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Neurologische Probleme beim Pferd
Koordinationsstörungen auf der Spur
Das Pferd bleibt in engen Wendungen wie eingefroren stehen, stolpert gelegentlich oder gerät auf glatten Böden in Panik? Zudem baut es trotz Training kaum Oberlinienmuskulatur auf? Höchste Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen. Denn möglicherweise steckt eine neurologische Störung dahinter.
Die Ursachen für eine Ataxie sind vielfältig und reichen von möglichen Unfällen über Vergiftungen bis hin zu Infektionen mit Bakterien oder Viren. Foto: Christiane Slawik
Paula, eine elfjährige Warmblutstute, wird in der tierärztlichen Praxis aufgrund verschiedener Auffälligkeiten vorgestellt: Sie wirkt schwach in der Hinterhand, geht oft nicht im Takt und stolpert immer mal wieder. Die Stute ist kein Einzelfall, Dr. Ulrich Mengeler sieht in seiner Praxis regelmäßig Pferde mit ähnlichen Einschränkungen – und hat auch bei Paula anhand des Vorberichts und der ersten Begutachtung einen Verdacht: Möglicherweise handelt es sich bei ihr um ein neurologisches Problem, um Ataxie.
Defizite erkennen
Entgegen der landläufigen Vorstellung sind Pferde mit Ataxie nicht zwangsläufig stark schwankende Tiere, und auch nicht ausschließlich schlaksige, hochgewachsene Jungpferde. In seinem Praxisalltag begegnet der erfahrene Tierarzt regelmäßig Sport- und Freizeitpferden verschiedener Rassen und Altersgruppen, die durch wechselnde Lahmheiten, stagnierende Trainingsleistungen oder andere Einschränkungen auffallen. „Manche Pferdebesitzer suchen tierärztliche Hilfe, nachdem sie mit ihren Tieren wiederholt gestürzt sind“, berichtet Dr. Mengeler. Einige dieser Pferde haben bereits einen langen Leidensweg hinter sich: Mit wechselnden Trainern, Therapien, Profiberitt und Ergänzungsfuttermitteln wird versucht, die vermeintlichen Rittigkeitsprobleme zu lösen. Wenn neurologische Defizite nicht erkannt werden, kann laut Dr. Mengeler eine Kaskade der Eskalation entstehen: „Manche Pferde reagieren zunehmend abwehrend und aggressiv, andere werden im Krankheitsverlauf depressiv.“ Der Begriff „Ataxie“ ist allgemein bekannt, jedoch werden häufig Symptome und Krankheiten vermischt und es kommt zu einer Mélange von Begriffen: Ataxie, Wobbler-Syndrom, CVM, CDS oder CSS; aber der Reihe nach.
Was ist Ataxie?
Ataxie ist keine eigenständige Erkrankung, sondern beschreibt ein klinisches Bild und ist ein Sammelbegriff für verschiedene Krankheitsbilder, die mit Koordinationsstörungen der Gliedmaßen einhergehen. Die Bezeichnung leitet sich vom griechischen Wort „ataxia“ ab, was so viel wie „Unordnung“ bedeutet und Pferde beschreibt, die durch neurologische Defizite auffallen.
Auslöser und Ausprägung der Auffälligkeiten können stark variieren, wie Dr. Kai Kreling, Geschäftsführer der Pferdeklinik Equitales, erklärt: „Betroffene Pferde können generell Schwierigkeiten haben, ihre Bewegungen zu koordinieren. Manche fallen auch nur unter spezifischen Belastungen auf, wie zum Beispiel bei Übergängen von einer Gangart zur anderen oder beim Bergabgehen im Gelände. Dabei reichen die Symptome von kleinen Fehltritten bis zum kompletten Verlust kontrollierter Bewegung.“ Doch was kann das eigentlich trittsichere Pferd so aus der Bahn werfen?
