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Ausbildung: Das Cavaletti – der heimliche Superstar im Training
Olympische Spiele in Paris
In den Startlöchern
44 Goldmedaillen, 24 Silbermedaillen und 27 Bronzemedaillen – das ist die olympische Bilanz der deutschen Pferdesportler von 1912 bis 2021. In Paris soll das nächste – hoffentlich erfolgreiche – Olympiakapitel geschrieben werden. Am 26. Juli beginnen die Olympischen Spiele und zugleich auch die pferdesportlichen Wettbewerbe. Ein Beitrag von Kim Kreling.
Imposante Kulisse: Der Schlosspark von Versailles dient als Austragungsort für alle Reitsportdisziplinen. Foto: Paris 2024
Zum dritten Mal in Paris, zum sechsten Mal in Frankreich – die Franzosen haben schon Übung darin, Olympische Spiele auszurichten. Beim ersten Mal, 1900, dauerten die Spiele fünf Monate an. 24 Pferdesportler aus vier Nationen, deutsche Pferdesportler waren nicht dabei, sind in den Disziplinen Preisspringen (Jagdspringen), Hochsprung, Weitsprung und Polo an den Start gegangen. In anderen Quellen ist auch von ‚Vorführen der Reitpferde‘ und Gespannfahren die Rede. Beim zweiten Mal, 1924, fehlten die deutschen Pferdesportler erneut. Aufgrund des Ersten Weltkriegs war Deutschland von den Spielen ausgeschlossen. Pferdesportler aus 18 Nationen nahmen an den Spielen teil, das olympische Programm war dem heutigen schon sehr ähnlich. Ausgetragen wurden Wettbewerbe in den Disziplinen Dressur, Vielseitigkeit, Springen und Polo. Die Pariser Organisation ließ damals allerdings zu wünschen übrig. Die Pferde waren überall in Paris verteilt untergebracht. Zum Training mussten die Pferdesportler zu einem außerhalb gelegenen Polo-Club im Bois de Bolougne laufen, zum Stadion war es noch weiter. Der Anmarschweg quer durch den Pariser Verkehr betrug satte zweieinhalb Stunden.
2024 versprechen die Organisatoren „ein unvergessliches Fest für den Sport und für die ganze Welt“. 10.500 Athleten aus 206 Ländern werden in Paris erwartet, aus Deutschland reisen allein 474 Sportler an. 32 Sportarten mit 48 Disziplinen tragen ihre olympischen Titelkämpfe in Paris aus. Die Bedingungen seien – so wird betont – für alle Athleten, ob Zwei- oder Vierbeiner – fantastisch. 49 Nationen haben genau 200 Pferde für die Olympischen Spiele angemeldet.
Nähe zu den Pferden
Die Pferde sind direkt in Versailles auf dem olympischen Gelände untergebracht, im Schlosspark von Versailles finden die Reiterspiele statt. Damit aber die Pferdesportler nicht einen ähnlich langen Anreiseweg wie 1924 haben, haben sich die deutschen Reiter gegen eine Unterkunft im olympischen Dorf entschieden. Das Dorf liegt im Norden von Paris, die olympischen Reiterstätten von Versailles liegen im Süden – die Anfahrt wäre jeden Tag immens kompliziert und langwierig. Deshalb sind alle deutschen Reiter zusammen in einem Tagungshotel untergebracht, das rund 20 Minuten vom Veranstaltungsort entfernt ist.
Auf eigene Faust
Einen besonderen Ausflug haben sich die deutschen Springreiter ausgedacht: Die drei ‚Olympia-Jungs‘ und ihre Ersatzdame fahren auf eigene Faust zur Eröffnungsfeier – in Booten auf der Seine quer durch Paris. „Wir Trainer dürfen an der Eröffnungsfeier nicht teilnehmen“, erklärt Bundestrainer Otto Becker, „aber die Reiter dürfen und wollen, haben selbst gebucht, fahren mit dem Zug hin, bleiben nach der Eröffnungsfeier eine Nacht in Paris und kommen am nächsten Tag zurück. Das wird schon ein anstrengender Trip, aber das wird das Team noch mehr zusammenschweißen – eine gute Idee, finde ich! Besseres Teambuilding gibt es gar nicht.“ Bis auf Jessica von Bredow-Werndl, die als Fahnenträgerin an der Eröffnung teilnehmen könnte, haben die Dressur- und Vielseitigkeitsreiter nicht die Gelegenheit, an der Feier teilzunehmen.
