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Pferdeführerschein Reiten: Ein Erfahrungsbericht

Ausreiten nochmal neu lernen

Das Reiten im Gelände ist Wunsch und Traum vieler Reiter. Doch sicher und verantwortungsvoll soll es sein. Diesem Ziel sind unsere Redaktionsvolontärin Jaqueline Kaldewey und vier andere junge Reiterinnen auf der Hofanlage der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster-Handorf einen großen Schritt näher gekommen. Mit Trainerin und Pferdewirtschaftsmeisterin Jasmin Lutterklas bereiteten sie sich ein Wochenende lang auf die Prüfung zum Pferdeführerschein Reiten vor.

Reiten im Gelände: Im hohen Tempo sicher an den Hilfen. Fotos (8): René Penno

Reiten, Abenteuer und Natur pur – an einem sonnigen Wochenende im September nehme ich an einem Lehrgang zum Erwerb des Pferdeführerschein Reiten teil, der seit diesem Jahr zusammen mit dem Pferdeführerschein Umgang die bisherigen Qualifikationen Basispass Pferdekunde und Reitpass ersetzt. Ziel der Pferdeführerscheine: Sie sollen für mehr Sicherheit, Unfallverhütung und Tierwohl sorgen. Mit Stiefeln, Handschuhen und Helm im Gepäck fahre ich mit meinem Auto auf das Gelände der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster-Handorf. Es ist noch früh am Morgen, der Nebel verschleiert den Hof mit seinen prächtigen Gebäuden und die Pferde schauen neugierig aus ihren Boxen.

In einer kleinen Holzhütte neben der Springhalle wartet Pferdewirtschaftsmeisterin Jasmin Lutterklas auf ihre Kursteilnehmer. Ich trage mich in die Anwesenheitsliste ein und zeige ihr meine Urkunde vom Pferdeführerschein Umgang, den ich bereits im Februar auf dem Hof Schulze Niehues in Freckenhorst absolviert habe. Dieser ist Voraussetzung, um am Pferdeführerschein Reiten teilzunehmen. Gut, dass ich mich noch an mein Gelerntes und die Anforderungen des Pferdeführerscheins Umgang erinnern kann. Denn auch beim Pferdeführerschein Reiten werden grundlegende Dinge zum richtigen Umgang mit dem Pferd geprüft.

Lernen unter Corona-Bedingungen: Mit ausreichend Abstand gibt es eine Theorieeinheit in der Springhalle.

Theorie ist aller Anfang

Alle Teilnehmer versammeln sich in der Springhalle, die aufgrund der Corona-Pandemie zum großen Seminarraum umgestaltet wurde. Es gibt eine kurze Theorieeinheit, die uns auf unseren ersten Ritt ins Gelände vorbereitet. Jasmin Lutterklas klärt uns auf, dass es egal ist, mit welcher Zielsetzung oder in welcher Reitweise man im Gelände unterwegs ist, eine fundierte Grundausbildung sei jedoch unerlässlich.

Aus diesem Grund beschäftigen wir uns zu Beginn mit den Grundkenntnissen der Reitlehre. Hier geht es vor allem um die unterschiedliche Hilfengebung mit Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen und den korrekten Sitz des Reiters. Diese Informationen sind zwar nicht neu für mich, helfen mir aber dann doch, sie später beim Reiten noch bewusster anzuwenden. Danach geht es um das Ausreiten. Wir sprechen über verschiedene Gruppengrößen, denn zuvor waren die meisten von uns nur zu zweit oder zu dritt im Gelände unterwegs und nicht mit sechs oder gar zwölf Pferd-Mensch-Paaren.

