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Alternative Heilmethoden, Teil 3

Von Blutegeln und Klebeband

Es finden immer mehr alternative Heilmethoden Einzug in den pferdetherapeutischen Bereich, darunter auch die Blutegeltherapie sowie die Arbeit mit kinesiologischem Tape. Dabei schließen sich die einzelnen Therapieverfahren gegenseitig nicht aus, sondern ermöglichen vielmehr eine ganzheitliche Behandlung, die unterstützend zur Schulmedizin eingesetzt werden kann.

Die Blutegeltherapie gehört zu den sogenannten Ausleitungsverfahren und ist vergleichbar mit einem kleinen Aderlass. Foto: Frank Sorge

Die Nachfrage nach alternativen Heilmethoden wächst stetig. Somit wird auch das Repertoire an Therapieverfahren erweitert. Während das kinesiologische Pferdetaping dabei für den ein oder anderen nicht mehr ganz ungewöhnlich ist, wirkt die Blutegeltherapie auf viele Pferdebesitzer abschreckend. Auch die physikalischen Therapien bieten ein breites Anwendungsgebiet von Laser-, Wärme- oder Kältetherapie bis hin zum Einsatz von Magnetfelddecken und Solarien. Der Erfolg der alternativen Methoden ergibt sich aus dem Miteinander der verschiedenen Verfahren und ihrer Unterstützung der schulmedizinischen Therapien. Dabei müssen diese natürlich nach Art der Erkrankung und der Ursache ausgewählt werden, damit keine gegensätzlichen Therapien zum Einsatz kommen. So ist in der Regel bei akuten Entzündungen der Einsatz von Wärmetherapie nicht zu empfehlen, da diese den entzündlichen Prozess eher vorantreiben, als ihn zu lindern.

Grundsätzlich muss eine Erkrankung vor dem Einsatz eines alternativen Verfahrens immer durch einen Tierarzt abgeklärt werden. Viele Veterinäre und Kliniken haben bereits ihr eigenes Behandlungsrepertoire um alternative Heilmethoden ergänzt. Dies ermöglicht eine enge Zusammenarbeit und eine gut abgestimmte Behandlung des Patienten. „Die Ganzheitlichkeit einer Behandlung ist meistens der Schlüssel zur erfolgreichen Therapie“, erklärt Dr. Ina Gösmeier. „So können schulmedizinische Behandlungskonzepte erfolgsversprechend mit alternativen Therapien ergänzt werden. Jedes Pferd reagiert auf Therapien und Behandlungen ganz unterschiedlich. Deswegen ist gerade in der Medizin das Miteinander so wichtig“, folgert die Tierärztin und Spezialistin für alternative Heilmethoden.

Physikalische Therapien

Physikalische Therapien werden klassisch der Physiotherapie zugeordnet und umfassen verschiedene Therapieverfahren und Anwendungsgebiete. So können physikalische Therapieverfahren als Mittel zur Ersten Hilfe dienen, Verletzungen eindämmen oder als Maßnahmen zur Rehabilitation eingesetzt werden, um die betroffenen Strukturen zu unterstützen und somit die Heilung zu fördern. „Bei Schwellungen mit Hitzeentwicklung ist das Kühlen sicherlich eine gute erste Maßnahme, die der Pferdesportler auch selbst durchführen kann, bei offenen und akuten Verletzungen sollte aber grundsätzlich zunächst der Tierarzt konsultiert werden“, sagt Frauke Wartenberg, Physiotherapeutin der Bundeskaderpferde.

Kühlgamaschen zählen zu den physikalischen Therapien. Art und Dauer der Anwendung sollten mit dem Tierarzt besprochen werden. Foto: Lorella Joschko

