Vorheriger Artikel

Lernen vom Reitmeister: Udo Lange

Nächster Artikel

Ausgabe 10/2023
PM-Kurzreise: Internationales Festhallenturnier Frankfurt

Ausrüstung: Sattelgurte

Gut begurtet?

Kurzgurt, Langgurt, Schnürengurt, gepolstert, aus Leder, anatomische Passform – Gurt ist nicht gleich Gurt und passt auch nicht automatisch zu jedem Pferd und jedem Sattel. Die richtige Wahl wird von verschiedenen Faktoren bestimmt und sollte zum Wohl des Pferdes gut durchdacht sein.

Auch der Sattelgurt sollte wie die übrige Ausrüstung mit Bedacht gewählt wer- den. Schließlich hält er nicht nur den Sattel, sondern hat auch Auswirkungen auf Biomechanik, Leistung und Gesundheit des Pferdes. Foto: Jacques Toffi

Schon die Suche nach dem passenden Sattel gestaltet sich je nach Pferd, Rasse und Sattellage durchaus schwierig. Aber auch die Gurtfrage darf nicht außen vorgelassen werden. Beide Ausrüstungsgegenstände determinieren sich nämlich gegenseitig. Dazu kommen biomechanische und anatomische Grundlagen, die bei der Wahl des Sattelgurtes eine entscheidende Rolle spielen. Die Frage nach dem richtigen Gurt wirft also weit mehr Fragen auf als nur die nach der richtigen Länge.

Anatomische Grundlagen

Der Sattelgurt stabilisiert den Sattel und sorgt für den richtigen Halt, um- schließt damit aber auch eine Vielzahl physischer Strukturen und erzeugt Druck. „In dem Bereich des Sattelgurts liegen sehr viele sensible Strukturen. Zum einen natürlich Bauchmuskulatur und Brustmuskulatur, der Hautmuskel und die Faszien, Rippen und Brustbein. Zum anderen, je nach Kürze des Sattelblatts, wird auch der Rumpfträger belastet, der entscheidend für das Vorfußen der Vorhand ist. Ein Sattelgurt hält nicht nur den Sattel, er hat Auswirkungen auf die Biomechanik, auf Leistung und Gesundheit“, erklärt Pferdephysiotherapeutin und FNverlags-Autorin Helle Katrine Kleven. Wissenschaftliche Studien aus England haben gezeigt, dass der höchste Druck nicht wie angenommen auf dem Brustbein lastet, sondern direkt hinter dem Ellenbogen. Daraufhin wurden die Ergebnisse bei der Herstellung eines neuen Gurtes mit einbezogen und der Druck nahm im Bereich von Ellenbogen und Brustbein 76 bis 98 Prozent ab. „Durch den Sattelgurt werden Kräfte ausgeübt, von denen die meisten Reiter keine Vorstellung haben – und das ist fatal. Wenn der Gurt nicht passt, nicht optimal liegt und sich Druckspitzen zeigen, dann hat das entscheidenden Einfluss auf die Biomechanik: Die Bewegung der Vordergliedmaßen wird gehemmt, das Untertreten der Hinterhand kann verkürzt werden, ebenfalls zeigen sich Auswirkungen auf die Beugung von Karpal- und Sprunggelenk. Für mich belegen diese Zahlen eindeutig, dass der Sattelgurt einen enormen Einfluss auf die Bewegungsfreiheit und Biomechanik hat“, konstatiert Helle Kleven.

Der „richtige“ Gurt

Das Wichtigste vorab: Es gibt nicht DEN EINEN Sattelgurt. Vielmehr ist bei der Auswahl eines Gurtes auf verschiedene Kriterien zu achten. Nicht jeder Gurt passt zu jedem Pferd und auch nicht zu jedem Sattel. Faktoren wie individuelle Gurtlage, Länge, Form und Sitz der Gurtstrippen und die Ellbogenfreiheit nehmen entscheidenden Einfluss auf die Wahl des Gurtes.

