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Ausbildungstipp: Wenn das Pferd bodenscheu ist
Persönlichkeiten der Pferdeszene
Der Mann mit der Melone
Sein Platz war an den Einritten der großen Turniere,als Steward sorgte er für Ordnung: Franz Peter Bockholt. Der Norddeutsche ist den Reitern weltweit bekannt – mit Charme, Roller und Melone. Das Leben eines umtriebigen Pferdemannes.
So kennt man Franz Peter Bockholt: Die schwarze Melone ist sein Markenzeichen und bei seinen Einsätzen rund um den Globus war sie stets seine liebste Kopfbedeckung. Alle Fotos: Jacques Toffi
Die Melone – das ist sein Markenzeichen. Wenn er im Einsatz war, dann nur mit der schwarzen Kopfbedeckung. Und Einsätze hatte Franz Peter Bockholt viele, die letzten 30 Jahre als Chefsteward, Richter und Parcourschef auf Turnieren deutschlandweit und rund um den Globus. Als Steward den Überblick zu behalten, Abläufe organisieren und mit den Reiterinnen und Reitern im Gespräch sein – das war vor allem sein Ding. Er stand an den Einritten der großen Turnierplätze, stellte sicher, dass kein Reiter zu früh in den Parcours ging und am Ende alle Platzierten zur Siegerehrung parat standen und er hatte das sekundengenaue Timing der Fernsehübertragungen im Blick. Allen voran war er etliche Male beim Hamburger Spring- und Dressur-Derby in Verantwortung, seinem Haus- und Hofturnier. Denn Franz Peter Bockholt ist Hamburger durch und durch.
Umtriebiger Geist
Er ist 1944 in der Hansestadt im Stadtteil Klein Borstel geboren und aufgewachsen, hat im Norden der Stadt den mitgliederstärksten Reitverein Norddeutschlands aufgebaut, ein Pferdetransportunternehmen
gegründet und von Hamburg aus die ganze Welt bereist. Bis heute lebt der 80-Jährige im Hamburger Stadtteil Hummelsbüttel auf einem alten Bauernhof, unweit der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein. In einem der Gebäude hat der Landesverband der Reit- und Fahrvereine Hamburg seit zehn Jahren seinen Sitz. Franz Peter Bockholt ist Präsident des Verbandes. In der Einfahrt des Hofes begrüßt ein lebensgroßer Kunststoff- Rappe mit Blesse und vier weißen Fesseln die Besucher nebst einer Kuh, die schon vor dem Einzug der Pferdemenschen dort stand. „Als wir einzogen und die Kuh sahen, haben wir gesagt: Dann muss da auch ein Pferd hin“, erzählt Kai Haase, Geschäftsführer des Verbandes und Bockholts vertrauter Kollege.
Die Zusammenarbeit ist nochmal enger geworden, seit Franz Peter Bockholt letztes Jahr durch einen Schlaganfall aus dem Tritt kam. „Von jetzt auf gleich“, erzählt er. „Man lernt, dass man einen Gang zurückschalten muss. Es hat eine Weile gedauert, bis ich wieder auf den Beinen war. Aber jetzt geht es wieder. Es ist ein Segen, dass der Verband hier ist.“Franz Peter Bockholt ist noch nicht ganz wieder hergestellt, aber kann mit einem Elektroroller, den man auch von seinen Turniereinsätzen her kennt, Touren unternehmen. Das Gefährt stellt er stolz auf dem Hof vor, erklärt die Funktionen und dreht ein paar Runden. Mit Melone. Ein Bild aus früheren Tagen. Eine der Melonen, Bowler wie man auch sagt, von Franz Peter Bockholt hat eine besondere Geschichte. Sie ist ein Geschenk von Rosemarie Springer, der mittlerweile verstorbenen Grand Dame des Dressursports, erfolgreich bis auf olympisches Parkett in den 50er- und 60er-Jahren. Eine Erinnerung an Bockholts Verbundenheit zum Sport.

Immer noch mobil: Der E-Roller leistet Franz Peter Bockholt bei seinen Touren gute Dienste.
In die Wiege gelegt
Fast noch besser bekannt ist er überall als „Fränzchen“ Bockholt – sein Vater hieß Franz, daher wurde aus dem Sohn Fränzchen. Dabei: „Ich mag das eigentlich gar nicht so gern hören.“ Also lieber Franz Peter Bockholt. Sein Vater war seines Zeichens ebenfalls Reiter, hatte einen kleinen Reitstall und war bis Klasse S erfolgreich im Springsattel – und vererbte seinem Sohn die Leidenschaft fürs Reiten. Franz Peter Bockholt wuchs mit zwei Geschwistern und Pferden auf. Seine Karriere konzentrierte sich mehr auf den Springsattel, wobei er auch eine S-Dressur (auf einem geliehenen Pferd) gewann.