Auch Eisbehandlungen eignen sich als Therapiemaßnahme, falls der Bewegungsapparat betroffen ist. Das Eis hilft dabei, dass sich die beschädigten Gefäße zusammenziehen und damit die Einblutung in das umliegende Gewebe eingedämmt wird. „Das Eis darf dabei aber nicht direkt mit der Haut in Berührung kommen. Am besten legt man mit Hilfe von einem kleinem Handtuch und einer Bandage eine Eispackung an der betroffenen Stelle an“, erklärt Wartenberg. Zu intensiv und lange sollte die Eispackung aber nicht am Pferd verbleiben, da auch das Gewebeschäden verursachen kann. Bei Verspannungen kann dagegen eine gezielte Wärmetherapie Linderung mit sich bringen. Ob und in welchem Umfang Wärmewickel zur Anwendung kommen, sollte immer der behandelnde Tierarzt entscheiden. Eine weitere Behandlungsmethode umfasst die Magnetfeldtherapie, die auch in der Traditionell Chinesischen Medizin zur Anwendung kommt. Dabei werden gezielt Magnetfelder erzeugt, die sich positiv auf die elektrische Spannung der Zellen auswirken sollen und so die Zellaktivität und den Stoffwechsel anregen. 

Vorsicht ist allerdings bei tragenden Stuten, bestehenden Tumoren oder Organleiden geboten. „Bei Therapien aller Art ist es besonders wichtig, dass der Pferdebesitzer dem behandelnden Tierarzt gegenüber offen ist und über sämtliche Krankheitsbilder aufklärt. Gerade hinsichtlich alternativer Heilmethoden ist es deshalb ratsam, sich einen Veterinär oder eine Klinik zu suchen, die möglichst breitgefächert aufgestellt ist“, folgert Frauke Wartenberg.

Wellness für das Pferd

Viele Pferdesitzer sehnen sich nach Möglichkeiten, ihrem Pferd selbst etwas Gutes zu tun. Durch das breite Angebot auf dem Markt sind solche Möglichkeiten schon längst gegeben: Akupressur- und Magnetfelddecken, Solarien, Kühlgamaschen oder Infrarotbandagen decken ein breites Leistungsspektrum ab. Aber auch wenn ein Solarium oft schon zur Standardausrüstung eines Pferdestalls zählt, sollte sich der Pferdebesitzer immer vorab informieren, ob und in welchem Maße Wellnessbehandlungen in verschiedenen Situationen risikofrei angewendet werden können:

  • bei Verspannungen der Muskeln
    nach intensivem Training
  • zum Aufwärmen vor dem Training
  • bei angelaufenen Beinen
  • bei heißer oder kalter Witterung
  • zur Steigerung des Wohlbefindens
  • als Wellness bei Seniorenpferden oder während der Rehabilitation nach Absprache

Das Motto „Viel hilft viel” ist an dieser Stelle fehlt am Platz. Denn nicht alles, was aus Menschensicht als „Wellness” durchgeht, nützt auch dem Pferd.

 „Wellness” fürs Pferd und heutzutage oft schon Standard in Reitställen: das Solarium. Fotos (3): Christiane Slawik

 Magnetfelddecken können Heilungsprozesse anschieben und Muskeln entspannen.

Blutegeltherapie

Wohl kaum ein Therapieverfahren ruft mehr Ekel auf Seiten des Pferdehalters hervor als die Blutegeltherapie. Dabei wird dieses Verfahren in der Humanmedizin schon sehr lange erfolgreich eingesetzt. Aber auch immer mehr Veterinäre und Tierhalter öffnen sich gegenüber dieser etwas gewöhnungsbedürftigen Behandlung. „Die Blutegeltherapie gehört zu den so genannten Ausleitungsverfahren und ist vergleichbar mit einem kleinen Aderlass“, erläutert Dr. Ina Gösmeier. In der Veterinärmedizin wird die Blutegeltherapie vor allem bei (chronischen) Erkrankungen des Bewegungsapparates sowie zur Entzündungshemmung und Schmerzlinderung eingesetzt. Im Vordergrund steht die gerinnungshemmende Wirkung einiger Substanzen im Speichel der Egel, die die Bisswunde bis zu 12 Stunden nachbluten lassen. Zu den wichtigsten Wirksubstanzen des Egelspeichels zählen Hirudin, Calin und Hyaluronidase. Die lange Nachblutung der Bisswunden begünstigt den Abtransport eingelagerter Flüssigkeit. Dadurch wirkt die Behandlung entgiftend, entstauend und durchblutungsfördernd. „Auch Hauterkrankungen, Ekzeme und Narbengewebe können mit Hilfe der Blutegel therapiert werden“, sagt Dr. Gösmeier. Die Selbstheilungskräfte des Körpers sowie die Zellregeneration werden aktiviert und angeregt. Allein schon der Abtransport der entzündlichen Flüssigkeit wirkt sich positiv auf die Heilung des betroffenen Gewebes aus. 

