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Young PM: Bundeswehrsportschule

Auf dem Weg in den Spitzensport

Der verpflichtende Wehrdienst mit der Waffe ist seit 2011 in Deutschland Geschichte. Viele junge Reiter mit einer guten Perspektive im Spitzensport Fuß zu fassen, gehen aber gerne freiwillig zwei Jahre oder länger zur Bundeswehrsportschule in Warendorf, weil sie hier Top-Trainingsbedingungen für sich und ihre Pferde bei den besten Ausbildern finden. Wir haben mal hinter die Kulissen bei den jungen Sportsoldaten geschaut und sie beim Training begleitet.

Hier stellen die Sportsoldaten ausnahmsweise mal ihre eigene Fitness unter Beweis im Parcours, der sonst den Vierbeinern vorbehalten ist. Alle Fotos: Tina Pantel

Andreas Ostholt ist kein „Drill Instructor“ wie man ihn aus vielen amerikanischen Filmen kennt. Und durch den Schlamm robben müssen die Sportsoldaten in Warendorf auch nicht. Respekt haben die jungen Reiter der Sportfördergruppe vor dem Berufssoldaten, der den Dienstgrad eines Hauptfeldwebels trägt, aber trotzdem. Auch wenn seine Anweisungen oft ganz modern über die WhatsApp-Gruppe der Sportsoldaten auf deren Handys eintreffen. Der 41-jährige Vielseitigkeitsreiter Andreas Ostholt, Mitglied des Olympiakaders, kennt auf dem Gelände der Bundeswehrsportschule in Warendorf wohl jeden Winkel ganz genau, schließlich ist er seit 2004 Leiter des pferdesportlichen Bereiches in der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Warendorf und hat die Modernisierung der Sportstätten mit viel Engagement vorangetrieben.

2011 wurden die Plätze (Ebbe-Flut-System für Dressur-, Spring- und Geländeplatz), die Führmaschine und die Reithalle saniert. Ein neuer Parcours wurde ebenfalls angeschafft. Im Frühjahr/Sommer 2019 mussten sich die Pferde der Sportsoldaten an eine Geräuschkulisse aus Hämmern, Bohren und Schweißen gewöhnen, denn nun sollen die Boxentrakte an die Reihe kommen. „Das war ein Spagat zwischen Denkmalschutz der Gebäude und den neuen Tierschutz-Leitlinien. Aber nun bekommen die Pferde sehr große Boxen, die den aktuellen Leitlinien entsprechen, und unter den historischen Fenstern durften teilweise neue und passende Außenfenster für die Pferde gebaut werden“, berichtet Ostholt über die Baumaßnahmen.

Andreas Ostholt, Koordinator der Sportfördergruppe Reiten (vorne), hat seine Truppe auch im Kraftraum gut im Griff.

Jérome Robiné trainiert ein fünfjähriges Nachwuchspferd und bekommt Tipps vom international erfolgreichen Vielseitigkeitsreiter und Berufssoldaten Andreas Ostholt.

Neben Bewegung in der Führanlage und dem täglichen Training, können die Pferde der Sportsoldaten auch stundenweise abwechselnd auf eine der vier Weiden/Paddocks, die direkt auf dem Gelände sind. Aber nicht nur für die Vierbeiner gibt es hier Top-Bedingungen, auch die zweibeinigen Nachwuchssportler werden auf vielen Ebenen gefördert und unterstützt. So bekommen die Ausnahme-Talente, die sich um einen der begehrten Plätze bewerben und dabei bestimmte Kriterien erfüllen müssen, zum Beispiel Unterricht bei den Bundestrainern und weiteren gefragten Ausbildern: Monica Theodorescu und Sebastian Heinze in der Dressur, Eberhard Seemann im Springen und Frank Ostholt in der Vielseitigkeit.