Das deutsche Team in Paris: Springen
Richard Vogel (Pfungstadt) mit United Touch S, 12-jähriger Westfälischer Hengst v. Untouched – Lux
Besitzer und Züchter: Julius-Peter Sinnack, Pflegerin: Viola Felicia
„Wir haben seit einem Jahr auf das große Ziel Olympia hingearbeitet. Jetzt zu wissen, dass wir dabei sind, ist natürlich ein unbeschreibliches Gefühl. United Touch S hat schon gezeigt, dass er alles springen kann. Wenn es ans Springen geht, hat er ein paar Gänge mehr und auch viel Ehrgeiz und dann ist es an mir, diese Energie in die richtigen Bahnen zu lenken. ‚Nighty‘ ist das liebste Pferd im Stall. Meine Pflegerin sagt, er hat ein besseres Benehmen als ich.“
Philipp Weishaupt (Hörstel) mit Zineday, zehnjähriger Westfälischer Wallach v. Zinedine – Polydor
Besitzer: Alice Lawaetz und Philipp Weishaupt, Züchter: Franz-Georg Ottmann, Pflegerin: Lisa Fundis
„Mit Paris geht ein Traum in Erfüllung. Allerdings habe ich auch schon zweimal Pech gehabt, war zweimal dicht dran und konnte am Ende doch nicht starten, weil mein Pferd verletzt war. Daher habe ich jetzt immer noch Angst, dass etwas dazwischenkommt. Ich glaube es erst und atme erst durch, wenn ich die Akkreditierung für Paris um den Hals hängen habe.“
Christian Kukuk (Hörstel) mit Checker, 14-jähriger Westfälischer Wallach v. Comme il Faut – Come On
Besitzer: M.H. & Partner Gbr und Madeleine Winter-Schulze, Züchter: Wolfgang Kipp, Pflegerin: Sofie Karlsson
„Die Olympischen Spiele sind der Traum eines jeden Sportlers, eine Medaille prägt das Leben jedes Einzelnen!! Glücksbringer habe ich hoffentlich ganz viele, Familie und Freunde, da die Spiele ja quasi vor der Haustür sind!“
Reserve: Jana Wargers (Emsdetten) mit Dorette, 15-jährige Oldenburger Stute v. Dollar du Murier – Fighting Alpha
Besitzer: Ashford Farm BVBA und Jana Wargers, Züchter: Stefan Leue, Pflegerin: Anna-Lena Lex
Das Ersatzpaar kann – unter bestimmten Umständen – auch im Verlauf der Wettbewerbe noch eingetauscht werden.

Die Olympischen Spiele als großes Ziel: Richard Vogel hat hart dafür gearbeitet. Foto: Stefan Lafrentz

Philipp Weishaupt glaubt erst an seine olympische Teilnahme, wenn er in Paris ist. Foto: Stefan Lafrentz

Auch für Christian Kukuk ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Paris ein Traum. Foto: Cathrin Müller/FN-Archiv
Die olympischen Spring-Wettbewerbe
„Man darf sich keine Schwäche leisten“
Otto Becker, der Bundestrainer der Springreiter, im Interview:
PM-Forum: In den Vorjahren wurde immer nach Aachen nominiert, warum war das dieses Jahr anders?
Otto Becker: Ja, wir haben die drei Kandidaten dieses Mal etwas früher festgelegt, damit sie sich individuell mit ihren Pferden vorbereiten können, denn Aachen lag zeitlich recht nah an Paris. So ist Zineday gar keine Prüfungen in Aachen gegangen und war nur zum Training mit, Checker war nur bei den kleineren Prüfungen am Start und United Touch im Großen Preis als letztes Springen vor Paris. Nur unsere Ersatzreiterin, Jana Wargers, wurde nach Aachen nominiert.
PM-Forum: Was macht Ihre Olympia-Kandidaten aus?
