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Persönlichkeiten der Pferdeszene: Wolfgang Brinkmann

Herr Pikeur

Er ist Geschäftsführer von Pikeur und Eskadron, DRFV-Präsident, Olympiasieger, Unterstützer und Pferdemann durch und durch. Sein Leben: bewegt, laut, erfolgreich. Eine Begegnung mit Wolfgang Brinkmann.

Alle Fotos: Jacques Toffi

Aus dem Reiterstübchen dringt ein unüberhörbares Lachen. Wolfgang Brinkmann sitzt an einem großen Holztisch und spricht über seinen Werdegang. Der Unternehmer – hochgewachsen, weißes Haar, konservativ, durchsetzungsstark, mit Siegelring an der Hand und einer Meinung – ist kein Unbekannter. Er ist Geschäftsführer der bugatti Holding Brinkmann, zu der auch die Reitsportmarken Pikeur und Eskadron gehören, seit 30 Jahren hat er den Vorsitz des Deutschen Reiter- und Fahrer-Verbandes inne, er betreibt mit seinen Söhnen einen Turnierstall im ostwestfälischen Herford und er war der letzte Amateur im Springsport, der zu einer olympischen Mannschaft gehörte.

Häuser springen

Stichwort Olympische Spiele. Ein Thema, bei dem man merkt, dass es den 71-Jährigen packt. „Gerade wenn wieder Olympische Spiele stattfinden, kommen die Emotionen wieder hoch“, so Wolfgang Brinkmann, der in seinen Erzählungen einen Zeitsprung macht in das Jahr 1988. Das Jahr der Olympischen Spiele in Seoul, der Hauptstadt Südkoreas. Brinkmann hatte es in die deutsche Spring-Equipe geschafft, als Amateur neben Ludger Beerbaum, Dirk Hafemeister und Franke Sloothaak sowie Karsten Huck als Einzelreiter. Herbert Meyer war damals Bundestrainer, Hans Günter Winkler Teamchef. „Es war schwer, in die Olympiamannschaft zu kommen“, erzählt Brinkmann. „Die anderen wollten nicht unbedingt einen Wolfgang Brinkmann. Nur: Pedro war nicht zu übersehen.“ Pedro war ein Westfale v. Pilot, der Häuser springen konnte.

Mit dem Westfalen Pedro von Pilot schaffte es Wolfgang Brinkmann bis zu Olympischen Spielen und nicht nur das: Es gab Gold mit dem Team!

„Unser Stallbereiter erzählte damals, er hätte einen ganz tollen Vierjährigen gesehen. Nur, ich kam gerade aus dem Studium und hatte kein Geld. Aber vier Vierjährige. Deshalb winkte ich ab.“ Aber der Bereiter ließ nicht locker und fuhr schließlich mit Brinkmanns Freund Wilfried Weitkamp los. Der kaufte Pedro. Und brachte ihn sonntags zum Freispringen auf die Anlage Meyer zu Hartum. „Er sprang zwei Meter vorher ab und einen halben Meter höher als er hätte müssen“, kann sich Brinkmann selbst fast 40 Jahre später noch begeistern. „Sowas hatte ich vorher noch nie gesehen.“

Vertrauensaufbau

Brinkmann und Weitkamp teilten sich den braunen Wallach. Allerdings: „Pedro war sehr, sehr schwierig. Er war stark und ängstlich, ein Pilot, ihn musstest du auf deiner Seite haben, sonst ging nix. Fünfjährig machte Pedro auf 26 Meter fünf Galoppsprünge. Und ich sagte ihm: Pedro, wenn das was werden soll, müssen wir es schaffen, das auf sechs zu reiten.“ Wolfgang Brinkmann übte monatelang, zwei Stunden am Tag, manchmal zweimal am Tag – bis es funktionierte. „Bei Pedro musste man Ordnung reinbringen. Und er musste Vertrauen haben, dann gab er 110 Prozent zurück. Was er nicht wollte, wollte er nicht. Er hatte beispielsweise panische Angst vor den Schranken, die früher auf den Turnieren am Einritt eines Parcours waren. Da machte er jedes Mal auf dem Absatz kehrt. Ich habe mir die Tasche voll Zucker gepackt und geübt, geübt, geübt… Sechsjährig hat er dann seine ersten beiden S-Springen gleich gewonnen. Und 1986 sagte Hans Günter Winkler zu mir: ,Wenn du das Pferd behältst, kommst du in die Olympiamannschaft.‘ Da war Pedro siebenjährig. Ich hab im Leben nicht daran geglaubt!“ Doch Winkler sollte Recht behalten. Zwei Jahre später war es soweit.

