Kim Kreling.

Zur Person:

Stefan Aust – der Journalist

Stefan Aust wurde am 1. Juli 1946 in Stade geboren und wuchs dort mit vier Geschwistern auf dem elterlichen Bauernhof auf. Schon während seiner Schulzeit engagierte sich Aust bei der Schülerzeitung des Athenaeum Gymnasiums. 1966 begann er seine Arbeit als Redakteur bei der Zeitschrift „konkret“. Er war Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks, arbeitete 14 Jahre für das Fernsehmagazin Panorama und übernahm 1988 die Chefredaktion für das „SPIEGEL TV Magazin“. 1994 bis 2008 war Aust Chefredakteur von DER SPIEGEL Printausgabe, gründete zwischenzeitlich eine Produktionsfirma und war Geschäftsführer der SPIEGEL TV GmbH.

Foto: Wikimedia Commons/HagenU

Ab 2009 war Aust in der Agentur Agenda Media involviert, an der Produktionsgesellschaft N24 Media beteiligt und als Autor für die ZEIT aktiv. Seit 2014 ist Aust Herausgeber der Tageszeitung Die Welt. Aust ist Autor zahlreicher Fernsehdokumentationen, hat Bücher zu politischen Themen verfasst und kann auf eine Reihe bedeutender Auszeichnungen blicken.

Hintergrund:

Pferdemenschen im PM-Forum

Sie sind bekannt aus Fernsehen, Funk und Media, von roten Teppichen, als Meinungsbildner und Meinungsmacher. Doch auch wenn wir sie vor allem aus einer anderen Sparte kennen, haben sie eines gemein: Sie sind privat Pferdemenschen. Im Interview mit dem PM-Forum sprechen Prominente aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen über ihre Leidenschaft und die Liebe zu Pferden und erzählen, wie Pferde ihr Leben bereichern.

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