Otto Becker: Alle drei haben sich immer wieder in großen Prüfungen bestätigt. Philipp (Weishaupt) hat sich als Vize-Europameister mit Zineday schon auf einem Championat bewiesen. Er ist ein sehr cooler Reiter, ich könnte ihn mir als Schlussreiter vorstellen. Zineday ist das einzige unserer drei Olympia- Pferde, das schon mal ein Championat bestritten hat, er ist ein sehr sprunggewaltiges, elastisches Pferd. Richard Vogel ist für sein Alter unheimlich weit, erfahren und sicher. Und bei United Touch S sind dem Vermögen keine Grenzen gesetzt. Dieses Pferd hat allerdings einen riesigen Galoppsprung, so dass er manchmal einen weniger macht als andere Pferde, das macht es manchmal schwieriger, aber das haben die beiden bisher bravourös gemeistert. Checker kenne ich natürlich sehr gut, er war fünf Jahre bei mir im Stall. Das Pferd hat in den vergangenen Monaten noch mal eine unglaubliche Entwicklung gemacht. Er ist top in Schuss und die beiden, Christian Kukuk und Checker, haben super Ergebnisse zusammen abgeliefert. Und Jana Wargers war die beiden vergangenen Jahre mit Limbridge im Team. Dieses Mal ist sie mit Dorette nominiert, weil die Stute immer besser in Form gekommen ist.

Bundestrainer Otto Becker weiß, dass die Konkurrenz im Parcours nicht schläft. Foto: Friso Gentsch/FN-Archiv
PM-Forum: Woher kommt in diesem Jahr eventuell die größte Konkurrenz?
Otto Becker: Es ist im gesamten Springsport sehr eng und global geworden und bei diesem olympischen Modell mit nur drei Reitern pro Team kommt es auf jeden Moment an. Wenn man einen schlechten Parcours oder nur eine schlechte Linie erwischt, kann es schon sein, dass man gar nicht im Finale der besten Teams dabei ist. Und nachher im Finale: Zehn Teams, ohne Streichergebnis und es fängt bei Null
wieder an – da darf man sich überhaupt keine Schwäche erlauben. Man hat keine Möglichkeit mehr, etwas auszubügeln. Von den zehn Nationen im Finale sind wahrscheinlich acht realistisch
in der Lage zu gewinnen. Ich sehe allerdings schon die Franzosen im eigenen Land als Hauptkonkurrenten und die Iren, die dieses Jahr sehr gut unterwegs sind. PM Forum: Und wie schnell etwas schief gehen kann, haben Sie gerade bei den Championaten in den vergangenen beiden Jahren erfahren… Otto Becker: Das stimmt. Wir waren bei der WM in Herning vor zwei Jahren auf Silberkurs, dann hatten wir einen Sturz. Letztes Jahr bei der EM waren wir nach zwei Prüfungen auf Goldkurs und dann hat sich ein Pferd im Stall verletzt. Ich hoffe, dass wir dieses Jahr einen besseren Lauf haben und – bei aller Qualität, brauchen wir am Ende auch das Quäntchen Glück – wie alle. Aber natürlich rechnen wir uns Chancen auf eine Medaille aus.
PM-Forum: Sie waren selbst dreimal olympisch am Start und fahren zum vierten Mal als Bundestrainer zu Olympischen Spielen. Wie sehen Sie Ihre Rolle vor Ort und wie können Sie Ihre bisherigen Olympia-Erfahrungen ins Spiel bringen?
Otto Becker: Im Grunde sind wir mit dem Trainerteam Dienstleister für die Reiter und müssen ihnen die bestmöglichen Rahmenbedingungen schaffen. Ich hoffe, dass ich meine Erfahrung weitergeben kann. Außer Christian, der in Tokio dabei war, wobei das ja außergewöhnliche Spiele waren und wir praktisch einkaserniert waren durch Corona, sind alle Olympia-Neulinge. Trotzdem setze ich absolutes Vertrauen in das Team – alles ist möglich!
PM-Forum: Santiago Varela aus Spanien und Gregory Bodo aus Frankreich sind die Parcourschefs in Paris – was kann man daraus voraussichtlich für den Parcoursbau schließen?
Otto Becker: Ich denke, wir werden flüssige Parcours sehen, auch technisch,´aber in erster Linie flüssig zu reiten. Varela ist sehr erfahren, hat auch schon Tokio gebaut, und Bodo ist noch recht neu auf diesem Niveau unterwegs. Ich bin froh, dass die beiden das zusammen machen.
PM-Forum: Was wird für Sie besonders bei den Olympischen Spielen in Paris?