Gold und eine Entscheidung

Geritten wurde in Seoul eine erste Qualifikation, ein Nationenpreis mit zwei Umläufen für die Mannschaftswertung und eine zweite Qualifikation für die Einzelwertung. Nach dem Nationenpreis feierte das deutsche Lager: Wolfgang Brinkmann mit Pedro, Ludger Beerbaum auf The Freak, Dirk Hafemeister mit Orchidee und Franke Sloothaak auf Walzerkönig hatten Gold gewonnen! Nach der zweiten Qualifikation stand dann aber eine schwierige Entscheidung an: Qualifiziert für die Einzelentscheidung hatten sich neben Sloothaak und Hafemeister auch Wolfgang Brinkmann und Karsten Huck mit Nepomuk. Das Problem: Pro Nation waren nur drei Reiter erlaubt. Wer verzichtet? Herbert Meyer versammelte seine Truppe im Hinterkämmerchen. Klar war, dass die finale Entscheidung beim Bundestrainer lag. „Ich erinnere mich noch an die Stimmung“, erzählt Wolfgang Brinkmann. „Keiner sagte etwas. Herbert Meyer meinte dann: Ich fände es gut, wenn Karsten reitet. Ich sagte nur: Ich auch! Auf meinen Startplatz zu verzichten, ist mir wirklich leicht gefallen. Obwohl meine Frau nicht begeistert war, ich war in der Form meines Lebens. Aber ich wusste, Karsten Huck ist auch in super Form. Ich hatte meine Goldmedaille, damit hatte ja auch keiner gerechnet, wir sind nicht als Favoriten nach Seoul gereist… da machst du doch keinen Ärger.“

Der damalige Bundestrainer der Springreiter, Herbert Meier (rechts), holte den jungen Wolfgang Brinkmann (links) ins deutsche Nationenpreisteam.

Ausgezeichneter Sportsgeist

Der Rest ist Olympia-Geschichte. Karsten Huck kassierte im Finale einen Abwurf und gewann die Bronzemedaille. Ohne Abwurf wäre es Gold geworden. Wolfgang Brinkmann wurde für sein sportliches Verhalten mit der Fair-Play- Trophy der UNESCO und des Verbandes Deutscher Sportjournalisten geehrt, die zum ersten Mal im Reitsport vergeben wurde. Für den 71-Jährigen hat dieser Preis einen ganz besonderen Stellenwert. „Das kannst du dir nicht kaufen. Ich habe in meinem Leben fünf Auszeichnungen bekommen, der Fair Play-Preis und die Goldmedaille sind dabei auf einer Höhe, das sind die wichtigsten.“ Brinkmann wurde auch als „Unternehmer des Jahres” mit dem Deutschen Reiterkreuz in Gold und mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Ein Mann mit Stil und Geschichte. Wolfgang Brinkmann machte als Amateur im Sport und als Modeunternehmer Karriere.

2016 erhält Wolfgang Brinkmann aus den Händen des damaligen FN-Präsidenten Breido Graf zu Rantzau das Reiterkreuz in Gold – eine der höchsten Auszeichnungen, die es im Pferdesport gibt.

