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Erstes Lehrpferd: Maurice Tebbel

Ausbildungstipps von Christoph Hess

Wenn das Galoppieren schwerfällt

Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich junge Pferde anfangs mit dem Galopp schwertun. Zum einen mangelt es ihnen an Balance, zum anderen verstehen sie die Hilfengebung noch nicht. Wie dem Youngster die Scheu vor dem Galopp genommen werden kann, erklärt FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess.

Foto: Arnd Bronkhorst

Frage: Mein vierjähriges Pferd wird altersentsprechend und schonend ausgebildet. Ich lege großen Wert auf ein abwechslungsreiches Programm mit vielseitigen Anforderungen. Dabei zeigt es sich sehr lernfreudig und engagiert. Ein Problem habe ich allerdings: Beim Reiten und auch an der Longe fällt ihm das Galoppieren deutlich schwer. Wenn ich die Galopphilfe gebe, wird es meistens erst im Trab schneller, bevor es in einen flachen, eiligen Galopp fällt. Besonders auf der rechten Hand springt das Pferd zudem meistens falsch – also im Linksgalopp an. Wie kann ich ihm die Galopphilfe verständlich machen?

„Der Trab über den schwingenden Rücken schult den Schritt und verbessert den Galopp“. Dieses Zitat habe ich in der Reithalle eines erfolgreichen Springreiters in Schleswig-Holstein gelesen. Auf Ihre Situation bezogen, bedeutet dies, dass Sie zunächst Ihr Pferd im Trab sicher an Ihren Hilfen haben müssen, bevor Sie mit der Galopparbeit beginnen können. Es ist nicht untypisch, dass Pferden eine Grundgangart schwerfällt, während sie sich in einer anderen problemlos bewegen.

Jeder Reiter muss in sein Pferd hineinhorchen und versuchen zu ergründen, was seinem Pferd in der Ausbildung Freude bereitet, weil es ihm leichtfällt und was ihm schwerer fällt, weil es diese Anforderung nicht liebt. Zu bedenken ist in dem Zusammenhang der so wichtige pädagogische Grundsatz, stets an das anzuknüpfen, was dem Pferd leichtfällt und erst danach die Dinge zu erarbeiten, die eine echte Herausforderung für es darstellen. Beobachten wir Pferde auf der Weide oder in der freien Natur, dann sehen wir, dass sie sich meist im Schritt oder im Galopp fortbewegen. Der Trab ist oftmals die Gangart, die nur für wenige Meter gewählt wird – als Übergang vom Schritt zum Galopp oder vom Galopp zum Schritt oder zum Halten. Die Zucht hat uns in den letzten Jahrzehnten Pferde zum Reiten zur Verfügung gestellt, die ein besonderes Talent für ausdrucksvolles, schwingendes Traben mitbringen. Diesen Pferden fällt es oftmals schwer, sich im Galopp unter dem Sattel im Gleichgewicht zu bewegen.

Sitz und Einwirkung

Ihrem Pferd fällt das Galoppieren nicht nur unter dem Sattel, sondern auch an der Longe schwer. Außerdem galoppiert Ihr Pferd rechts falsch an. Das kann zu einem echten Problem werden, wird dies nicht abgestellt; denn Ihr Pferd ist engagiert und lernfreudig. Sie müssen sich zunächst fragen: Sitze ich richtig? Belaste ich beim Angaloppieren vermehrt den inneren Gesäßknochen oder knicke ich nach rechts in der Hüfte ein und verschiebe dadurch mein Gewicht auf den linken Gesäßknochen? Ist mein Pferd vor meiner treibenden Hilfe, sensibel am rechten Schenkel und dabei gleichzeitig unabhängig vom inneren Zügel? Werden diese Fragen positiv beantwortet, so können Sie sicher sein, dass Sie als Reiter in der Lage sind, richtig anzugaloppieren, was Ihnen auf anderen Pferden problemlos gelingt.

Vor dem Hintergrund, dass gut getrabt besser ist als schlecht galoppiert, sollten Sie von Ihrem Pferd bei allem Bemühen um Abwechslung, für eine gewisse Zeit zunächst nur den Schritt und den Trab verlangen. Sie müssen in diesen Gangarten zum Treiben kommen und Ihr Pferd auf geraden und auf gebogenen Linien reiten können. Weiterhin müssen Sie Ihr Pferd auf beiden Händen vom inneren Schenkel an den äußeren Zügel herantreiben. Das hat besonders sorgfältig auf der rechten Hand zu erfolgen – am besten auf einer großen Zirkellinie. Der äußere Zügel und der äußere Schenkel nehmen dabei eine verwahrende Position ein, wodurch Ihr Pferd begrenzt wird und mit der Hinterhand nicht „ausfallen“ kann.