Otto Becker: Zuallererst ist die Location absolut besonders – selbst für Olympische Spiele. Und dann ‚Anlaufzeit‘ und weiterhin der Modus. Wir reisen am 30. Juli an. Dann sind die Vielseitigkeitspferde aus den Boxen ausgezogen, die Boxen werden desinfiziert und dann können wir einstallen. Am nächsten Tag ist früh morgens Verfassungsprüfung, abends Training und am 1. August geht es los. Wir haben also eine wirklich kurze ‚Anlaufzeit‘ vor Ort. Und ich bin nach wie vor kein Freund von dem Modus mit nur drei Reitern im Team. Wir haben in Tokio gesehen, wie schnell es gehen kann, dass ein Team raus oder weit abgeschlagen ist. Das japanische Team als Gastgeber ist damals geplatzt, weil sich ein Pferd auf dem Abreiteplatz leicht verletzt hatte. Und dann ist die Mühe der letzten Jahre von Reitern und Pferdebesitzern verpufft – Besitzer haben viel Geld investiert, kaufen und behalten die Pferde und die Reiter haben auf vieles verzichtet. Alles wird dem olympischen Ziel untergeordnet.
Der Ablauf Springen
Mittwoch, 31. Juli: Verfassungsprüfung und Trainingsspringen
Donnerstag, 1. August: Qualifikation Team – Qualifikationsspringen mit einem Umlauf nach Fehlern und Zeit, in dem sich aus den 20 Teams am Start die besten zehn für das Finale am nächsten Tag empfehlen. Pro Team starten drei Reiter, es gibt kein Streichergebnis.
Freitag, 2. August: Finale Teamwertung – Es wird in umgekehrter Reihenfolge zu den Vortagsergebnissen gestartet, die Wertung geht wieder bei ‚Null‘ los und auch hier wird nur ein Umlauf geritten. Bei Strafpunktgleichheit gibt es ein Stechen um die Medaillen.
Samstag, 3. August: Verfassungsprüfung
Montag, 5. August: Qualifikation Einzelwertung – 75 Olympia-Paare gehen an den Start. In diesem Fehler-Zeit-Springen empfehlen sich die besten 30 Paare für das Einzelfinale, drei Reiter pro Nation sind erlaubt.
Dienstag, 6. August: Finale Einzelwertung – Die besten 30 aus der Qualifikation fangen im Finale wieder bei null an. Wie bei der Teamwertung wird bei Strafpunktgleichheit um die Medaillen gestochen.
Das deutsche Team in Paris: Dressur
Jessica von Bredow-Werndl (Aubenhausen) mit TSF Dalera BB, 17-jährige Trakehner Stute v. Easy Game – Handryk
Besitzerin: Beatrice A. Bürchler-Keller, Züchterin: Silke Druckenmüller, Pflegerin: Franziska Leonhardt
„In mir steckt eine Mischung aus Euphorie und auch etwas Nervosität, wenn ich an Paris denke, es kribbelt! Und gleichzeitig bin ich demütig und dankbar, dass ich ein so wundervolles Pferd wie Dalera an meiner Seite habe.“
Frederic Wandres (Hagen a.T.W,) mit Bluetooth OLD, 14-jähriger Oldenburger Wallach v, Bordeaux – Riccione
Besitzer: Hof Kasselmann, Züchter: Gestüt Lewitz, Pfleger: Lars Ligus
„Das Ticket für Olympia gelöst zu haben, ist das größte aller Gefühle und ich habe Gänsehaut, wenn ich darüber nachdenke. Ich bin überwältigt und hoffe, dass ich Deutschland bei den Olympischen Spielen so gut wie möglich vertreten werde.“
Isabell Werth (Rheinberg) mit Wendy de Fontaine, zehnjährige Dänische Warmblutstute v. Sezuan – Soprano
Besitzer: M.H. & Partner Gbr und Madeleine Winter-Schulze, Züchter: Wolfgang Kipp, Pflegerin: Sofie Karlsson
„Die Olympischen Spiele sind der Traum eines jeden Sportlers, eine Medaille prägt das Leben jedes Einzelnen!! Glücksbringer habe ich hoffentlich ganz viele, Familie und Freunde, da die Spiele ja quasi vor der Haustür sind!“
Wechsel bei den Reservisten
Als Reservepaar für die Olympischen Spiele in Paris waren Ingrid Klimkemit Franziskus FRH gesetzt. Nachdem der 16-jährige Hengst von Fidertanz sich in einem Training nach dem CHIO Aachen nicht wie gewohnt anfühlte, wurde er untersucht und eine Verletzung festgestellt, die umgehend behandelt wurde. Damit fällt das Paar für Paris aus. An ihre Stelle rücken Sönke Rothenberger und Fendi. Auch Katharina Hemmer mit Denoix darf mit ins abschließende Trainingslager – nach Paris brechen dann jedoch nur vier Paare auf.

