„Besser Reiten im Verein und Betrieb“ mit Christoph Hess

Alltagsprobleme ernst nehmen

Um Piaffe und Passage ging es nicht, im Gegenteil: Die von den PM initiierte Seminarreihe „Besser Reiten im Verein und Betrieb“ legte den Fokus auf die Basis, sprich auf all jene Probleme, mit denen die allermeisten Reiter zu kämpfen haben. FN-Ausbildungsbotschafter und PM-Leiter Christoph Hess half den Reiterinnen und Reitern bei 16 zweitägigen Veranstaltungen auf die „Sprünge“.

Die Idee fiel auf fruchtbaren Boden: Bei der Anfang 2014 ins Leben gerufenen PM-Initiative „Besser Reiten im Verein und Betrieb“ unter Regie von FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess bewarben sich 116 Reitvereine und Pferdebetriebe. 16 bekamen den Zuschlag. Die zweitägige Veranstaltung diente zunächst der Ausbildung ausgesuchter Reiterinnen und Reiter und mündete dann am zweiten Tag in ein PM-Seminar, in dem Hess mit den Aktiven Lösungen für Ausbildungsprobleme erarbeitete. Hundert und mehr Gäste, dazu viele Vereinsmitglieder, erlebten anschaulich, dass Reitunterricht selbst auf E-Niveau spannend sein und neue Erkenntnisse bringen kann. Welche Erfahrungen Christoph Hess bei seiner Rundreise durchs Land gesammelt hat, schildert er im Interview.

Vanessa Weitzel und Avalon waren Teilnehmer des Seminars mit Christoph Hess beim Reitverein Bodenheim in Rheinland-Pfalz.

PM-Forum: Ein PM-Seminar auf dem Niveau der Klasse E klingt ja nicht besonders interessant. Was reizt Sie an einer solchen Ausbildungsreihe?
Christoph Hess: Naja, es war nicht nur E-Niveau. Einige ritten sogar unterhalb dieses Niveaus, andere aber auch deutlich besser, bis hin zu Klasse M. Wir veranstalten tolle Seminare mit Uta Gräf, Ingrid Klimke oder Helen Langehanenberg, in denen die Ausbildung des Pferdes vom Feinsten zelebriert wird. Diese Veranstaltungen werden von mehreren Hundert Menschen besucht und jeder nimmt für sich etwas mit nach Hause. Aber die großartigen Reiterinnen auf ihren exzellenten Pferden spiegeln nicht die Realität in unseren Vereinen und Betrieben wider. Deshalb haben wir uns entschieden, eine eigene Ausbildungsserie für die Basis zu entwickeln, die wir nun „Besser Reiten im Verein und Betrieb“ nennen. Die positive Resonanz hat mich selber überrascht, aber es zeigt einmal mehr, das Bedürfnis nach guter Ausbildung ist enorm.

PM-Forum: Welche Reiter und Bedingungen haben Sie vorgefunden?
Christoph Hess: Es war die ganze Bandbreite, von der alten, stark renovierungsbedürftigen Vereinsanlage bis hin zum nagelneuen, supermodernen Reitstall. Auch die Qualität der Pferde variierte. Wir hatten Schulpferde dabei, ebenso Privatpferde, die im Turniersport aktiv sind. Bei den PM-Seminaren wollten wir bewusst „Otto-Normal-Reiter“ zeigen, und entsprechend haben wir in Absprache mit den Ausbildern auch ganz normale reiterliche Probleme angepackt. Ein Beispiel: In einem Seminar haben wir korrektes Schenkelweichen geübt. Die Reiterinnen waren der Meinung, sie können es, weil die Pferde ’irgendwie seitwärts gehen‘, aber mit Schenkelweichen hatte das nichts zu tun. Ein Riesenproblem ist auch die Qualität des Sitzes. Ausbalanciert zu sitzen und sich loszulassen, fällt vielen Reitern schwer, daran habe ich in der Seminarreihe intensiv gearbeitet. Man muss ein Bewusstsein dafür schaffen, dass nahezu alle Probleme vom Reiter verursacht werden.