Ataxie ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Sammelbegriff für verschiedene Krankheitsbilder, die mit Koordinationsstörungen der Gliedmaßen einhergehen. Foto: Christiane Slawik
Steuerzentralen: Das zentrale und periphere Nervensystem
Das zentrale Nervensystem (ZNS), bestehend aus Gehirn und Rückenmark, fungiert als Hauptsteuerzentrale. Das Hals- bzw. Rückenmark ist ein dicker Informationsstrang, der vom Gehirn ausgehend durch den Wirbelkanal von Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule bis zum Kreuzbein verläuft, während die von dort ausgehenden Nerven im peripheren Nervensystem (PNS) die Verbindung zu den verschiedenen Körperregionen und Muskeln herstellen. Die Abgrenzung bezieht sich rein auf die Lage im Körper. Funktional gesehen, handelt es sich nicht um zwei eigenständige Systeme. Im PNS werden zwölf Hirnnerven mit charakteristischen Funktionen und Spinalnerven unterschieden. Die Spinalnerven treten paarweise und mehr oder weniger regelmäßig aus dem Rückenmark hervor. Je nach Abschnitt der Wirbelsäule werden Hals-, Brust-, Lenden-, Kreuz- und Schwanznerven unterschieden.
Wie funktioniert Koordination?
Vereinfacht gesagt, entsteht Koordination durch das Zusammenspiel von Gehirn, Sinnesorganen und Gliedmaßen, wobei chemische und elektrische Impulse über Nervenbahnen ausgetauscht werden. Diese Nervenbahnen durchziehen den gesamten Körper wie ein Netzwerk. Gehirn und Rückenmark bilden quasi das Kontrollzentrum, das Signale sendet und empfängt, um Bewegungen und Reaktionen zu steuern. Diese reichen von unbewussten Hautreflexen zur Abwehr von Fliegen bis hin zur Ausführung anspruchsvoller Dressurlektionen und der plötzlichen Flucht im Galopp. Werden die sensiblen Strukturen beeinträchtigt, geschädigt oder im schlimmsten Fall zerstört, gerät das feine Zusammenspiel durcheinander. Art und Ausprägung der Symptome hängen davon ab, welcher Teil des Nervensystems betroffen ist, wie stark der Schaden ist und wodurch er ausgelöst wurde. Deshalb ist Ataxie nicht gleich Ataxie.
Bei der klinischen Untersuchung steht auch das Vortraben auf dem Programm. Betroffene Pferde zeigen Koordinationsprobleme häufig auf engen Wendungen oder beim Rückwärtsrichten. Foto: Stefan Lafrentz
Nach einem Anfangsverdacht beginnt für die Tierärzte daher ein Indizienprozess, bei dem es zunächst darum geht, die neurologische Störung zu lokalisieren. Koordinationsstörungen können nämlich entweder aus einer Fehlfunktion im Gehirn – abhängig von der Region zerebrale oder zerebelläre Ataxie genannt – oder aus einer Beeinträchtigung im Rücken- oder Halsmark resultieren – als spinale Ataxie, Wobbler- Syndrom oder zervikale Malformation (CVM) bezeichnet. Letztere ist laut Dr. Kreling verbreitet und betrifft die weiterleitenden Nervenstränge: „Eine fehlerhafte Ausrichtung der Wirbelkörper zueinander kann beispielsweise dazu führen, dass der Wirbelkanal rein mechanisch eingequetscht und der Informationsfluss gestört wird.“
Ataxie: Einteilung nach Schweregrad
0: Keine neurologischen Störungen.
1: Neurologische Störungen beim normalen Gehen gerade noch zu erkennen, aber deutlich beim Rückwärtsrichten, Wenden, bei Druck auf die Lende und beim Strecken des Halses.
2: Neurologische Störungen beim normalen Gehen deutlich zu erkennen, vermehrt beim Rückwärtsrichten, Wenden, bei Druck auf die Lende und beim Strecken des Halses.
3: Neurologische Störungen beim normalen Gehen sehr deutlich zu erkennen, mit Tendenz zum Fallen beim Rückwärtsrichten, Wenden, bei Druck auf die Lende und beim Strecken des Halses.
4: Stolpern, Straucheln und spontanes Umfallen bei normalem Gehen, bis hin zu kompletter Paralyse.
