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Persönlichkeiten der Pferdeszene: Gabriele Boiselle

Die Magie der Pferde

Gabriele Boiselle hat die ganze Welt bereist, um rund um den Globus Pferde zu fotografieren. Ihre Bilder zeigen nicht nur das Pferd, sondern spiegeln den Charakter, die Energie und pure Faszination wider. 40 Jahre Pferdefotos – was braucht es für ein gutes Bild, Frau Boiselle?

Alle Fotos: Jacques Toffi

Brunhilde ist die erste, die Gabriele Boiselles Besucher begrüßt. Brunhilde ist ein Hund – aber auch unter Kälbern würde der 72 Kilogramm schwere germanische Bärenhund ob der Statur kaum auffallen. Doch so massig die Hundedame ist, so freundlich ist sie auch. Und immer an der Seite von Gabriele Boiselle, die sich nicht bücken muss, um über Brunhildes Kopf zu streicheln. Die beiden stehen in der Tür von Boiselles Büro und Archiv, der „Edition Boiselle“. Es ist Teil des alten Hofs ihrer Familie mitten in Speyer, dem Voglerhof, auf dem schon die Pferde des Großvaters in der Scheune standen. Der dann umgebaut wurde in Wohneinheiten mit besonderem Charme, Fachwerk, Holzbalken an den Decken, einem Eingangsbereich mit großen Holztoren, und einem riesigen Kastanienbaum im Innenhof, durch dessen Äste die Sonnenstrahlen fallen. Das Archiv erreicht man über eine kleine Brücke und sofort tritt man ein in Gabriele Boiselles Welt: Pferdekalender.

Im Reich der Kalender

Sie stehen, liegen und stapeln sich in verschiedenen Größen und Ausführungen überall. Die Wände sind vollbehangen mit Fotos oder vollgestellt mit Büchern. Gabriele Boiselle steht mittendrin und lächelt ihr Lächeln. Das blonde Haar fällt ihr locker über die Schulter. Seit über 40 Jahren fotografiert die 70-Jährige Pferde. Jährlich bringt sie über 30 Kalender in ihrem eigenen Verlag auf den Markt, vor allem in der Serie „Fascination“ und „Passion Pferd“, die weltweit vertrieben werden. Und sie hat etliche Bücher geschrieben über Pferderassen und Pferdemenschen. „Pferdefotografie aus Leidenschaft“ ist das aktuellste zum 40-jährigen Kalenderjubiläum. Es kommt frisch aus der Druckerei und ist ein Buch über ihr Leben, ihre Reisen, ihre Abenteuer und ihren persönlichen Weg mit der Fotografie. Es ist ihr eine Herzensangelegenheit nach all den Jahren mit den Pferden, von all ihren schönen, lehrreichen und faszinierenden Begegnungen zu erzählen. Ihre Fotos umweht meist ein Hauch von 1001 Nacht. Da sind weiße, schwarze und braune Araber mit glänzendem Fell in der Wüste von Jordanien, Berberpferde mit traditionellen Zäumungen in Marokko und prachtvolle PRE unter der Sonne Andalusiens. Man taucht ein in eine Traumwelt, in der die Pferde ihre Eleganz, ihre Kraft und ihre Dynamik präsentieren. Galoppierende Friesen mit wallenden Mähnen bis zum Boden, unerschrockene Isländer in der rauen Natur Islands, Haflinger in den Alpen, stattliche Schwarzwälder Kaltblüter in Marbach, Paso Peruanos in die Anden und Quarter Horses in den USA.

In der Welt zuhause

Als „Pipi Langstrumpf von Speyer“ bezeichnet Fotograf Jacques Toffi seine langjährige Kollegin. Sie ist neugierig und offen, tatkräftig, packt an und macht sich die Pferdewelt so schön und vielfältig, wie sie ihr gefällt. Aus ihren Augen blitzt die Reiselust, die nach wie vor ungebrochen ist. „Ich bin zu Hause, wenn ich unterwegs bin.“ Bereist hat sie schon die ganze Welt – mit ihrer Kamera und im Sattel – Europa, Afrika, Asien, Australien, USA, Südamerika und Kanada sind nur einige Destinationen. „Reisen zu Pferde ist die einzige Möglichkeit, bei der man die Menschen und ihre Kultur wirklich kennenlernen kann. Die Sättel unterscheiden sich vielleicht und wie man sie auflegt, aber am Ende ist es immer dasselbe: Wir sitzen auf dem Pferderücken und das verbindet. Was die Pferde auf der ganzen Welt für uns tun, ist unglaublich“, betont Gabriele Boiselle, die von sich selbst sagt, dass sie nicht religiös, aber spirituell ist. Ihre oberste Prämisse für ihre Reisen ist immer: im Sattel bleiben. Nach einer ihrer Islandtouren hatten sich alle Schrauben ihrer Kamera gelockert. Zurück im deutschen Fachgeschäft sparte sie sich den Versuch, im Detail zu erklären, was Tölt ist, aber dass wirklich jede Schraube locker war, überraschte die Fachleute dann doch.