Voraussetzungen

Wer sich freiwillig in Warendorf als Sportsoldat verpflichten möchte, sollte möglichst in der Altersklasse Junge Reiter Mitglied im Landeskader, besser noch im Bundeskader sein und bereits sportliche Leistungen auf Niveau der Deutschen Meisterschaften gezeigt haben. Nachwuchssportler sollten außerdem zwei Pferde mitbringen, die mindestens im Bereich der Klasse M erfolgreich sind. „Ganz wichtig ist aber neben diesen Formalien die Perspektive, die die Verantwortlichen vom DOKR (Deutsches Olympiade-Komitee für Reiterei) und der Bundeswehrsportschule für den Sportler sehen.“

Bewerber werden zum Vorreiten/Voltigieren eingeladen. Empfehlungen der Landestrainer geben Andreas Ostholt oft schon Hinweise zur Einschätzung der Leistungsprognose. Wer letztendlich wirklich aufgenommen wird, entscheidet das DOKR, das den Antrag dem Deutschen Olympischen Sportbund und dem Bundesministerium der Verteidigung vorlegt. Dann geht es für die neuen Bundeswehrsportschüler als erstes zwei Monate zur militärischen Grundausbildung, die sie mit anderen Sportlern absolvieren. Erst dann ziehen sie nach Warendorf an die Sportschule der Bundeswehr.

Jeder Sportsoldat kann zwischen vier und sechs Pferde zur Bundeswehr mitbringen, darunter sollten mindestens zwei Kaderpferde sein. Die günstigen Einstellkosten – „das sind im Prinzip die Kosten für Futter und Einstreu“, so Andreas Ostholt – für ihre Pferde tragen die jungen Leistungssportler übrigens selbst. Auch für ihr Pferdemanagement sind sie selbst verantwortlich. Sie bekommen während ihrer Zeit an der Bundeswehrsportschule aber auch ein Gehalt, den sogenannten Sold, gezahlt, damit sie sich ganz auf ihre sportliche Entwicklung konzentrieren und weiter gefördert werden können.

Jannis Drewell und Andreas Ostholt besuchen Vielseitigkeitspferd Red Joker, der immer für „Schmuse-Einheiten“ zu haben ist, auf seiner Weide.

So grüßen Sportsoldaten: Jérome Robiné und Ann-Kristin Arnold vor einer Trainingseinheit.

Füttern um sieben Uhr

Wie sieht eigentlich ein ganz normaler Arbeitstag der Sportsoldaten aus? Los geht’s um sieben Uhr mit der Stallarbeit wie dem Misten der Boxen und Füttern der Pferde. Nach dem Frühstück wird dann individuell trainiert bis zum Mittagessen, das oft in der hauseigenen Kantine eingenommen wird. Termine für die Pferde beim Schmied oder Tierarzt werden selbst organisiert. Es geht weiter mit Training (Reiten/Voltigieren), Physiotherapie, Athletik oder Fortbildungen. Die Sportsoldaten dürfen alle Fortbildungsangebote wie zum Beispiel DOKR- und PM-Seminare in Theorie und Praxis nutzen. Und natürlich stehen auch mal Schießübungen oder militärische Fortbildungsangebote auf dem Tagesplan. Es gibt auf dem Gelände außerdem einen Sportraum für Kraft- und Konditionstraining. Gegen 18 Uhr wird dann nochmal gefüttert. Jeder Bundeswehrsportschüler hat seine eigene kleine Wohnung auf dem Gelände und organisiert seine Turnierteilnahmen in Absprache mit den jeweiligen Trainern selbst.

Frauenquote steigt

Wenn Sportsoldat Jérome Robiné zum Beispiel zur Vielseitigkeit nach Luhmühlen fährt, spricht er die komplette Planung dafür vorher mit seinem zuständigen Trainer Frank Ostholt, dem Bruder des Leiters Andreas Ostholt, ab. „Die Bundeswehrsportschüler sollen später möglichst professionell im Sport reiten und bekommen hier das nötige Rüstzeug, um sich weiter im Leistungs- und Spitzensport zu etablieren.“

Infos Bundeswehrsportschule

Förderung bundeswehrangehöriger Spitzensportler
Die Bundeswehr räumt Spitzensportlern die Möglichkeit ein, sich während ihrer Dienstzeit verstärkt dem Training zu widmen. Dazu wurden sogenannte Sportfördergruppen aufgestellt, die über das gesamte Gebiet Deutschlands verteilt sind (über 800 Plätze). In Warendorf sind u. a. Volleyballer, Schwimmer, Fünfkämpfer, Reiter und Leichtathleten zusammengefasst. Immer mehr Spitzensportler der Bundeswehr gewinnen nationale Meisterschaften sowie Medaillen bei Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und bei den Olympischen Winter- und Sommerspielen. Allgemeine Infos zur Bundeswehr: www.bundeswehr.de

