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Persönlichkeiten der Pferdeszene

Rheinische Kunst

Er hat bei null angefangen und gehört mittlerweile zu den renommiertesten Pferdemalern weltweit. Seine Bilder rücken das Pferd in den Fokus und strotzen nur so vor Dynamik. Ein Besuch beim Künstler Jan Künster in Bonn.

Jan Künster gehört zu den renommiertesten Pferdemalern weltweit – Pferdepersönlichkeiten wie Biotop, Rembrandt und Gigolo hat er schon verewigt. Foto: Jacques Toffi

Mit dem Angebot, sich direkt zu Duzen, empfängt Pferdemaler Jan Künster seinen Besuch vor seinem Haus inmitten einer ruhigen Wohngegend im Bonner Stadtteil Ippendorf – „Hallo, ich bin der Jan!“. Der hochgewachsene 72-Jährige mit welligem, weißem Haar und Schnauzbart ist mit seinem Naturell und seinem Bonner-Kölschen- Dialekt das perfekte Beispiel für die vielzitierte „rheinische Frohnatur“: gelassen, offen, gastfreundlich. Wenn man die Adresse seines Ateliers nicht kennt, das er in sein Zuhause integriert hat, würde man nicht automatisch anhalten. Eher unscheinbar ist die Doppelhaushälfte, Künsters Elternhaus, lediglich an den mit zwei Pferdeköpfen bemalten Mülleimern in der Auffahrt bleibt der Blick hängen. Gelangt man dann allerdings durch die Glastür ins Innere des Hauses, weiß man, dass sich das Navigationssystem nicht geirrt hat. Das ganze Erdgeschoss wird als Atelier genutzt, zwei Räume, hell, freundlich, warmes Licht. Von den Wänden ist kaum etwas zu sehen, überall hängen Bilder: große, sehr große und kleinere. In der Mitte des Raumes sind Bücher, Kalender, Postkarten, Tassen und kleine Drucke drapiert. Man weiß gar nicht, wohin man zuerst schauen soll. Hängt eines der Bilder nur minimal schief, legt der Chef selbst Hand an. Das kann er nicht sehen, verrät seine Frau Milca.

Bilder beginnen zu leben

Die für Jan Künster so typischen Werke sind die, auf denen er das Pferd in den Fokus rückt, die Athletik und Schönheit, und den Reiter dagegen nur schemenhaft anskizziert. Nicht weil er keine Gesichter malen kann, wie er zu Beginn seiner Karriere häufig gefragt wurde, sondern um den Blick auf das Pferd zu richten. Daneben sind bunte Bilder zu bewundern, farbige Pferde in Bewegung, die er als bunte Kollektion für Hermès erstellt hat, und ein zwei mal drei Meter großes, imposantes Werk, das eine ganze Wand des zweiten Ausstellungsraums in Anspruch nimmt und auf das Jan Künster besonders stolz ist. „Die Schlacht um Mutter Erde“ – ein düster anmutendes, dramatisches Werk, auf dem Kampfrösser abgebildet sind, der Mond scheint hinter einer Wolke hervor. „Dieses Bild passt zu den Schlachten im Mittelalter, aber genauso auf die aktuellen Schlachten – bei dem, was in unserer Welt momentan los ist“, erklärt der Künstler mit dem fürs Rheinland so typischen Singsang in seiner Stimme. „Wenn es draußen dunkel und das Bild beleuchtet ist und man mit einem Glas Wein davorsitzt, beginnen die Pferde zu leben. Da ist so eine Dynamik drin.

Fährt man vorsichtig über das Bild, spürt man die Nüstern von weiteren Pferden – das sind die Seelen, um die gekämpft wird. Beim Malen ist man da wie auf einem Trip.“ Das Werk hat Jan Künster inspiriert von orchestraler Musik von Filmkomponist Hans Zimmer gemalt, mit Kopfhörern abgeschottet, Acryl auf Leinwand. Der Pferdemaler skizziert zunächst seine Bilder, dann beginnt er mit dem Hintergrund, erst danach malt er die Pferde. Eine andere Reihenfolge wäre für ihn ein Unding, genauso wie etwas zu kaschieren „Deckweiß ist bei mir verboten.“ 

Skizzieren am lebenden Objekt im Jahr 2004. Jan Künster fertigt auch Auftragsarbeiten.

