Im Sinne der Pferde gedachte Haltung

Stallträume

Seit 30 Jahren werden im Wettbewerb „Unser Stall soll besser werden“ Pferdebetriebe ausgezeichnet, die ihre Haltung optimiert haben. Mit den Bedürfnissen der Pferde im Blick.

Die Pferde stehen im Wettbewerb „Unser Stall soll besser werden“ im Fokus. Ihre artgerechte Haltung hat bei der Wahl der ausgezeichneten Betriebe oberste Priorität. Und das seit 30 Jahren. Den Wettbewerb richten die Persönlichen Mitglieder der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) gemeinsam mit dem Fachmagazin Reiter Revue International aus. Eine Jury aus renommierten Experten der Pferdebranche kürte im Wettbewerb „Unser Stall soll besser werden“ auch in diesem Jahr innovative und gut gemanagte Pferdebetriebe. Die wichtigste Erkenntnis dabei: „Die Pferdehaltung verbessert sich immer weiter. Die Bedürfnisse eines Pferdes an eine artgerechte Haltung sind in den vergangenen Jahren viel mehr in den Fokus gerückt“, erklärt Jurymitglied Dr. Christiane Müller. Besonders schön zu sehen ist es, wenn Pferdebetriebe stetig an der Optimierung ihrer Haltung arbeiten. So wie der Siegerbetrieb, der 2017 schon einmal ausgezeichnet worden ist.

1. Platz Reitstall Pavel

Moderne Stallungen für Schulpferde

„Unsere Schulponys sind wie unsere Mitarbeiter. Sie gehören zur Familie“, sagt Pferdewirtschaftsmeister Philipp Pavel. Diese Äußerung gibt viel über die Philosophie des Betriebs in Nordhessen preis: Pferd und Mensch sollen sich hier wohlfühlen und werden wertgeschätzt. Dabei gibt es – wie in jeder Familie – aber auch ein paar Regeln, an die sich alle halten müssen. Eine davon lautet: Jedes Pferd bekommt täglich freie Bewegung. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die aber immer noch nicht alle Pferdebesitzer befürworten. Wer diese Regel nicht beachtet, ist im Reitstall Pavel nicht richtig, denn Licht, Luft, Sozialkontakte und Bewegung sind der Familie wichtig. Philipp Pavel hat den Betrieb von seinen Eltern, Esther und Peter Pavel, übernommen. Beide sind ebenfalls Pferdewirtschaftsmeister, haben die Reitanlage stetig weiter ausgebaut sowie modernisiert und 2017 schon einmalerfolgreich am Wettbewerb „Unser Stall soll besser werden“ teilgenommen. Damals wurde es für einen neu gebauten Bewegungsstall Platz zwei.

Nun überzeugte der Betrieb mit dem deutlichen Fokus auf die optimierte Haltung von Schulponys und -pferden. Zwei separate Bewegungsställe für diese Pferde gibt es auf dem Hof. Im zuletzt neugebauten Stallgebäude gibt es einen großzügigen Bereich zum Vorbereiten mehrerer Ponys. Rund 220 Reitschüler gehen auf dem Hof ein und aus. Die Teilnahme an Jugendprüfungen wie dem Vierkampf macht Esther Pavel ihnen gerne möglich. Außerdem ist der Familie wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen von Anfang an ein Bewusstsein für die artgerechte Pferdehaltung entwickeln. Hier bekommen sie es vorgelebt.

Reitstall Pavel im Film

2. Platz Reitanlage Pfriem

Neue Wege in der Pferdehaltung

Mathias Pfriem ist stolz auf das, was seine Familie in Großlangheim geschaffen hat: Eine moderne Reitsportanlage mit vielen Bewegungsmöglichkeiten für die Pferde. Dreimal im Jahr wird auf der Reitanlage Pfriem ein Turnier ausgerichtet. Es geht um Siege in Prüfungen bis zur schweren Klasse. Tagtäglich geht es Mathias Pfriem aber um die Optimierung der Stallungen. Entstand zunächst eine lange Stallgasse entlang der 60 Meter langen Reithalle, setzt der Pferdewirtschaftsmeister nun eher auf kleinere Stallgebäude. Seiner Erfahrung nach nehmen auch die Einstaller diese Angebote besonders gerne wahr. In jedem der insgesamt 13 Stallgebäude haben die Pferdebesitzer Möglichkeiten, ihr Hab und Gut rund ums Pferd zu verstauen. Auf dem Hof gibt es Pferde in Boxenund Paddockboxenhaltung, aber auch erste Tiere, die in selbst kreierten Aktivboxen stehen. Die Aktivboxen sind eine Art kleiner Bewegungsstall, in denen sich jeweils zwei Pferde Bewegungsfläche, Liegefläche und Futterautomaten teilen. Auch Besitzer von Sportpferden nutzen dieses Angebot auf dem Betrieb in Bayern sehr gerne. Mathias Pfriem hat in seinen Ställen teilweise bereits eine automatische Fütterung integriert. Das Heu wird teils von der Stallgasse aus verfüttert. Auch hier regelt eine automatische Steuerung den Zugang der Pferde zum Raufutter. Neben hinreichend vielen und großen Winterausläufen, stehen den Pferden im Sommer Weiden zur Verfügung. Mathias Pfriem bietet den Pferdehaltern an, die Pferde auf die Weide zu bringen. Zudem sprechen sich viele Pferdebesitzer mit ihren Stallnachbarn ab, um die Pferde rein- und rauszubringen.