Ich kann mir anfangs nicht vorstellen, mit einer solch großen Gruppe auszureiten. Wie soll das funktionieren, ohne dass Chaos ausbricht? Jasmin hat die perfekte Antwort darauf: „Beim Reiten in der Gruppe erleichtern Handzeichen die sichere Verständigung“. Ich bin am Anfang ein wenig überfordert, aber mit ein bisschen Übung verstehe ich den Sinn hinter den Handzeichen. Die Kursteilnehmer ohne eigenes Pferd bekommen anschließend ein Lehrpferd zugeteilt. Kurz darauf ruft Jasmin schon: „Ihr habt 30 Minuten Zeit, die Pferde vorzubereiten und dann sitzt ihr im Sattel.“ Wir bewegen uns in die Ställe und ich gehe von Box zu Box, auf der Suche nach „Roncalli“, meinem Lehrpferd für dieses Wochenende.

Lehrgangsleiterin Jasmin Lutterklas erklärt unserer Autorin die Ausrüstung eines Pferdes fürs Gelände.

Lehrpferd Roncalli und Autorin Jaqueline Kaldewey sind ein super Team.

Reiten in der Gruppe

Ein Klang, den wohl jeder Pferdemensch kennt: „Tür frei, bitte!“, hört man die einzelnen Reiter rufen, wenn sie mit ihren Pferden die Halle betreten. Nacheinander sitzen wir auf. Für die Prüfung müssen wir beweisen, dass wir eine sichere Sitzgrundlage beherrschen, in allen Grundgangarten frei reiten können und die Bahnregeln kennen. Weiterhin wird die Hilfengebung überprüft und in der Abteilung geritten. Auch der Positionswechsel beim Reiten in der Gruppe sowie die nötigen Handzeichen zum Ausreiten werden abgefragt. Dank meines gelassenen braunen Wallachs kann ich die einzelnen Aufgaben gut bewältigen. Beim Lösen der Pferde im Schritt hat Roncalli es eilig, ich muss ihn immer ein wenig zurückhalten, damit wir den Sicherheitsabstand zum Reiter vor uns einhalten können.

Auf Anweisung unserer Kursleiterin bilden wir einen Verband. Dafür sucht sich jeder einen Partner und wir reiten zu zweit nebeneinander in der Gruppe. Wir lernen: Nur so können wichtige Informationen über Tempo, Richtungswechsel oder ein plötzlich auftauchendes Problem sicher mündlich weitergeben werden. Laute Rufe des Anfangs- und Schlussreiters sollen von jedem Teilnehmer weitergeleitet werden, ein bisschen wie „stille Post“, nur eben laut. Ab dem Zeitpunkt ist Chaos vorprogrammiert. Die Kommunikation unter uns Reiterinnen funktioniert noch nicht einwandfrei und so kommt es zu ungewollten Überholmanövern, Gangartwechseln und Durchparieren ohne Ankündigung. „Die Reiter sind anfangs noch sehr still und zurückhaltend mit ihren Kommandos und entwickeln erst nach und nach eine Eigendynamik und verbessern dadurch ihre Kommunikation untereinander“, lehrt uns Jasmin. Mit ein bisschen Übung und nach einiger Zeit werden unsere Ansagen in der Gruppe besser und unsere Kursleiterin erlaubt uns, die Halle zu verlassen.

Bergauf, bergab oder querfeldein: Reiten im Gelände und auf unterschiedlichen Böden steigert Ausdauer und Geschick.

Voraussetzungen für den Pferdeführerschein Reiten

  • Vollendung des 10. Lebensjahres
  • angemessene reiterliche Fähigkeiten
  • Besitz des Pferdeführerscheins Umgang oder der Reitabzeichen RA 6 und 7
  • Teilnahme am Vorbereitungslehrgang
  • Pferde: 4-jährig oder älter, die den Anforderungen
    entsprechen

Reiten im öffentlichen Raum

Draußen angelangt, heißt es schon wieder „durchparieren zum Halten“. Denn vor uns liegt eine Straße, bei der wir unser Gelerntes abrufen sollen. Hier müssen wir aufpassen, denn auf allen Wegen und Straßen, auf denen öffentlicher Verkehr zugelassen ist, müssen sich Reiter – wie jeder andere Verkehrsteilnehmer auch – nach der Straßenverkehrsordnung richten. Mit viel Geduld und der richtigen Kommunikation untereinander, überqueren wir sicher die Straße.