Zwischen Euphorie und Nervosität: Bei Jessica von Bredow-Werndl kribbelt es, wenn sie an Paris denkt.

Routine im Viereck: Isabell Werth startet bereits zum siebten Mal bei Olympischen Spielen.

Erhofft sich, gute Leistungen in Paris abliefern zu können: Frederic Wandres mit Bluetooth OLD. Fotos (3): Stefan Lafrentz

Isabell Werth ist mit ihrer Erfahrung ein wertvolles Teammitglied für die Olympischen Spiele in Paris. Foto: Stefan Lafrentz
Die olympischen Dressur-Wettbewerbe
„Wir haben ein absolutes Top-Team, auch wenn…“
Monica Theodorescu, die Bundestrainerin der Dressurreiter, im Interview:
PM-Forum: Am 28. Juli starten für Sie die olympischen Wettbewerbe mit der Verfassungsprüfung, aber Sie werden schon deutlich früher nach Frankreich reisen?
Monica Theodorescu: Ja, wir sind die Woche davor im Trainingslager in einer Anlage auf dem Land, die eine knappe Stunde Fahrtzeit von Versailles entfernt ist. Am 26. Juli stallen wir in Versailles ein, am Tag der Eröffnungsfeier, aber es ist nicht geplant, dass wir zur Eröffnungsfeier fahren. Das wäre ein Aufwand von sicher sieben bis neun Stunden und wir wären erst mitten in der Nacht wieder in unserem Quartier. Es wäre utopisch zu denken, dass man dann am nächsten Tag frisch und ausgeruht auf dem Venue trainieren kann. Deshalb haben wir die Eröffnung für uns leider absagen müssen.
PM-Forum: Das Team steht seit dem CHIO Aachen – charakterisieren Sie für uns kurz Ihr Olympia-Team?
Monica Theodorescu: Ich denke, wir haben ein absolutes Top-Team, auch wenn wir nicht als Top-Favoriten an den Start gehen – das sind sicher die Briten. Auch aus Dänemark haben wir starke Konkurrenz zu erwarten. Das dürften die Hauptanwärter auf Mannschafts-Medaillen sein, aber ich bin sehr optimistisch mit unserem Team. Natürlich hat Isabell (Werth) die meiste Erfahrung, aber auch Jessica (von Bredow-Werndl) hat erfolgreiche Olympia – als auch Championats-Erfahrung und Frederic ist Berufsreiter, ebenfalls mit Championats-Erfahrung. Wir sind Titelverteidiger in der Mannschaft und der Einzelwertung. In Paris wird es absolut von der Tagesform eines jeden abhängen, da alle drei Ergebnisse zählen. Es gibt kein Streichergebnis.

Monica Theodorescu war sowohl als Reiterin als auch Bundestrainerin der Dressur bereits mehrfach bei den Olympischen Spielen. Foto: Uta Helkenberg/FN-Archiv
PM-Forum: Es sind Ihre dritten Olympischen Spiele als Bundestrainerin, dreimal sind Sie selbst bei Olympia geritten, einmal waren Sie als Reservereiterin dabei. Hilft Ihnen diese enorme Olympia-Routine?
Monica Theodorescu: Ja, unbedingt. Die Erfahrung, selbst bei Olympischen Spielen eingeritten zu sein und zum Erfolg beigetragen zu haben, ist sehr nützlich. Ich kenne die Abläufe und kann Sicherheit geben.