Um den Charakter und die Ausstrahlung des Pferdes perfekt einfangen zu können, scheut sich Gabriele Boiselle nicht, ungewöhnliche Posen einzunehmen.

Im Reich der Kalender: Gabriele Boiselle baute ihren eigenen Kalenderverlag auf.

Sternzeichen Pferd

Gabriele Boiselle ist 1954 in Speyer geboren und als Einzelkind aufgewachsen. Noch bevor sie begann, Pferde zu fotografieren, waren sie schon längst Teil ihres Lebens. „Ich war von Anfang an sehr verbunden mit Pferden. Mein chinesisches Sternzeichen ist das Pferd. Als Kind habe ich immer vom Pferd geträumt. Das erste Wort, das ich gesagt habe, war ,Hühott’. Ich bin überzeugt, dass ich in einem anderen Leben ein Pferd war.“ Ihre Familie betrieb ein eigenes Kiesgeschäft. Ihre Mutter Margarethe Boiselle-Vogler war in den 50er-Jahren die jüngste Frau, die einen LKW-Führerschein gemacht hat. Sie hat als junge Frau die Firma selbst gegründet, ohne Mann. Sie war SPD-Stadträtin und mit 99 Jahren noch im Büro. Ihr Vater war Architekt und ist viel gereist. „Von ihm habe ich meine Neugier auf fremde Menschen und fremde Länder“, erzählt die Fotografin.

Glauben an das Gute

Schon als junge Frau bereiste Gabriele Boiselle Europa und Indien, Äthiopien und Tunesien. Sie übernachtete in einem marokkanischen Berberzeltlager, wurde im Südjemen als Geisel genommen und floh im Sudan vor einem Choleraausbruch. Das hielt sie aber nicht ab, wieder ihre Koffer zu packen. Ihre Eltern wussten, dass sie sie nicht aufhalten konnten. „Heute würde das so nicht mehr gehen, aber damals habe ich nur die allerbesten Erfahrungen gemacht. Ich hatte nie Angst um mein Leben. Mein Vater war ein visionärer Mensch. Er hat mir mitgegeben, an das Gute in den Menschen zu glauben. Wenn du an das Gute glaubst, kann dir das nicht genommen werden. Ich bin außergewöhnlichen Menschen begegnet, habe wundervolle Orte entdeckt, habe herrliche Pferdepersönlichkeiten kennengelernt und habe ganz sicher mich selbst erkennen und schätzen dürfen.“ Beeindruckt und beeinflusst in ihrer ganzen Arbeit wurde die 70-Jährige von Linda Tellington-Jones, Frédéric Pignon, Magali Delgado und Kenzie Dysli, über die sie auch eigene Bücher verfasst hat.

Prägende Trakehner

Zu Hause betreibt Gabriele Boiselle eine eigene, kleine Trakehnerzucht, mittlerweile in der vierten Generation. Besonders prägend für ihr Leben war ihr Trakehnerhengst Falkenwind, der in ihren Armen geboren und mit stolzen 37 Jahren auch in ihren Armen gestorben ist. „Er war mein Freund, mein Schutzengel und mein Lehrmeister“, sagte sie. „Er konnte mich lesen und verstehen und hat mir einige der wichtigsten und härtesten Lektionen meines Lebens erteilt. Er war das Pferd meines Lebens, das ich mir so immer gewünscht hatte und auch das Glück hatte, es selbst zu züchten. Sein Vater war der elegante Trakehnerhengst Mahagoni und seine Mutter die Trakehnerstute Feenwind, die ich als Fohlen gekauft hatte und die abstammt vom legendären Donauwind.“ Wenn sie nicht auf Reisen ist, vergeht kein Tag, an dem Gabriele Boiselle nicht bei ihren Pferden ist – im Moment sind es zwei Warmblüter und zwei Shetlandponys, mit der ihre langjährige Mitarbeiterin Sandra Kutsche fährt. Die kleine Herde steht am Rande von Speyer inmitten eines Wohngebiets, direkt am Haus ihrer inzwischen über 100-jährigen Mutter mit Boxen, großem Paddock und Wiesenflächen. „Ich kann mir ein Leben ohne Pferde nicht vorstellen.“

Mit ihrer Kamera im Gepäck bereiste Gabriele Boiselle schon die ganze Welt – immer auf der Suche nach dem perfekten Pferdefoto.

Egal ob Friesen mit wallender Mähne oder anmutig galoppierende Araber – Gabriele Boiselle hatte sie alle vor der Linse.

 Am Rande von Speyer hält Gabriele Boiselle eine kleine Herde – es vergeht kein Tag, an dem sie nicht bei den Pferden ist.

