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Gesundheit und Krankheit des Auges

Die Sicht der Pferde

Entspannt, aufgeregt, müde – die Augen verraten viel über die Stimmung eines Pferdes und gelten als „Spiegel der Seele“. Für viele Reiter, Züchter und Pferdebesitzer liefern sie einen ersten Hinweis auf den Charakter des Vierbeiners. Doch wie sehen Pferde die Welt? Und was ist zu tun, wenn das Pferdeauge erkrankt? Das PM-Forum wirft ein Auge auf das Auge.
Die Augen von Pferd und Mensch sind auf den ersten Blick sehr unterschiedlich und doch gibt es auch viele Gemeinsamkeiten. Foto: Arnd Bronkhorst

Gewinnspiel

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Das Auge des Pferdes ist perfekt an die Lebensumstände von Fluchttieren angepasst. Durch die seitliche Lage der Augenhöhlen am Schädel und die quer-oval liegenden Pupillen haben Pferde bei gesenktem Kopf ein Gesichtsfeld von fast 360°. Der Winkel der Augenachsen beträgt rund 90°. Zum Vergleich: Bei Raubtieren liegt der Winkel der Augenachsen zwischen 20 und 50°. Sie können dadurch Formen besser sehen als Pferde, da sich die Sichtfelder beider Augen stärker überschneiden. Umgekehrt bedeutet es, dass Pferde nur in einem kleinen Bereich räumlich sehen können und in dieser Hinsicht dem Menschen unterlegen sind. Wie weit die Augen auseinander stehen, ist allerdings von Pferd zu Pferd verschieden. Das gemeinsame Blickfeld variiert zwischen 60 und 90°. Es gilt: Je dichter die Augen eines Pferdes zusammenstehen, desto größer ist das gemeinsame Blickfeld. Daher können Pferde mit eng zusammenstehenden Augen und einem kleineren Winkel der Augenachsen besser Entfernungen und Formen taxieren und haben zum Beispiel beim Springen Vorteile.
Die Augen gelten als „Spiegel der Seele“ und sagen viel über den Gemütszustand eines Pferdes aus. Foto: Jacques Toffi

Einzelbilder statt Film

Was Pferden an räumlichem Sehvermögen fehlt, gleichen sie durch Erfahrungswissen und eine große Bewegungsschärfe aus. Diese ermöglicht es ihnen, kleinste Bewegungen in großen Entfernungen zu sehen. Im Gegensatz zum Menschen verschwimmen daher für Pferde die einzelnen Bilder eines Filmes nicht zu einer fließenden Bewegung, sondern bleiben Einzelbilder. Die Bewegungsschärfe führt gemeinsam mit dem großen Sichtfeld dazu, dass Pferde auf für den Menschen nicht wahrnehmbare Bewegungen mit Nervosität reagieren. Die Linse des Pferdeauges ermöglicht, wie die des Menschen, durch eine Veränderung ihrer Krümmung Gegenstände in unterschiedlichen Entfernungen scharf wahrzunehmen. Jedoch ist die Linse des Pferdes mehr auf große Entfernungen eingestellt als auf kurze. Dies ermöglicht es Pferden, zu fliehen, ehe ein Raubtier zu nahekommt. Die Einstellung der Linse auf weite Entfernungen heißt aber nicht, dass Pferde nicht auch nahe Gegenstände sehen können:
Im Unterschied zum menschlichen Auge ist der Abstand zwischen Hornhaut und Netzhaut ungleich, sodass Pferde ihr Bild durch Erhöhen und Erniedrigen der Blickrichtung scharf stellen. Senkt das Pferd den Kopf, kann es Gegenstände in geringer Entfernung betrachten.

Probleme mit Schatten

Pferde sehen im Dunkeln besser als Menschen. Ihr Auge benötigt jedoch länger, um sich an neue Helligkeitsverhältnisse anzupassen. Das hilft ihnen einerseits, sich nachts gut zurechtzufinden, andererseits führt es dazu, dass Pferde zum Beispiel beim Springen mit Schatten Probleme haben.
Und noch etwas unterscheidet die Sehfähigkeit des Pferdes von der des Menschen: Pferde nehmen Farben weniger intensiv wahr. So sehen sie Gelb und Blau besser als Rot und Grün. Doch die Augen helfen Pferden nicht nur dabei, Feinde rechtzeitig zu erkennen: „Das Pferd ist von der Evolution her ein Herdentier, das im Sozialverbund lebt und sehr viel über Gestik und Mimik kommuniziert“, erklärt Dr. Myriam von Borstel. Sie ist als Fachtierärztin für Pferde Teilhaberin einer Tierarztpraxis in der Wedemark und auf Augenheilkunde spezialisiert: „Augenerkrankungen kommen beim Pferd relativ häufig vor.“
Nur durch eine tierärztliche Untersuchung kann die Ursache von Augenproblemen ermittelt werden. Foto: Sorge

Wann den Tierarzt rufen?