PM-Forum: Olympia in Paris – so nah hatten Sie es bei Ihren bisherigen sieben Olympischen Spielen noch nie…
Monica Theodorescu: Ja, das stimmt. Ich freue mich sehr, dass wir die Olympischen Spiele so nah in Europa haben. Von den Bildern wird es, denke ich, eine sehr schöne Kulisse und das Pariser Flair wird sicher zur Geltung kommen. Ich freue mich auf unser Team und auf die zwei Wochen, die wir gemeinsam in Frankreich erleben werden. Und wir hoffen sehr auf die Unterstützung von zu Hause, von Freunden und Fans. Nur wenige werden anreisen oder haben überhaupt Karten bekommen, es gibt dieses Mal keine Reise der Persönlichen Mitglieder, was ich sehr schade finde. Die ganze Thematik ums Ticketing war ja sehr schwierig und teuer. Das ist besonders traurig, weil wir Olympia so nah haben und trotzdem nur relativ wenige deutsche Fans vor Ort sein können.
Der Ablauf Dressur
Sonntag, 28. Juli: Verfassungsprüfung
Dienstag, 30. Juli: Grand Prix, Teil 1
Mittwoch, 31. Juli: Grand Prix, Teil 2 – der Grand Prix dient als Qualifikation. Die besten zehn Teams aus dem Grand Prix empfehlen sich für den Special, außerdem qualifizieren sich die besten 18 Paare für die Grand Prix Kür.
Samstag, 3. August: Grand Prix Special – Im Special entscheiden sich die Medaillen der Mannschaftswertung, drei Paare pro Nation sind zugelassen, es gibt kein Streichergebnis.
Sonntag, 4. August: Verfassungsprüfung und Grand Prix Kür – In der Kür wird um die olympischen Einzelmedaillen geritten
Das deutsche Team in Paris: Para-Dressur
Anna-Lena Niehues (Gronau, Grade IV) mit Quimbaya, 11-jährige Westfalenstute v. Quatertime – Samarant
Besitzer: Anna-Lena Niehues, Züchter: Josef Bramlage
Anna-Lena Niehues ist Pferdewirtschaftsmeisterin, betreibt den familieneigenen Reiterhof Rüenberg und hat 2022 ihre erste Saison im Para-Sport absolviert. Durch eine Tumor- Operation an der Halswirbelsäule 2017 ist die 40-Jährige inkomplett querschnittsgelähmt, was sich hauptsächlich durch Einschränkungen im rechten Arm äußert. Sie ist die amtierende Deutsche Meisterin ihres Grades.
Heidemarie Dresing (Rheda-Wiedenbrück, Grade II) mit Horse24 Dooloop, 12-jähriger Oldenburger Wallach v. Dressage Royal – Rouletto
Besitzer: Heidemarie Dresing, Züchter: Horse24 GmbH
Bei der passionierten Pferdezüchterin und -reiterin wurde 2011 Multiple Sklerose diagnostiziert. 2019 gehörte die Architektin bei der EM in Herning das erste Mal zum deutschen Para-Team, 2021 war sie bei den Paralympics in Tokio dabei und verpasste knapp das Podest. 2023 wurde Dresing Doppel- Europameisterin in Kür und Einzelwertung und gewann Silber mit dem Team.
Regine Mispelkamp (Geldern, Grade V) mit Highlander Delight’s, 12-jähriger Niederländer v. Florencio I – Jazz
Besitzer: Regine Mispelkamp, Züchter: P. G. van Berkel
Regine Mispelkamp ist Pferdewirtschaftsmeisterin, Grand Prix-Ausbilderin und Diplom-Trainerin und betreibt einen eigenen Turnier- und Ausbildungsstall. Vor sechs Jahren erhielt sie die Diagnose Multiple Sklerose und wechselte in den Para-Sport. Im selben Jahr, 2018, gehörte sie bereits zum Para-Team bei der WM in Tryon, 2021 startete sie bei den Paralympics und gewann mit Kür-Bronze die einzige Medaille für das deutsche Para-Team in Tokio.
Martina Benzinger (Rudolstadt, Grade I) mit Nautika, 18-jährige Lippizaner Stute v. Pluto Darina – Favory Santa
Besitzer: Jörg Jüngling und Martina Benzinger, Züchter: Peter Lewandowsky
1994 wurde bei der früheren Sprin gund Vielseitigkeitsreiterin Multiple Sklerose diagnostiziert, 2013 nahmsie an ihren ersten Para-Dressuren teil. 2023 gehörte sie bei der EM in Riesenbeck zum ersten Mal zu einer Championats-Mannschaft. Die damals 62-Jährige gewann mit ihrer Partnerin Nautika Mannschafts-Silber- und zwei Einzel-Medaillen.
