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Pferde richtig entwurmen

Lernen vom Reitmeister: Ingrid Klimke

Mit Freude vielseitig unterwegs

„Reite zu Deiner Freude“ – das ist nicht nur das Motto von Ingrid Klimke, sie lebt dieses Motto! Besonders deutlich sieht man ihr das an, wenn sie auf einem ihrer vierbeinigen Partner durch einen Geländekurs galoppiert. Dann strahlt sie, lobt ihr Pferd immer wieder und nicht selten spricht sie auch mit ihm: „Gut gemacht, weiter so.“

Eine vielseitige Grundausbildung steht bei Ingrid Klimke bei all ihren Pferden im Vordergrund und so springt auch Dressurcrack Franziskus souverän einen Baumstamm. Foto: Christiane Slawik

Der Zugang zu Pferden wurde Ingrid und ihren Brüdern Rolf und Michael sehr leicht gemacht, ein Leben ohne Pferde war im Hause von Ruth und Reiner Klimke nicht denkbar. Mit Vater Dr. Reiner Klimke hatte Ingrid zudem von Anfang an einen Lehrmeister der Extraklasse. Trotzdem war nicht alles einfach: „Ich habe als Teenie mal eins von Papas Pferden geritten und wurde für die Junioren-DM nominiert, aber ich habe keinen Applaus bekommen. Alle haben nur daran gedacht, dass Papa mit dem Pferd schon S-Dressuren gewonnen hatte“, erinnert sie sich. Danach hat sich Ingrid auf die Ausbildung junger Pferde konzentriert, unterstützt von Hiltrud Mormann. „Mein Vater hat lange gehofft, dass ich doch noch seine Pferde reite, aber dann haben Hiltrud und ich Papa überrascht und ich habe eins von den jungen Pferden, die ich selbst ausgebildet habe, in einer M-Dressur gestartet – den Trakehner Pinot: Papa hat gewonnen, Hiltrud wurde Zweite und ich Dritte. Das hat ihn beeindruckt.“

SAP Hale Bob OLD und Reitmeisterin Klimke in ihrem Element und bei der EM 2019 in Luhmühlen auf dem Weg zum Titel. Foto: Stefan Lafrentz

Renommierte Lehrmeister

Ingrid Klimke absolvierte zunächst eine Banklehre und ein Lehramtsstudium, bevor sie sich ganz der Reiterei verschrieb, die Prüfung zum Pferdewirtschaftsmeister ablegte und sich 1998 selbstständig machte. Neben ihrem Vater hat auch Major a.D. Paul Stecken einen gehörigen Anteil an der Ausbildung der Reitmeisterin, aber auch Chris Bartle, Hans Melzer und Kurt Gravemeier sind wichtige Trainer in ihrer Laufbahn. Heute wird sie außerdem von Johannes Augustin im Training unterstützt.

Erfolge über Erfolge

Wenn man Ingrid Klimke heute im Sattel zuguckt, sieht man immer noch ein bisschen Dr. Reiner Klimke. Ingrid hat die Philosophie ihres Vaters übernommen, ist von ihm geprägt und verrät: „Wenn ich auf dem Pferd sitze, denke ich oft: Wie würde es Papa machen?“ Die Persönlichkeit des Pferdes steht für sie im Vordergrund, das Hineinhorchen, die Gymnastizierung und natürlich die vielfältige Ausbildung. Das ist ihr Markenzeichen – nicht nur im Vielseitigkeitssport, auch bei der Dressur. Und es ist der Grundstein für ihren Erfolg. 

Fünfmal war sie inzwischen bei Olympischen Spielen am Start und hat drei Medaillen gesammelt, zweimal Mannschafts-Gold. Bei vier Weltreiterspielen hat sie mitgemacht, zweimal Teamgold und einmal Einzelbronze gefeiert. Zehn Europameisterschaften hat sie erlebt und krönte alle EM-Erlebnisse mit Doppelgold 2019 in Luhmühlen im Sattel von SAP Hale Bob OLD. Dieser Erfolgsliste setzt Ingrid Klimke eine ganz besondere Krone auf: Sie ist die einzige Reiterin, die aktuell zu den Olympiakadern zweier Disziplinen gehört. Mit Franziskus wurde sie im Dezember 2019 in den Olympiakader Dressur berufen. „Diese Doppelgleisigkeit macht mir wirklich Spaß.“

Was geht mehr als Gold? Zweimal Gold! Eine glückliche Ingrid Klimke als Doppel-Europameisterin in der Vielseitigkeit. Foto: Stefan Lafrentz

 

Die Krönung

Im Januar 2012 kam eine besondere Auszeichnung hinzu: Ingrid Klimke wurde der Titel „Reitmeister“ verliehen! Dieser Titel wird für herausragende Leistungen im Sattel, langjährige herausragende Ergebnisse als Ausbilder und nachahmenswertes Engagement für den Reitsport verliehen. Bei Ingrid Klimke trifft all das in geballter Form zu. Sie war viele Jahre Stützpunkttrainerin des Landesverbandes Westfalen für die Pony-Dressurreiter, die Junioren und Jungen Reiter, war Ausbilderin bei Meisterlehrgängen an der Westfälischen Reit- und Fahrschule und bildete zahlreiche Pferdewirte aus. Sie gibt Seminare und Lehrgänge im In- und Ausland, schreibt Bücher, produziert Lehrvideos und hält Vorträge. Außerdem ist sie seit der Gründung im Jahr 2002 Vorstandsmitglied des Westfälischen Pferdemuseums und seit 2013 Botschafterin des Weltreitsport-Verbandes (FEI) – um nur zwei weitere Beispiele zu nennen. Hinter all dem steckt eine unglaubliche Energie: „Das ist meine größte Motivation – die Freude am Reiten.“

