Disziplinübergreifende Standortbestimmung beim Trainerkongress

Leistungsdiagnostik fördern

Das „Who is Who“ der deutschen Trainerszene traf sich zum ersten disziplinübergreifenden Trainerkongress des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) in Warendorf. Rund 70 Bundes-, Landes-, Stützpunkt- und Heimtrainer diskutierten über die Qualität der Ausbildung, Saisonplanung, leistungsdiagnostische Fragen und über Modelle für die Sicherung der Konkurrenzfähigkeit im internationalen Sport. Der Kongress wurde finanziell von der Stiftung Deutscher Spitzenpferdesport gefördert.

Gute Medaillenausbeute bei den Weltreiterspielen in der Normandie, zahlreiche Goldmedaillen im Nachwuchsbereich – der deutsche Spitzensport steht im Großen und Ganzen gut da. Damit die Pferdesportnation Deutschland auch langfristig ihre Position im internationalen Vergleich halten beziehungsweise festigen kann, sind gute Zukunftskonzepte gefragt. Denn so unterschiedlich die Disziplinen sind, so sehr verbindet sie dieselben Herausforderungen: Es mehren sich die Anzeichen, dass die Talentförderung an der Basis, aus der Spitzensport erwachsen kann, schwieriger wird. Reit- und Trainingszeiten werden durch den Ganztagsunterricht und die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit deutlich reduziert. Immer weniger Kinder und Jugendliche kommen aus pferdeaffinen Familien, entsprechend geringer ist das Verständnis für das Pferd. Die Erarbeitung von Trainingsgrundsätzen sind durchgehend schwerer, zudem bringt nicht jedes reitbegabte Kind die erforderliche Fitness für den Sport mit. Das erschwert den Trainingsaufbau zusätzlich.

Zu wenig Training

Dies sind die Rahmenbedingungen, mit denen sich insbesondere die Trainer im Nachwuchsbereich, aber auch die Bundestrainer des Seniorensports auseinander setzen müssen. Entsprechend engagiert und offen wurde beim Trainerkongress diskutiert. Thies Kaspareit, Leiter der FN-Abteilung Ausbildung und Wissenschaft, brachte es auf den Punkt: „In den Köpfen vieler Reiter mangelt es an Einsicht in die Zusammenhänge von Grundlagen-, Aufbau- und Leistungstraining. Viele verfahren nach der Devise, eine Stunde Reiten am Tag reicht aus. Oft verhindert die Sorge vor zu viel Belastung oder die Angst vor Verletzung des Pferdes das effektive Training. Aber die Gesunderhaltung des Leistungssportlers kann nicht durch möglichst schonendes Training gewährleistet sein. So eine Einstellung würde man in keiner anderen Sportart finden.“

Vier Jahre Vorbereitung

Wie auf den Punkt genau ein Wettkampf vorbereitet wird, erläuterten die beiden Gäste des Trainerkongresses aus ganz anderer Perspektive: Michael Biegler, Nationaltrainer der polnischen Handball-Nationalmannschaft, und Prof. Dr. Klaus Baum, einstiger Dozent an der Sporthochschule Köln und Experte für wissenschaftlich fundiertes Training, erläuterten den Trainingsalltag und die Wettkampfvorbereitung im Spitzensport Handball. Mancher Zuhörer staunte nicht schlecht, als die Referenten den Weg von 2012 bis 2015 zur Handball-Europameisterschaft skizzierten – eine Wettkampfplanung, die sich über knapp vier Jahre erstreckte und die exakt in allen Trainings- und Entspannungsphasen dokumentiert und leistungsdiagnostisch ausgewertet war.

Sieger werden zu Hause gemacht – mit gezieltem Training und fundierter Leistungsdiagnostik.

