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Ausbildung: Das Cavaletti
Der heimliche Superstar im Training
Das Training mit Cavaletti bringt neben Abwechslung eine Vielzahl von positiven Effekten mit sich – ganz egal, ob für das Spring-, Dressur- oder Freizeitpferd.
Die spezielle Konstruktion der Cavaletti hat ihre Vorteile: Je nachdem, wie sie aufgebaut werden, kann mit ihnen in drei unterschiedlichen Höhen gearbeitet werden. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv
Es gibt kaum ein vielseitigeres Hilfsmittel im Training mit dem Pferd als das Cavaletti. Deshalb sollte das Reiten über Cavaletti Bestandteil in der Ausbildung jedes Pferdes sein – ganz egal, ob es sich um ein Spring-, Dressur- oder Freizeitpferd handelt. Von der Gymnastizierung bei der Cavaletti-Arbeit profititeren alle Pferde jeden Alters und Ausbildungsniveaus.
Grundlegendes über die Cavaletti-Arbeit
In der Regel sieht ein Cavaletti immer ähnlich aus. Dennoch können sie sich hinsichtlich Material, Länge und Aussehen etwas voneinander unterscheiden. Ein Cavaletti besteht aus einer etwa 3 Meter langen Stange, die an beiden Enden an einem Seitenteil befestigt ist. Die spezielle Konstruktion der Cavaletti mit den beiden Seitenteilen hat gleich zwei Vorteile: Sie können dadurch in drei unterschiedlichen Höhen aufgebaut werden. Je nach Drehung können Höhen von etwa 15, 25 und 35 Zentimeter eingestellt werden, wobei die höchste Einstellung ausschließlich für den Galopp, die mittlere für Trab und Galopp und die untere für alle Gangarten geeignet ist. Außerdem ist das Cavaletti durch die Seitenteile stabil, die Stange kann nicht wegrollen, wenn das Pferd dagegentritt. Cavaletti sind in unterschiedlichen Materialien erhältlich: Cavaletti aus Holz, Aluminium, Schaumstoff oder Plastik gibt es auf dem Markt.
Positive Effekte
Man kann mit Cavaletti an jedem Punkt der Skala der Ausbildung gezielt arbeiten und Grundlegendes verbessern. Die Arbeit lockert die Muskulatur, fördert den Muskelaufbau und kräftigt die Hinterhand des Pferdes. Außerdem werden Kondition und Ausdauer gesteigert. Das besondere Erfolgserlebnis bei der Arbeit mit Cavaletti liegt in der Förderung der Losgelassenheit und der Verbesserung der Schubkraft, sogar das Gleichgewicht des Pferdes wird geschult. Im Training eines Spring- oder Vielseitigkeitspferdes kann der Reiter mit Hilfe von Cavaletti Aufgabenstellungen eines Parcours üben, ohne viele „richtige“ Sprünge zu machen und so die Belastung unnötig zu erhöhen. Das präzise und schräge Anreiten eines Sprungs kann ebenso geübt werden, wie verschiedene Wendungen und schmale Hindernisse. Aber nicht nur unsere Pferde profitieren von der Arbeit mit Cavaletti. Als Reiter schulen wir unseren leichten Sitz, lernen losgelassen und ausbalanciert zu jeder Zeit in die Bewegungen des Pferdes einzugehen und unseren Schwerpunkt an den des Pferdes anzupassen. Gerade Reiter, die noch am Anfang ihrer Springausbildung stehen oder solche, die sich noch unsicher fühlen, sollten regelmäßig Cavaletti in ihren Alltag einbauen. Das gibt Routine und Sicherheit im leichten Sitz, ohne zusätzliches Springtraining einzubauen. Bei weiter fortgeschrittenen Reitern schulen Cavaletti auch das Rhythmusgefühl und das Gefühl für den geeigneten Absprungpunkt. Wir bekommen ein Gefühl für das (mittige) Anreiten, den optimalen Weg, das richtige Tempo und passende Linien. Wir verinnerlichen die Trittlänge beziehungsweise die Galoppsprunglänge unseres Pferdes und lernen locker, geschmeidig, ausbalanciert und flexibel in der Bewegung des Pferdes mitzugehen. Ein Win-Win-Training also für Pferd und für den Reiter.
Willkommene Abwechslung
Neben dem Reitunterricht wird auch die Arbeit an der Longe beziehungsweise Doppellonge durch das Training mit Cavaletti abwechslungsreich. Die Vorteile des Trainings sind dieselben wie unter dem Sattel – dabei fällt es vielen Pferden an der Longe leichter, den Rücken aufzuwölben und sich losgelassen vorwärts-abwärts zu bewegen. Über den Cavaletti kann das Pferd ohne Reitergewicht lernen, seine Bewegungen zu koordinieren und auszubalancieren.