Waschplätze finden sich überall auf dem großzügigen Hofgelände verteilt. Mittelpunkt der Anlage ist der große, mit Flutlichtmasten ausgestattete Springplatz. Daran grenzen das Dressurviereck, eine Reithalle sowie eine Führanlage, die erst kürzlich mit einem Dach ausgestattet worden ist. Am Tag der Betriebsbesichtigung ist es auf der Reitanlage ruhig, Pferde dösen in der Sonne und zermalmen friedlich ihr Heu. Mathias Pfriem denkt derweil über weitere mögliche Neuerungen und Neubauten nach. Sein Anspruch ist es, die Pferdehaltung immer besser zu machen und dabei das Pferd in den Fokus zu stellen. 1992 etablierte sein Vater Herbert Pfriem übrigens die Pferdehaltung auf der heutigen Reitanlage Pfriem. Seitdem hat sich viel getan.

Reitanlage Pfriem im Film

3. Platz Reiterhof Gut Nettehammer

Moderne Pferdehaltung im historischen Bestand

Historischer Altbestand trifft auf „neue” Leitlinien und Vorstellungen zur Pferdehaltung. Der Reiterhof Gut Nettehammer verbindet Tradition und Moderne. Der Anspruch, den die Familie an die Pferdehaltung hat, ist hoch. „Wir wollen es richtig machen“, sagt Betriebsleiterin Laura von Minckwitz klar. Friedrich Luithlens Familie gehört das Gut Nettehammer in sechster Generation. Gemeinsam mit seiner Frau Laura von Minckwitz hat er die Pferdehaltung von einem ehemaligen Pächter übernommen und ganz neu aufgestellt. Aus 48 Boxen haben die neuen Betriebsleiter 26 Boxen gemacht. Ihr Fokus dabei: Mehr Platz, mehr Licht und bessere Luft für die Pferde. Also ganz im Sinne des Wettbewerbs „Unser Stall soll besser werden“. Laura von Minckwitz erzählt vom Umbau: „Das Projekt wurde tatsächlich immer größer. Um die Pferdehaltung wirklich zu optimieren, haben wir manche ehemalige Stallgebäude gänzlich umfunktioniert. Dort befinden sich nun Sattelkammern oder eine Werkstatt. Die Deckenhöhe war für Pferde in diesen Bereichen tatsächlich schwierig“, unterstreicht sie. Um die Pferdehaltung zu modernisieren, wurde ein in Betonröhren verlaufender Bach umgelegt und renaturiert, um matschfreie Paddocks zu erhalten. Auf diesen sonnen sich die Pferde nun dösend. Sie wirken entspannt und können von ihren Paddocks aus auf den Trail-Parcours, auf Reithalle, Reitplatz, neu entstehende Winterpaddocks und die Schwemme in der Nette schauen, die sie im Sommer mit ihren Reitern zur Abkühlung nutzen können. Als die Umbaumaßnahmen 2021 abgeschlossen waren, die Zäune standen und die Ställe frisch gestrichen waren, traf den Betrieb die Flutkatastophe. Wassermassen überschwemmten den Hof, drangen in die historischen Gebäude ein. Mitten in der Nacht wurden die Pferde bei immer stärker werdender Strömung aus ihren Boxen geholt. Wie stark der Betrieb von der Flut betroffen war, zeigt die nach wie vor beschädigte Brücke, die als Zufahrt zum Gut Nettehammer dient. Übrigens kann dort auf dem Gut geheiratet werden. „Das machen viele Reiter, die ihr Pferd beispielsweise auch in das Foto-Shooting miteinbeziehen“, lächelt von Minckwitz.

Gut Nettehammer

Sonderehrenpreis Gestüt Gut Müllerhof zur Motte

Innovationen für mehr Pferdewohl

Das Gestüt Gut Müllerhof zur Motte ist ein außergewöhnlicher Pferdebetrieb. Um die Pferde möglichst artgerecht zu halten, geht Betriebsleiter Rainer Kohl neue Wege. Er setzt technische Innovationen in seinem Stall in Leichlingen um. Den aktuellen Paddockboxenstall sieht er als Pilotstall, in dem er Inno vationen für mehr Pferdewohl testen kann. Jenes liegt ihm sehr am Herzen. Im Bestand des Gut Müllerhofs zur Motte sollen in Zukunft weitere Pferdeboxen entstehen. Aktuell leben auf dem Betrieb im Rheinland 13 Pferde. Ihre Boxen sind mit speziellen Luftfiltern ausgestattet, die die Keimbelastung reduzieren. Bei der Betriebsbesichtigung fällt auf, dass es kaum Fliegen oder andere Insekten im Stall gibt. Das ist auch den verwendeten Zirbenhölzern zu verdanken, die mit ihren ätherischen Ölen ganz natürlich vorbeugend gegen Insekten und Pilze wirken – sehr clever! Insgesamt ist es bemerkenswert sauber.

Gestüt Gut Müllerhof zur Motte