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Arbeit an der Hand

Bewusst bodenständig

Damit aus Mensch und Pferd ein Team wird, braucht es Vertrauen und eine solide Ausbildung. Ein wichtiger Baustein dafür ist die Bodenarbeit – sowohl bei Sport- als auch Freizeitpferden sollte sie Bestandteil des abwechslungsreichen Trainingsplans sein.

Bodenarbeit ist mehr als eine Spielerei: Hier können dem Pferd Dinge beigebracht werden, die später unter dem Sattel relevant werden. Foto: Jacques Toffi

Blaue, raschelnde Planen, aufgestellte Pylonen und auf dem Boden liegende Stangen versetzen manch ein Reiter- Pferd-Paar bereits beim Betreten der Halle in Unruhe, andere tun das Training vom Boden aus als „Spielerei“ ab. Der Oberbegriff „Bodenarbeit“ umfasst jedoch alle Aktivitäten, bei denen der Mensch das Pferd vom Boden aus anleitet und ausbildet – dazu gehören neben Gelassenheitstraining und Zirkuslektionen eben auch klassische Handarbeit am Langzügel oder die Arbeit an der Longe. Bodenarbeit kann dazu beitragen, die Verbindung zwischen Mensch und Pferd zu stärken, Vertrauen aufzubauen und das Pferd auf künftige Aufgaben unter dem Sattel vorzubereiten.

Auf Augenhöhe

Der Umgang vom Boden aus ist auch nichts Neues und wurde oft bei der täglichen Arbeit mit dem Nutztier Pferd intuitiv angewendet. Mittlerweile ist der Umgang mit dem Pferd und die Mensch-Pferd-Beziehung Thema unzähliger Studien in der Verhaltensforschung. Was früher bereits aus dem Bauch heraus gemacht wurde, ist jetzt beschreib- und erklärbar. Damit können die Techniken guter Kommunikation erlernt und verbessert werden.

Mit Führungsqualitäten

Gezieltes Führtraining basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Nur so kann es gelassen und stressfrei absolviert werden. Dabei ist die eigene Körpersprache das wichtigste Mittel, um das Pferd davon zu überzeugen, sich gehorsam führen zu lassen. Der Führende tritt dem Pferd selbstbewusst und mit einer aufrechten Haltung entgegen. Das bestimmte Auftreten des Menschen veranlassen das Pferd dazu, sich in der Bewegungsrichtung und dem Tempo des Führenden anzupassen. Ist das Pferd bereit sich führen zu lassen, reichen schon leichte Signale, um Weg und Tempo zu kontrollieren. Dauerdruck oder -zug am Halfter verfehlen hingegen ihre Wirkung – geleitet durch seine Reflexe wird das Pferd Gegendruck aufbauen. Jedes Führtraining hat zum Ziel, dass die direkte Einwirkung auf den Pferdekopf immer weniger wird. Im Idealfall hängen Strick oder Zügel währenddessen leicht durch.

Von der Natur lernen

Beobachtet man Pferde in einer Herde, stellt man schnell fest, dass sie sich in Bezug auf ihre Artgenossen an der Position der Schultern orientieren. Aus Sicht des Pferdes geht der Führende in seiner Position – die zwischen Pferdeschulter und -kopf liegt – vor ihnen, begrenzt also das Tempo nach vorne. Der angewinkelte, führende Arm fordert den seitlichen Abstand zum Pferd ein. Pferde folgen Artgenossen, wenn diese durch ihre Körperhaltung und -bewegung Sicherheit vermitteln, das muss auch dem Führenden gelingen.

Im täglichen Umgang mit dem Pferd ist ein gewisser Gehorsam gefragt. Übt man mit seinem Pferd, dass es nicht an einem vorbeidrängelt und die Führung übernimmt, klappt auch das Rausbringen auf die Weide. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Mehr als Spielerei

Die Bodenarbeit ist im Umgang mit dem Pferd ein wichtiger Baustein im gesamten Ausbildungs- und Beschäftigungsplan. Durch Bodenarbeit lässt sich Abwechslung ins Trainingseinerlei bringen, die Motivation an der Zusammenarbeit von Mensch und Pferd fördern, die Kommunikation (bis hin zur Freiarbeit) verbessern. Außerdem eignet es sich als schonende Trainingsalternative während Krankheitsphasen von Mensch und Tier. Dabei ist es egal, welches „Etikett“ drauf steht oder in welchem Outfit sie durchgeführt wird. So wie es beim Reiten letztlich nur gutes Reiten und schlechtes Reiten gibt, so gibt es auch am Boden einfach nur gute Bodenarbeit und schlechte Bodenarbeit.

Das Führtraining ist ein Bereich der Bodenarbeit. Dabei werden auch Gangartwechsel an der Hand geübt. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Führpositionen und Hilfengebung im Überblick

  • Normalposition: zwischen Pferdeschulter und Pferdekopf
  • Antreten lassen: Der Führende nimmt den Oberkörper leicht nach vorne und gibt gegebenenfalls ein leichtes Signal am Strick oder Zügel und läuft energisch los.
  • Abbremsen: Der Führende macht kleinere Schritte und nimmt den Oberkörper zurück, dabei gibt er bei Bedarf ein leichtes Signal am Zügel oder Strick, notfalls kann die freie Hand vor das Pferdeauge geführt werden.
  • Halten: wie beim Abbremsen. Der Führende bleibt selbst deutlich stehen und erhöht dabei seine Körperspannung.
  • Stimmkommandos: sind in allen Situationen hilfreich