Reserve: Isabell Nowak (Apelern, Grade V) mit Siracusa OLD, 13-jährige Oldenburger Stute v. Sir Donnerhall – Don Schufro
Besitzer: Isabell Nowak, Züchter: Gestüt Lewitz
Die Reservereiterin wird bei jedem vor-paralympischen Training dabei sein, aber nicht mit nach Paris fahren.

2022 absolvierte Anna-Lena Niehues ihre erste Saison im Para-Sport – jetzt fährt sie nach Paris. Foto: Monika Kaup/FN-Archiv

Bei den Paralympics in Tokio verpasste Heidemarie Dresing knapp das Podest, in Paris will sie angreifen. Foto: Stefan Lafrentz

Regine Mispelkamp ist Pferdewirtschaftsmeisterin und wechselte 2021 in den Para-Sport, nachdem bei ihr Multiple Sklerose diagnostiziert wurde. Foto: Monika Kaup/FN-Archiv

Martina Benzinger sammelte bei der EM in Riesenbeck 2023 erste Championatserfahrung. Foto: Stefan Lafrentz
Die paralympischen Dressur-Wettbewerbe
„Alle auf Angriff!“
Silke Fütterer-Sommer, die Bundestrainerin der Para-Dressurreiter, im Interview:
PM-Forum: Was waren für Sie die wichtigsten Kriterien bei der Zusammenstellung Ihres Olympia-Teams?
Silke Fütterer-Sommer: Für uns war besonders wichtig: Wer ist am beständigsten? Welche Paare sind am stabilsten? Wer kann gut mit Druck umgehen, wer ist wie nervenstark – auf Reiter und Pferde-Seite? Da spielt vielleicht auch eine Rolle, wer gut mit Wetter umgehen kann. Wenn es beispielsweise in Strömen regnet – das sind alles Situationen, die durchaus auch manchmal entscheidend sein können. Wir fahren mit den vier Besten nach Paris.
PM-Forum: Erstmals wurden in Balve auch die Deutschen Meisterschaften der Para-Dressurreiter ausgetragen – war das ein wichtiger Pfeiler auf Ihrem Sichtungsweg?
Silke Fütterer-Sommer: Unbedingt, das war für uns ganz toll. Zum ersten Mal hatten die Para-Reiter richtig Aufmerksamkeit, das war außergewöhnlich. Da war dann auch schon ein bisschen mehr Druck, dadurch dass mehr Öffentlichkeit und die ganzen guten Regelsportler dabei waren. Es war für uns sehr interessant, wie die Reiter damit umgehen und wie die Pferde auf die Kulisse reagieren.
PM-Forum: Ihr Olympia-Team – würden Sie es uns in Kürze beschreiben?
Silke Fütterer-Sommer: Gerne, aber zunächst vielleicht eine Erklärung: Wir treten – anders als in den anderen Disziplinen – mit vier Reiterinnen an, die auch alle die Einzelwertung und gegebenenfalls Kür reiten dürfen. Nur die Mannschaft wird zu dritt geritten.