So bewirbt man sich:
Formlose Bewerbung an:
Deutsches Olympiade-Komitee für Reiterei (DOKR)
Freiherr-von-Langen-Str. 15
48231 Warendorf
(mit Lebenslauf und sportlicher Vita/Erfolgen/Lehrgangsteilnahme auf Landes- und Bundesebene, Berufsziel)

In den letzten Jahren, haben sich übrigens immer mehr junge Frauen für die Bundeswehrsportschule entschieden. Während es in den Zeiten der Wehrpflicht (bis 2011) ein reines „Männerding“ war, sich als Sportsoldat in Warendorf zu verpflichten, ist das Geschlechterverhältnis heute ausgeglichen. „Die jungen Frauen sorgen dafür, dass die Herren nicht über die Stränge schlagen und bringen wirklich Harmonie in die Truppe. Früher ging das hier viel ruppiger zu. Erst 1998 kam die erste Frau in die Sportfördergruppe“, berichtet Andreas Ostholt. Zwölf Plätze stehen insgesamt zur Verfügung, die von Sportlern der Disziplinen Dressur, Springen, Vielseitigkeit und Voltigieren belegt sind. Zu den bekanntesten Absolventen zählen Otto Becker, Carsten-Otto Nagel, Julia Krajewski, Kai Rüder und Frank Ostholt.

Im Schnitt bleiben die jungen Sportler zwei Jahre. Voltigierer Jannis Drewell, der dem Championatskader angehört, ist der „Oldie“ hier und bereits seit 2014 Sportsoldat. Auf Turnieren erkennt man die Bundeswehrsportschüler an den schicken blauen Uniformen, die natürlich die Blicke auf sich ziehen und den großen Vorteil haben, dass sie nicht so schnell schmutzig aussehen wie ein normales Turnieroutfit mit weißen Reithosen.

Die Springreiter der Bundeswehrsportschule werden von Eberhard Seemann trainiert.

Herzlich Willkommen: Die Eingangspforte der Bundeswehrsportschule in Warendorf.

Neu: Duale Karriere

Die jungen Soldaten, die sich von den Dienstgraden Gefreiter, Obergefreiter und Hauptgefreiter „hochdienen“ können, haben nach ihrer zweimonatigen militärischen Grundausbildung die Möglichkeit, in Warendorf auch Trainerscheine oder sogar eine Pferdewirtausbildung als Quereinsteiger zu absolvieren. Ganz neu ist die Möglichkeit, sich für eine duale Karriere zu entscheiden. So können die aktiven Sportler nach dem Leistungssport bei der Bundeswehr zum Beispiel als Sportausbilder oder Offizier arbeiten. Diese Ausbildungen werden aktuell in Pilotlehrgängen aktiv gefördert. „Gerade für Leistungssportler, die ihre Sportkarriere aufgrund des Alters oder bei Verletzungen beenden müssen, bietet das eine gute berufliche Perspektive und gibt ein Sicherheitsgefühl, nicht ohne eine Qualifikation für das Leben „nach dem Sport“ dazustehen. Die Bundeswehr lässt die Absolventen der Sportfördergruppe also später nicht im Stich“, betont Andreas Ostholt.

Tina Pantel

Soldaten der Sportfördergruppe der Bundeswehr (Reiten) 2018/2019:

Springen: Loren Hähner (21), Laura Strehmel (23), Lara Weber (22)

Dressur: Claire-Luise Averkorn (24), Ann-Kristin Arnold (22)

Vielseitigkeit: Felix Etzel (26), Jérome Robiné (21) sowie Koordinator der Bundeswehrsportschule Andreas Ostholt (41)

Voltigieren: Gregor Klehe (18), Miro Rengel (23), Julian Wilfling (23), Jannis Drewell (28).

Im Perspektivkader sind Felix Etzel, Miro Rengel und Julian Wilfling, dem Championatskader gehört Jannis Drewell an, im Olympiakader reitet Andreas Ostholt.

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