Gerade bei Patienten mit chronischen Beschwerden kann die Blutegeltherapie regelmäßig und erfolgreich eingesetzt werden und so die Lebensqualität des Patienten verbessern. Eine Schmerzlinderung kann sich schon während der Behandlung einstellen. Entgegen der weitläufigen Annahme, lassen sich die meisten Pferde die Behandlung mit den kleinen Blutsaugern durchaus gerne gefallen. Die Ablehnung ist meist eher auf Seiten des Pferdebesitzers zu finden. „Die Blutegeltherapie bietet ein überaus großes Anwendungsspektrum und ist letztlich ganz natürlich“, schlussfolgert Dr. Ina Gösmeier. Sie fährt fort: „Aufklärung ist das A und O, um die Skepsis zu überwinden. Auch das Skizzieren des Ablaufs hilft den meisten Pferdebesitzern, sich auf diese Behandlung einzulassen.“ Vor dem Beginn der Therapie werden die entsprechenden Stellen lokalisiert, an denen die Blutegel angesetzt werden sollen. Wie viele Egel zum Einsatz kommen, ist abhängig von Art und Weise der Behandlung und der vorliegenden Verletzung. Bei den verwendeten Blutegeln handelt es sich um speziell für medizinische Zwecke gezüchtete Tiere. Nur so kann eine Verunreinigung der Tiere im Vorfeld vermieden werden. 

Kein Grund zur Panik! Die Egelbisse bluten nach, dabei werden entzündliche und angestaute Flüssigkeiten ausge leitet und die Heilung gefördert. Foto: Frank Sorge

Die Hautpartien sollten vor der Behandlung mit einem Rasierer vorsichtig vom Fell befreit werden. Dadurch können sich die Egel leichter festbeißen. Ein Anritzen der Haut ist in den meisten Fällen nicht nötig. Die Egel können sich mit ihren Kalkzähnchen ohne große Mühe durch die Haut des Pferdes sägen. So erschreckend der Vorgang auch klingen mag, der Biss eines Egels ist vergleichbar mit einem Mückenstich. Die Behandlung dauert so lange, wie die Egel am Pferd sitzen. Sind sie vollgesogen, lassen sie sich fallen. Um eine Verunreinigung der Wunde nicht zu riskieren, sollten die Egel niemals gewaltsam entfernt werden. Auch nach der Behandlung ist das Infektionsrisiko der Bisswunden durch die starke Blutung lediglich minimal. Im Zweifelsfall sollte ein dünner Verband angelegt werden. 

Kinesiologisches Pferdetaping

Das bunte Tape findet in der Humanmedizin bzw. in der Humanphysiotherapie vor allem bei Sportlern großen Anklang. Aber auch in der Tier-Physiotherapie wird das Tape sehr häufig verwendet, um die therapeutischen Maßnahmen zu unterstützen. „Grundsätzlich ist es hilfreich, wenn man das umliegende Gewebe mit behandelt, sonst können Blockaden schnell wieder auftreten“, sagt Katja Bredlau-Morich, Spezialistin für kinesiologisches Pferdetaping. Je nach Tape-Anlage können schwache Gelenke stabilisiert und die Muskelaktivität angeregt oder entspannt werden. Während Verletzungen am Knochengerüst mittels Fixierungsmaßnahmen erfolgreicher heilen, wirkt sich kontrollierte, leichte Bewegung auf die Heilung von Weichteilen wie Muskeln, Bändern und Sehnen positiv aus.