PM-Forum: Schulpferde haben ja oft eine gewisse Sturheit. Sie reagieren mehr auf die Stimme des Reitlehrers als auf den Menschen im Sattel. Kann man denn mit solchen Pferden Fortschritte erzielen?
Christoph Hess: Ja, man kann. Die Pferde, die ich bei den Seminaren erlebt habe, waren fast alle gut für den Schulbetrieb geeignet. Aber man muss sich auch um die Schulpferde kümmern, sie müssen von erfahrenen Reitern immer wieder korrigiert, gymnastiziert und für die Reiterhilfen neu sensibilisiert werden. Schulpferde sind die Juwelen der Vereine und Betriebe, die den Menschen den Weg zur Reiterei ebnen, das muss man sich immer vor Augen führen. Ich habe mich für die Reiter richtig gefreut, wenn sie Aha-Erlebnisse hatten, als sie nach kleinen Übungen auf einmal ein besseres Sitzgefühl bekamen oder Lektionen ausführen konnten, die früher misslangen.

In Essen ritten (v.l.) Patricia Reif auf Laredo, Julia Dyga auf Liberty und Wibke Nowara auf Prinzessin.

PM-Forum: Haben Sie den Eindruck, dass die Ausbildung an der Basis ungenügend ist oder sogar krankt?
Christoph Hess: Es gibt engagierte und großartige Reitlehrer, die der Ausbildung mit viel Passion nachgehen, aber es sind nicht genug. Ich habe auch bei dieser Seminarreihe immer wieder erlebt, dass in den Vereinen und Betrieben viele unterschiedliche Reitlehrer, also Berufs- wie Amateurausbilder, Unterricht geben. Der eine kommt dienstags und donnerstags, der andere mittwochs, für die kleinen Kinder ist wieder ein anderer zuständig als für die Fortgeschrittenen, und alle zwei Wochen gibt es noch einen weiteren im Springunterricht… Im schlimmsten Fall widersprechen sich die vielen Reitlehrer auch noch. Was den allermeisten Vereinen und Betrieben fehlt, ist die prägende Ausbilderpersönlichkeit, die sich um alle Belange kümmert und die Ausbildung nach den Grundsätzen unserer Reitlehre konsequent vorantreibt.

PM-Forum: Sind denn auch die Reitschüler ernsthaft und diszipliniert genug, dass sie einem Ausbilder Freude machen? Oder werfen viele zu schnell die Flinte ins Korn, wenn sich der Erfolg nicht sofort einstellt?
Christoph Hess: Beides. Natürlich hören Menschen auch wieder auf zu reiten, das ist in jeder Sportart so. Die Klientel der Vereinsmitglieder und Kunden verändert sich. Der demographische Wandel und der Ganztagsunterricht führen dazu, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen sinkt. Die einzige Gruppe, in der die Vereine und Betriebe in den vergangenen Jahren noch Zuwächse erzielen konnten, ist die Gruppe der über 26-jährigen Frauen. Die aktuellen Zahlen des Deutschen Olympischen Sportbundes bestätigen diesen Trend erneut. Auf diese Gruppe müssen wir uns noch besser einstellen.

Magdalena Ganahl und Don Tango waren in Biberach (BaWü) dabei.

PM-Forum: Was bedeutet das? Wollen diese Frauen einen anderen, besseren Reitunterricht?
Christoph Hess: Ich will natürlich nicht alle Frauen über einen Kamm scheren, aber nach meinen Beobachtungen nimmt die Zahl der Frauen zu, die einen stramm organisierten Tag mit Beruf und Familie haben und die das Pferd als eine Art Lebensbalance sehen. Das Reiten ist für diese Damen eine Art Auszeit, in der sie die Seele baumeln lassen und von einem anstrengenden Tag Abstand gewinnen können. Sie haben eine starke emotionale Bindung zu ihrem Pferd, sind aber auch ehrgeizig in der Ausbildung. Eine ungehobelte Art des Reitlehrers oder einen Kasernenhofton akzeptieren diese Reiterinnen nicht. Man muss mit ihnen im Dialog stehen, Kommunikation ist extrem wichtig. Für einen Reitlehrer bedeutet dies nicht nur Spaß an der Arbeit mit Pferden, sondern genauso viel Spaß an der Arbeit mit Menschen zu haben. Reiterinnen spüren sehr schnell, ob der Reitlehrer sie ernst nimmt und respektiert – oder hinter ihrem Rücken über sie lacht…

Das Gespräch führte Susanne Hennig.

2015 geht's weiter

Besser Reiten im Verein und Betrieb geht 2015 in die nächste Runde. In der Februar-Ausgabe des PM-Forums wird die Ausschreibung veröffentlicht.

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