Start als Dressurreiter

Wolfgang Brinkmann hat seine größten Erfolge im Parcours gesammelt, dabei war er ursprünglich nur im Dressursattel unterwegs gewesen. Seine Mutter wollte es so. Sie war es, die ihn und seinen auf den Tag zwei Jahre jüngeren Bruder Klaus zum Reiten gebracht hatte. 1966 ritt Wolfgang Brinkmann bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften Dressur. Nach zehn L-Siegen hätte er dann aber in Klasse M reiten müssen. Allein, der fliegende Wechsel klappte nicht – deshalb kündigte er seiner Mutter an, ab sofort nur noch Springen reiten zu wollen. „Mit Ulrich Meyer zu Bexten, wir waren ein gutes Team und es gab so viele Mannschaftswettbewerbe. Früher war so viel Teamgeist!“ Brinkmann ritt beim Reiterverein v. Lützow Herford und mischte jahrelang bei Vereins- und Kreismeisterschaften mit. „Ich komme von der Basis.“ Als seine reiterlichen Vorbilder beschreibt er Alwin Schockemöhle („er hatte die tollsten Pferde“), Gert Wiltfang („war genial“), Hermann Schridde („war Stilist“) und Hartwig Steenken („war der Verrückteste“).

Der Feierabendreiter

Wolfgang Brinkmanns Vater Friedrich Wilhelm war sportbegeistert, aber kein Pferdemann. Während die Söhne ritten, baute er mit bugatti aus einem Ein-Mann-Betrieb eines der größten deutschen Bekleidungsunternehmen auf. 1970 ging Wolfgang Brinkmann nach Mönchengladbach, um Betriebswirtschaft und Textilwesen zu studieren, er ritt weiter und kehrte schließlich 1976 zurück – mit Erfolgen in Mächtigkeitsspringen im Gepäck und seiner Ehefrau Petra. Zwei Söhne, Thorsten und Markus, sollten folgen. Im selben Jahr stieg er in das Geschäft seines Vaters ein. „Mein Vater stellte mich in der Firma vor mit den Worten: Er kann acht Stunden arbeiten, er kann aber auch mehr“, erzählt Wolfgang Brinkmann. „Das war eine Ansage. Da musste ich liefern. In Seoul habe ich auch Geschäftsverhandlungen geführt.“ Bugatti war 30 Jahre lang die Marke für Herrenmäntel, mittlerweile gehören Jacken, Hemden, Schuhe und Hosen zum Sortiment.

1985 übernahm Wolfgang Brinkmann die Geschicke des Unternehmens gemeinsam mit seinem Bruder. „Ich war ein Feierabendreiter“, so Brinkmann, „Ich war bis 17 Uhr in der Firma und bin dann bis halb neun drei Pferde geritten. Nationenpreise bin ich immer nur im Juli, August geritten, wenn Urlaubszeit in der Firma war.“

Pikeur – die Marke für Reiter

1990 gelang der Familie Brinkmann ein geschickter geschäftlicher Schachzug. Die Meyer/Werther-Gruppe, zu der die Marke Pikeur gehörte, ging Konkurs. „Wir wurden ja schon in Seoul von Pikeur eingekleidet“, erzählt Wolfgang Brinkmann und betont: „Ich wollte Pikeur haben!“ Sein Vater war skeptisch, ließ ihn aber gewähren. Mittlerweile ist Pikeur für die Reiter (und Eskadron für Pferde) nach bugatti die zweitstärkste Marke des Unternehmens. „Wir kennen unsere Kunden, wir sind auf den Turnieren, wir wissen, was man im Stall braucht“, erklärt er das Erfolgsrezept. „Wir haben direkt 1990 Ludger Beerbaum unter Vertrag genommen und 30 Jahre lang mit ihm zusammengearbeitet, Isabell Werth war bei uns und wir waren die ersten, die die Werndl-Geschwister entdeckt haben.“ Der Modeunternehmer lebt das Geschäft. Pikeur? Er steht auf und zieht sofort die Fleecejacke an, die über der Stuhllehne hängt, dreht sich etwas nach links und nach rechts. „Hier, mit dieser Jacke hat man Bewegungsfreiheit und trotzdem hält sie warm. Ich trage sie jeden Tag.“ Die Initialen „W.B.“ auf der Brust machen klar, wem die Jacke gehört und vermeiden Irritationen, denn der gesamte Stall Brinkmann ist mit Pikeur eingekleidet.

