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Reiterfitness im Blick
Den Schweinehund überwinden
Schwung und Losgelassenheit funktionieren noch besser, wenn das Training stimmt – bei Pferd UND Reiter. Letztere haben oft noch Nachholbedarf an Gymnastik und Co. Doch wieviel zusätzlicher Sport muss sein – für den Alltag, um im Sattel gesund und beweglich zu bleiben, aus Rücksicht aufs Pferd und für den Turniersport, um noch fitter zu werden?
In der Gemeinschaft macht Sport gleich viel mehr Spaß – warum also nicht mit anderen Reitern aus dem Stall zusammenschließen und gemeinsam den Schweinehund überwinden. Foto: Monika Kaup/ FN-Archiv
Das Pferd: zweimal pro Jahr kommen Physiotherapeut und Osteopath, alle acht Wochen der Hufschmied inklusive Bewegungsanalyse. Im Sattelschrank liegen Balance-Pads, an der Tür hängt ein durchdachter Trainingsplan, um die Abwechslung zu wahren. Der Reiter: keine Zeit, muss zum Pferd.
Zu wenig sexy?
Was tun wir Pferdesportler eigentlich für uns? Gymnastik kennen immer noch viel zu viele nur als Springgymnastik fürs Pferd. Dem Thema Ausgleichssport fehlt es bei Reitern oft an Akzeptanz, an Zeit, an Lust, an der richtigen Motivation. Vielleicht liegt das auch an der Begrifflichkeit? „Ausgleichssport“ – Dr. Christina Fercher, Sportwissenschaftlerin am Olympiastützpunkt Warendorf, spricht lieber von „Athletiktraining“. Ähnlich der Diplom- Sportwissenschaftler und Coach Marcel Andrä aus dem bayerischen Chiemgau, er sagt: „Ich bin kein Fan des Begriffs ‚Ausgleichssport‘. Der bedeutet ja strenggenommen, dass ich den Reitsport ausgleichen möchte. Aber so ist ja nicht. Ich spreche lieber von funktionellem Training, um in der Lage zu sein, den Reitsport besser ausführen zu können.“
Gründe für mehr Bewegung
Besser Reiten – für Spitzensportler geht es mit zusätzlichen Sporteinheiten darum, für den Wettkampf die Leistung zu optimieren. Für Alltags- oder für Berufsreiter geht es beim „Ausgleichssport“ um mehr: um ihre Zukunft. Beweglich im Sattel zu bleiben, mit jedem dazukommenden Jahr noch geschmeidig mitschwingen zu können, um gesund zu bleiben. Für alle mit bereits vorgeschädigten Rücken, Knien, Adduktoren, Hüfte und mit allem, was noch so ziept, geht es darum, den Körper mit Muskeln und Balance möglichst gut auszustatten, um schmerzfrei weiter reiten zu können – bis ins hohe Alter. Und diejenigen, für die Reiten ein Ausgleich zur sitzenden beruflichen Tätigkeit ist, brauchen gerne eine gute Portion Extra-Bewegung, um die Pferde nicht mit der eigenen Bürostuhlsteifigkeit zu konfrontieren. Zusätzliches Sporttraining ist auch ein Stück mentales Training: Wer sich mit Gymnastik, Yoga, Turnen oder sonstigen Sportarten eine bessere Beweglichkeit zurückerobert oder erhält, wird feststellen: Das Vertrauen in die eigenen körperlichen Fähigkeiten wächst. So haben aufkeimende Unsicherheit oder Angst weniger Chancen, sich im Kopf festzusetzen. Ein Satz zur Seite oder ein Bocksprung sind nämlich spürbar leichter abzufangen. Das wird zur echten Positiv-Spirale, denn schlussendlich spüren die Pferde das stärkere Selbstverständnis ihrer Reiter. Also: Viele Gründe sprechen für ein kleines Sportprogramm neben der Reiterei.