Reiten im Gelände

Endlich ins Gelände! Wir staunen nicht schlecht über das Ausreitgelände der Westfälischen Reit- und Fahrschule, als wir die Wellenbahnen, Wassergräben, enge Pfade und Baumstämme sowie verschiedene Geländehindernisse sehen. Hier sollen wir jetzt das vorab in der Halle geprobte Reiten in der Gruppe umsetzen und das Reiten durchs Wasser, bergauf und bergab sowie das Passieren anderer Reitergruppen üben. Roncalli hat alles im Blick und richtet seine Ohren aufmerksam nach vorne. 

Ich merke, dass er es liebt, draußen in der Natur zu sein. Dennoch bleibt er ruhig und entspannt und reagiert fein auf meine Hilfen. Leider geht die gemeinsame Zeit draußen viel zu schnell vorbei und wir müssen zurück zum Hof reiten. Nach einer kurzen Mittagspause geht es mit der Theorie weiter und am Nachmittag dürfen wir dann wieder erst in der Halle und später im Gelände reiten. Auch am nächsten Tag können wir neben weiteren Theorieeinheiten zwei Reitstunden genießen und alle Aufgaben für die Prüfung am Sonntag wiederholen. Ich fühle mich nun gut vorbereitet.

Ausreiten zu zweit: In Gesellschaft ist der Ritt sicherer und der Spaß größer.

Die Prüfung

Der Pferdeführerschein Reiten besteht aus einem Lehrgang mit Prüfung und spricht reitweisenübergreifend alle Pferdefreunde an. Doch ohne die richtige Vorbereitung geht nichts. Zum Glück habe ich schon im Vorfeld fleißig gelernt und die Bücher zu den Pferdeführerscheinen aus dem FNverlag gelesen. Die darin gestellten Vorbereitungsfragen helfen mir, das Gelesene zu wiederholen und mir die wichtigsten Regeln und Sicherheitsvorkehrungen zum Thema Ausreiten zu merken. Die Prüfung selbst besteht aus zwei Theorie- und zwei Praxisstationen, die am Sonntagvormittag auf mich warten.

Es wird ernst

Am Prüfungstag sind alle aufgeregt und schon viel zu früh vor Ort. Die Pferde werden blitzeblank geputzt. Das Warten auf die Prüfer ist eine harte Geduldsprobe. Dann ist es endlich so weit. Annette von Hartmann und Werner Stock betreten die Ställe, um unser Wissen abzuprüfen. Sie kommen einzeln auf uns zu, stellen uns Fragen zur Pferdepflege und zur Vorbereitung zum Reiten. Wir müssen zeigen, dass wir unser Pferd richtig zum Reiten vorbereiten, es also richtig pflegen, satteln und trensen können. Die entsprechenden Handgriffe und Ausrüstungsgegenstände sollen wir erläutern. Ich habe ein gutes Gefühl beim Beantworten der Fragen und kann danach beruhigt mit meinem Partner Roncalli in die Reitbahn gehen.

Beim Reiten in der Gruppe erleichtern Handzeichen die sichere Verständigung.

Als nächstes steht das Reiten in der Halle auf dem Prüfungsplan. Hier müssen wir zeigen, dass wir eine sichere Sitzgrundlage beherrschen, in allen Grundgangarten frei reiten können und die Bahnregeln kennen. Auch die Hilfenabstimmung der Reiter wird überprüft und in der Abteilung geritten. Hinzu kommen die von uns geübten Positionswechsel beim Reiten in der Gruppe sowie die nötigen Handzeichen zum Ausreiten. Hier haben Roncalli und ich wenige Schwierigkeiten. Wir Reiter finden uns schnell in zwei Gruppen zusammen, marschieren auf der Mittellinie auf und warten geduldig auf die Zeichen der Prüfer, dass wir die Halle verlassen und nach draußen reiten können.

