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Pferdehaltung im Fokus

Augen auf bei der Pensionsstallsuche!

Gruppenhaltung und Einzelhaltung, artgerechte Fütterung, Sozialkontakt zu Artgenossen, Ausläufe und die vorhandenen Trainingsmöglichkeiten gegeneinander abgleichen – bei der Suche nach dem perfekten Stall für seinen geliebten Vierbeiner hat sich so mancher Pferdebesitzer bereits Nächte um die Ohren geschlagen. Ohne Frage: Für jeden sieht der „perfekte“ Stall ein kleines bisschen anders aus. Und trotzdem – es gibt gewisse Kriterien, um einen guten Pensionsstall zu erkennen und auszuwählen.

Alle Fotos: FN-Archiv

Fütterung

Dauerfresser Pferd legt sein physiologisches Urverhalten immer noch an den Tag: Viel hochwertiges Raufutter und kurze Fresspausen sind grundlegende Fütterungsaspekte für ein gesundes Pferd. In der Natur frisst das Pferd bis zu 16 Stunden am Tag, der Verdauungsapparat ist auf stetige Nahrungszufuhr ausgerichtet. Fresspausen von maximal vier Stunden sollten in der Pferdehaltung deshalb nicht überschritten werden. Um die regelmäßige Nahrungsaufnahme zu gewährleisten, ist ausreichendes Raufutter ein wichtiger Aspekt. Mindestens 1,5 bis 2 Kilogramm Raufutter pro 100 Kilogramm Körpergewicht sollten täglich zur Verfügung stehen. Auch Futterstroh kann einen Teil des Bedarfs abdecken. Zur Gesunderhaltung sollte das Raufutter außerdem stets vor dem Kraftfutter gegeben werden.

 

Tipp:

Stellen Sie vor Ort die Frage, wie oft und in welcher Reihenfolge Raufutter und Kraftfutter gefüttert werden. Wie wird die Raufutterportion berechnet? Außerdem können Sie sich im Stall von der Heuqualität überzeugen. Gutes Heu riecht aromatisch, ist staubarm und hat eine oliv- bis hellgrüne Farbe.

Bewegung

Einfach Pferd sein: In den Sommermonaten stundenlang im Schritt über die Weidefläche bewegen und dabei kontinuierlich rohfaserhaltiges Futter aufnehmen, entspricht dem natürlichen Verhalten. In den Wintermonaten stehen Ausläufe oft eingeschränkt zur Verfügung, doch das ganze Jahr über muss die freie Bewegung gesichert sein. Laut Leitlinien* muss sich das Pferd täglich mehrstündig, also mindestens zwei Stunden lang, frei und kontrolliert bewegen können. Dabei muss jedes Pferd täglich freie Bewegung ausüben können – unabhängig der Wetterverhältnisse. Ein Auslauf zählt als Fläche für freie Bewegung, wenn die Mindestmaße laut Leitlinien erfüllt sind und das Pferd selbstständig zwischen allen drei Gangarten wählen kann. Flächen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, bieten entspre- chend keine ausreichende Möglichkeit für freie Bewegung. So verhält es sich auch mit dem Kleinauslauf vor der Box bei Paddockboxen: Die „Terrasse“ vor der Box bietet Abwechslung, aber keine Möglichkeit zur freien Bewegung. Diese muss entsprechend zusätzlich angeboten werden.

 

Tipp:

Fragen Sie den Stallbetreiber nach der Anzahl von Weiden und Winterausläufen. Auch das Weidemanagement und die Frage, wie viel Zeit das Pferd täglich in den Ausläufen verbringt, sind wichtige Eckdaten für den Pferdebesitzer.

Größe von Boxen und Bewegungsflächen

Die Leitlinien geben auch Mindestgrößen für Boxen und Ausläufe vor. Beispielsweise gilt als Boxenfläche für ein einzeln gehaltenes Pferd die Formel (2 x Widerristhöhe)² als Minimum, bei Laufställen ohne getrennte Funktionsbereiche gilt die gleiche Formel für die Liegefläche pro Pferd. Auslaufflächen müssen mindestens 150 m² für zwei Pferde bieten, für jedes weitere Pferd kommen 40 m² hinzu. Bei Pferdeboxen gilt tatsächlich „Je größer, desto besser!“ als Leitspruch.

 

Tipp:

Achten Sie auf unterschiedliche Boxengrößen vor Ort, diese müssen im Verhältnis zur Widerristhöhe des Pferdes passen. Bedenken Sie bei der Stallauswahl, dass zu kleine Boxen eine negative Auswirkung auf sowohl Wohlbefinden als auch Bewegungsapparat des Pferdes haben.

ACHTUNG: Verletzungsgefahren!

  • Sowohl Fenster aus Glas und andere, aus zerbrechlichen Materialien bestehende Gegenstände, als auch Stromkabel und Leitungen, die sich in einer von den Pferden erreichbaren Höhe befinden, müssen gesichert sein.