„Reiter trainieren ja die Pferde, dass sie auf möglichst feine Hilfen reagieren. Dafür brauchen wir eine körperlich gute Seitengleichheit, eine gute Koordination und Motorik, um diese feinen Hilfen mit unserem Körper geben zu können und um ein optimales Timing zu erreichen. Deshalb ist zusätzliches Athletiktraining so wichtig.“ Dr. Christina Fercher
Angenehme Last fürs Pferd
Marcel Andrä trainiert seit etwa zwölf Jahren mit den Dressurreitern Jessica von Bredow-Werndl und Benjamin Werndl aus Aubenhausen. Gemeinsam haben sie das Programm DressurFit® entwickelt, mit dem die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) kooperiert (siehe Infokasten). Der Chiemgauer Sportwissenschaftler erklärt, warum auch das Pferd von der besseren Fitness des Reiters profitiert. Dafür hat er einen guten Vergleich:
Falls es noch ein Motto braucht, um mit dem Ausgleichssport loszulegen… Foto: Cornelia Höchstetter
„Es macht einen Riesenunterschied, wenn ich ein Kind hebe, das vor mir mit ausgestreckten Armen steht und hochgehoben werden möchte, oder ein schlafendes Kind – das fühlt sich um ein Vielfaches schwerer an“. Mit anderen Worten: Fürs Pferd soll der Reiter eine angenehme Last sein. Und das ist der Reiter, der sich aktiv im Gleichgewicht hält und sich nicht passiv tragen lässt. Das sieht auch Lina Otto von der FN-Abteilung Ausbildung so: „Wir müssen uns der Verantwortung gegenüber den Pferden bewusst sein: Die Pferde profitieren davon, wenn ihre Reiter in die eigene Geschmeidigkeit investieren.“
„Der Reiter sollte dem Pferd eine möglichst angenehme Last sein.“
Marcel Andrä, Diplom-Sportwissenschaftler aus dem Chiemgau
Als Reiter fit zu sein, ist auch ein Sicherheitsfaktor. In der Vielseitigkeit ist es besonders wichtig auch nicht ideale Situationen erfolgreich zu meister. Foto: Stefan Lafrentz
Top-Reiter wie Jessica von Bredow-Werndl machen es vor und arbeiten schon seit Jahren an ihrer Fitness und Beweglichkeit auch außerhalb des Sattels. Foto: Stefan Lafrentz
Auf dem Weg
Natürlich gibt es rund ums Pferd viele Tätigkeiten, die per se Bewegung erfordern und eine Art Training sind: Schubkarren schieben (trainiert die stabile Mitte), Hufe auskratzen und Bandagieren (wie eine Kniebeuge für die Beinkraft), Ausmisten (Armkraft) und vieles mehr. In den vergangenen zehn bis 20 Jahren ist in Sachen „Ausgleichssport“ oder „Zusatzsport“ schon viel passiert: Dazu haben unter anderen Eckart Meyners mit seiner Bewegungslehre beigetragen, die Vielseitigkeitsreiterin Bettina Hoy mit ihrem Crossfit-Training, die Springreiter Eva Bitter und Marco Kutscher stellten ihre Arbeit mit dem Athletik-Coach Jan Peer Hagenauer vor. Und trotzdem gilt der Reitsport im Vergleich zu anderen Sportarten als Spätzünder, was den Blick über den sportlichen Tellerrand angeht. Trainingswissenschaftlerin Dr. Christina Fercher meint zudem: „Inzwischen kommt dazu, dass die Ausgangsfitness unserer Gesellschaft eher schwindet. Die Kinder werden motorisch schlechter und damit über kurz oder lang auch die Erwachsenen – wir sitzen alle viel zu viel“. Und dann wird Unbeweglichkeit im Sattel schnell zum Sicherheitsrisiko. „Untrainierte Menschen stürzen meist schwerer. Ein trainierter Reiter rollt sich geschickt ab. Eine gute Grundfitness steht also für die eigene Sicherheit“, sagt Lina Otto, die auf kindgerechten Reitunterricht spezialisiert ist. Deshalb weiß sie, dass gerade heute die Kinder lernen müssen, Purzelbäume zu schlagen, sich rund und flink abzurollen. Auch Erwachsene natürlich – eigentlich liegen in viel zu wenigen Reitställe Gymnastikmatten bereit. Vielleicht sollten die Voltigierer für die Reiter mal die Vorturner machen. Am besten jede Woche für 15 Minuten!