Eine sinnvolle Ergänzung nicht nur im Reittraining: Longieren über Cavaletti fördert die Rückentätigkeit von Pferden. Foto: Antje Janke/FN-Archiv
Vielseitige Helfer: Auf gebogener Linie aufgestellt, lassen sich mit Cavaletti das Reiten von Wendungen trainieren. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv
Tipps und Tricks beim Überreiten eines Cavaletti
- Das Anreiten erfolgt stets in der Mitte des Cavaletti.
- Grundtempo und Rhythmus bleiben vor, über und nach dem Cavaletti erhalten.
- Über den Bodenricks geht die Hand in Richtung Pferdemaul leicht mit, soweit die Vorwärts- Abwärts-Dehnung des Pferdehalses es erfordert (ohne die Verbindung aufzugeben).
- Der Blick des Reiters ist nach vorne auf den zu reitenden Weg gerichtet.
- Die ausgeprägteren Bewegungen des Pferdes fängt der Reiter mit federnden Fuß-, Knie- und Hüftgelenken ab.
Anforderungen an ein gutes Cavaletti
- Stabilität: Das Cavaletti sollte aus stabilem und langlebigem Material bestehen, wie Holz oder Kunststoff.
- Wetterbeständigkeit: Materialien sollten wetterfest sein, um auch im Freien verwendet werden zu können.
- Gewicht: Es sollte leicht genug sein, um von einer Person bewegt zu werden, aber schwer genug, um stabil auf dem Boden zu bleiben.
- Höhenverstellbarkeit: Cavaletti sollte mehrere Höhenstufen haben, um verschiedene Trainingsanforderungen zu erfüllen. Übliche Höhen sind z.B. 20 cm, 30 cm und 40 cm. Sichere
- Kanten: Alle Kanten und Ecken sollten abgerundet sein, um Verletzungen zu vermeiden.
- Maße: Typischerweise um die drei Meter Länge. Ein Durchmesser von etwa 10 cm ist üblich, um eine gute Sichtbarkeit und Handhabung zu gewährleisten.
- Standfestigkeit: Die Füße oder Ständer sollten breit genug sein, um ein Umkippen zu verhindern.
- Sichtbarkeit: Helle Farben oder reflektierende Materialien können die Sichtbarkeit verbessern und Unfälle vermeiden.
Die passenden Abstände
Mit Cavaletti lässt sich nicht nur das Rhythmusgefühl schulen, sondern auch das Auge für die richtige Distanz. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv
Schritt: 80 bis 90 Zentimeter
Trab: 1,20 bis 1,40 Meter
Galopp: ca. 3 Meter
Hinweis: Die Abstände sollten unbedingt mit einem Maßband abgemessen werden. Ungleiche oder unpassende Abstände sind unfair dem Pferd gegenüber.
Beispiele für Übungen mit Cavaletti
Übung 1 – Die große Acht
Aufbau: An der jeweils geschlossenen Zirkelseite liegen zwei niedrige Cavaletti oder Bodenricks für die Trabarbeit (Abstand in der Mitte von 1,50 Meter). Der erste Hufschlag bleibt dabei frei. Den Mittelpunkt X markieren zwei Pylonen oder Stangen.
Ausführung: Begonnen wird im Leichttraben auf einem 20-Meter-Zirkel. An der geschlossenen Zirkelseite trabt das Pferd über die niedrigen Cavaletti. Nach einigen Runden wechselt der Reiter an der markierten Stelle aus dem Zirkel die Hand und wiederholt die Übung auf anderen Hand. Ist das Pferd auf beiden Händen mit der Übung vertraut, wird regelmäßig in Form einer großen Acht aus dem Zirkel gewechselt und auf beiden Händen über die Cavaletti geritten. Nach einigen Wiederholungen wird durch energisches Geradeausreiten auf der ganzen Bahn wieder ein Wechsel der Anforderung geschaffen.
Anspruch erhöhen: Bei weiter fortgeschrittenen Paaren kann die Anzahl der Cavaletti auf vier erhöht werden. Durch den fächerförmigen Aufbau lässt sich die Übung je nach Raumgriff des Pferdes anpassen: Pferde mit weniger Raumgriff traben weiter innen über die Cavaletti, Pferde mit mehr Raumgriff bleiben eher außen. Bei gut gymnastizierten Pferden kann hier auch variiert werden. Zunächst im Arbeitstrab über die Mitte, dann mit verlängerten Tritten eher außen, später im versammelten Trab mehr in der Mitte. Zusätzlich kann die Übung auch durch Übergänge angereichert werden. Jeweils beim Überreiten von X wird das Pferd zum Schritt oder auch zum Halten durchpariert und wieder angetrabt.