 

  • Erfahrungsgemäß sind Stababstände, Spalten und sonstige Öffnungen mit einer Weite von ca. sechs bis 30 cm risikobehaftet und im gesamten für die Pferde zugänglichen Bereich wegen des erhöhten Verletzungsrisikos zu vermeiden.
  • Bei Heu- und Strohraufen ist beispielsweise darauf zu achten, dass die Pferde nicht in sie hineinsteigen oder mit den Hufen durch die Stäbe schlagen und hängen bleiben können. Der Stababstand von Senkrechtstäben für Raufen beträgt höchstens fünf cm, Durchfressgitter sollten einen Abstand von 30 bis 35 cm aufweisen.
  • Bei Weiden und Ausläufen ist auf defekte oder unzureichende Einzäunungen zu achten. Übrigens: Frei-liegende Spiralen bei Torgriffen und Torfedern sowie die Verwendung von Stacheldraht und anderen Metalldrähten sind tierschutzrelevant, ausgenommen sind gut sichtbare Elektrodrähte.

 

Tipp:

Achten Sie vor Ort auf risikobehaftete Abstände zwischen sechs und 30 Zentimetern und prüfen Sie die Weidezäune auf pferdegerechte Einzäunung.

Sozialkontakt in Gruppen- oder Einzelhaltung

Pferde sind in Gruppen lebende Tiere, für die soziale Kontakte zu Artgenossen unerlässlich sind. In jeder (Einzel-) Pferdehaltung ist mindestens Sicht-, Hör- und Geruchskontakt zwischen den Tieren sicherzustellen. Außerdem ist Sozialkontakt für jedes Pferd während der freien Bewegung, zum Beispiel in der Gruppe auf der Weide, wünschenswert. Hier muss natürlich eine harmonische Gruppenzusammenstellung berücksichtigt werden.

 

In der Gruppenhaltung ist das richtige Management entscheidend, damit alle Pferde ihre Grundbedürfnisse befriedigen können. Mit ausreichend Fressplätzen und genügend großen Liegeflächen kommen auch rangniedere Tiere zu ihrem Recht. Der aufmerksame Pferdebesitzer sollte unbedingt beobachten, ob alle Tiere ruhig und entspannt wirken. Ständige Verletzungen durch Beißereien und Tritte gehören nicht zum Alltag im Bewegungsstall, sondern deuten auf einen Mangel im Management bzw. ein unzureichendes Verhältnis von Fress- und Liegeplätzen zur Anzahl der Pferde hin.

 

Tipp:

Fragen Sie den Stallbetreiber, wie neue Pferde in die bestehende Gruppe auf der Weide oder im Bewegungsstall integriert werden. Beobachten Sie, wie die Herde zusammengesetzt ist.

Stallklima

Licht und Luft sind unerlässlich für das Steppentier Pferd. Gerade in einer Boxenhaltung ist darauf zu achten, dass ein gutes Klima im Stall herrscht. Wer einen Stall im Sommer begutachtet, sollte unbedingt auch nachfragen, wie die Belüftung der Boxen im Herbst und Winter gehandhabt wird. Denn auch bei regnerischen Witterungsverhältnissen und Frost sind die großen, leistungsstarken Lungen des Pferdes auf ausgiebige Frischluftversorgung angewiesen. Feuchte Boxenwände deuten auf unzureichende Belüftung hin. Übrigens: Das menschliche Empfinden von Wärme und Kälte ist kein Indikator für das Temperaturempfinden des Pferdes!

 

Tipp:

Achten Sie darauf, welche Türen und Fenster bei Ihrem Besuch verschlossen sind. Bei Paddockboxen können Sie nachsehen, ob eine Tür vorhanden ist. Fragen Sie den Stallbetreiber, wie die Belüftung des Stalles im Winter gehandhabt wird.

Faktor „Mensch“

Der Betriebsleiter und verantwortliche Personen im Pferdebetrieb müssen umfangreiche Kenntnisse und Fähigkeiten rund um Pferde und ihre Haltung vorweisen können. Welche Qualifikation und Erfahrung hat der Betriebsleiter? Diese sollten regelmäßig aufgefrischt werden – die Welt steht ja bekanntlich nicht still. Hierzu zählen unter anderem ein sinnvolles Entwurmungskonzept und regelmäßige Impfungen, ein Konzept für die Integration und auch für die Quarantäne von Pferden.

 

Schließlich bleibt noch der Pferdebesitzer, denn „jeder Jeck ist anders“ hinsichtlich Reitweise, Ansprüchen an den Stall und seinen favorisierten Details. Trotzdem lohnt etwas Objektivität, denn an erster Stelle sollte immer Rücksicht auf die Anforderungen des Pferdes genommen werden, die zwar nicht für jedes Tier pauschalisiert werden können, aber trotzdem immer noch denen eines Steppentieres aus der Natur entsprechen – egal ob Hannoveraner oder Shetlandpony.

Cosima Meyer

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