Übungen zum Nachmachen

Stop and Go

Das Anhalten und Folgen gehört sicher zu den Übungen, die man im Alltag mit dem Pferd am häufigsten braucht. Gerade in Situationen, in denen das Pferd angespannt oder abgelenkt ist, kann es dazu kommen, dass es die Signale des Menschen nicht richtig deutet oder die Signale vom Menschen falsch gegeben werden. Um das Miteinander beim Führen zu fördern, bietet sich das Stop-and-Go-Spiel an. Dazu steht der Mensch auf der linken Seite zwischen Kopf und Schulter des Pferdes und trägt den Strick oder die Zügel in der rechten Hand. Er setzt sich in Bewegung und zählt dabei 20 Schritte. Danach hält er an. Dabei spielen ruhige Stimmkommandos und eine entspannte Körpersprache eine Rolle. Der Führende verlangsamt das Tempo, macht kleinere Schritte und nimmt den Oberkörper zurück. Bei Bedarf kann zusätzlich die führende Hand zurückgeführt und dadurch kurzzeitig Druck auf die Pferdenase und das Genick ausgeübt werden. Es handelt sich immer nur um ein kurzfristiges Signal, ein Dauerzug stumpft das Pferd nur ab. Sollte das Pferd den Menschen überholen, schickt er das Pferd ruhig, aber konsequent zurück, lässt das Pferd einen Moment stehen und geht dann wieder an. Nach weiteren 20 Schritten bleibt der Mensch wieder stehen. Klappt das gut, kann die Schwierigkeit erhöht werden und bereits nach 15 oder zehn Schritten ein Halt verlangt werden.

Rückwärtsrichten

In der Herde weicht nur ein schwächeres Pferd rückwärts aus – kein Wunder, dass sich viele Pferde mit dieser Übung schwertun. Umso wichtiger ist es, vom Boden aus damit zu beginnen und das aktive Zurücktreten zu fordern. Für das Rückwärtsrichten bleibt der Mensch zwischen Pferdekopf und Schulter des Pferdes stehen und blickt nach vorne. Mit einem Stimmsignal wie „Zurück“ wird dem Pferd signalisiert, dass es zurücktreten soll, der Mensch bewegt sich ebenfalls rückwärts. Sollte das Pferd nicht direkt verstehen, was es tun soll, kann das leichte Touchieren mit der Gerte an der Bugspitze des Pferdes helfen, verbunden mit dem vorher definierten Stimmsignal. Der erste Ansatz eines Tritts nach rückwärts wird umgehend belohnt.

Das Stangen-L

Vier Stangen werden mit einem Abstand von 60 bis 100 Zentimetern so hingelegt, dass sie ein „L“ ergeben. Der Abstand der Stangen richtet sich nach der Größe des Pferdes und danach, wie gut das Pferd Wendungen und das Durchgehen beherrscht. Auch hier ist darauf zu achten, dass die Stangen nicht wegrollen können. Zunächst wird das Pferd vorwärts durch die Gasse geführt, am Ende der Gasse gewendet und erneut durch das „L“ geführt. Wenn das gut geklappt, kann das Pferd vorwärts in das „L“ hineingeführt werden und rückwärts wieder raus. Für das Pferd ist das eine schwierige Aufgabe, weshalb sie mit Geduld und Ruhe durchgeführt werden sollte. Selbst wenn das Pferd am Anfang nur ein oder zwei Schritte schafft, ist das eine gute Leistung und sollte umgehend belohnt werden.

Halten über einer Stange

Eine einzelne Stange wird auf dem Reitplatz oder in der Reithalle platziert. Dabei ist es wichtig, dass die Stange gegen Wegrollen gesichert ist, alternativ können Schaumstoffstangen verwendet werden. Zunächst lässt man das Pferd vor der Stange halten und führt es daraus schrittweise in die richtige Position – die Vorderbeine sollen vor, die Hinterbeine hinter der Stange stehen. Diese Übung schult die Balance, Trittsicherheit und Koordination des Pferdes. Dabei ist wichtig, dass der Führende das Pferd mit einem Stimmsignal, was bereits vorher geübt wurde, unterstützt. Das kann beispielsweise das Kommando „Halt“ sein.

Weiter lernen: Abzeichen Bodenarbeit der FN

Der Lehrgang zum Abzeichen Bodenarbeit (mit oder ohne Prüfung möglich) vermittelt den Teilnehmern vertiefende Kenntnisse des Pferdeverhaltens (Ethologie). Die Teilnehmer sollen Handlungskompetenz zum sicheren und pferdegerechten Umgang mit dem Pferd erwerben. Kenntnisse aus dem Pferdeführerschein Umgang dienen als Grundlage.

  • Zulassungsvoraussetzungen: Voraussetzungen für die Zulassung zum Lehrgang sind die geistige und körperliche Mindestreife des Bewerbers. Für den Erwerb des Abzeichens ist die Mitgliedschaft in einem der FN angeschlossenen Pferdesportverein Voraussetzung. Der Besitz des Pferdeführerscheins Umgang oder der Reitabzeichen 7 und 6 wird empfohlen
  • Durchführung: Der Lehrgang kann von Vereinen und Betrieben mit Genehmigung des Landesverbandes bzw. der Landeskommission durchgeführt werden (Lehrgangsdauer ca. 20 Lerneinheiten). Die Durchführung des Lehrgangs muss mindestens durch einen Trainer C mit gültiger DOSB- oder BLSV-Trainerlizenz (Reiten/Ergänzungsqualifikation Bodenarbeit) bzw. einen Pferdewirt (mit gültiger DOSB-Lizenz oder gültigem BBR-Fortbildungsnachweis) bzw. einen Pferdewirtschaftsmeister erfolgen.
  • Inhalte der Lehrgänge: Theoretische Einführung und Grundlagen der Bodenarbeit; Führtraining; Gelassenheitstraining, Geschicklichkeitstraining

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