Die Gurtlänge

Das erste Auswahlkriterium sollte die Länge des Gurtes betreffen. Diese hängt vom Bauchumfang des Pferdes ab, aber auch von der Länge der Gurtstrippen. „Der Sattelgurt als Langgurt sollte so lang sein, dass er mit leichtem Zug ungefähr in der Mitte der Gurtstrippen auf beiden Seiten gleichmäßig verschnallt werden kann. Beim Kurzgurt ist besonderer Wert auf die Lage des Gurtes am Pferdekörper zu achten, weil die Schnallen auf dem relativ schmalen Schnallenschutz direkt auf dem Pferdekörper und nicht auf dem Schweißblatt aufliegen“, erklärt Frank Reitemeier, Experte für Sättel und Sattelanpassung. Das bloße Messen mit einem Maßband kann aber falsche Ergebnisse liefern, weil keine Belastung auf den Sattel einwirkt. Das Gewicht des Reiters drückt den Sattel herunter und nimmt Einfluss auf die benötigte Länge, ebenfalls sollte eine übliche Sattelunterlage zum Ausmessen auf dem Pferderücken aufliegen. „Die Gurtlänge kann man nun gut ausmessen, indem man mit einem normalen Maßband, der Gurtlage des Pferdes folgend, von einem Schnallenliegepunkt zum anderen misst. Gurtlängen werden durch die Hersteller in Zentimetern und hier meistens in Fünf-Zentimeter-Schritten angegeben. Gemessen wird von Schnallenoberkante zu Schnallenoberkante, auch bei Kurzgurten“, erklärt der Experte.

Elastikgurte verleiten dazu, zu fest zu gurten. Oftmals ist der Elastikeinsatz auch nur einseitig am Gurt eingenäht. Dadurch wird immer eine Seite des Pferdes stärkerem Druck ausgesetzt als die andere. Foto: Christiane Slawik

Gurtschnallen und Gurt liegen hier viel zu dicht am Ellenbogenhöcker, erzeugen unangenehmen Druck und schränken die Bewegung ein. Foto: Christiane Slawik

Ein guter Sattelgurt sollte den Sattel in Verbindung mit den Gurtstrippen auf dem Pferd stabilisieren und ein seitliches Verrutschen auf dem Pferderücken vermeiden. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Ein qualitativ hochwertiger Schnurgurt liegt sogar auf dem dicksten Isländerfell optimal und schmiegt sich der natürlichen Gurtlage an. Foto: Nina Wühle

Schnurgurt – ein ewig gestriger?

Früher waren Schnürengurte Standard, schon zu Militärzeiten wurden leicht abgewandelte Versionen dieser Art von Sattelgurt verwendet. Sie waren teils aus Leinen oder Hanf gefertigt. Doch Ende des 20. Jahrhunderts kamen immer mehr andere Formen von Sattelgurten auf den Markt und in Mode – der Schnurgurt geriet ins Hintertreffen und ist heute nicht mehr ganz so häufig zu sehen. Doch ist er damit schlecht geworden? Nina Wühle, gelernte Raumausstatterin und Pferdephysiotherapeutin aus Baden Baden schwört auf Schnürgurte und fertig sie von Hand an. „Der Schnurgurt besticht durch eine optimale Druckverteilung“, weiß sie und führt aus:

„Die Schnüre können durch eine bewegliche Querwebung in der Mitte hindurchgleiten und so legt sich jede Schnur, in jeder Bewegung genau an den Pferdekörper an, egal welche Asymmetrien die Gurtlage vorweist, egal wie sich der Köper bewegt, der Gurt folgt.“ Wie bei jedem anderen Sattelgurt auch sind es also individuelle Gegebenheiten, die bei der Auswahl entscheiden. Eine qualitätvolle Verarbeitung des Gurts, die passende Länge und Breite sowie korrekte Verschnallung sollten selbstverständlich sein. Modern oder nicht, sollte hierbei die geringste Rolle spielen: Warum daher nicht auch einen Schnurgurt in Betracht ziehen?

Ellbogenfreiheit

Auch die anatomischen Gegebenheiten nehmen Einfluss auf die Wahl des richtigen Gurtes: Der Sattelgurt muss so gewählt werden, dass dem Ellenbogen genug Freiheit bleibt und Fell und Haut in diesem Bereich in der Bewegung nicht am Pferd scheuern. „Idealerweise sollten verschiedene Sattelgurte ausprobiert werden, um den richtigen zu finden – auch unter dem Reiter und in der Bewegung“, empfiehlt Frank Reitemeier.

Einfluss der Gurtstrippen

Der Sattel bedingt die Wahl des Sattelgurts insoweit, dass die Gurtstrippen vorgeben, ob ein Lang- oder Kurzgurt benötigt wird. Üblicherweise haben Dressursättel lange Gurtstrippen und benötigen deshalb einen Kurzgurt, wohingegen Spring- und Vielseitigkeitssättel einen Langgurt benötigen. Mittlerweile haben sich aber viele Sattelhersteller auf die Wünsche der Kunden angepasst, sodass bei einem angefertigten Sattel auch oftmals die Länge der Gurtstrippen mitbestimmt werden kann. Die Gurtlage und der Gurtverlauf haben dementsprechend einen Einfluss auf die Gurtform und -breite, wie auch auf die Lage des Sattels und die damit verbundene Position der Gurtstrippen. „In der Regel ist es so, dass bei einer weiter vorne liegenden vorderen Gurtstrippe der Gurt auch näher an das Ellenbogengelenk heranrückt. In diesem Fall kann die Verwendung anatomisch geschnittener Gurte sinnvoll sein, weil diese durch den Rückschnitt im Ellbogenbereich Reibungsstellen vermeiden“, beschreibt Sattelexperte Frank Reitemeier.