Noch mehr Prüfung

An der dritten Station wird unser Wissen zum Reiten im öffentlichen Raum abgefragt. Wie verhalte ich mich beim Ausreiten in einer Gruppe? Wie reite ich bei verschiedenen Geländebeschaffenheiten wie zum Beispiel Wasser, unterschiedlichen Bodenverhältnissen, bergauf oder bergab? Weiterhin müssen wir in verschiedenen Gangarten reiten und unser Wissen bei Begegnungen mit anderen Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern und Radfahrern praktisch beweisen. Auch eine Straße sicher zu überqueren, gehört dazu.

An der letzten Station geht es dann noch einmal um theoretisches Wissen zur Pferdegesundheit, zum Tierwohl und zu den Grundkenntnissen der Reitlehre. Aber auch die ethischen Grundsätze, Bestimmungen des Tierschutzgesetzes für Ausritte und die Verkehrsteilnahme, das Reiten im Verband sowie Verkehrsregeln sind Inhalt der Prüfung. Wir müssen uns mit der Ersten Hilfe für Reiter und Pferd und den Grundlagen der Reitlehre auskennen, außerdem ist eine Reflexion der in der praktischen Prüfung gezeigten Leistung gefragt.

Große Freude

Geschafft! Die Prüfung ist vorbei und die Erleichterung bei uns Teilnehmern entsprechend groß. Wir bringen die Pferde zurück in ihre Boxen und treffen uns gemeinsam mit den Prüfern zur Nachbesprechung in der Springhalle. Die Herausforderungen im Gelände wurden von allen Teilnehmern gut bewältigt, lobt Prüferin Annette von Hartmann. Zum Schluss bekommen wir alle eine Urkunde überreicht. Ich bin überaus glücklich und freue mich, die Prüfung zum Pferdeführerschein Reiten bestanden zu haben – was hätte ich sonst hier erzählen sollen? Zum Abschied und Dank gibt es für Roncalli eine Möhre.

Nächster Ausritt im Blick

Das Reiten im Gelände und das Ausreiten gehört zu den schönsten Freizeitbeschäftigungen. Doch für einen Ausritt mit dem Partner Pferd ist grundlegendes Wissen und Können nötig, das ist mir jetzt klar. 

Stolz mit Urkunde: Jaqueline Kaldewey freut sich über die bestandene Prüfung. Foto: Alina Stratmann

Der Pferdeführerschein Reiten ist das ideale Ausbildungsangebot für alle Pferdefreunde, die es lieben, mit ihrem Pferd in der Natur unterwegs zu sein. Auch wenn ich schon vorher Reiterfahrungen auf meiner Reitbeteiligung und durch wöchentlichen Reitunterricht sammeln konnte, habe ich durch den Lehrgang viel Neues gelernt. Ich weiß jetzt, wie ich mich perfekt auf einen Ausritt vorbereite, welche Faktoren beim Ausreiten eine Rolle spielen und wie ich mich in einer Notsituation am besten verhalte. Mit dem Nachweis fühle ich mich viel sicherer im Gelände und kann mich von denen abheben, die sich bisher noch keiner Prüfung zum Pferdeführerschein gestellt haben.

Die Straßenverkehrsordnung gilt auch für Reiter.

 Der Lehrgang hat mir nochmal gezeigt, dass man offen für Neues sein sollte, denn man lernt nie aus. Ich habe an dem Wochenende so viel dazu gelernt, dass ich mir vorgenommen habe, in der nächste Woche mit meinen Freundinnen und meiner Reitbeteiligung auszureiten. Meine gemachten Erfahrungen und mein Wissen werde ich dann mit ihnen teilen und ihnen den Pferdeführerschein Reiten ans Herz legen.

Jaqueline Kaldewey

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