Ein tränendes und gereiztes Auge hat wohl tatsächlich jeder Pferdebesitzer schon erlebt. Nicht selten stellt sich daher die Frage, wann ein Tierarzt gerufen werden sollte. Eine Einschätzung, die für einen Laien nicht einfach ist: „Es gibt Erkrankungen, die wenig dramatisch wirken, aber einer sofortigen tierärztlichen Behandlung bedürfen. Von daher würde ich, wenn ein oder beide Augen übermäßig tränen oder gar eine Reizerscheinung zeigen, immer einen Tierarzt drüber schauen lassen“, empfiehlt Dr. von Borstel. Reiter und Pferdebesitzer sollten jedoch vorsichtig sein, wenn sie auf eigene Faust zu Augensalben oder -tropfen greifen: „Solange man bei Pflegeprodukten bleibt, wie Augentrost, Bepanthen oder Ähnliches, kann man grundsätzlich zumindest nichts kaputt machen. Sie können allerdings in vielen Fällen nicht ausreichend oder nicht hilfreich sein. Auf jeden Fall vermeiden sollte man aber, dass man offene Augensalben benutzt, die noch irgendeiner im Schrank liegen hat.“ Das gilt insbesondere für antibiotische und cortisonhaltige Augensalben. Bei ihnen besteht nicht nur die Gefahr, dass sie verunreinigt sind, sondern die Wirkstoffe selbst können dem erkrankten Auge zusätzlich schaden. Nicht selten scheuern sich Pferde, die ein gereiztes Auge haben. In der Folge können kleine Schäden an der Hornhaut entstehen. „In dem Moment, wo eine Hornhautbeschädigung da ist, darf kein Cortison mehr ins Auge“, warnt Dr. von Borstel.
Augenausfluss kann auf eine Bindehautentzündung hindeuten. Es können jedoch auch andere Ursachen dahinterstecken. Foto: Christiane Slawik
Fliegenmasken helfen im Sommer, das Risiko für Bindehautentzündungen zu senken. Foto: Christiane Slawik

Bindehautentzündung

Besonders im Sommer ist die Bindehautentzündung ein häufiger Grund für Augenprobleme. „Das sind in der Regel bakteriell bedingte Augenentzündungen, die insbesondere von Fliegen verbreitet werden. Die setzen sich gerne an die feuchten Augenwinkel, um die Flüssigkeit aufzusaugen und verschleppen dadurch Keime“, erklärt Dr. von Borstel. Eitrige Bindehautentzündungen äußern sich meist durch Rötungen und Schwellungen der Bindehäute, eitrigen oder glasig-schleimigen Ausfluss und starkes Tränen der Augen. Und: „Bei dieser bakteriellen, klassischen Fliegenbindehautentzündung ist es in der Regel so, dass eher beide Augen betroffen sind. Es kann aber durchaus mal einseitig auftreten. Es kommt auch häufiger vor, dass ein Auge anfängt und das andere dann nach wenigen Tagen nachzieht.“ Ob eine Bindehautentzündung vorliegt, kann nur ein Tierarzt durch eine Augenuntersuchung zum Ausschluss anderer Ursachen feststellen. Wenn viel Eiter oder Schleim vorhanden ist, spült der Tierarzt den Tränen-Nasen-Kanal. Außerdem bekommt das Pferd antibiotische Salben und bei intakter Hornhaut auch cortisonhaltige. Zur Vorbeugung von Bindehautentzündungen eignen sich gut sitzende Fliegenmasken: „Da bin ich ein großer Freund von, weil man durch die Maske Reizspitzen, also starken Wind, starke Sonneneinstrahlung, Fliegenund Staubbelastung auf jeden Fall deutlich reduzieren kann und diese Reizreduktion führt dazu, dass die Erkrankung weniger wahrscheinlich oder weniger stark auftritt“, sagt Dr. von Borstel.