Fähigkeiten für Reiter
„Rumpfkraft und Gleichgewichtsgefühl, Reaktionsschnelligkeit und generell eine gute Beweglichkeit“, zählt Dr. Christina Fercher Fähigkeiten auf, die Reiter benötigen. Und das ist nicht nur im Sattel wichtig, sondern auch bei der Bodenarbeit, beim Führen der Pferde: „Immer, wenn ich mit einem Lebewesen kommunizieren möchte, das nicht meine Sprache spricht, brauche ich meinen Körper, im Sattel oder am Boden: Mein Körper sollte in der Lage sein, präzise im richtigen Moment die richtigen Signale zu geben. Mein Pferd nimmt mich anders wahr, wenn ich eine präzise Körpersprache habe. Noch komplexer wird das natürlich zum Beispiel im Sattel in einer Galopppirouette oder in einer dreifachen Kombination.“ Damit ist Dr. Fercher bei den nächsten wichtigen Fähigkeiten: Koordination des Körpers und Ausdauer.
Wer fit ist, kann einen Bocksprung oder plötzlichen Sprung zur Seite spürbar leichter abfangen. Foto: Stefan Lafrentz
Die Rotation des Oberkörpers nach rechts und links lockert die Mittelpositur. Foto: Sabine Heüveldop
Für Turnierreiter wichtig
Ausdauertraining beeinflusst das Atmungs-/ Herz-Kreislaufsystem, das wiederum Muskulatur und Blut versorgt. „Im Gegensatz zu Sprintern sind Reiter eine sehr lange Zeit mit dem Pferd aktiv – inklusive Warmreiten bis zu einer Stunde. Ausdauer ist definiert als Ermüdungswiderstandsfähigkeit – und die wird schnell vergessen“, sagt Dr. Christina Fercher. „Das Erste, was ermüdet, ist die Nervenleistung – die Steuerung, um den Körper präzise zu nutzen. Ich brauche aber in einem Grand Prix meine körperlichen Ressourcen bis zur letzten Grußaufstellung oder muss im Gelände auch noch die Kraft und die Sinne beieinanderhaben, um die letzten Sprünge präzise anzureiten. Da muss der Sportler es schaffen, den mentalen Schweinehund zu bezwingen und Energie für die Muskelarbeit bereitzustellen.“ Für eine größere Ausdauer helfen Sportarten wie Laufen oder Schwimmen ungemein. Die Blutgefäße bilden sich besser aus, die Lungenfunktion ebenfalls, das hilft der Sauerstoff- und Energieversorgung. „Dann kann die Muskulatur weiterarbeiten“, erklärt die Sportwissenschaftlerin aus Warendorf.
Kopf nach rechts…
…und nach links. Diese Übung lockert die Nackenmuskulatur. Fotos: Sabine Heüveldop
Schwimmen, Radfahren oder Laufen: Zweimal pro Woche 20 bis 30 Minuten Ausdauertraining ergänzt das Reiten sinnvoll. Foto: Monika Kaup/ FN-Archiv
Sportmotorischer Test für Reiter
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) bietet einen kostenlosen Test zum Download und Ausprobieren an. Reiter bekommen Informationen über ihre motorischen Fähigkeiten sowie detaillierte Hilfestellung für die Testaufgaben und zur Testdurchführung. Hier geht es direkt zum Test:
www.pferd-aktuell.de/shop/sportmotorischer-test-fur-reiterdownload.html
Mehr Sport – aber was tun?
„Ideal ist eine möglichst breite Grundlage im Training: ein bisschen Kraft, ein bisschen Ausdauer, ein bisschen Koordination. Ich muss weder Gewichtheber noch Marathonläufer werden“, motiviert Dr. Christina Fercher. „Viel entscheidender als was ich mache, ist, dass ich dranbleibe und regelmäßig Trainingsreize setze.“ Den ehrgeizigeren Reitern rät Marcel Andrä zur eigenen Analyse, um gezielte funktionelle Übungen zu machen: „Die Frage ist: Bin ich eher beweglich und tu‘ ich mich schwer, die Stabilität zu halten oder habe ich eine zu hohe Körperspannung und kann schlecht loslassen?“ Um Kraft für eine positive Körperspannung zu trainieren, empfiehlt Dr. Christina Fercher Yoga oder „Rumpfstabi“, andere sagen „Core-Training“ dazu: Damit sind gymnastische Übungen gemeint, die gezielt für die Muskeln rund um Bauch, Rücken, teils auch Gesäß und Oberschenkel ausgelegt sind. Das ist übrigens auch eine gute Prophylaxe gegen Rückenschmerzen! Es gibt Übungen ohne zusätzliche Geräte oder Hilfsmittel: den Unterarmstütz, der mit Zehen und Fußballen den Körper wie ein Brett hält. Wer dies jeden Tag eine Minute macht, soll schnell eine stärkere Mitte spüren – versprechen Sportwissenschaftler.