5: Vollständige Paralyse bzw. Unfähigkeit zu kontrollierter, bewusst gesteuerter Bewegung.
nach Mayhew 1978, modifiziert nach Blythe 1987
Gründliche Diagnostik
„Die gründliche Untersuchung neurologisch auffälliger Pferde umfasst eine ausführliche Anamnese, die klinische Beurteilung sowie neurologische Tests, um den weiteren Untersuchungsgang dann auf die zentralnervösen oder peripheren Symptome abzustimmen“, erläutert Dr. Mengeler das Vorgehen. Oft sind es aber scheinbare Nebensächlichkeiten, die den erfahrenen Praktiker aufhorchen lassen: „Mein Pferd hat schon lange Sattelzwang. Es geht immer komisch auf glatten Böden und beim Schmied muss es sich immer anlehnen.“ Manchmal reicht auch schon der erste Eindruck, um auf die richtige Spur zu kommen, wie der Pferdefachmann erklärt: „Hat das Pferd hängende Augenlider, macht einen stumpfen, schläfrigen Eindruck und wirkt bereits auf den ersten Blick zentralnervös auffällig, hat die Erkrankung vermutlich ihren Ursprung im Gehirn.“ Mögliche Ursachen können Unfälle, Tumore, Vergiftungen, Parasiten oder Infektionen mit Bakterien oder Viren wie Borna-, West-Nil- Virus oder EHV-1 sein. „Viren und Bakterien können durch ihre krankmachende Wirkung das Nervensystem per se schädigen. Manchmal entsteht auch eine entzündliche Schwellung unter einer Infektion, die Druck auf Nerven ausübt und dadurch zu einer Funktionsstörung führt“, sagt Dr. Mengeler und ergänzt: „Wenn solche Infektionen frühzeitig erkannt und richtig therapiert werden, ist die Prognose in der Regel gut. Sofern keine Nerven zerstört wurden, sind die Symptome meist reversibel.“
Die klinische Untersuchung
Die klinische Untersuchung ist umfangreich und beginnt mit einer genauen Begutachtung des stehenden Pferdes, einschließlich Gliedmaßenbelastung und Habitus. Muskelschwund im Bereich der Kruppe und der langen Rückenmuskulatur sind zum Beispiel mögliche Indizien für eine Rückenmarkskompression im Halsbereich. Spezifische neurologische Tests und Reflexprüfungen geben weitere Hinweise. Die Stellreflexe werden durch Überkreuzen und Weitstellen der Vorderbeine getestet, wobei Pferde wie Paula ihre Beine oft auffallend spät korrigieren. Danach folgt die Begutachtung in der Bewegung: Koordinationsprobleme zeigen sich insbesondere beim Bergabgehen, beim Rückwärtsrichten und auf engen Zirkeln. Ataktische Pferde versuchen zum Beispiel nach außen auszuweichen und laufen tendenziell mit der Hinterhand um die Vorhand herum.
Halswirbelsäule im Fokus
Nach der klinischen Untersuchung steht für Dr. Mengeler fest, dass Paulas unsicheres Gangbild und Stolpern nicht auf fehlendes Training, ein orthopädisches Problem oder die Hufbearbeitung zurückzuführen sind, sondern wahrscheinlich auf eine gestörte Reizübertragung zu den Gliedmaßen. Tierärzte sprechen von Defiziten in der Propriozeption. Da die zuständigen Nerven beim Pferd relativ weit außen am Halsmark liegen, konzentriert sich die weitere Diagnostik auf den Halsbereich, wo eine Verengung (Stenose) vermutet wird.
Mediziner unterscheiden in diesem Zusammenhang zwischen statischen und dynamischen Stenosen: Dynamische Stenosen verengen vorübergehend den Wirbelkanal während bestimmter Bewegungen, während statische Stenosen meist durch Knochen- und/oder Weichteilzubildungen im Wirbelgelenksbereich bedingt sind und zu einer dauerhaften Kompression der entsprechenden Nerven führen. Beide Varianten äußern sich im klinischen Bild der spinalen Ataxie, werden heute jedoch differenzierter als „cervical dynamic stenosis“ (CDS) oder „cervical static stenosis“ (CSS) bezeichnet.
Der Wirbelkanal, auch Spinalkanal genannt, wird durch die Wirbelbögen und die dorsale Seite der Wirbelkörper gebildet. Er verläuft von der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule bis zum Kreuzbein. Auf dem Bild ist ein Lendenwirbel zu sehen. Foto: Sabine Heüveldop
In der deutschsprachigen wissenschaftlichen Literatur hat sich der Oberbegriff zervikale Malformation (CVM) etabliert. Die genauen Ursachen für die verschiedenen anatomischen Abweichungen der Halswirbelsäule sind noch nicht vollständig verstanden. Es wird angenommen, dass eine genetische Veranlagung, körperliche Belastung, Verletzungen und Ernährung eine Rolle spielen. Dennoch ist der genaue Ablauf der Ereignisse, der letztendlich zu den Symptomen der Ataxie führt, noch nicht umfassend geklärt.
