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Ausrüstung: Bandagen und Gamaschen

Der richtige Beinschutz

Bandagen, Gamaschen, Streichkappen & Co. – die Möglichkeiten, die Pferdebeine vor Verletzungen zu schützen, sind schier unendlich. Doch damit steigt gleichzeitig auch die Gefahr, den Pferdebeinen nachhaltig zu schaden. Was Beinschutz wirklich kann, wann er sinnvoll ist und wann er bedenklich wird, lesen Sie im fünften Teil unserer Ausrüstungsserie.

Dressurreiter bandagieren häufig fürs Training die Pferdebeine. An der Frage, ob es immer nötig ist, scheiden sich die Geister. Foto: A. Bronkhorst

Den Beinen ihres Pferdes schenken Reiter ganz besondere Beachtung. Schließlich sind die Röhrbeine nur von einer dünnen Hautschicht überzogen. Schläge treffen direkt auf die empfindlichen inneren Strukturen, wie Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder. Auch Überlastungsschäden der Sehnen sind bei Reitpferden keine Seltenheit. Deshalb widmen Reiter sich dem Schutz dieser sensiblen Region ganz besonders – gern auch mit einem Hang zu Übertreibungen.

Denn Gamaschen und Bandagen können auch großen Schaden anrichten, wenn sie falsch verwendet werden. Darüber hinaus schützen sie die Beine in erster Linie vor äußeren Verletzungen, beispielsweise vor Kratzern. „Hochwertige Gamaschen, wie sie in der Vielseitigkeit verwenden werden, können die Sehnen sicherlich auch vor Schlägen schützen und in bestimmten Situationen Schlimmeres verhindern“, sagt Dr. Henrike Lagershausen, Tierärztin und Leiterin der Abteilung Veterinärmedizin der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Überlastungsschäden der Sehnen, wie sie durch unausbalanciertes Reiten auf schlechtem Boden oder zu häufiges Wiederholen derselben Übung entstehen, können sie allerdings nicht verhindern. Ebenso wenig können sie das Pferdebein stützen oder gar entlasten. Auch wenn Hersteller das von neuen Designs und Materialien gern behaupten.

Sinnvoller Einsatz

Sinnvoll sind Bandagen und Gamaschen in Situationen, in denen ein Pferd Balanceprobleme bekommt und Gefahr läuft, sich zu verletzen. Etwa wenn seine Beine in Bewegung aneinander streifen. Konkret ist Beinschutz also bei jungen, wenig ausbalancierten Pferden, beim Longieren, im Gelände und beim Springen wirklich angebracht. Oder wenn das weiter ausgebildete Pferd neue Lektionen lernen soll, bei denen es zu Beginn noch aus dem Gleichgewicht kommen kann. „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“, beschreibt Dr. Lagershausen den optimalen Zustand in Sachen Beinschutz.

Ob nun Gamaschen oder Bandagen die bessere Wahl sind, möchte sie nicht pauschalisieren und zeigt mögliche Szenarien auf: „Streichkappen eignen sich für Pferde, die zum Streichen neigen. Das können zum Beispiel junge Pferde sein. Diese Art der Gamaschen schützen, wie ihr Name schon sagt, vor Verletzungen, wenn die Fesselköpfe in Bewegung aneinander streifen“, erklärt die Tierärztin. Dicke Bandagen würden ein solches Pferd mit eng aneinander stehenden Beinen eher behindern. Bei anatomischen Besonderheiten, wie einem Überbein, können insbesondere Hartschalengamaschen unangenehm drücken. „Für solche Pferde sind Bandagen die bessere Wahl“, sagt Dr. Henrike Lagershausen.

Über allem steht aber immer die Frage, ob das Pferd den Beinschutz wirklich braucht. Denn wer sein Pferd übertrieben in Watte packt und womöglich immer auf denselben, ebenen Böden reitet, riskiert, dass es seine natürliche Trittsicherheit verliert oder gar nicht erst entwickelt und infolgedessen auf unbekannten Böden häufiger stolpert. „Das steigert das Verletzungsrisiko enorm“, sagt die Tierärztin und fügt hinzu: „Balance und Gleichgewicht sind der beste Schutz vor ‚Fehltritten‘ und den damit drohenden Verletzungen.“ Schulen lässt sich die Trittsicherheit am besten im Gelände, denn hier bieten Äste, Pfützen und Bodenunebenheiten viele unterschiedliche Reize. Da Beinschutz laut Leistungs-Prüfungs-Ordnung (LPO) in Dressurprüfungen nicht erlaubt ist, sollten Dressurreiter im Training auch mal ganz darauf verzichten. Ein ausbalanciertes, trittsicheres Pferd braucht ihn im Normalfall sowieso nicht.