„Nur wenn das Gewebe während der Heilung flexibel bleibt, können sich die neuen Fasern der Bewegungsrichtung entsprechend korrekt ausrichten“, sagt Bredlau-Morich. Entsprechend dieser Tatsache lässt sich auch der Begriff Kinesiologie ableiten: Hierbei steht das griechische Wort „kinesis“ für Bewegung und „logos“ für die Lehre. Demnach ist die Kinesiologie als Bewegungslehre definiert, die sich folglich mit der Wirkung, Bewegung und Interaktion von Muskeln, Sehnen, Bändern und Knochen befasst. „Auch bei der Kinesiologie liegt der Fokus auf der ganzheitlichen Betrachtung des Körpers“, erläutert Frauke Wartenberg. Sie fährt fort: „Um Kinesiotaping erfolgsversprechend anzuwenden, bedarf es fundierter Grundlagen hinsichtlich der Biomechanik und der funktionellen Anatomie des Pferdes.“ Durch diese Behandlungsmöglichkeit können viele medizinische und therapeutische Maßnahmen gezielt unterstützt werden, besonders bei muskulären Problemen wird das Tape erfolgsversprechend angewendet.

Kein Grund zur Panik! Die Egelbisse bluten nach, dabei werden entzündliche und angestaute Flüssigkeiten ausge leitet und die Heilung gefördert. Foto: Frank Sorge

Kein Grund zur Panik! Die Egelbisse bluten nach, dabei werden entzündliche und angestaute Flüssigkeiten ausge leitet und die Heilung gefördert. Foto: Frank Sorge

Tape ist nicht gleich Tape

Das kinesiologische Tape zeichnet sich dadurch aus, dass es mit elastischen Fasern durchzogen und der Kleber wellenförmig aufgebracht ist. Je nach Längsdehnung erhöht oder vermindert sich der Druck bzw. der Zug auf das entsprechende Gewebe. So ist es möglich, dass die Dehnung und Anlage immer an die Bedürfnisse des Pferdes angepasst werden kann. Das medizinische Tape bietet durch den speziell angelegten Kleber auf der Unterseite entsprechende Zwischenräume, die eine Luft- und Wasserdurchlässigkeit ermöglichen. Gerade das Tape für den Tierbedarf sollte besonders robust sein, damit es auf Fell gut haftet und auch verschiedenen Witterungsbedingungen und dem Wälzen standhält. Die Farbe des Tapes spielt in erster Linie keine Rolle, entsprechend der Farbenlehre und Farb therapie kann hier aber auch ganz bewusst entschieden werden.

Wirkweise des Tapes

Die Wirkung des Tapes ergibt sich aus der Art und Weise der Anlage. Das Tape wird, je nach Art der Anlage, gedehnt oder ungedehnt auf das Fell aufgebracht und hat entsprechend der physikalischen Gesetze das Bestreben, sich wieder in die Ursprungsform zusammenzuziehen. Durch diesen Zug werden das Fell und die darunter liegenden Hautschichten angehoben, was wiederum Raum schafft, damit Blut und Lymphe bes
ser fließen können. Dadurch können Abbauprodukte schneller abtransportiert und die Gewebe besser versorgt werden. Kinesiologisches Pferdetaping eignet sich bei

  • muskulären Problemen
  • Schwellungen
  • Instabilität von Gelenken
  • störendem Narbengewebe
  • Sehnenschäden
  • Spannungen

Chancen und Grenzen

Alternative Heilmethoden bieten ein breites Spektrum hinsichtlich der therapeutischen Maßnahmen und Anwendungen. Darüber hinaus wächst der Markt an „Wellnessprodukten”, die der Pferdebesitzer selbst anwenden kann. Dennoch ist hier Vorsicht geboten, da Wellnessmaßnahmen nicht alle immer bedenkenlos angewendet werden können.

Eine pferdegerechte Haltung mit ausreichend Bewegung sowie richtlinienkonformes Reiten sind die beste Gesundheitsprophylaxe.

„Jeder, unabhängig von seiner Ausbildung und Tätigkeit, sollte die Möglichkeiten und Grenzen seines Tuns kennen. Im Sinne der Gesundheit des Pferdes sollte immer eine ganzheitliche Sichtweise und Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Experten möglich sein“, resümiert Frauke Wartenberg. Schlussendlich darf nie vergessen werden, dass eine pferdegerechte Haltung sowie das richtlinienkonforme Ausbilden und Trainieren des Pferdes die besten Maßnahmen zur Gesundheitsprophylaxe darstellen und durch nichts zu ersetzen sind.

Lorella Joschko

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