Einfluss der Gurtstrippen

Der Sattel bedingt die Wahl des Sattelgurts insoweit, dass die Gurtstrippen vorgeben, ob ein Lang- oder Kurzgurt benötigt wird. Üblicherweise haben Dressursättel lange Gurtstrippen und benötigen deshalb einen Kurzgurt, wohingegen Spring- und Vielseitigkeitssättel einen Langgurt benötigen. Mittlerweile haben sich aber viele Sattelhersteller auf die Wünsche der Kunden angepasst, sodass bei einem angefertigten Sattel auch oftmals die Länge der Gurtstrippen mitbestimmt werden kann. Die Gurtlage und der Gurtverlauf haben dementsprechend einen Einfluss auf die Gurtform und -breite, wie auch auf die Lage des Sattels und die damit verbundene Position der Gurtstrippen. „In der Regel ist es so, dass bei einer weiter vorne liegenden vorderen Gurtstrippe der Gurt auch näher an das Ellenbogengelenk heranrückt. In diesem Fall kann die Verwendung anatomisch geschnittener Gurte sinnvoll sein, weil diese durch den Rückschnitt im Ellbogenbereich Reibungsstellen vermeiden“, beschreibt Sattelexperte Frank Reitemeier.

Stabilisierende Wirkung

Ein guter Sattelgurt sollte den Sattel in Verbindung mit den Gurtstrippen auf dem Pferd stabilisieren und ein seitliches Hin- und Herrutschen auf dem Pferderücken vermeiden. Auch verschiedene Gurtsysteme können ein Verrutschen oder Wippen des Sattels reduzieren. So ist die hintere Gurtstrippe bei der Y-Gurtung besonders am Sattelbaum befestigt. Die Befestigung teilt sich dabei in zwei verschiedene Riemen, von denen der eine zur Mitte des Sattelbaums geführt wird und der andere zum hinteren Teil des Sattelbaums. Dieses Gurtsystem stabilisiert zusätzlich und sorgt für einen guten Sitz des Sattels. „Zu diesem Zweck werden auch gerne sogenannte Mondgurte verwendet. Wenn man diese verwendet, muss man aber unbedingt darauf achten, dass ein möglichst gleichmäßiger Zug auf Vorder- und Hinterkante des Gurtes gewährleistet ist. Ich habe bei vielen Mondgurten festgestellt, dass ein erheblicher Zug auf der hinteren Kante am Brustbein des Pferdes liegt, während ich unter die vordere Kante mühelos einen Finger schieben konnte“, appelliert Reitemeier. Welche Wahl auch getroffen wird, das Pferd darf in seiner Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt werden und die Gurt- schnallen sollten immer unterlegt sein, wenn sie auf der Haut und nicht auf dem Schweißblatt des Sattels aufliegen.

Druckverteilung

Der vom Sattelgurt ausgeübte Druck hängt natürlich immer mit der Art und Intensität des Gurtens zusammen. Aber auch die Form entscheidet darüber, inwieweit der Druck verteilt wird. Viele Sattelgurte weisen mittlerweile ein verbreitertes Mittelteil auf, womit der Druck, der auf das Brustbein des Pferdes einwirkt, besser verteilt wird und den Gurt für das Pferd somit angenehmer macht. „Meine Erfahrung ist, dass solche Gurte vor allem bei gurtempfindlichen Pferden sehr hilfreich sein können. Am besten wird die Druckverteilung bewirkt, wenn der Zug auf der vorderen und hinteren Kante des Mittelteils am Brustbein gleich- mäßig ist. Kann man unter die Vorder- und/oder Hinterkante leicht einen Finger schieben, wirkt die Druckverteilung zumindest nicht über den gesamten verbreiterten Mittelteil“, erklärt Sattelexperte Reitemeier. Aber auch hier gilt: Augen auf. Tellergurte haben nicht nur einen stark verbreiterten Mittelteil, dieser ist meist noch deutlich dicker. Zwar wird der Druck durch die große Auflagefläche besser verteilt, die Dicke des Mittelteils aber übt zusätzlichen Druck aus! „Fatal können auch Fellüberzüge sein, zu denen oft gegriffen wird, wenn der Gurt drückt und scheuert. Diese engen das Pferd zusätzlich ein und verschlimmern das Problem eher noch“, erklärt Helle Kleven.