Bandagen

Beschreibung: Bandagen bestehen aus Wolle, Baumwolle, Fleece oder elastischen Stoffen. Sie sind zwischen 1,80 bis drei Meter lang und zwischen zehn und 15 Zentimetern breit. Sie können das Pferdebein nicht stützen oder gar entlasten. Bandagierunterlagen sollen Blutstauungen, Druckschäden oder Scheuerstellen verhindern.
Anlegen: Bandagen dürfen weder zu fest noch zu locker sitzen. Zum Anlegen muss das Pferd gerade auffußen. Die Bandage wird am Röhrbein angelegt und faltenfrei von oben nach unten bis um den Fesselkopf – die Fesselbeuge bleibt frei – und wieder nach oben gewickelt. Allerdings nur bis unterhalb des Karpal- beziehungsweise Sprunggelenks. Dort wird sie mit dem Klettverschluss geschlossen. Dieser soll sich immer an der Außenseite befinden.
Achtung: Gerät Sand zwischen Bandage und Pferdebein kann das Scheuerstellen verursachen. Elastische Bandagen verleiten zum Festziehen, deshalb sollte man besser Baumwoll-, Woll- oder Fleecebandagen verwenden. Bandagen eignen sich nicht für das Reiten im Gelände. Die Klettverschlüsse müssen unbedingt sauber und trocken sein, da sie sich sonst leicht lösen.

Hitzestau

Generell sollten Bandagen oder Gamaschen nur für das Training ans Pferdebein gebracht werden. Danach müssen sie wieder abgenommen werden. Denn aufgrund der isolierenden Wirkung neigt das Pferdebein unter dem Beinschutz zur Wärmeentwicklung. Das ist nicht nur unangenehm für das Pferd, sondern beeinträchtigt außerdem die Regeneration der Sehnen nach großer Anstrengung. Deshalb sollte man nach einem schweißtreibenden Training unbedingt die Gamaschen entfernen und für eine Abkühlung der Beine sorgen.

Eine Studie zeigte übrigens, dass die Wärmeentwicklung bei den getesteten Bandagen und Gamaschen unter Fleecebandagen am größten war, schildert Dr. Lagershausen. Die herkömmliche Neoprengamasche zeigte nur einen geringen Temperaturanstieg. Für besonders anstrengende Aufgaben empfehlen sich deshalb perforierte Gamaschen, die dank Luftzirkulation die entstandene Wärme abtransportieren sollen.

Das größte Problem ist allerdings Dauerdruck, wie Dr. Lagershausen anmerkt. Dieser entsteht durch zu stramm gewickelte Bandagen oder festgezogene Gamaschen, die zu lange am Pferdebein bleiben. Beispielsweise wenn der Beinschutz nach dem Training am Pferd vergessen wird. Oder wenn unter Bandagen keine ausreichende Polsterung vorhanden ist. Es können sogenannte Drucknekrosen entstehen, weil das Bein nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Gewebe stirbt ab. „Das ist sehr schmerzhaft für das Pferd“, so die Tierärztin. An den betroffenen Stellen wächst das Fell weiß nach. Auch Studien belegen, dass Gamaschen und Bandagen die Durchblutung des Pferdebeins beeinflussen.

 

Sauberkeit

Bandagen, Gamaschen und Co. müssen immer sauber sein. Sandkörner können Scheuerstellen am empfindlichen Pferdebein verursachen. Verschmutzte Klettverschlüsse hingegen halten nicht sicher und machen insbesondere Bandagen zur gefährlichen Stolperfalle. Deshalb müssen Bandagen, Unterlagen und Gamaschen regelmäßig gewaschen werden. Leichte Verschmutzungen, wie etwa Sandkörner, lassen sich auch mit einer groben Wurzelbürste vor Gebrauch von der Innenseite der Gamaschen abbürsten. Auch in Sachen Hygiene ist Sauberkeit ein Muss: Hautpilze und Räudemilben können über den Beinschutz von einem Pferd auf das andere übertragen werden. Deshalb sollte jedes Pferd seine eigene Ausrüstung besitzen.