Reiten Sie auf diese Weise auf einer gebogenen Linie, dann entwickeln Sie das Gefühl wie Sie es beim Angaloppieren haben sollten. Je feinfühliger Sie diesen Prozess gestalten, desto leichter wird Ihnen das spätere Angaloppieren gelingen. Zu bedenken
ist, dass das Angaloppieren möglichst ohne Fehlversuche (zur geschlossenen Seite hin) zu erfolgen hat. Deshalb ist es wichtig, erst dann im Trab die eigentliche Hilfe zum Angaloppieren zu geben, wenn Sie Ihr Pferd auf diese Weise sicher im Schritt und Trab reiten können. Wichtig ist, dass Ihr Pferd auf der Zirkellinie geradegerichtet ist. Die Vorhand muss vor die Hinterhand gerichtet sein. Ihr Pferd darf nicht mit den Hinterbeinen ausfallen, d. h., die Hinterbeine Ihres Pferdes dürfen sich nicht auf einem erweiterten Kreisbogen bewegen.

Nicht gerade gerichtet

Ein Pferd, das falsch angaloppiert, ist häufig nicht geradegerichtet. Eine Verbesserung der Geraderichtung muss zunächst erfolgen, bevor mit der eigentlichen Galopparbeit begonnen werden kann. Pferde, die falsch angaloppieren, haben zumeist ihren Reiter falsch verstanden, weil die Voraussetzungen für das Galoppieren nicht sorgfältig genug erarbeitet wurden. Verhindert werden muss, dass Ihr Pferd vor dem Angaloppieren im Trab eiliger wird und danach im Galopp wegeilt. Dann nämlich zeigt uns das Pferd, dass es die Hilfengebung nicht verstanden hat. Um diesem Problem entgegen zu wirken, kommt dem „Durchfühlen“ mit dem inneren Schenkel eine zentrale Bedeutung zu. Durch gezielte Übungen, u. a. Schenkelweichen, lässt sich der Schenkelgehorsam verbessern.

FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess Foto: FN-Archiv

Ihre Frage an Christoph Hess

Sie haben ein Ausbildungsproblem und möchten professionellen Rat? Dann schicken Sie uns Ihre Frage an FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess. Schildern Sie Ihre Schwierigkeiten beim Reiten kurz und bündig, die Redaktion wählt die Beiträge für die Veröffentlichung aus. Wenn Sie ein gutes, druckfähiges Foto haben, können Sie dies selbstverständlich mitschicken. Zuschriften bitte per E-Mail an pm-forum@fn-dokr.de.

In Ihrem Falle wird es hilfreich sein, aus dem Trab heraus auf gebogener Linie mit leicht schenkelweichartigem Bewegungsablauf den Galopp zu beginnen – die Hinterhand darf dabei aber nicht nach außen „ausfallen“. Sie sollten darauf achten, mit dem Oberkörper im Trab gefühlvoll in die Bewegung Ihres Pferdes einzugehen und nach dem erfolgten Angaloppieren in den leichten Sitz überzugehen. Ihr Pferd benötigt im Galopp ein gutes Körpergefühl. Hat es dieses nicht, beginnt es zu fliehen. Pferde sind Fluchttiere, die sich einer Situation des Unwohlseins entziehen. In Ihrem Falle galoppiert Ihr Pferd flach und eilig. Reiten Sie hingegen Sitz- und Schenkel-orientiert und versuchen nicht, mit Ihren Zügeln auf Ihr Pferd einzuwirken bzw. dieses festzuhalten, wird Ihr Pferd Ihnen vor dem Angaloppieren im Trab nicht wegeilen und nach erfolgtem Angaloppieren nicht weglaufen.

Jedes Pferd lernt es

Je besser Ihnen der Galopp Ihres Pferdes unter dem Sattel gelingt, desto einfacher wird Ihrem Pferd dies auch an der Longe fallen. Das Galoppieren auf einer Zirkellinie stellt für viele Pferde eine besondere Herausforderung dar. Oftmals fällt es Ihnen schwer, den Bewegungsablauf des Galopps auf einem Kreisbogen zu koordinieren und dabei das Gleichgewicht zu finden. Als Fazit möchte ich festhalten: Jedes Reitpferd lernt es, richtig anzugaloppieren. Ergeben sich beim Angaloppieren und im Galopp selbst Probleme, sind diese zumeist auf eine mangelhafte Vorbereitung zurückzuführen. Der Reiter muss in dem Falle bessere Voraussetzungen schaffen und den Grad der Durchlässigkeit sowie den des Gehorsams erhöhen, bevor er seine Hilfe zum Angaloppieren gibt.

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