Wo Falten entstehen, entsteht automatisch Druck. Nicht immer ist ein Sattelgurtüberzug sinnvoll, oftmals verstärkt er Probleme sogar. Foto: Christiane Slawik

Ein guter Schnallenschutz ist unerlässlich – unabhängig vom Gurtsystem. Eine blanke Schnalle auf der Haut ist ein absolutes No Go!

Ein No-go bei Schnürgurten: eine Querwebung aus Leder, die einzelnen Schnüre können nicht frei gleiten und die scharfen Kanten können sich in die empfindliche Haut bohren. Foto: Nina Wühle

Die richtige Pflege

Der Sattelgurt sollte, wie der Sattel auch, einmal pro Woche gereinigt werden. Sichtbare Verschmutzungen sollten direkt nach dem Reiten entfernt werden und der Gurt zusätzlich feucht abgewischt. Stärkere Verschmutzungen werden bei Ledergurten mit Sattelseife entfernt, bei Kunststoffgurten mit einem milden Haushaltsreiniger. Wichtig ist, jede Form von Seife gut abzuwaschen. Ledergurte sollten anschließend mit Sattelfett leicht eingerieben werden. Vor allem bei Fellgurten ist auf eine gute Reinlichkeit zu achten. Wenn die Fasern verkleben und sich eine deutliche Verschmutzung zeigt, sollten diese sofort gereinigt werden, weil sonst unangenehme Druckpunkte entstehen können und sich auch die Gefahr von Hautreizungen erhöht.

Die richtige Gurtung

Druck entsteht vor allem dann, wenn zu fest gegurtet wird – und das ist in der Praxis oftmals der Fall. „Es muss vor allem vorsichtig gegurtet werden. Häufig sieht man, dass der Gurt förmlich angeruckt wird – das sollte nicht so sein. Zunächst schnallt man den Gurt auf der einen Seite des Sattels in eines der unteren Löcher ein, dann gehe ich auf die andere Seite und schnalle ihn dort so ein, dass der Sattelgurt gut am Pferdekörper liegt. Dann gehe ich wieder auf die andere Seite und gurte soweit, dass ich einen leichten Zug auf dem Gurt spüre. Im Anschluss gleiche ich die Schnallenposition aus, so dass der Gurt auf der linken wie auf der rechten Seite in der gleichen Lochhöhe an den Gurtstrippen eingeschnallt ist“, erklärt Frank Reitemeier. Helle Kleven ergänzt: „Vor allem die Parallelität beim Gurten ist wichtig. Ist ständig eine Seite stärker belastet, hat auch das negative Auswirkungen auf die Biomechanik, weil Muskeln, Faszien und andere Strukturen auf dieser Seite konstant höherem Druck aus- gesetzt sind.“ Aufgrund dessen sollte auch von einseitigen Elastikgurten Abstand genommen werden, da hierbei automatisch seitenunterschiedlicher Druck ausgeübt wird, außerdem neigt man durch elastische Einsätze dazu, zu stramm zu gurten.

Anatomische Sattelgurte sind im Ellbogenbereich etwas zurückgeschnitten und vermeiden so Reibungsstellen in dem Bereich. Foto: Stefan Lafrentz

Ein guter Sattelgurt stabilisiert den Sattel und sorgt für den richtigen Halt – in allen Lebenslagen. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Beim Nachgurten sollten stets beide Seiten des Gurtes gleichmäßig angezogen werden, um eine einseitige Belastung zu vermeiden. Gerade bei einem Elastikgurt ist besondere Vorsicht geboten. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Dem Pferd zuhören

Eine australische Untersuchung bei Rennpferden mit unterschiedlicher Gurtspannung (fünf bis 25 Kilo) hat gezeigt, dass eine zu straffe Gurtung Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hat. „Schon bei einer Spannung von fünf bis zehn Kilo kam es zu einer Leistungsminderung um die 17 Prozent. Die Kompression von Lunge und Herz schränkt deren Funktion ein. Ebenso der erhöhte Druck auf die Muskulatur. Ein unter Druck gesetzter Muskel kann sich nicht frei dehnen und kontrahieren“, erklärt die Pferdephysiotherapeutin. Interessant ist auch die Tatsache, dass der Druck mit höherem Tempo zusätzlich zunimmt. Auch magenemp- findliche Pferde leiden unter zu festem Gurtdruck. „Grundsätzlich gilt: Wenn das Pferd beim Gurten reagiert, dann sind das Warnzeichen. Dann muss man zur Ursachenforschung übergehen. Wir müssen unseren Pferden besser zuhören!“, appelliert Helle Kleven.

Lorella Joschko

Vorheriger Artikel

Ausgabe 10/2023
Lernen vom Reitmeister: Udo Lange

Nächster Artikel

Ausgabe 10/2023
PM-Kurzreise: Internationales Festhallenturnier Frankfurt