Der Aufbau des Auges

Illustration: Uwe Spenlen, Rösrath; mit frdl. Genehmigung entnommen aus „Anatomie des Pferdes“ von Prof. Dr. Bodo Hertsch, FNverlag, Warendorf 2017

Der Augapfel eines Pferdes ähnelt dem des Menschen. Während Muskeln den Augapfel beweglich machen, leitet der Sehnerv die Informationen des Augapfels an das Gehirn weiter. Die Augenlider schützen die durchsichtige Hornhaut vor äußeren Einwirkungen und halten sie zusammen mit dem Tränenapparat feucht. Die Hornhaut liegt als Hülle des Augapfels vor der Pupille und bricht das Licht, das ins Auge fällt. Unter der Hornhaut liegt die Regenbogenhaut, deren Farbintensität von Pferd zu Pferd variiert. Sie hat in der Mitte eine quer-ovale Öffnung – die Pupille oder das Sehloch. Diese reguliert durch Eng- oder Weitstellung den Lichteinfall durch die Linse. Die Linse ist glasartig, kompakt und kann ihre Krümmung verändern. Hinter der Linse liegt der Glaskörper, der aus einer durchsichtigen, gelartigen Substanz besteht und beim erwachsenen Pferd keine Funktion hat. In der innersten Schicht des Augapfels ist die Netzhaut. Sie ist für die Umwandlung des Lichts in Nervenimpulse zuständig.

Verletzungen am Auge

Verletzungen am Auge können zum einen als Folge starken Scheuerns bei einer Bindehautentzündung auftreten. Zum anderen sind die seitlich am Schädel liegenden Augen besonders verletzungsgefährdet, etwa bei Stürzen oder stumpfen Schlägen gegen den Kopf. Wenn sie nicht offensichtlich sind, dann äußern sich Verletzungen am Auge durch starkes Zukneifen, Tränen und Schwellung. Während kleine Verletzungen an der obersten Schicht der Hornhaut in der Regel innerhalb weniger Tage von allein verheilen, gibt es auch wesentlich schwerere Fälle: „Verletzungen können hin bis zur Perforation der Hornhaut oder des Augapfels gehen. Dann sind gegebenenfalls weiterführende chirurgische Maßnahmen erforderlich“, erklärt Dr. von Borstel. Ansonsten gibt der Tierarzt bei Augenverletzungen Augensalben, die die Heilung fördern und Infektionen verhindern. Außerdem kommen schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente zum Einsatz. Doch nicht nur bei Verletzungen des Augapfels ist Vorsicht geboten: „Lidverletzungen sind gar nicht so selten und auch da sollte immer ein Tierarzt draufschauen, weil sie durchaus nach dem Abheilen ein Problem verursachen können. Wenn die Lidplatte ungünstig vernarbt, scheuert sie auf der Hornhaut und das Pferd bekommt sekundäre Hornhautprobleme. Deshalb ist es wichtig, dass Lidverletzungen zeitnah fachgerecht versorgt werden.“
Das Gesichtsfeld eines Pferdes: Der rote Bereich ist das gemeinsame Blickfeld beider Augen, in dem das Pferd räumlich sehen kann. Im gelben Bereich sieht nur ein Auge. Illustration: Uwe Spenlen, Rösrath; mit frdl. Genehmigung entnommen aus „Anatomie des Pferdes“ von Prof. Dr. Bodo Hertsch, FNverlag, Warendorf 2017