Mit Archipel erritt sich Franz Peter Bockholt Weltcuppunkte.
Im Parcours verdiente er sich das Goldene Reitabzeichen, teils auf selbstgezogenen Pferden. Nach seiner Schulzeit, die er auch auf einem Internat in Süddeutschland verbrachte, absolvierte er eine Lehre in der Landwirtschaft. Sein Vater starb, als er 18 Jahre jung war. Das war Anfang der 60er Jahre. Franz Peter Bockholt stellte sich auf seine eigenen Beine. Er kaufte einen Reitstall in Hamburg-Hummelsbüttel und gründete 1974 den Reitverein Rehagen-Hamburg, bis heute einer der mitgliederstärksten Vereine. Er baute den Rehagen zu damaliger Zeit bis in die 2000er Jahre zum „Zentrum des Springreitens“ auf, wie es Kai Haase beschreibt. Es standen bis zu 120 Pferde auf der Reitanlage und der Verein veranstaltete Turniere, Hallen-Reitchampionate, Drei Länder- Championate, die weit über Hamburg hinaus bekannt und beliebt waren. „Wir hatten zwei Reithallen – das hatte damals sonst niemand“, so Franz Peter Bockholt. An den Start gingen Größen wie Tjark Nagel, Michael Rüping, Karsten Huck, Breido Graf zu Rantzau und Peter Luther. „Das waren noch Zeiten!”
Ein besonderer Auftrag
Ganz „nebenbei“ betrieb der junge Franz Peter Bockholt eine Spedition für Pferde. „Als Pferdehändler zu arbeiten, kam für mich nicht in Frage.“ An einen besonderen Speditionsauftrag, der so gar nichts mit Pferden zu tun hatte, kann er sich noch heute erinnern: zwei Baby-Elefanten aus Bangkok. Die beiden Schwergewichte nahm Franz Peter Bockholt am Hamburger Hafen in Empfang, holte sie zu sich in den Stall nach Rehagen, bevor er sich um den Weitertransport zum Staatszirkus nach Russland kümmerte. „Wir hatten die beiden Elefanten im Stall stehen. Die hatten so eine Kraft schon allein wegen ihres Gewichts, dass sich die Boxenwände bogen“, erzählt der Senior. „Sie streckten ihre Rüssel durch die Fenster, da waren die Pferde, die draußen vorbeigingen, sehr skeptisch. Dieser Auftrag war eine Erfahrung.“
Platzierungen in Hülle und Fülle
Zwischen 1970 und 2000 nahm Franz Peter Bockholt erfolgreich an nationalen und internationalen Turnieren teil und gewann diverse Springprüfungen der schweren Klasse. Insgesamt errang er viele, zum Teil internationale Siege und mehr als 230 Platzierungen. Seine besten Pferde waren Archipel, mit dem er Weltcuppunkte erritt, der selbstgezogene Lambo R v. Landgraf aus der Confiance, mit dem er die meisten Siege in schweren Prüfungen gewann, und Locksly, mit dem er im dänischen Spring-Derby auf dem zweiten Platz landete. „Bevor Locksly zu mir kam, hieß er Lila Launebär. So wollte ich aber nicht losreiten. Er war mein erfolgreichstes Pferd.“ Locksly war das erfolgreichste, Archipel sicherlich das größte Pferd, auf dem Franz Peter Bockholt gesessen ist. Stolze 1,93 Meter Stockmaß wollen erst einmal geritten sein. Auch im Hamburger Spring-Derby. „Auf dem Wall war das schon sehr hoch“, sagt er in seiner trockenen Art. Der Wall misst drei Meter. Plus 1,93 Meter. Höhenangst wäre da wohl fehl am Platz. „Ich war immer der Typ Gefühl und intuitives Reiten, das hat funktioniert. Ich habe das immer nur gefühlt“, beschreibt der 80-jährige sein Können im Sattel.
Nicht nur als aktiver Reiter nahm Franz Bockholt am Turniersport teil. 1981 absolvierte er die Richtergrundprüfung und erhielt die S-Qualifikation als Parcourschef. Für den Landesverband der Reit- und Fahrvereine Hamburg e.V. engagierte er sich ab 1982 als Landesjugendwart, später dann ehrenamtlich als Landestrainer der Springreiter und wurde schließlich 2002 zum Präsidenten gewählt. In den 2000ern wurde er als internationaler Springrichter anerkannt, außerdem als FEI-Steward. Für den internationalen Dachverband war er weltweit unterwegs.