Wirkung: Das Reiten über Cavaletti bringt das Pferd dazu, höher und dynamischer abzufußen und fördert dadurch die Rückentätigkeit und die Losgelassenheit. Auf gebogener Linie aufgebaut, fördern Cavaletti zusätzlich die Längsbiegung und damit die grundsätzliche Geschmeidigkeit des Pferdes. Durch regelmäßige Handwechsel auf der großen Acht erfolgt eine gleichmäßige Gymnastizierung beider Körperhälften, was
Übung 2 – Das kreative Kreuz
Aufbau: In der Mitte der Bahn werden vier Bodenricks, niedrige Cavaletti oder Stangen auf Blöcken zu einem Kreuz zusammengelegt. Dabei liegen zwei Stangen auf der Mittellinie und die anderen beiden Stangen auf der Verbindungslinie zwischen E und B.
Ausführung: Begonnen wird im Trab. Über eine beliebige der vier Stangen wird geradeaus geritten und danach nach außen auf eine Volte abgewendet. Aus der Volte heraus wird wieder geradeaus über die nächste der vier Stangen geritten und so weiter, bis sich daraus die Form eines vierblättrigen Kleeblatts ergibt. Ist die Reithalle 20 Meter breit, etwas weiter innen über die Stangen reiten, damit die Volten nicht zu klein werden. Nach einigen Wiederholungen wird durch energisches Geradeausreiten auf der ganzen Bahn wieder ein Wechsel der Anforderung geschaffen.
Anspruch erhöhen: Bei weiter fortgeschrittenen Paaren kann das „kreative Kreuz“ so variiert werden, dass ohne Volte direkt auf einem kleinen Zirkel über alle vier Stangen getrabt oder galoppiert wird. Dabei sollte der Zirkel zunächst größer angelegt – also weiter außen über die Stangen geritten werden – und dann nach und nach verkleinert werden. Noch schwieriger wird es, wenn mittig über das Kreuz geritten wird: Hier muss der Reiter sein Pferd wirklich sicher vor sich, gerade und gut eingerahmt haben, um die Ideallinie zu treffen. Für die Galopparbeit können die Cavaletti auch erhöht werden.
Wirkung: Die Arbeit mit dem kreativen Stangenkreuz fördert die Aufmerksamkeit des Pferdes und fordert volle Konzentration auf den Reiter. Durch den Wechsel aus Geradeausreiten über Stangen und gebogene Linien wird die Geschmeidigkeit und Beweglichkeit verbessert. Durch die unterschiedlichen Anforderungen in den verschiedenen Übungen merkt der Reiter schnell, ob er das Pferd wirklich sicher vor sich und an den Hilfen hat. Das Reiten über Cavaletti bringt das Pferd außerdem dazu, höher und dynamischer abzufußen und fördert dadurch die Rückentätigkeit und die Losgelassenheit.
Übung 3 – Die Stangengasse
Aufbau: Auf der Mittellinie, parallel zur kurzen Seite, werden jeweils zwei Stangen auf Blöcken oder niedrige Cavaletti mit ca. 1,30 Meter Abstand hintereinandergelegt, und zwar auf Höhe der Zirkelpunkte und exakt über X. Es liegen also insgesamt drei markierte Stangengassen in der Bahn.
Ausführung: Begonnen wird mit der einfachsten Version: Der Reiter legt bei A oder C beginnend jeweils einen Zirkel an und reitet exakt durch die Stangengasse bei X. Darauf aufbauend wird ein Mittelzirkel angelegt, hier sind dann die Gassen jeweils auf Höhe der Zirkelpunkte zu durchreiten. Diese Übungen werden im Arbeitstrab und im Arbeitsgalopp in der Lösungsphase geritten.
Anspruch erhöhen: Im weiteren Verlauf werden auch andere Hufschlagfiguren wie Schlangenlinien durch die Bahn mit drei oder vier Bögen exakt durch die Stangengassen geritten. Die Stangengassen eignen sich auch gut für das präzise Reiten von Übergängen: Dazu wird beispielsweise zwischen den Stangen je nach Ausbildungsstand aus dem Arbeitstrab zum Mittelschritt oder zum Halten durchpariert. Auch mit anderen Übungen und Lektionen lassen sich die Stangengassen kombinieren – etwa mit Volten oder Halten und Rückwärtsrichten. Und natürlich kann beim Durch-die-Länge-der-Bahn-wechseln sehr gut auch über die Stangen getrabt werden. Jeweils außen um die Stangengassen herum lassen sich auch Schlangenlinien entlang der Mittellinie gut erarbeiten.
Wirkung: Stangen oder Cavaletti als Hilfsmittel fördern die Konzentration und erziehen zum korrekten Reiten von Hufschlagfiguren. Der Reiter muss sein Pferd sicher eingerahmt, an seinen Hilfen und vor sich haben, um die Linien exakt reiten zu können. Die Stangengassen helfen bei der Orientierung im Raum, sie geben dem Blick des Reiters Fixpunkte und helfen bei der präzisen Ausführung von Lektionen am Punkt. Durch regelmäßigen Handwechsel erfolgt eine gleichmäßige Gymnastizierung beider Körperhälften, was insbesondere das Geraderichten unterstützt.
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