Die Gamasche, egal aus welchem Material sie besteht, darf weder zu fest noch zu locker angelegt werden. Foto: A. Bronkhorst

Gamaschen

Beschreibung: Gamaschen gibt es für die Vorder- und Hinterbeine. Sie bestehen meist aus Leder, Kunststoff oder Neopren und haben häufig eine Einlage aus Schaumgummi oder Fell, um sich dem Bein besser anpassen zu können. Auch Gamaschen dürfen weder zu stramm, noch zu locker am Pferdebein liegen. Verschließen lassen sie sich mit unterschiedlichen Mechanismen. Häufig sind es Klettverschlüsse oder Knöpfe, manchmal aber auch Kunststoffsysteme, in die sich der Verschluss einrasten lässt. Der Verschluss muss immer außen liegen.
Anlegen: Die Gamasche oben ans Röhrbein legen und mit dem Fellstrich nach unten rutschen lassen. Verschlüsse leicht anziehen und schließen.
Achtung: Elastische Verschlüsse verleiten zum Festziehen. Schmale Verschlüsse verursachen punktuellen Druck. Beides schadet dem empfindlichen Pferdebein.

Im Stall und auf der Weide

Deshalb sollten auch Stallgamaschen und -bandagen nur verwendet werden, wenn sie wirklich medizinisch notwendig sind. „Sinnvoll können sie zum Beispiel bei Pferden sein, deren Beine aufgrund einer chronischen Schädigung der Unterhaut nach einem schweren Einschuss dazu neigen, immer wieder stark anzulaufen“, beschreibt Lagershausen einen solchen Fall und merkt an: „Wichtig ist hierbei, die Stallbandagen täglich zu kontrollieren und zu erneuern. Ansonsten können Druckstellen die Folge sein.“ Zudem behindern sie das Lymphsystem bei seiner Arbeit. Ob das Pferd sogar einen Gewöhnungseffekt entwickeln kann, bei dem die Beine anlaufen, sobald es ohne Bandagen in der Box steht, bleibt umstritten, wie Dr. Lagershausen anmerkt.

Auf der Weide sind Bandagen fehl am Platz. Zum einen, weil sie sich lösen können. Zum anderen, weil sich Sand und Pflanzenteile darunter sammeln und Scheuerstellen verursachen können. Im Sommer wird es dem Pferd darunter schnell zu heiß. Wer Angst hat, dass sein Pferd sich auf der Weide verletzt, weil es herumtobt, der sollte es vor dem Weidegang arbeiten und regelmäßiger auf die Weide stellen. Pferde, die täglich Weidegang haben, verhalten sich schnell deutlich ruhiger und benötigen in der Regel keine Gamaschen. Gegen das Anlegen locker sitzender Hufglocken oder einfacher Neoprengamaschen für den Weidegang ist jedoch nichts einzuwenden, so lange sie sauber sind und nicht zu stramm angelegt werden.

Die Entscheidung, ob das Pferd nun mit Bandagen, Gamaschen, Streichkappen oder auch ganz ohne Beinschutz geritten oder bewegt wird, muss immer im Sinne des Pferdes erfolgen. Modische Aspekte, wie „die Bandagen passen so schön zur Schabracke“ sind zweitrangig. Auch der Trend aus dem Dressursport, die Pferdebeine mit dicken Unterlagen extrem hoch und tief zu wickeln, ist nicht im Sinne des Pferdes. Zum Schutz vor fliegenden Hufeisen werden oftmals Hufglocken eingesetzt. Bei einem übermütigen Bocksprung auf der Weide ist es schließlich schnell passiert, dass ein Pferd sich ein Eisen abtritt.

Muss allerdings dauerhaft umfangreicher Beinschutz her, um die Hufeisen an Ort und Stelle zu halten, überdeckt das gegebenenfalls nur ein Symptom, dessen Ursache man auf den Grund gehen sollte. Tritt ein Pferd sich häufig die Eisen ab oder verletzt sich durch Hineingreifen in der Fesselbeuge, kann die Ursache im Bewegungsablauf des Pferdes liegen. Beispielsweise in einer langsamen Vorhand, die im Trab nicht schnell genug vorgeführt wird, sodass die Hinterhufe in die Fesselbeuge der Vorderhufe greifen. Das kann ein Hinweis auf Vorhandlastigkeit sein. Es können aber auch Stellungsfehler oder falscher Beschlag schuld an der Misere sein. In diesem Fall kann der Schmied weiterhelfen, damit es künftig auch häufiger ohne geht. Denn in Sachen Beinschutz gilt: Weniger ist mehr.