Im Auftrag der Prinzessin

Ihre Foto-Passion begann mit Arabern. Sie flog nach Kairo und fotografierte. In Jordanien lernte sie erst einen Araber- Züchter und dann die Prinzessin von Jordanien kennen, Prinzessin Alia Al Hussein. Für sie fotografierte sie die königlichen Pferde für einen Kalender. Das war 1985 und Gabriele Boiselles erster Kalender. Dieses Exemplar schickte die Prinzessin nach Kalifornien, zur Redaktion des „Arabian Horse World Magazine“. Die brachten eine Geschichte über die Prinzessin mit Gabriele Boiselles Bildern – und plötzlich hatte sie einen Namen. Für das Magazin fuhr Boiselle schließlich auch nach Russland und begleitete dort die erste Araberauktion. Sie reiste nach Polen, Italien und Spanien. „Damit war ich Pferdefotografin.“

Kollektion Boiselle

Sie fotografierte, reiste, schrieb und baute sich mit ihrem langjährigen und inzwischen verstorbenen Lebensgefährten Paul in den Eicken, einem Grafiker, ihren eigenen Kalenderverlag auf. Sie fotografierte für den König von Marokko und den König von Bahrain. Sie bot Fotoreisen an und gibt nach wie vor Fotokurse. Darüber hinaus gibt es eine ganze Papierwarenkollektion mit ihren Motiven: Lesezeichen, Mauspads, Sticker und vieles mehr. „Parallel zu meinen Reisen machte ich auch Sportfotografie, die mich zu den Olympischen Spielen und Weltreiterspielen weltweit brachte, von Stockholm bis nach Den Haag und Rom. Ich stand neben Werner Ernst, Jacques Toffi, Arnd Bronkhorst und Bob Langrish in der Aachener Soers. Ich weiß noch, wie ich mich in meinen Anfängen neben den Herren im Parcours platzierte. Am Sprung musste man mit den damaligen Kameras früher auslösen, um die optimale Phase des Pferdes über dem Sprung zu erwischen. Neben mir klickten alle Kameras und meine Kamera löste einige Bruchteile von Sekunden später aus – verpasst! Alle drehten sich zu mir um. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.“

Kernkompetenz Pferdefotografie

Gabriele Boiselle ist den langen Weg der analogen Kameras bis in die heutige digitale Welt gegangen – angefangen mit Papierabzügen in schwarz-weiß und Farb-Diafilmen mit 36 Bildern pro Film. „Ich habe bestimmt 40 Prozent meines Lebens mit Dias zugebracht.“ Wenn jemand vor einem steht, der 40 Jahre lang Pferde fotografiert hat, drängt sich die Frage aller Fragen auf: Wie fotografiert man ein Pferd? Handwerklich antwortet die Expertin so: „Pferde sind wirklich schwierig zu fotografieren. Man muss nonverbal mit ihnen kommunizieren. Das ist ein schmaler Grat. Aber man ist auch konzentrierter dadurch. Ich fotografiere mittlerweile am liebsten mit 1,8 (Lichtempfindlichkeit) plus 200 mm (lange Brennweite). Bei 2,8 plus 300 Festbrennweite erzielt man eine bessere Qualität.“ So weit so technisch. Und was braucht es sonst? „Man braucht das Auge dafür, zu sehen, was in das Bild muss. Und dann ist am wichtigsten darauf zu achten, wie das Pferd am besten herauskommt. Manche nehmen Pferde als Modell für ihre Fotografie, aber die Emotionen kommen nicht rüber. Die Essenz eines Bildes ist aber die Ausstrahlung und der Charakter eines Pferdes. Man muss Emotionen ausstrahlen, dann fangen Pferde an, sich darzustellen. Ich brauche Leidenschaft, Passion. Ich muss das Pferd im Energiefluss haben und wissen, wie es reagiert. Fotos fangen die Aura der Pferde ein. Und in Fotos kann ich zeigen, was man nicht erzählen kann.“

Gespür fürs Pferd

Wer denkt, Gabriele Boiselle kommt zu einer Shooting-Location und hat dann sofort ihre Kamera in der Hand, irrt. „Ich kann nicht gleich losknipsen. Ich muss zu dem Pferd, das ich fotografieren soll, erst einmal eine Verbindung aufbauen. Ich setze mich in die Box oder in die Herde. Lege meine Hand auf das Fell und fühle, wie es dem Pferd geht. Ob es nervös ist, müde, entspannt. Das ist ein intuitives Gespür. Wenn ich eine Verbindung zum Pferd habe, kann ich es fotografieren. Das ist das Schöne. Fotografie ist für mich nur ein Vorwand, das andere Erleben zu können. Ich fotografiere aus und durch die Liebe zum Pferd.“ Darum geht es auch in den Fotoseminaren, die Gabriele Boiselle gibt. Sie erläutert verschiedene Techniken. Viel mehr geht es aber darum, ein Auge für ein Bild zu entwickeln, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ein besonderes Foto entsteht und wie man durch die Kamera hindurch eine Verbindung zum Pferd aufbauen kann. Sie werde fotografieren, so lange sie ihren Arm heben kann, betont Gabriele Boiselle. Pferde zu fotografieren, macht sie glücklich.

Laura Becker

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