Silke Fütterer-Sommer ist erst seit 2023 Bundestrainerin der Reiter mit Behinderung – bei dem Gedanken an Paris bekommt sie Gänsehaut. Foto: FN-Archiv
Bei den Reiterinnen fange ich mit Anna-Lena Niehus an. Sie hatte eine sehr gute Saison, sie war immer Erste oder Zweite, bei jeder Runde. Nach ihrer Babypause im vergangenen Jahr ist sie richtig stark zurückgekommen. Und ihre Stute Quimbaya ist wahnsinnig talentiert, ausdrucksstark und sensibel, ein sehr charismatisches Paar. Quimbaya kann auch schon mal nervös werden, aber Anna-Lena ist als Berufsreiterin sehr routiniert und kann ihr die nötige Sicherheit geben. Heidemarie Dresing hat ihre Leistungen vom letzten Jahr noch mal bestätigt und ist noch routinierter geworden. Letztes Jahr war die erste Saison für das Pferd, für Dooloop, und da waren wir alle glücklich, dass die beiden so toll zusammenpassen und das Paar gleich Doppel-Europameister wurde. Dieses Jahr hat Heidemarie so gut abgeliefert, sie ist für mich definitiv eine Kandidatin für eine Einzelmedaille in ihrem Grade. Dritte im Bunde ist Regine Mispelkamp – auch sie ist eine wahnsinnig routinierte Reiterin, die mit sehr viel Druck umgehen kann. Auch Regine ist Berufsreiterin und hat sehr viel Prüfungserfahrung. In Paris wird uns eine enorme Kulisse erwarten, was man von den Bildern sieht. Da ist es natürlich umso wichtiger, dass Erfahrung und Routine im Team ist. Highlander Delight’s ist ein Pferd mit sehr viel Ausdruck und Temperament, der immer eine tolle Schritt-Tour und guten Bergauf-Galopp zeigt. Und als absolutes Verlasspferd haben wir noch Nautika unter Martina Benzinger im Team. Dieses Paar hat über die letzten zwei Jahre so kontinuierlich seine Leistung gezeigt, diese Stute hatte noch nie einen Ausreißer. Das ist für die Mannschaftswertung schön zu wissen.
PM-Forum: Woher kommt Ihre größte Konkurrenz?
Silke Fütterer-Sommer: Wir haben richtig starke Konkurrenz. Wir gehen mit einer sehr guten Mannschaft nach Paris, aber die USA haben auch eine unglaublich starke Truppe, die Niederländer ebenso – ich denke, das werden die beiden Nationen sein, die es zu schlagen gilt. Die Briten sind auch nicht zu unterschätzen. Es wäre natürlich der Oberknaller, wenn wir eine Team- Medaille mit nach Hause nehmen könnten. Alle müssen einen richtig guten Tag haben und abliefern – aber das müssen die anderen Teams auch. Wir haben eine reelle Chance!
PM-Forum: Es werden die ersten Paralympischen Spiele für Sie als Bundestrainerin – was bedeutet das für Sie?
Silke Fütterer-Sommer: Ich gebe zu, dass ich bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr sehr aufgeregt war, weil es mein allererstes Championat als Bundestrainerin war. Aber das jetzt ist natürlich eine andere Hausnummer. Wenn ich die Bilder von Versailles sehe, dann kriege ich jedes Mal eine Gänsehaut und merke, wie mein Puls deutlich nach oben schießt. Ich glaube, wenn wir uns das erste Mal das Stadion angucken, werden wir da alle mit offenem Mund stehen. Auch im Vorfeld ist es schon sehr aufregend: Allein die Anprobe für die Olympia-Kleidung löst unglaubliche Vorfreude aus. Wenn es nach mir gehen würde, könnten wir auch schon nächste Woche loslegen (lacht).
PM-Forum: Was wäre Ihr größter Wunsch?
Silke Fütterer-Sommer: Ich habe gehört, dass schon einige Tickets für die Para-Dressur verkauft wurden. Das wäre einfach toll, wenn wir auch mal vollere Tribünen hätten. Das ist für den Para-Sport nicht so selbstverständlich und das sind unsere Pferde auch noch nicht so gewohnt. Aber das wäre für uns ganz wichtig.
Der Ablauf Para-Dressur
Dienstag, 3. September: Einzelwertung Para Grand Prix A (Grades I, II, III)
Mittwoch, 4. September: Einzelwertung Para Grand Prix A (Grades IV, V) Am Dienstag und Mittwoch geht es in den entsprechenden Grades um die ersten Olympia-Medaillen für die Einzelwertung, außerdem zählt der Para Grand Prix jeweils als Qualifikation für die Kür. Die besten acht Paare pro Grade sind in der Olympia-Kür startberechtigt.
Freitag, 6. September: Teamwertung Para Grand Prix B (alle Grades) – Drei Reiter pro Nation dürfen für die Mannschaft starten, es gibt kein Streichergebnis. Jedem Team muss mindestens ein Reiter der Grades I, II oder III angehören, pro Team dürfen höchstens zwei Reiter desselben Grades starten.
Samstag, 7. September: Einzelwertung Kür (alle Grades) – Hier wird der zweite Satz an Einzelmedaillen vergeben. Wie im Para Grand Prix geht es pro Grade um einen Medaillensatz, insgesamt also noch einmal um fünf Medaillensätze in der Kür.
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