Vorheriger Artikel

Ausgabe 07/2022
10 Tipps für mehr Kadenz

Nächster Artikel

Ausgabe 07/2022
Lektion im Fokus: Mitteltrab

Ausbildung mit FN-Expertin Lina Otto

Spanniges Pferd mit kurzem Rücken

Pferden mit eher kurzem Rücken – so wie es bei den iberischen Rassen oft der Fall ist – fällt es häufig schwer, reelle Losgelassenheit zu entwickeln. Andere Dinge fallen ihnen dafür wiederum leichter. Foto: Christiane Slawik

Frage: Mein Wallach hat einen eher kurzen Rücken. Beim Reiten klemmt er häufig den Schweif ein und verspannt sich. Leider kam es dabei in der Vergangenheit schon öfter zu heftigem Buckeln. Da ich schon mehrfach gestürzt bin, ist mein Vertrauen zu ihm gestört und ich bin ziemlich ratlos. Natürlich reite ich ihn in Dehnungshaltung, aber die Spannung taucht trotzdem immer mal wieder auf. Das Röntgen durch den Tierarzt hat keinen nennenswerten Befund gezeigt. Was kann ich tun?

Vielen Dank für Ihre Zuschrift. Leider schreiben Sie nicht, wie alt Ihr Pferd ist, ob die Problematik schon länger besteht oder plötzlich aufgetaucht ist und in welchen Situationen das Buckeln auftritt. Sie schreiben aber, dass Ihr Pferd einen eher kurzen Rücken hat. Lassen Sie uns daher zunächst auf dieses Exterieurmerkmal schauen. Kurze Rücken finden sich häufig bei den iberischen Pferden, aber durchaus auch bei anderen Rassen. Die iberischen Pferde zeigen dann oft auch die mit dem kurzen Rücken  einhergehende Problematik: Viele haben Defizite in der Losgelassenheit und Dehnungsbereitschaft, die Entwicklung von Schubkraft und Raumgewinn fällt ihnen schwer und auch die Längsbiegung lässt sich nur schwer erarbeiten. Dafür ist ihnen meist ein Talent für versammelnde Übungen angeboren und bei entsprechender Ausbildung ist der kurze Rücken belastbarer und tragfähiger als ein eher langer Rücken. Vor allen Dingen in Verbindung mit einer aktiven Hinterhand bei langen Hebeln lässt sich der kurze  Rücken in der Ausbildung gut kompensieren.

Schlüsselfaktor Losgelassenheit

In der täglichen Arbeit mit Ihrem Pferd sollten Sie stets berücksichtigen, dass die Losgelassenheit der Schlüssel zu mehr Rückentätigkeit ist. Gestalten Sie daher die Lösungsphase lang genug, traben Sie leicht und reiten Sie überwiegend auf gebogenen Linien. Übergänge zwischen Arbeitstrab und Arbeitsgalopp sind besonders effektiv, da der Wechsel zwischen den beiden schwunghaften Gangarten alle wichtigen Muskelgruppen anspricht und lockert. Auch Tempounterschiede im Galopp eignen sich, um den eher kurzen Rücken zu Losgelassenheit zu bringen.

 

Dehnungsbereitschaft fördern

Regelmäßiges Zügel-aus-der-Hand-Kauen- Lassen überprüft die Dehnungsbereitschaft und zeigt Ihnen, ob Sie auf dem richtigen Weg sind. Stellen Sie sicher, dass Ihr Pferd wirklich sicher an beide Zügel herantritt und Sie die Verbindung zum Pferdemaul auch in der Dehnungshaltung fühlen. Dehnung ist nur wertvoll, wenn der Hals dabei wirklich länger wird und das Pferd den Ganaschenwinkel öffnet. Ein Abtauchen nach unten wäre genauso kontraproduktiv wie ein Aufrollen hinter den Zügel. Betrachten Sie diese Übung als Prozess, geben Sie sich anfangs mit wenigen guten Tritten oder Sprüngen zufrieden und bauen Sie die Dehnungsbereitschaft langsam aus. Bedenken Sie aber unbedingt, dass das Zügel-aus-der-Hand-kauen-Lassen eine Lektion ist und kein Dauerzustand – wertvoll sind kurze Reprisen korrekten Dehnens, am besten auf gebogenen Linien. Reiten Sie zu lange in Dehnungshaltung, besteht die Gefahr, dass Ihr Pferd auf die Vorhand kommt und den positiven Spannungsbogen über den Rücken verliert. Daher mein Tipp: ein bis zwei Runden auf dem Zirkel im korrekten Zügel-aus-der-Hand-kauen- Lassen, dann die Übung beenden und das Pferd wieder in die Arbeitshaltung bringen.