Vielseitigkeit führend

Leistungsdiagnostik sowie die systematische Trainings- und Saisonplanung war das zentrale Stichwort des Trainerkongresses, der in disziplinspezifischen Workshops aufgeteilt war. Die Vielseitigkeit ist auf diesem Gebiet am weitesten. Hier werden Trainingseinheiten erfasst und zum Teil auch akribisch dokumentiert, hier laufen Forschungsarbeiten zum Beispiel zu Laktatwerten in der Muskulatur, die über die Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenze eines Pferdes Auskunft geben können. Der Workshop stellte sich die Aufgabe, eine Musterjahresplanung für Junioren zu erarbeiten, beginnend beim Abtrainieren im Herbst bis hin zu den Saisonhöhepunkten im darauf folgenden Jahr. Rüdiger Schwarz, Bundestrainer Junioren und Junge Reiter, betonte: „Wir stellen leider zunehmend fest, dass die Jugendlichen oft planlos sind, was zielgerichtete Ausbildung und Konditionstraining für Reiter und Pferd betrifft.“ In Richtung mehr Struktur im Training geht auch der Springsport. Pony- Bundestrainer Peter Teeuwen hat für seine Kinder Trainingstagebücher eingeführt. Die Perspektivgruppe Springen protokolliert ebenfalls ihr Training. Otto Becker: „Die Reiter waren selbst an der einen oder anderen Stelle überrascht, wie wenig sie mit ihren Pferden arbeiten beziehungsweise wie einseitig sie ihr Training oft gestalten.“ Zur Qualitätsverbesserung des Trainings regte der Workshop den Aufbau eines Trainernetzes an, intensivere Trainerfortbildung in kleinen Gruppen und die bessere Einbindung der Berufsreiter in die Trainerstrukturen auf Landes- und Bundesebene.

Zu wenig Ausbilder

Besseres Training an der Basis forderte ebenfalls der Workshop Dressur. In manchen Regionen Deutschlands gäbe es im Umkreis von 150 Kilometern keine Reitlehrer, die ambitionierte Jugendliche über das L-/M-Niveau hinaus fördern können. Hans-Heinrich Meyer zu Strohen, Bundestrainer der Junioren und Jungen Reiter, forderte: „Wir müssen unser Trainersystem renovieren, die Heimtrainer in unsere Kaderlehrgänge noch besser einbeziehen und mehr motivieren und wertschätzen.“ Die Dressur regte ein System von Patenschaften an, bei denen die deutschen Spitzentrainer den Heimtrainer und ihren Schüler zur Seite stehen. Im Fahrsport sind Trainingslehre und leistungsdiagnostische Verfahren deutlich weniger entwickelt als zum Beispiel in der Vielseitigkeit. Der Fahr-Workshop definierte zunächst die Trainingsgrundlagen, aus denen sich dann individuelle Planungen entwickeln lassen. In diese fließen die Faktoren Gesundheitszustand der Pferde, Trainingsmöglichkeiten (Platz/Gelände/Halle), Zeit, Verfügbarkeit von Trainern, Monitoring und Protokollierung von Training ein.

Neubeginn nötig

Die Distanzreiter stehen vor einem grundlegenden Neubeginn. Die selbstkritische Einschätzung, mit dem vorhandenen A-Kader keinen Anschluss an die internationale Spitze finden zu können, fand einen breiten Konsens. Hier müssen neue Strukturen vom Breiten- bis zum Spitzensport aufgebaut werden. Einen ganzen Strauß von Wünschen hinsichtlich der Professionalisierung äußerte der Workshop Voltigieren. So plädierten die Mitglieder unter Leitung von Bundestrainerin Ulla Ramge dafür, die Leistungsdiagnostik auf Bundes- und Landesebene fest zu etablieren, die sportmedizinische Betreuung der Kader sicherzustellen und das Lehrgangswesen zu optimieren, das heißt noch bessere Schwerpunkte zu setzen.

Kick Off-Veranstaltung

Wenngleich sich nicht alle Wünsche der Disziplinen auf Anhieb umsetzen lassen, so wertete DOKR-Geschäftsführer Dr. Dennis Peiler den Trainerkongress als großen Erfolg: „Die Resonanz der Teilnehmer war ausgesprochen positiv und hat den interdisziplinären Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer deutlich bereichert. Wir sehen, dass sich auch der Pferdesport immer intensiver mit der Leistungsdiagnostik und professioneller Trainingsplanung beschäftigt. Diese Kick Off-Veranstaltung werden wir nun auswerten und für die einzelnen Disziplinen gemeinsam mit den Bundestrainern Lösungen erarbeiten.“

Vorheriger Artikel

Ausgabe 01/2015
Faszination Zucht

Nächster Artikel

Ausgabe 01/2015
Christoph Hess im Interview: „Besser Reiten“