Periodische Augenentzündung

Sie ist für viele ein Schreckgespenst: Die Periodische Augenentzündung (auch Mondblindheit). Fachlich korrekt ist die Bezeichnung der „Equinen rezidivierenden Uveitis“ (ERU), also der wiederkehrenden Augenentzündung. „Die Verbreitung der ERU liegt zwischen zehn und zwölf Prozent der Pferdepopulation. Sie ist nach wie vor die häufigste Erblindungsursache beim Pferd weltweit“, sagt Dr. von Borstel. Die ERU verursacht schwere Entzündungen am inneren Auge. Diese können unter anderem zu Trübungen der Linse führen, so wie der Graue Star beim Menschen. „Betroffene Pferde haben tatsächlich einfach Pech gehabt“, erzählt Dr. von Borstel, eine Vorbeugung ist nicht möglich. „Die ERU ist bei den im mitteleuropäischen Raum am häufigsten vorkommenden Rassen eine überschießende Autoimmunreaktion, die getriggert wird durch eine initial stattfindende bakterielle Infektion mit Leptospiren“, erklärt die Tierärztin. Das bedeutet: Pferde durchlaufen nicht selten eine symptom- und folgenlose Infektion mit Leptospiren. Einige wenige Pferde weisen jedoch genetische Merkmale auf, die dazu führen, dass als Spätfolge die Autoimmunkrankheit ERU auftritt. Es gibt allerdings auch rassebedingte Formen der ERU. Sie betrifft vor allem Tigerschecken und Schabrackenschecken, wie etwa Appaloosa oder Knabstrupper. Diese Pferde haben eine erhöhte genetische Disposition für die ERU, weshalb sie ohne eine Leptospireninfektion erkranken können.
Wichtig ist, eine Augensalbe immer nur für ein Pferd und genau nach Anweisung des behandelnden Tierarztes zu verwenden. Foto: Christiane Slawik
Die Periodische Augenentzündung: Starke Trübungen der Linse führen zur vollständigen Erblindung. Foto: Christiane Slawik

Heimtückische Krankheit

Die Krankheit ist heimtückisch und zeigt, warum Pferdebesitzer bei Augenproblemen im Zweifel immer einen Tierarzt rufen sollten: „Die klassische Periodische Augenentzündung ist sehr schmerzhaft und äußert sich ähnlich wie die Verletzung des Auges: Es wird zugekniffen, es ist geschwollen, es tränt. Aber es gibt leider sehr viele Fälle, wo die Entzündung schleichend verläuft, sodass das Auge beispielsweise erstmal ein paar Tage nicht so weit offen ist wie das andere. Schmerzsymptome können aber auch völlig ausbleiben, sodass die Pferde nur dadurch auffallen, dass das Auge irgendwie eine Farbveränderung oder eine leichte Trübung aufweist.“ Eine frühzeitige Behandlung ist entscheidend für die Heilungschancen. Wenn der Tierarzt eine akute Uveitis feststellt, gibt er Atropin zur Weitstellung der Pupille, cortisonhaltige Augensalben, entzündungshemmende und schmerzstillende Medikamente. Ist die akute Entzündung abgeklungen, ist eine Operation die beste Option: „Die Vitrektomie ist ein chirurgischer Austausch des Glaskörpermaterials, von dem man sich verspricht, dass man die Immunkomplexe, die die übersteuerte Immunantwort immer wieder triggern, möglichst vollständig entfernt und das Auge damit zur Ruhe kommt“, erklärt Dr. von Borstel. Der Operateur ersetzt das Glaskörpermaterial durch eine balancierte Salzlösung als Ersatzflüssigkeit. Bei einem frühzeitig operierten Warmblut liegt die Erfolgsrate bei 80 bis 90 Prozent. In anderen Fällen ist das leider nicht so: „Bei den rassebedingt anfälligen Pferden haben wir eine sehr, sehr unzufriedenstellende Erfolgsrate. Die Behandlung führt in diesen Fällen maximal zur Entschleunigung der Erkrankung.“ Linsentrübungen können auch angeboren oder altersbedingt sein. Außerdem gibt es weitere Erkrankungen, die die Durchsicht verschlechtern können. Insbesondere Hornhautentzündungen, die mitunter chronisch verlaufen, sind weit verbreitet. Sie führen zu Trübungen der Hornhaut, während das innere Auge unbeschadet ist: „Die Behandlung ist ähnlich wie bei der akuten Phase der ERU, mit lokalen, antientzündlichen Augensalben. Manchmal kann man Schichten der Hornhaut abtragen und das Ganze chirurgisch angehen“, erklärt Dr. von Borstel.

Mit Erblindung leben

Beruhigend ist jedoch, dass nicht jede Sichtverschlechterung gleich das Aus als Reitpferd bedeutet: „Es ist überraschend, wie gut Pferde auch mit einer einseitigen Erblindung klarkommen. Denen merkt man nach einer kurzen Eingewöhnungszeit häufig überhaupt nichts mehr an, sodass man beim Reiten keine Einschränkungen hat und im Umgang können Pferde über die feinen Antennen, die sie für Körpersprache haben, unglaublich viel kompensieren.“ Melanie Köster

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