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„Spiegel“-Bericht über Alkohol-Exzesse junger Springreiter

Die Eltern mit ins Boot holen

Wenige Tage vor den Deutschen Jugendmeisterschaften in München und den Weltreiterspielen in Tryon/USA veröffentlichte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ einen Bericht über Alkoholexzesse und sexualisierte Gewalt, in die einige junge deutsche Springreiter verwickelt sein sollen. Reaktionen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung.

„Wir verurteilen sexualisierte Gewalt aufs Schärfste. Aus vollem Herzen können wir sagen, dass wir sexuellen Übergriffen und übermäßigem Alkoholkonsum den Kampf angesagt haben und klar durchgreifen. Nach unserem Kenntnisstand handelt es sich hier um Einzelfälle. Die überwiegende Mehrheit unserer Kaderathleten aller Altersstufen benimmt sich gut und beteiligt sich nicht an solch grenzüberschreitenden Aktionen“, sagte FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach in einer ersten Stellungnahme des Verbandes zu den im „Spiegel“ geschilderten Vorfällen. Das Blatt listet Situationen auf Turnieren auf, die von Sachbeschädigung nach übermäßigem Alkoholkonsum über Gewalt und Beleidigungen bis hin zu sexuellen Übergriffen reichen sollen. Dabei beruft sich das fünfköpfige Autorenteam auf verschiedene, nicht näher genannte Quellen, wählt vielfach die Sprachform des Konjunktivs und bleibt meist bei vagen Aussagen. Konkrete justiziable Fakten nennt der „Der Spiegel“ nicht. So sagt auch Soenke Lauterbach: „Wir wissen nicht, ob es diese Vorfälle alle gegeben hat. Wir kennen nicht alle Fälle. In den Fällen, in denen wir konkrete Hinweise erhalten, agieren wir und greifen durch.“

Dass einige junge Reiter, heute zwischen 18 und 20 Jahren, offenbar ein Alkoholproblem haben, ist der FN natürlich nicht verborgen geblieben, zumal sich bereits die Juristen mit den Vorfällen auseinandersetzen. Konkret sind es zwei Verfahren, von denen eines bereits abgeschlossen ist: In dem einen Fall ging es um Alkoholkonsum mit Randale bei einer Deutschen Jugendmeisterschaft, bei der ein Reiter Gläser geworfen und Zeugen bespuckt hat. „Das Verfahren ist vor der Disziplinarkommission der FN 2016 abgeschlossen worden. Der Reiter wurde mit einer Geldbuße belegt“, erläutert FN-Justiziarin Constanze Winter.

18 Monate Wettkampfsperre

Ein zweites Verfahren läuft noch. Hier steht ein Vorwurf aus dem Bereich sexualisierter Gewalt im Raum. Winter sagt: „Da das Verfahren noch andauert, können wir keine Details berichten. Was wir sagen können: Die Disziplinarkommission hat Ende Juli eine 18-monatige Wettkampfsperre ausgesprochen. Das heißt, der Reiter kann an keinem nationalen oder internationalen Turnier teilnehmen, sobald die Sperre in Kraft tritt. Es gibt bei uns als Verband eine Berufungsinstanz, wie bei einem Gerichtsverfahren. Deshalb dauert das Verfahren noch an.“ Abgesehen von der 18-monatigen Wettkampfsperre ist unmittelbar nach dem Vorfall bei den Deutschen Jugendmeisterschaften 2017 eine sofortige Kader-Suspendierung erfolgt. Der Fall wurde zudem an die Staatsanwaltschaft übergeben.

Es bedurfte nicht erst der Veröffentlichung im Magazin „Der Spiegel“, das Problem Alkohol zu thematisieren. So gab es in diesem Frühjahr in Hannover ein Pflichtseminar zum Thema Alkoholprävention für den Springkader der Altersklasse Junge Reiter. Die Aktiven erarbeiteten gemeinsam mit geschulten Sozialpädagogen Handlungsrichtlinien zum Umgang mit Alkohol. Diese wurden von allen Kadermitgliedern und Eltern verpflichtend unterzeichnet. Die Unterzeichnung ist Voraussetzung für die Kadermitgliedschaft. In diesem Kontext wurde ein Reiter aus dem Kader ausgeschlossen, der nicht an dem Seminar teilgenommen hatte. Erstmalig wurden bei Jugendturnieren dieses Jahres, beim Preis der Besten und bei den Future Champions in Hagen, mit einem Alkoholmessgerät Atemkontrollen bei den Kaderreitern durchgeführt. Auch bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in München mussten viele Teilnehmer ins Röhrchen pusten.

