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Gesundheit kompakt: Arthrose
Suzanne Struben Séra
Die Starmacherin
„Ostwind”, „Bibi und Tina” oder „Immenhof” – jeder kennt die erfolgreichen Filme, in denen Pferde die Hauptrolle spielen. Aber wer kümmert sich eigentlich darum, dass Pferde auf der Leinwand eine gute Figur abgeben? Menschen wie Suzanne Struben Séra. Die Mitgründerin von Filmpferde.com kam durch ein Abenteuer zu ihrer Profession.
Suzanne Struben Séra hat sich als Pferdetrainerin, Trickreiterin und Stuntfrau im Filmgeschäft einen Namen gemacht. Fotos (4): Antje Jandke
Bereits mit 15 Jahren beschloss Suzanne „Suzi“ Struben Séra, zu Hause auszuziehen und zog in eine Wohngemeinschaft mit Philosophen. Neben der Schule jobbte sie als Fotomodel, im Gartenbau und beim Messebau. Sie wusch Autos und schaffte es so, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren und ihr Abitur erfolgreich abzuschließen. Von ihrer Oma erhielt sie Geld, damit sie ihren Führerschein machen konnte. Nur wurde das Geld nicht für den Führerschein verwendet: Still und heimlich kaufte Suzi sich davon den Islandhengst „Athos“. Da Geld knapp war, machte die Not erfinderisch – aus Strohbändern wurde ein Zaum für Athos angefertigt, und aus einem Kartoffelsack mit Gurtband wurde ein Sattel gebastelt. »Nicht schön, aber es erfüllte seinen Zweck«, erinnert sich Suzi.
Mit dem Pferd in die Camargue
Suzanne Struben Séra begab sich mit drei jungen Männern auf eine Reise – da war sie 23 Jahre alt. Zu Pferd wollte das Quartett von Deutschland in die Camargue reiten. Doch die drei Jungs gaben sehr schnell auf und brachen die Reise ab. Suzi jedoch behielt ihr Ziel im Blick und setzte den Ritt auf ihrem treuen Begleiter Athos fort. Alleine in einem fremden Land, Handys waren noch nicht erfunden, Navigationssysteme gab es ebenfalls nicht. So war die Landkarte ihr wichtigstes Reiseutensil. Um ihr Pony zu schonen, lief die heutige Pferdetrainerin viele Strecken neben Athos. Das Pferd verbrachte die Nächte oft unter freiem Himmel. Besonders im Gedächtnis blieb Suzanne Struben Séra eine Übernachtung auf einem alten Schloss, als ein schweres Atmen das ausgewählte Nachtquartier unheimlich machte. Am nächsten Tag stellte sich heraus, dass es kein kurzatmiges Schloßgespenst war, dass sie schlecht schlafen ließ, sondern ein lungenkrankes Pferd.
Wertvolle Begegnungen
Doch war das Abenteuer von Suzanne Struben Séra auch von vielen unvergesslichen Momenten und wertvollen Begegnungen geprägt. In Avignon traf sie Wolf Kröber, den Gründer und Initiator der Equitana, ohne zunächst zu wissen, wen sie da vor sich hat. Ebenso lernte sie den damals erst 12-jährigen Lorenzo kennen, der sich schon stehend auf zwei Pferden präsentierte. Jetzt ist er erwachsen und begeistert auf der ganzen Welt Zuschauer mit seinen spektakulären Shows.
Während Suzanne Struben Séra neue Menschen kennenlernte und ihren Unterhalt mit Tätigkeiten wie Kirschen ernten oder Stiere hüten bestritt, wurde sie sehr von ihrem Freundeskreis zu Hause in Deutschland vermisst. Ohne genau zu wissen, wo sich Suzi gerade aufhielt, machten sich ein Freund und eine Freundin mit einem zum Pferdetransporter umgebauten Tauben-LKW auf den Weg zu ihr – und fanden sie tatsächlich in Saintes-Maries-de-la-Mer, der Hauptstadt der Camargue.
Die Kiste an Erinnerungen ist bei Suzanne Struben Séra prall gefüllt und enthält zahlreiche Berichte über ihre Arbeit.