Unternehmerfamilie

1994 starb Friedrich Wilhelm Brinkmann. „Da habe ich zu Herbert Meyer gesagt, dass er mich jetzt aus dem Kader streichen kann. Das Geschäft, die Pferde, die Familie – das hätte ich nicht mehr alles unter einen Hut bekommen.“ Mittlerweile leiten die Brüder Wolfgang und Klaus Brinkmann das Geschäft mit über 600 Mitarbeitern gemeinsam mit ihren Söhnen Markus und Julius, Jahresumsatz der bugatti Holding im Jahr 2019: 212 Millionen Euro.

Hier geht’s lang! Parcoursbauer Olaf Petersen zeigt Wolfgang Brinkmann – im roten bugatti-Dress – den Weg.

Die lieben Pferde

Parallel zur Geschäftswelt führt Wolfang Brinkmann seit 1997 mit seinen Söhnen einen Spring- und Ausbildungsstall in direkter Nachbarschaft zur Familie Meyer zu Bexten. Teilweise sind alte Gebäude renoviert, teilweise neue gebaut worden. Schönes Fachwerk sieht man an vielen Stellen der Anlage. Die Stallgebäude mit hohen Decken und großen Boxen sind großzügig angelegt, umrahmt von Wiesenflächen, Paddocks und Koppeln. Es gibt den Stall „Pedro“ und den Stall „Fleetwood“ – benannt nach dem Westfalen v. Frühlingsball, der für Wolfgang Brinkmann auch eine wichtige Rolle gespielt hat, 1990 bestes deutsches Pferd war und den Großen Preis der Bundesrepublik gewann. Angrenzend an die Stallungen liegen eine lichtdurchflutete Reithalle und das geräumige Reiterstübchen, das mehr einem riesigen Wohnzimmer gleicht. Über allem, etwas höher gelegen, thront das Wohnhaus von Wolfgang Brinkmann und seiner Frau. Auch die Söhne wohnen auf der Anlage. Rund 100 Pferde stehen im Besitz der Familie – die Hälfte davon, die Youngster und Sportpferde, lebt in Herford, die andere Hälfte, Zuchtstuten und der Nachwuchs, sind in Zuchtund Aufzuchtställen in Westfalen und Schleswig-Holstein untergebracht.

Wolfgang Brinkmann ist im (Spitzen-)Pferdesport zuhause und bis heute ein gern gesehener Gast auf den großen Turnieren dieser Welt, so auch beim CHIO Aachen.

Wolfgang Brinkmann vor seiner Anlage in Herford. Gemeinsam mit seinen Söhnen führt er hier einen Spring- und Ausbildungsstall und auch sein Wohnhaus ist hier gelegen.

Pferde des Lebens

Wenn man Wolfgang Brinkmann nach den besonderen Pferden in seinem Leben fragt, spricht er neben Pedro und Fleetwood auch Pikeur Dylan an. Den Holsteiner v. Diamant de Semilly hat er sechsjährig auf dem Bundeschampionat entdeckt und für Sohn Markus gekauft. „Ich wollte meinem Sohn kein fertiges Pferd kaufen, er sollte mit ihm wachsen. Ich habe alle Pferde selbst von jung an ausgebildet. Das machen die Reiter heute zu wenig. Das finde ich traurig. Geld spielt heute eine viel größere Rolle. Pedro war damals nicht zu verkaufen, Schluss, aus, Ende.“ Markus Brinkmann hat es mit Dylan bis ins Weltcupfinale 2017 in Omaha (USA) geschafft.

Kürzer treten

Seine Faszination für Pferde umschreibt Wolfgang Brinkmann so: „Wir haben es mit Lebewesen zu tun, jedes Tier ist etwas Besonderes. Jeder Tag ist anders. Dass alle Pferde unterschiedlich sind, das hat mich immer fasziniert. Deshalb habe ich Spaß an der Ausbildung und züchte auch.“ Seit einem Jahr zieht er sich aus dem Firmengeschehen zurück, gearbeitet wird nur noch der halbe Tag, einmal die Woche geht es auf den Fußballplatz, und ab Mittag ist er im Stall, reitet ein, zwei Pferde, am liebsten die jungen, die fünf- bis siebenjährigen. „Denen kann ich noch was beibringen. Ich mache noch kleine Sprünge, aber springe keine Parcours mehr.“

Laura Becker

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