Bildgebende Verfahren
Nachdem die klinische Untersuchung den Verdacht auf Ataxie bestätigt hat und die Halswirbelsäule als Ursprung identifiziert wurde, können bildgebende Verfahren zur weiteren Präzisierung der Diagnose eingesetzt werden. Eine Standard-Röntgenaufnahme im Stehen liefert grundlegende Informationen über die Wirbelstruktur und kann mögliche Fehlstellungen oder Fissuren darstellen. Paulas Röntgenbild zeigt eine Achsfehlstellung des vierten und fünften Halswirbels mit Gleitwirbel. Das heißt, eine fehlerhafte Ausrichtung der Wirbelkörper zueinander erzeugt eine „unphysiologische Stufe“ in der Halswirbelsäule, wodurch eine Engstelle im Rückenmarkskanal und Druck auf sensible Nerven entsteht. Im Gespräch mit dem Tierarzt kann sich die Besitzerin das schwammige Reitgefühl nun erklären und erkennt rückblickend, dass die leichte Ataxie ihrer Stute bereits viel länger besteht, als sie angenommen hatte. Dies sei kein Einzelfall, sagt Dr. Mengeler: „Gerade bei Pferden mit geringen Einschränkungen – und das ist die Mehrheit – muss die Ataxie oft erst enttarnt werden!“
Bei unklarem Befund oder Unsicherheit über die Lokalisation der Kompression ist eine Kontrastmittelaufnahme (Myelographie oder auch Myelo-CT), erforderlich, wodurch auch Weichteilstrukturen sichtbar gemacht werden können. Diese Aufnahmen werden im Liegen unter Vollnarkose durchgeführt, wobei der Pferdehals maximal überbeugt und überstreckt wird, um beide Extreme zu simulieren und zuverlässig auch dynamische Rückenmarkskompressionen, die bei allein statischen Untersuchungsmethoden häufig übersehen werden, darstellen zu können. Dr. Anja Kasparek, Fachtierärztin für Pferdechirurgie und Mitinhaberin der Pferdeklinik Aschheim, erklärt: „Durch die Injektion von Kontrastmittel in den Rückenmarkskanal und die anschließende Röntgenkontrolle kann ich erkennen, welche Wirbel betroffen sind und wie stark das Rückenmark durch Engstellen komprimiert wird. Das ist für mich als Chirurgin die wichtigste Untersuchung.“
Wird bei der klinischen Untersuchung der Verdacht auf Ataxie bestätigt, können bildgebende Verfahren zum Einsatz kommen, um die Diagnose zu präzisieren. Foto: Christiane Slawik
Riskante Rückschlüsse
Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule sind zweifellos ein wichtiges diagnostisches Werkzeug, doch Praktiker warnen vor voreiligen Schlussfolgerungen. Nach Meinung von Dr. Mengeler können Abweichungen von einem idealen Röntgenbild zwar ursächlich relevant sein, jedoch lassen sich potenzielle Auswirkungen auf klinische Beeinträchtigungen nicht zuverlässig einschätzen. Ähnliches berichtet Dr. Kreling aus seiner Praxis: „Manche Pferde tolerieren extreme Veränderungen im Röntgenbild, ohne klinisch auffällig zu sein.“ Auch Dr. Kasparek warnt nachdrücklich vor den Folgen einer Fokussierung auf Röntgenbilder, denn: „Es sind schon klinisch unauffällige Pferde allein aufgrund auffälliger Röntgenbilder euthanasiert worden.“ Allerdings berichten die Tierärzte übereinstimmend auch von Fällen, in denen Befunde an der Halswirbelsäule ignoriert werden – und Pferdebesitzer durch die weitere Nutzung der Pferde ein großes Risiko für Tier und Mensch in Kauf nehmen.
Chirurgische Maßnahmen
Eine Diagnose schafft in jedem Fall Gewissheit. Die konventionellen Therapiemöglichkeiten sind im Bereich der Halswirbelsäule jedoch sehr begrenzt. Abschwellende und entzündungshemmende Medikamente können unter bestimmten Voraussetzungen zeitweise Linderung verschaffen. Doch die Korrektur einer Fehlstellung kann nur durch eine Operation erzielt werden, bei der betroffene Halswirbel versteift und dadurch stabilisiert werden.