Eltern müssen aufpassen

Die Eltern spielen in diesem Zusammenhang die größte Rolle: Die Bundesjugendleitung und einige FN-Mitarbeiter haben mehrfach versucht, auf die Eltern der auffälligen Jugendlichen einzuwirken, aber nicht selten dumme Kommentare kassiert, nach dem Motto: „Mischen Sie sich nicht in unsere Erziehung ein.“ Maria Schierhölter-Otte, Leiterin der FN-Abteilung Jugend, sagt: „Wenn die Eltern selbst mittags an den Wein- und Bierständen stehen und den LKW mit Alkohol beladen, wird es für uns schwierig.“ Aber jene Familien sind die Ausnahme und lassen sich vermutlich an den Fingern abzählen. Die weit überwiegende Mehrheit der Eltern begrüßt die Maßnahmen der FN. Soenke Lauterbach: „Viele Eltern wollen ausdrücklich nicht, dass ihre Kinder auf Turnieren trinken.“

Auch das getrennte Übernachten von Eltern und Kindern soll zumindest bei Minderjährigen künftig unterbunden werden. Entweder übernachten sie mit ihren Eltern im Wohnabteil ihrer Pferdetransporter oder die Familie zieht gemeinsam ins Hotel. Das war das Problem bei der EM in Samorin 2017: Während die Eltern in ihren LKW schliefen, zerlegten zwei junge Männer das Hotelzimmer. Aber auch dieses Thema erfordert das Verständnis und die Kooperationsbereitschaft der Eltern.

Maßnahmen zur Prävention

Präventiv hat die FN bereits vor einigen Jahren Maßnahmen zum Schutz gegen sexualisierte Gewalt im Pferdesport ergriffen:

  • Seit September 2011 kooperiert die FN mit der Missbrauchs-Beratungsstelle Zartbitter e.V. in Köln. Die Organisation hat in Abstimmung mit der FN eine eigene Hotline für Betroffene oder Personen eingerichtet. Unter der Nummer 0171/2138631 steht donnerstags von 17 bis 18 Uhr eine Fachkraft von Zartbitter e.V. zur kostenlosen Beratung zur Verfügung. Per E-Mail ist die Beratungsstelle über pferdesport@zartbitter.de zu erreichen.
  • Das Thema „Schutz vor sexualisierter Gewalt“ wurde durch die FN verbindlich in das Ausbildungssystem und die Lehrkonzeption der Amateurtrainer integriert. Seit dem 1. März 2012 müssen angehende Trainer einen Ehrenkodex unterschreiben.
  • In der Ausbildungs- und Prüfungsordnung (APO) wird bereits seit vielen Jahren als Zulassungskriterium zur Trainerprüfung die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses verlangt, das nicht älter als sechs Monate sein darf. Darüber hinaus kann die FN die Führung der Bezeichnung „Trainer“ und somit auch die Trainerlizenz „aus wichtigem Grund“ aberkennen.
  • Als Lehrmaterial für Kindergärten und Schulen hat die FN den Lehrmittelkoffer „Fairness und Ethik rund ums Pferd“ entworfen, in dem Unterrichtsmaterialien zur Thematik „Prävention“ integriert sind. Ferner enthält das FN-Handbuch Lehren und Lernen im Pferdesport entsprechende Inhalte.
  • Es wurde Aufklärungs- und Infomaterial für Jugendliche in Kooperation mit Zartbitter erstellt. Für Vereine wurde das Poster „Packst du mich an, pack‘ ich aus“ erstellt, auf dem auch der Kontakt zu Zartbitter angegeben ist. Dieses Poster steht den Vereinen kostenlos zur Verfügung.
  • 2013 wurde für die Landesverbände ein Handlungsleitfaden erstellt, wie im Falle von sexualisierter Gewalt gehandelt werden sollte, mit Hinweisen für die Öffentlichkeitsarbeit und für Präventionsmaßnahmen.
  • Landestrainerseminare wurden im Oktober 2018 mit einem Vortrag zum Thema sexualisierte Gewalt im Sport angeboten, mit dem Ziel, Trainer auf Bundes- und Landesebene zu sensibilisieren.
  • Bei Kaderlehrgängen am Bundesleistungszentrum Reiten gibt es Module mit dem Thema Alkohol für U21 Landes- und Bundeskader-Athleten.

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