Das heißt, er hat schon von Anfang an eine Vorstellung, wohin die Reise gehen soll. Teilweise legt er über 40 Farbschichten übereinander – das lässt die Pferde sehr real erscheinen, als würden sie aus dem Bild herausgaloppieren. Bei den Pferden malt er immer zuerst die Augen. „Wenn die Augen nicht leben, kannst du das ganze Bild vergessen“, bringt er sein Credo auf den Punkt.

Der Lebensweg zum Künstler

Jan Künster ist ein Rheinländer durch und durch. Er ist 1951 in Bonn geboren und mit zwei Geschwistern aufgewachsen. Sein Vater war Kölner. Von klein auf hat Jan Künster immer schon gemalt, Seiten wieder zerrissen, um das Bild noch besser zu malen, erzählt er. Seine Mutter kam gebürtig aus den Niederlanden, deshalb verbrachte er auch viel Zeit bei seiner Großmutter in Amsterdam. Dort beobachtete er stundenlang die Straßenmaler in den Gassen. „Es gab einen, der immer mit dem linken Auge angefangen hat – das habe ich übernommen und bis heute beibehalten“, berichtet Jan Künster. Er war Student der Kunsthochschule Köln und absolvierte eine Ausbildung als Offset-Reprograf. Nach dem Studium leitete er eine Werbeagentur. Ab Anfang der 1980er Jahre widmete er sich dann ausschließlich der Malerei.

Anfang der 1980er malte Jan Künster fast ausschließlich in schwarz-weiß mit Kohle, erst später wurde es bunter.

Er malte zunächst nur in schwarzweiß, mit Kohle, später auch in Farbe, erst mit Öl-, dann mit Acrylfarben. Zu Beginn malte er Porträts. Zu den Pferden kam er über seine Frau. Er lernte sie mit 18 Jahren in einer „Bonner Disko“ kennen. Mittlerweile sind sie seit 50 Jahren verheiratet, sie haben zwei Söhne und eine Tochter. Milca Künster war von klein auf eine leidenschaftliche Reiterin, sie ritt Dressur, Springen und Jagden. Ihr zuliebe nahm Jan Künster mit 20 Jahren das erste Mal Reitunterricht. Nur… der Anfang war etwas holperig. „Ich dachte: Einmal und nie wieder!“, erinnert er sich. Aber seine Frau blieb hartnäckig – und war erfolgreich damit.

Jan Künster ritt freizeitmäßig, das Paar züchtete Hannoveraner und hatte phasenweise bis zu sieben Pferde. Sein erstes Pferdebild malte Jan Künster auf der Wickelkommode. „Meine Reiterei hat mir sehr geholfen. Man muss Pferde spüren, wenn man sie malt.“ Inzwischen hat das Ehepaar noch zwei Rentnerpferde in einem Offenstall, um die es sich kümmern.

Ein Familienunternehmen

In der zweiten Etage im Hause Künster sind die Büros und Arbeitsplätze zu finden. Das „Unternehmen Künster“ ist ein Familienbetrieb, ein überaus geschäftstüchtiger. Alle sind mit an Bord. Jan Künster sitzt am Fenster mit Blick in den Garten, zwei Pferde-Aquarelle, eines halb angefangen, liegen auf der Arbeitsfläche nebst Kopfhörern und einem Farbkasten, der schon 40 Jahre alt ist. Überall stapeln sich Werke, Papier, Leinwände, Kartons, an der Decke hängen zwei große Bilder mit Pferden in Bewegung… „Geordnetes Chaos“, beschreibt es Milca Künster. Sie hat hier auch einen Schreibtisch. Die Rechtsanwältin kümmert sich um den Verkauf und Versand, das ganze Management, sie schreibt alle Texte, ist Ideengeberin und Künsters größte Kritikerin.

Familie Künster bringt in ihrem Eigenverlag jedes Jahr Bücher und Kalender, Kunstdrucke und Karten heraus. Sohn Moritz ist als Fotograf auf Konzerten von Weltstars unterwegs, im Familienbetrieb kümmert er sich um die Druckvorstufe der Verlagsprodukte. Sohn Dino und Tochter Tiffany sind für die Produktgestaltung sowie für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Künsters vertreiben ihre Produkte vor allem online und in einem Geschäft in der historischen Salzgasse in der Kölner Altstadt nah am Rhein, die jährlich rund sechs Millionen Touristen besuchen.

Das Atelier von Jan Künster und seiner Ehefrau Milca ist auch ein halber Verkaufsladen seiner Werke in jeglicher Form.