Ab in die Natur!

Freies Galoppieren im Gelände – idealerweise leicht bergauf – ist ein super Rückentraining. Foto: Christiane Slawik

In der weiteren Gymnastizierung bauen Sie unbedingt Bodenricks und Cavaletti in die Arbeit ein: Vor allen Dingen im Trab helfen sie, die Rückentätigkeit und die Dehnungsbereitschaft zu fördern. Und sobald Sie sich das wieder zutrauen, gehen Sie raus ins Gelände, schnallen Sie die Bügel kurz und lassen Sie Ihren Wallach galoppieren – am besten längere Strecken in wechselndem Tempo und wenn möglich, mit leichten Steigungen. Das freie Galoppieren im Gelände ist das beste und effektivste Rückentraining für das Pferd und es führt zu verbessertem Wohlbefinden, denn das Pferd ist in der Natur zuhause und nicht in der geschlossenen Reitbahn.

Alles auf den Prüfstand

Damit Sie sich dabei wohler fühlen und sich nicht vor dem Buckeln Ihres Pferdes fürchten müssen, rate ich Ihnen, einen umfassenden Check vorzunehmen. Durch den Tierarzt wurde bereits ohne Befund geröntgt, das ist eine gute Nachricht. Leider liegen gerade bei Pferden mit kurzem Rücken die Sättel oft zu weit hinten und drücken auf die  Lendenpartie. Lassen Sie daher auch von einem qualifizierten Sattler die Ausrüstung überprüfen. Ziehen Sie vielleicht auch einen Physiotherapeuten oder Osteopathen hinzu, um mögliche andere körperliche Ursachen auszuschließen. Stellen Sie unbedingt auch die Haltung und die Fütterung auf den Prüfstand. Vielleicht hängt das Buckeln auch mit zu wenig freier Bewegung und zu viel Kraftfutter zusammen. Versuchen Sie hier unbedingt, erst in alle Richtungen zu denken und schaffen Sie optimale Bedingungen, bevor Sie die weitere Ausbildung Ihres Pferdes angehen.

Sie sind nicht allein!

Einen letzten Rat möchte ich Ihnen noch geben: Sie sind nicht allein mit Ihrem Problem. Suchen Sie sich kompetente Hilfe durch einen qualifizierten Ausbilder, der eventuell Ihr Pferd auch regelmäßig reitet und Sie so auf Ihrem Weg unterstützt.

Lina Otto Foto: privat

Die Expertin

Lina Sophie Otto ist Pferdewirtschaftsmeisterin und Trainerin A – Reiten/Leistungssport und als solche in der FN-Abteilung Ausbildung vor allem für die Bereiche Blended Learning und Online-Seminare zuständig. Als Expertin berät und unterstützt sie das Team des PM-Forum bei allen Fragen rund um die richtlinienkonforme Ausbildung von Pferd und Reiter.

Frage an die FN-Experten

Ausbildung, Haltung, Fütterung, Gesundheit, Turniersport oder Recht? Sie haben zu einem der Themenbereiche auch eine Frage an die FN-Experten? Dann senden Sie uns diese gerne mit dem Betreff „Rubrik Leser fragen“ per E-Mail an pm-forum@fn-dokr.de. Die Redaktion beantwortet ausgewählte Fragen im Magazin.

Vorheriger Artikel

Ausgabe 07/2022
10 Tipps für mehr Kadenz

Nächster Artikel

Ausgabe 07/2022
Lektion im Fokus: Mitteltrab