Abenteuerlich unterwegs
Das Abenteuer ging weiter: Während die Freundin mit dem „Taubenexpress“ nach Spanien fuhr, ritten Suzanne Struben Séra und ihr Freund Richtung Pyrenäen. Sie wollten nach Portugal, um dort den Winter zu verbringen. Da sie für die Pferde keine Papiere dabeihatten, war ein offizieller Grenzübertritt nicht möglich. Deshalb ritten die zwei Abenteurer nachts heimlich über die Grenze nach Spanien – gemäß eines Tipps, den ihnen ein Tierarzt gegeben hatte. In Portugal angekommen, kam das mittlerweile verliebte Pärchen auf einer Hacienda unter, einem Stall für Wanderritte. Zu dieser Zeit war Suzi bereits schwanger. Da das Gesundheitssystem und die ärztliche Versorgung in Portugal damals nicht mit der in Deutschland zu vergleichen war, entschied sich das Paar, zur Geburt nach Deutschland zurückzukehren und dort erstmal zu bleiben.
Kontakte zahlen sich aus
Der ihr bereits aus Frankreich bekannte Mr. Equitana Wolf Kröber meldete sich bei ihr und lud Suzanne Struben Séra und ihren damaligen Ehemann auf die Equitana ein. An einem kleinen Stand stellten sie Silberkunstwerke und Malereien aus, während sie die Equitana- Eindrücke aufsaugen konnten. Ihre Präsenz bei Ausstellungen nahm zu, und bald waren sie fester Bestandteil diverser Ritterspiele in der Umgebung. Dabei lernte Suzanne den bekannten Trickreiter Jolly Séra kennen, der für sie später so etwas wie „der Ritter auf dem weißen Pferd“ wurde und bis heute an ihrer Seite ist.
Manege frei
Nicht zum Nachmachen geeignet: Stuntmänner trainieren jahrelang, um kopfüber am Sattel eines galoppierenden Pferdes zu hängen. Foto: Christiane Slawik
Jolly Séra ging seinerzeit in den Zirkus und Suzanne Struben Séra bat darum, ihn begleiten zu dürfen. Bei dem Zirkus handelte es sich um den „Zauberwald“. Keine geringeren als Franz Althoff, Günther Fröhlich und Gino Edwards hatten ihn ins Leben gerufen. Für Suzanne Struben Séra war es eine Ehre, mit ihnen zu arbeiten und noch vielmehr von ihnen zu lernen. Sie liebte bereits damals das Zirkusleben und so waren sie und Jolly Séra von 1996 bis 2003 Teil des Zauberwald- Teams. In den Show-Pausen des Zauberwaldes bestritten Jolly und Suzanne Struben Séra Ritterturniere von Deutschland, über Belgien, Dänemark, Norwegen bis nach Tschechien.
Die Zeit nach den Pferdeshows füllte sich mit Engagements als Doubles für waghalsige Filmszenen zu Pferd. Das war der Auslöser für das Ehepaar Séra Filmpferde.com zu gründen – eine Plattform, auf der Filmemacher passende Pferde und Reiter für den nächsten Dreh finden. Ein weiteres Standbein von Suzanne Struben Séra liegt in der Weiterbildung. Ihr ist wichtig, auch andere Reiter, insbesondere Kinder, für das Trickreiten zu begeistern. Dafür bietet sie Lehrgänge im Trickreiten und Bogenschießen an. „Bei denen geht es nicht primär darum, so spektakulär wie möglich zu reiten, sondern den Teilnehmern das Loslassen zu lehren, einen Perspektivwechsel zuzulassen und die eigene innere Balance zu finden”, erklärt die Ausbilderin.
Bogenschießen auf dem Pferd oder Lehrgänge im Stuntreiten: Suzanne Struben Séra möchte ihr Wissen weitergeben. Foto: Christiane Slawik
Interview mit Suzanne Struben Séra
PM-Forum: Sie sind Pferdetrainerin, Trickreiterin, Stuntfrau und Horsemaster – was sind die Aufgaben eines Horsemasters?