Kirsten Ahrling

 

Streichkappen

Beschreibung: Streichkappen sind für die Hinterbeine entwickelt worden und sollen die Fesselköpfe vor Verletzungen schützen, wenn sie in Bewegung aneinander streifen. Sie sind aus Neopren, Leder oder Kunststoff.
Anlegen: Streichkappen werden am Röhrbein angelegt, mit dem Strich nach unten geschoben und dort verschlossen, wo sie Halt am Fesselkopf finden.
Achtung: Für Springpferdeprüfungen ist laut LPO eine bestimmte Form vorgeschrieben. Die Hartschale der Streichkappe darf nicht länger als 16 Zentimeter sein, ihr Verschluss darf lediglich fünf Zentimeter breit sein.

Streichkappen, Foto: Inge Vogel

Springglocken und Ballenschoner

Beschreibung: Springglocken und Ballenschoner sollen verhindern, dass sich ein Pferd in die Fesselbeuge oder auf den Ballen tritt und dort verletzt oder aber seine Hufeisen abtritt. Hufglocken bestehen aus Schaumstoff oder Gummi. Ballenschoner meist aus schlagfestem Kunststoff oder Carbon.
Anlegen: Springglocken werden um die Fessel des Pferdes gelegt und dort befestigt. Sie sitzen locker und frei beweglich über dem Huf und sollten maximal bis auf den Boden reichen. Ballenschoner lassen sich mit einem Klettverschluss um die Fessel herum befestigen. Ein weiterer Riemen liegt über dem Huf und hält den Ballenschoner an Ort und Stelle.
Achtung: Manche Pferde stören sich an den Geräuschen, die Springglocken in Bewegung verursachen können. Ein Ballenschoner darf den Hufmechanismus nicht beeinträchtigen. Der Kronrand muss frei bleiben.

Stallgamaschen und -bandagen

Beschreibung: Stallgamaschen oder -bandagen bleiben über einen längeren Zeitraum, beispielsweise über Nacht, am Pferd. Sie sind nur zur medizinischen Behandlung sinnvoll. So können sie beispielsweise eine frische Verletzung vor Verunreinigung schützen.
Anlegen: In welchen Fällen, welcher Form und wie lange eine Stallgamasche oder -bandage angelegt werden soll, entscheidet immer der Tierarzt.
Achtung: Stallgamaschen oder -bandagen sind grundsätzlich nicht zum Dauergebrauch geeignet. Sie beeinträchtigen den Lymphfluss, die Durchblutung und somit den gesamten Stoffwechsel des Pferdes.

Transportgamaschen reichen meist bis auf den Boden und schützen Karpal- und Sprunglenke. Foto: A. Bronkhorst

Transportgamaschen

Beschreibung: Transportgamaschen sollen die Pferdebeine beim Transport vor Verletzungen schützen. Sie sind deshalb hoch geschnitten und weich gepolstert. Transportgamaschen schützen nicht nur das Röhrbein, sondern auch Ballen, Kronrand und Huf. Die hinteren Transportgamaschen umschließen meistens außerdem das Sprunggelenk. Transportgamaschen bestehen meist aus reißfestem Stoff mit einer wattierten Füllung.

Verbot bestimmter Hinterbeingamaschen

Bei der Generalversammlung des Weltreiterverbandes FEI wurde Ende 2017 beschlossen, bestimmte Hinterbeingamaschen in der Disziplin Springen schrittweise (bis 2021) zu verbieten, da sie den Bewegungsablauf der Hinterbeine beeinflussen können. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung unterstützt den Vorschlag, die Verwendung von Hinterbeingamaschen einzuschränken, sofern klar definiert ist, was erlaubt ist und was nicht. In ihrem Regelwerk, der LPO 2018 für nationale Turnierveranstaltungen, hat der Verband das Thema präzisiert:

Gamaschen und alle sonstigen zum Schutz der Pferdebeine erlaubten Ausrüstungsgegenstände sind nicht nur korrekt anzulegen, sondern dürfen mit dem Betreten des Vorbereitungsplatzes Springen auch grundsätzlich nicht mehr geändert werden. Zu diesem Zweck ist auch ein Verlassen des Vorbereitungsplatzes nicht zulässig. Sollte im Verlauf der Vorbereitung dennoch eine Änderung erwünscht oder notwendig sein, muss dies durch den Teilnehmer der Aufsicht auf dem Vorbereitungsplatz angezeigt werden und hat in dessen Gegenwart zu erfolgen.

Hinterbeingamaschen wie diese werden schrittweise verboten. Foto: A. Bronkhorst

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