Die Pferdeklinik Aschheim bietet als eine der wenigen europäischen Pferdekliniken verschiedene operative Maßnahmen zur Druckentlastung von Wirbelgelenken an – unter bestimmten Voraussetzungen. Dr. Kasparek erklärt: „Propriozeptive Defizite treten per se nur auf, wenn Druck auf das Rückenmark besteht oder wenn es zu Lähmungen, Ausfällen oder Schmerzen kommt, die durch Druck auf die Spinalnerven verursacht werden. Das sind die beiden Hauptnervenbefunde im Halsbereich. Lokaler Nervendruck oder arthritische Schmerzen durch eine Gelenkentzündung in der Halswirbelsäule müssen klar davon abgegrenzt werden, da sie unterschiedliche chirurgische Maßnahmen erfordern.“
Die Myelografie ist eine Kontrastmittelaufnahme, die bei neurologisch auffälligen Pferden durchgeführt wird. Dabei wird Kontrastmittel in den Rückenmarkskanal injiziert, um Einengungen des Halsmarks im Röntgenbild zu erkennen und ihre Prognose abzuschätzen. Foto: Pferdeklinik Aschheim
Die etablierteste Methode zur Stabilisierung dynamischer Stenosen ist laut Dr. Kasparek die Versteifung der Halswirbel durch die Bagby-Baskets: „Das sind quasi runde Schrauben, die innen hohl sind und zur Hälfte in den vorderen und zur Hälfte in den hinteren Wirbel eingesetzt werden. Der Hohlraum wird mit dem gewonnenen Knochenmaterial gefüllt, was eine schnelle Durchbauung ermöglicht. „Da die Wirbel nicht komplett durchbohrt werden, bleibt der Korb auch gut in Position“, erläutert die Chirurgin und ergänzt: „Bei orthopädischen Schmerzen oder wenn ein Pferd aufgrund einer Nervenkompression einseitig lahmt oder eine statische Stenose im Bereich der Facettengelenke besteht, kann eine arthroskopische Vergrößerung der Nervendurchtrittsstelle bei den Facettengelenken durchgeführt werden. Dabei wird die Knochenkante, die vor dem Nerv liegt, freigelegt, um dem Pferd Erleichterung zu verschaffen.“ Dies sei jedoch keine Lösung für ataktische Pferde, betont Dr. Kasprek: „Ataktikern wird dadurch noch mehr Stabilität genommen.“ Deswegen sei die Diagnostik so elementar wichtig.“
Individuelle Entscheidung
Ob eine Operation in Frage kommt, muss immer individuell eingeschätzt werden. „Bei einer einzelnen Engstelle ist die Prognose meist günstig, bei zwei Stellen noch akzeptabel. Ab drei Stellen wird es jedoch schwierig“, sagt Dr. Kasparek. Außerdem sei relevant, wie alt das Pferd ist und seit wann es Symptome zeigt: Bei einem Pferd mit frischen Ataxieanzeichen können sich die Symptome in kurzer Zeit verbessern. „Ich habe Sportpferde, die sich gut erholt haben und wieder im Sport eingesetzt werden“, sagt Dr. Kasparek und fügt hinzu: „Ich mache aber keine Operationen, wenn jemand dies als Bedingung stellt.“ Diese Garantie könne man in der Neurologie nicht geben.
Lebensqualität und Beschäftigung
Doch auch in Fällen, in denen eine Operation keine Option darstellt, ermutigt Dr. Mengeler dazu, sich mit dem Befund zu arrangieren und die Lebensqualität der Pferde in den Mittelpunkt zu stellen: „Ataxie ist in den seltensten Fällen ein Todesurteil. Wenn Pferdebesitzer bereit sind, ihre Erwartungen anzupassen und das Pferd nur dazu befähigen, wozu es in der Lage ist, sind zahlreiche Beschäftigungsmöglichkeiten denkbar.“ Frei- oder Bodenarbeit können das Körpergefühl und die Koordination unterstützen. Besonders wichtig sei auch die Vertrauensarbeit, um den Pferden mit ihren Einschränkungen Sicherheit zu geben. Paula macht heute beispielsweise regelmäßig Bodenarbeit und Spaziergänge an der Hand.
Sabine Heüveldop
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