Im oberen Stockwerk sind die Privaträume des Ehepaars, die man über eine Wendeltreppe erreicht. Überall hängen Bilder aus verschiedenen Schaffensphasen: aus der „Edition Femme“, „ein Spiel mit Formen und Farben, mit Accessoires und Ambiente“, wie der Künstler beschreibt und Kohle- Porträts eines jüdischen Mädchens in Ausschwitz, von Marlene Dietrich oder Zarah Leander, mit letzterem hat Jan Künster in Schweden vor einigen Jahren einen internationalen Wettbewerb gewonnen.

Berühmte Pferde und Kunden

Künsters Start in der Pferdeszene war nicht ganz einfach, an vielen Stellen wurde er abgewiesen. „Gina Capellmann hat mich schließlich entdeckt“, betont er und beschreibt diesen Moment als einen Wendepunkt in seinem Künstlerleben. 1982 stellte er erstmals seine Pferdebilder auf der Eliteauktion in Vechta aus, kurz darauf auch auf der PSI-Auktion in Ankum und in der Kleinen Galerie von Helga Capellmann in Aachen. Er verewigte unter anderem Reiner Klimkes Biotop, Nadine Capellmanns Gracioso, Nicole Uphoffs Rembrandt, Klaus Balkenhohls Goldstern sowie Isabell Werths Gigolo. Er malte den Lieblingshengst des früheren amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan und das Rennpferd „Northern Taste“ für den größten Rennstallbesitzer Japans. Und „seine Bilder hängen in den Büros der königlichen Stallungen von Oman sowie bei Mitgliedern des englischen Königshauses“, heißt es auf der Homepage. Er malt jedes Jahr für das Landgestüt Warendorf den besten Deckhengst und auf Pferdeanhängern und Transportern des Fahrzeugherstellers Böckmann ist sein exklusives Design zu finden. Für die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hat er in Abstimmung mit allen 16 Bundesländern die Brosche für die Reitabzeichen entworfen. Er ist Persönliches Mitglied der FN auf Lebenszeit.

Kölsch karnevalesk

Seine rheinische Herkunft bringt Jan Künster auch in seiner Kunst zum Ausdruck. 1994 begann er einen Kalender für die zwölf berittenen Kölner Karnevalsvereine zu entwerfen, mittlerweile ist er Kölner Kult, wie er selbst sagt.

Neben Pferden ist Jan Künster auch für seine karnevalesken „Küchen-Clowns“ bekannt.

Aus diesen Karnevalsbildern sind mit der Zeit die „Küchen-Clowns“ entstanden, die zwar nicht mehr viel mit Pferden zu tun haben, aber ein sehr beliebtes Produkt aus dem Hause Künster sind und inzwischen etliche Bilder zieren, Karten, Tassen, Schlüsselanhänger, Kalender, Notizblöcke und Kochbücher. Die Küchen-Clowns in Aquarell sind fröhliche Clowns in allen Lebenslagen und in kölscher Lebensart mit unterhaltsamen Sprüchen wie „Es wird noch alles juut“ und „Es kütt wie es kütt“. Sie werkeln in der Küche, gehen auf kulinarische Reisen und sollen die Betrachterin und den Betrachter zum Lächeln zu bringen.

Neben den Küchenclowns prangt in Künsters Atelier auch der Kölner Dom auf einer großen Leinwand, knallbunt. „Carneval Colonia“ heißt ein von Jan Künster gemaltes Erlebnisbuch zu Köln und dem Kölner Karneval.

Donnerhall mit Nachdruck

Der 72-Jährige hat sich einen unverwechselbaren Stil erarbeitet, sein Repertoire ist dennoch groß, von zarten Aquarellstrichen über kräftige Kohle- Porträts bis hin zu dynamischen, lebendigen Pferdestudien in Acryl. „Der Zauber des Pegasus“ ist der Titel eines Kunst-Bildbandes mit Pferdebildern. Warum Pferde? „Ihre Ästhetik fasziniert mich, ihr Muskelspiel“, beschreibt der Maler seine größte Kunst-Leidenschaft. „Pferde sind so tolle Geschöpfe.“ Fragt man ihn, ob es ein Pferd seines Lebens gibt, antwortet er ohne zu Zögern: „Donnerhall!“ Der Dunkelfuchs vom Grönwohldhof, der die Menschen weltweit beeindruckt. Eine Vererberlegende, der die Dressurpferdezucht wie kein anderer Hengst geprägt hat. „Ich habe ihn damals bei seinem ersten Auftritt in Vechta bewundern dürfen.“ Donnerhall sei das tollste Pferd, das er je gesehen habe, betont Jan Künster mit Nachdruck.

Laura Becker

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