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Lernen vom Voltigiermeister: Kai Vorberg

„Ich l(i)ebe Pferdesport!“

2012 – Curiosity wurde auf dem Mars abgesetzt, Biene Maja feierte ihren 100sten Geburtstag, London war Gastgeber der Olympischen Spiele und – es war das Jahr des Umbruchs für Kai Vorberg.

Mehr als ein Jahrzehnt gehörte Kai Vorberg zu den Top-Voltigierern weltweit – seine Kür als Mozart (links) ist unvergessen. Fotos: Arnd Bronkhorst (li.), Stefan Lafrentz (re.)

Im März 2012 legte Kai Vorberg die Prüfung zum Pferdewirtschaftsmeister ab. Im April heiratete er seine Freundin Nina im historischen Rathaus zu Warendorf. Im Mai begann er als Nachwuchsführungskraft (NFK) bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in der Abteilung Ausbildung und Wissenschaft bzw. beim Deutschen Olympiade Komitee für Reiterei (DOKR) und stand seither Bundestrainerin Ulla Ramge als Disziplintrainer zur Seite. Im Sommer 2012 beendete er seine aktive Voltigier-Karriere und wurde im Rahmen des CHIO Aachen feierlich aus dem großen Sport verabschiedet. Kurz danach startete er sein Studium an der Trainerakademie in Köln. Was für ein Jahr! 2012 steht stellvertretend für Kai Vorberg als Person: zielstrebig, fleißig, passioniert, emotional und absolut begeisterungsfähig, vor allem wenn es um Pferde und Pferdesport geht.

Feuer wird entfacht

Seine Mutter Brunhilde Vorberg, kurz ‚Bruni‘, und seine vier Jahre ältere Schwester Katja haben die Pferdebegeisterung bei Kai in jungen Jahren entfacht – erst kam die Reiterei, dann das Voltigieren. Wie fast alle Voltigier- Karrieren begann auch die von Vorberg in einer Gruppe. Mit dem Team JRG Köln wurde er 1996 und 1997 Deutscher Vizemeister. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte er seine Passion nicht nur zum aktiven Voltigiersport, sondern auch zum Trainer-Dasein entdeckt. So begann er bereits 1997 im erforderlichen Mindestalter von 16 Jahren, Gruppen der JRG Köln zu trainieren und Pferde auszubilden. „Sicher waren in diesen jungen Jahren mein Wille und mein Ehrgeiz oft größer als meine eigentliche fachliche Kompetenz. Aber das habe ich über die Jahre durch kontinuierliche Weiterbildung aufzuholen versucht. Für mich war immer der Mensch hinter dem Athleten und der Charakter hinter dem Pferd, mit dem man arbeitet, entscheidend!“ 2001 wurde Vorberg Cheftrainer in Köln. Er betreute nationale und internationale Athleten auf Championaten bis einschließlich 2011.

Akribisch erfolgreich

Nach dem Abitur 2001 ging er zur Bundeswehr und wurde im Januar 2002 Mitglied der Sportfördergruppe Warendorf. „So konnte ich mich als Zeitsoldat hervorragend meinem Sport widmen“, erklärt der Pferdepassionierte. Bis 2003 war er Zeitsoldat, danach bereitete er sich akribisch – typisch Vorberg – auf die Weltmeisterschaften 2004 und 2006 vor. Beide Male brachte er WM-Gold mit nach Hause. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts sammelte Vorberg neben den beiden WM-Titeln außerdem zweimal WM-Silber, zweimal EM-Gold, viermal EM-Silber und wurde achtmal Deutscher Meister – Rekord! Insgesamt hat er zwölf Medaillen auf 13 Welt- und Europameisterschaften gesammelt und war zwischen 1997 und 2010 in jedem Jahr durchgehend für die Nationalmannschaft nominiert. Es war ein Bandscheibenvorfall, der ihm zwei Jahre später die Entscheidung zur Beendigung seiner aktiven Laufbahn abnahm.

Und nun: Bundestrainer!

Sofort nahm Vorberg die nächste Herausforderung in Angriff: ein dreijähriges, berufsbegleitendes Studium an der Trainerakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Köln. Im Oktober 2015 schloss er das Studium als „staatlich geprüfter Diplom Trainer DOSB“ mit der Bestnote 1,0 ab. Während dieser Zeit war er bereits als Co-Bundestrainer aktiv. Im Juli 2016 wurde er in Anerkennung seiner Verdienste zum Voltigiermeister ernannt, 2023 hat er das Amt des leitenden Bundestrainers von Ulla Ramge übernommen. Zweifelsfrei: Der zweifache Familienvater hat schon jetzt den deutschen Voltigiersport geprägt – nicht zuletzt durch seine legendäre Mozart-Kür, mit der er Tausende begeisterte.