Der Horsemaster ist das Bindeglied zwischen der Regie am Filmset und den Tiertrainern. Wenn ich als Horsemaster im Einsatz bin, schaue ich mir im Vorfeld die Drehorte an. Ich muss sicherstellen, dass die geplanten Aufnahmen pferdegerecht gedreht werden können. Da geht es beispielsweise darum, welche Bodenbeschaffenheiten es vor Ort gibt und ob die Pferde sich darauf sicher bewegen können. Ich bespreche auch, wie oft das Pferd eingesetzt werden darf und fixiere diese Eckpunkte zusammen mit der Regie. Interview mit Suzanne Struben Séra: Während der Dreharbeiten habe ich das Wohlbefinden des Pferdes genau im Blick – ich muss verstehen, die Pferde zu lesen: Ich erkenne, ob sie müde werden oder ihr Geschäft verrichten müssen und eine kurze Pause brauchen.
PM-Forum: Was macht die Arbeit mit Pferden an einem Filmset besonders?
Zwar können Pferde nicht in Worten mit uns kommunizieren, aber ihr Verhalten verrät uns viel. Auch wenn jeder Drehtag einer Filmproduktion viel Geld kostet und die Regisseure eine Szene so schnell wie möglich abdrehen möchten, zeigt das Pferd, ob es dafür bereit ist oder nicht. Als Horsemaster entscheide ich zugunsten des Pferdes, ob ein Dreh unterbrochen wird oder ob eine Szene zum Wohle des Pferdes etwas umgestaltet werden muss. Manche Dinge lesen sich im Drehbuch so simpel und einfach, sind in Wirklichkeit mit Pferden jedoch nicht immer ganz so einfach umzusetzen. In solchen Fällen leistet der Horsemaster der Regie Hilfestellung, wie sich bestimmte Szenen am besten umsetzen lassen. Unsere Pferde stehen mit Begeisterung vor der Kamera. Es ist meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass sie diesen Spaß nicht verlieren.
PM-Forum: Wie werden die Pferde eigentlich für eine Rolle ausgesucht?
Sicherlich spielt die Optik eine Rolle, aber vielfach werden Pferde aufgrund ihres Charakters und ihres Könnens nur für bestimmte Szenen ausgewählt. Ein gutes Beispiel ist sicherlich „Ostwind“. Ostwind wurde von 20 Pferden gespielt und hatte seine eigene Maskenzeichnerin, sprich eine Art Pferdevisagistin, die die Aufgabe hatte, den unterschiedlichen Pferden ein einheitliches Äußeres zu verpassen. Während das eine Pferd beispielsweise bestimmte Kunststücke auf Kommando kann, ist das andere Pferd in der Freiarbeit besonders begabt und lässt sich besonders gut „frei“ dirigieren und das nächste Pferd hat wiederum keine Scheu über eine Feuerwand zu springen. So werden die jeweiligen Pferde nach ihren Talenten und ihrem Können eingesetzt. Ein Pferd alleine kann und muss nicht alles können, was für einen Film benötigt wird.
PM-Forum: Wie lebt ein Filmpferd und wie wird es trainiert?
Filmpferde leben nicht anders als andere Pferde auch. Bei mir hat jedes Pferd seine eigene Box, kommt je nach Wetterlage auf die Weide oder den Paddock und auch das Training verläuft ähnlich wie bei anderen Pferden. Ich reite die Pferde auf dem Platz, in der Halle oder aber im Gelände. Tricks und Kunststücke werden spielerisch und mit Leckerchen erlernt und trainiert. Das frage ich aber nicht jeden Tag ab, schließlich will ich, dass die Pferde den Spaß daran nicht verlieren. Wenn ich unterwegs bin, kümmern sich die Reitbeteiligungen um die Tiere.
PM-Forum: Haben Sie als Horsemaster am Set noch andere Aufgaben?
Am Set ist die Betreuung der Pferde eine Aufgabe des Horsemasters, es kommt aber auch vor, dass ich die Schauspieler dabei unterstütze, reiten zu lernen. Das funktioniert jedoch etwas anders als in einer normalen Reitschule. Schauspieler denken bildhaft, ihnen muss man das Reiten vielfach über Bilder erklären. Sie haben keine Zeit zu lernen, wie man auf dem richtigen Fuß leichttrabt, sondern sie müssen schnell und spielerisch lernen den Körper zu fühlen und ihrer Intuition zu folgen.
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