Ein Mann mit vielen Talenten: Neben dem Amt als Richter besitzt Franz Peter Bockholt auch die S-Qualifikation als Parcourschef.

Die Pferde sind das Leben von Franz Peter Bockholt – manchmal fressen sie ihm sogar aus der Hand.
Wenn man Franz Peter Bockholt fragt, welches Event ihm am meisten in Erinnerung geblieben ist, sagt er: das Reitturnier in Kuala Lumpur. Aber auch das „Royal Equestrian & Camel Festival Oman“, eine Veranstaltung des Sultans von Oman. „Dort war ich als Steward und Ablaufleiter tätig. Es war ein Event mit 1.000 Pferden und Kamelen. Nachts hatten wir minus 4 Grad, tagsüber plus 40 Grad.“
Immer einen Spruch parat
Zwischen 1982 und 2013 züchtete er Holsteiner, Oldenburger und Deutsche Reitpferde. Aus der von ihm geförderten Holsteiner Linie 5085 entstammen so erfolgreiche Pferde wie Lambo R, Rmf Charly, Caladon B, Salusa Secunda B und Calimehtar B. Franz Peter Bockholt war Vizevorsitzender im Referat Leistungssport und ist seit 2002 Präsident des Landesverbands Hamburg. In diesen Funktionen wirkte er maßgeblich an der Messe HansePferd in Hamburg mit. Er ist seit rund 50 Jahren Vorstandsmitglied des Norddeutschen und Flottbeker Reitervereins, der seit über 100 Jahren das Spring- und Dressur-Derby ausrichtet. Bockholt war regelmäßig Teil des Organisationsteams und über 30 Jahre Derby-Chefsteward. „Er steht mit beiden Beinen auf der Erde, hat immer einen guten Spruch parat, bleibt aber konsequent, wenn es drauf ankommt“, hat ihn einst Achaz von Buchwaldt beschrieben.
Pferdemensch durch und durch
Bereits 1994 wurde Franz Peter Bockholt mit dem Deutschen Reiterkreuz in Bronze und zehn Jahre später mit dem Silbernen Reiterkreuz der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) ausgezeichnet. 2014 ehrte ihn die FN für sein Lebenswerk mit dem Reiterkreuz in Gold. „Franz Peter ist ein Pferdemann durch und durch“, beschreibt Kai Haase das Leben des 80-Jährigen. „Man hat ihn gehört, bevor man ihn gesehen hat. Ein Haudegen, der mit dem Auto zur Führerscheinprüfung gefahren ist.“ Franz Peter Bockholt hat den Flugschein absolviert, ist im Fernsehen in den 80er Jahren in einer ARDSerie aufgetreten und hat Schauspieler Curd Jürgens gedoubelt. Nach seiner Familie ist die Bookholtstwiete in Hamburg-Ohlsdorf benannt. Der bekannte Ohlsdorfer Friedhof gehörte der Familie. Kapelle eins ist nach wie vor das Bockholtsche Familiengrab. Franz Peter Bockholt war 50 Jahre lang mit der Tierärztin Monika Bockholt-Homann verheiratet, mit der er Sohn Sebastian hat, der selbst auch erfolgreicher Springreiter und Reitsportfunktionär ist und seit 2010 die Leitung des Pferdezentrums am Rehagen innehat. Zwei Enkelkinder bringen mittlerweile Leben in die Bude. „Pferde sind mein Leben – schon immer gewesen“, stellt er kurz und knapp fest. Im Gedächtnis sind ihm Pferde geblieben wie der bildschöne Schimmel Milton unter John Whitaker, der so viele Pferdebegeisterte fasziniert hat, Abdullah, der bis heute das erfolgreichste Trakehner Springpferd ist, und Hugo Simons ET auf dem Derby. „Was ich auch nie vergessen werde, ist Cassandra Orschel als sie das Derby gewonnen hat. Sie kam aus meinem Stall.“

Mit Archipel erritt sich Franz Peter Bockholt Weltcuppunkte.
Doch Franz Peter Bockholt kann sich nicht nur für den Springsport begeistern, er weiß auch, was im Dressurviereck los ist. Er habe die Dressurpferde immer bewundert, betont er. Totilas sei ein Highlight für ihn gewesen. Rückblickend sagt er mit etwas Wehmut in der Stimme: „Ich war früher immer unterwegs, häufig mehr als 42 von 52 Wochen im Jahr. Nun ist es an der Zeit, die Dinge ein wenig ruhiger anzugehen …“ Franz Bockholt hat auf seinem E-Roller abgebremst. Er nickt kurz zum Abschied, die Melone sitzt.
Laura Becker
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