Kim Kreling

Schon in den letzten Jahren stand Kai Vorberg Bundestrainerin Ulla Ramge als „Co“ zur Seite. Nun hat er das Amt von ihr übernommen. Foto: Daniel Kaiser

Kai Vorbergs Ausbildungstipp:
Dressurarbeit und kleine Schritte

Galopp in Richtung Versammlung mit relativer Aufrichtung bei gleichbleibendem Tempo und gleichbleibender Zirkellinie – das ist die „Hauptlektion“ für das Voltigierpferd. Aber: Es macht einen Unterschied, ob ein Pferd im Einzelvoltigieren, Pas de Deux oder für eine Gruppe eingesetzt wird. In Pflicht oder Kür kommen ganz unterschiedliche Übungen vor. Ob sich der Voltigierer „nur“ in der Nähe des Gurtes bewegt – das ist hauptsächlich bei der Pflicht der Fall – oder beispielsweise über ein Rad zum Außenbodensprung kommt, die Anforderungen an das Voltigierpferd sind vielfältig und ebenso sollte es auch ausgebildet sein.

Reiten als Grundlage

Das Wichtigste ist die Galoppade und die hängt zunächst mit der Grundqualität eines Pferdes zusammen, aber natürlich auch mit der reiterlichen Ausbildung. Dafür steht in der dressurmäßigen Ausbildung die geraderichtende Arbeit im Vordergrund. Ein gutes Voltigierpferd sollte einen gut durchgesprungenen Außengalopp beherrschen und sich auch im Außengalopp in Konterstellung selbst tragen und ausbalancieren können. Das lässt sich nur in der dressurmäßigen Arbeit unter dem Sattel erreichen. Es ist eine Grundvoraussetzung, dass sich das Pferd in relativer Aufrichtung gut ausbalancieren kann. In der Ausbildung ist das nichts anderes als bei einem Dressurpferd, es ist nur umso wichtiger, weil man an der Longe immer nur mit dem arbeiten kann, was das Pferd gelernt hat. Allein an der Longe ist das Verständnis für das richtige Herantreten an den Außenzügel oder für die diagonale Hilfengebung und die daraus resultierende Balancesituation eines Pferdes nicht zu entwickeln – das muss das Pferd vorher reiterlich erlernt haben, um es dann an der Longe anwenden zu können. Meine Empfehlung: Zweimal pro Woche voltigieren, die anderen Tage wird das Pferd reiterlich gefördert, auch mal nur locker bewegt oder einmal noch unterstützend longiert. Das wäre ein passender Wochenplan.

Spezifische Arbeit

Hinzu kommt, dass auch die spezifischen Anforderungen an das Voltigierpferd erarbeitet werden müssen, wenn es um die verschiedenen Übungen geht. Die Grundlage sind Übungen in der Nähe des Gurtes, aber je weiter sich die Übungen vom Gurt wegbewegen, desto anspruchsvoller wird es für das Pferd. Dann gleicht es vermehrt aus und arbeitet aktiv bei Gewichtsverlagerungen mit. Es ist sehr spannend, das mit einem Pferd zu erarbeiten. Die allermeisten Voltigierübungen finden ja in einem Bereich statt, den das Pferd nicht sehen kann. Es muss für ein Pferd in Ordnung sein, wenn etwas beispielsweise an seinem Auge vorbeifliegt. Das muss das Pferd nach dem Motto einordnen können: „Kein Problem. Ich weiß, das ist der Voltigierer und kein komischer Vogel, der an meinem Auge vorbeisaust.“ Das hat ganz viel mit Vertrauen zu tun. Dieses Vertrauen muss immer wieder hergestellt werden und man muss auch immer wieder von diesem Vertrauen ausgehend arbeiten.

Vertrauen als A und O

Es nützt nichts, ein Pferd überlisten oder überraschen zu wollen. Dann wird es beim nächsten Mal umso misstrauischer sein und das kann das Vertrauen nachhaltig schädigen. Dieses Grundvertrauen baut man auf, indem man von bekannten Situationen ausgeht und immer nur kleine Veränderungen vornimmt, denen das Pferd folgen kann. Ein Beispiel: Ein Pferd kennt, dass jemand auf ihm draufsitzt. Das kennt jedes Reitpferd. Dann fängt man damit an, seine Füße nach hinten und vorne zu bewegen und dehnt die Bewegung langsam so aus, dass das Pferd die Füße im Augenwinkel wahrnehmen kann und die Situation richtig einordnet. Es ist wichtig, immer wieder von der Vertrauensbasis auszugehen und neue Bewegungen so kleinschrittig zu üben, dass das Pferd eine Chance hat, jeden einzelnen Schritt zu verstehen. Deshalb steht für mich neben der dressurmäßigen Ausbildung immer das langsam und ehrlich erarbeitete Vertrauen im Vordergrund.

Kai Vorberg ist Showmensch, teilt sein Wissen auch übers Mikrofon, so geschehen schon
mehrfach im FNProgramm im großen Ring auf der Equitana. Foto: Stefan Lafrentz

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