Ingrid Klimkes Ausbildungstipp: Nicht ohne Cavaletti

„Ich habe schon von meinem Vater die Philosophie der vielfältigen Ausbildung übernommen, vielfältig und abwechslungsreich, dazu gehört für mich auch unbedingt Cavalettiarbeit. Auf unserem Platz sind immer zwölf Cavaletti aufgebaut, die man unterschiedlich nutzen kann. Vier Schritt-Cavaletti liegen immer parat und Trab- oder Galopp-Cavaletti oder wir bauen eine Gasse auf, legen die Stangen auf die Zirkellinie oder denken uns etwas Neues aus. 

 Cavalettiarbeit mache ich wirklich mit allen Pferden: mit den Dressurpferden genauso wie mit den Vielseitigkeitspferden, mit den Älteren ebenso wie mit den Jüngeren. Sobald die jungen Pferde unter dem Sattel Schritt, Trab und Galopp geradeaus gehen können, beginnen wir vorsichtig mit Cavalettiarbeit. Bei uns im Stall wird auch jedes Pferd einmal die Woche über Cavaletti longiert. Als Hilfszügel nutzen wir Dreieckszügel, die so verschnallt sind, dass die Pferde die Nase vor der Senkrechten tragen können und der Weg nach unten immer frei ist, um sich in Dehnungshaltung abzustrecken.

Egal ob jung oder alt, Vielseitigkeitsoder Dressurpferd: Für jedes Pferd im Stall Klimke steht einmal wöchentlich das Longieren über Cavaletti auf dem Trainingsplan, so auch für EQUITANAs Firlefanz. Foto: Horst Streitferdt

 Ich bin ein solcher Fan von Cavalettiarbeit, weil man damit fast jedem Problem entgegenwirken kann. Stichwort Gymnastizierung – das eine Pferd ist rechts steifer, das andere links, der nächste kann den Hals nicht gut fallen lassen und hält sich im Rücken fest – all das kann man wunderbar mit Cavalettiarbeit lösen. Sehr gut eignen sich Cavaletti auch, um die Versammlung im Galopp zu verbessern. Mein Bobby beispielsweise war kein Held, wenn es um den versammelten Galopp mit deutlicher Bergauftendenz ging. Über die Cavaletti ist er automatisch mehr nach vorne oben gesprungen und hat seinen versammelten Galopp deutlich verbessert.

Mit Cavalettiarbeit hat Ingrid Klimke den versammelten Galopp von Hale Bob deutlich verbessert. Foto: Horst Streitferdt

Oder wenn ich mit einem Dressurpferd den Galopp für die Pirouetten verbessern möchte, auch da helfen Cavaletti für die Verbesserung der Lastaufnahme, des Gleichgewichts und natürlich für die Förderung der Kraft. Jedes Pferd hat irgendeine Herausforderung, an der man arbeiten muss, und bei nahezu allen kann Cavalettiarbeit helfen. Cavaletti dienen der Gymnastizierung, fördern die Motivation, bieten Abwechslung, stärken die Muskulatur und das Gleichgewicht, machen den meisten Pferden Spaß und vermitteln ihnen ein noch besseres Körpergefühl. Ein weiterer Pluspunkt für die Arbeit mit Cavaletti ist, dass man sie längst nicht nur als Profireiter anwenden kann. Im Grunde kann jeder Reiter sein Pferd über Cavaletti gymnastizieren. Man muss sich natürlich im Vorfeld gut informieren, wie weit die Abstände zwischen den Cavaletti sein sollen, welche Übungen es gibt und welche Aufbauten ratsam sind. Gerade für Reiter, die vielleicht ihre Pferde noch nicht optimal trainieren können, sind Cavaletti eine große Hilfe. Durch den gymnastizierenden und kräftigenden Effekt dienen sie der Gesunderhaltung des Pferdes.

Ein wichtiger Hinweis noch zum Schluss: Ich baue nie mehr als vier Cavalettis hintereinander auf – egal in welcher Gangart und auf welcher Linie. Jedes Pferd kann mal stolpern, aus dem Rhythmus kommen oder sich erschrecken – bei vier Cavaletti ist es für jedes Pferd gut möglich, sich mit einem großen Satz aus der Situation zu retten. Stehen aber acht oder zehn Cavaletti hintereinander, das Pferd kommt unpassend zum ersten und muss sich dann durch die ganze Reihe stolpern – das kann schon mal unglücklich enden. Ich kann mir die Ausbildung von Pferden ohne Cavalettieinsatz gar nicht mehr vorstellen und auch beim Training meiner Schüler möchte ich Cavaletti auf gar keinen Fall missen.“

Kim Kreling

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