Wie häufig?
Generell empfiehlt Dr. Christina Fercher pro Woche zweimal Krafttraining für ein paar Minuten – oder wenn es fünf Minuten täglich sind! – und zweimal Training für die Ausdauer mit Schwimmen, Ruderergometer, Radfahren, Laufen oder auch Nordic Walking – 20 bis 30 Minuten Laufen sind für Alltagsreiter schon ein großer Gewinn. Pro Woche dreimal 20 Minuten Laufen gelten bereits als gutes Training für das Herz-Kreislaufsystem. „Für die Herzgesundheit und das Herz-Kreislaufsystem empfiehlt sich, 150 Intensitätsminuten, also Tätigkeiten bei über 50 Prozent der maximalen Herzfrequenz, pro Woche zu sammeln und etwa 7.500 Schritte pro Tag zu gehen“, beschwört Marcel Andrä. Er empfiehlt darüber hinaus noch kleinere Einheiten, fünf bis sieben Minuten, dafür täglich.
Ausgleichssport und die WHO
Das Beste am Ausgleichssport für den Reitsport ist: Es zahlt alles auf das persönliche Bewegungskonto ein. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) klagte schon vor Jahren an, dass Deutschland an Bewegungsmangel leide – das hat Folgen für die Gesundheit und für die Volkswirtschaft. Deshalb empfiehlt sie mindestens 150 Minuten körperliche Aktivitäten pro Woche für Erwachsene. Das lohne sich, weil es diverse Krankheiten vorbeugen könne: Herzkrankheiten, Fettleibigkeit, Diabetes, Depressionen und Demenz.
Steigbügel aufnehmen mal anders: Auch vom Sattel aus lassen sich Dehnübungen in den Ablauf integrieren und sorgen ganz nebenbei auch noch für Gelassenheit beim Pferd.
Neue Alltagsroutinen
Jede Möglichkeit nutzen: zwischendurch am Schreibtisch mal die Schultern und die Wirbelsäule nach allen Richtungen durchzubewegen. Schulterkreisen, den Oberkörper nach rechts und links beugen und nach beiden Seiten drehen. „Man kann so viele alltägliche Situationen nutzen“, rät Marcel Andrä: Vom Einbeinstand beim Zähneputzen (Steigerung: mit geschlossenen Augen oder mit Handtuchrolle unter dem Fuß) oder im Zehenspitzenstand beim Pferd putzen. „Bauen Sie doch Routinen in den Alltag ein: bevor man sich den Kaffee einschenkt, jedes Mal drei Kniebeugen für die Beinkraft. Und die nächste Woche etwas anderes. Vor dem Aufsitzen in den Sattel, einmal sich um die Schultern greifen.“ Für Marcel Andrä ist es wichtig, sich selbst zu triggern: sich bewusst machen, aktiv zu stehen, Bauchnabel Richtung Wirbelsäule ziehen. „Fahren Sie mit dem Rad statt mit dem Auto in den Stall! Oder parken Sie bewusst weiter weg.“ Alles für die Reiterfitness, alles fürs Pferd – und einen gesünderen Alltag.
Yoga ist gut für Atmung, Körperbeherrschung und Beweglichkeit und lässt sich prima von überall aus durchführen. Fotos (5): Sabine Heüveldop
Schwung und Losgelassenheit sollten auch beim Reiter funktionieren.
„Ob Spitzensport oder Hobby: Die Reiter unterschätzen das Potenzial, den eigenen Körper beherrschen zu können und zu trainieren, und damit einen Effekt auf das Pferd und auf die Pferdegesundheit auszulösen. Sie sollten sich mal an die eigene Nase fassen: ‘Bin ich eigentlich die beste Form von mir, um auf das Pferd zu steigen, oder muss ich nicht gewisse Dinge tun, um es meinem Pferd leichter zu machen?‘“
Dr. Christina Fercher, Sportwissenschaftlerin am Olympiastützpunkt Warendorf
„Plank“ – wer diesen Unterarmstütz jeden Tag nur eine Minute lang macht verspürt schnell eine stärkere Mitte. Foto: Sabine Heüveldop
Westfalen in Aktion
Judith Schleicher aus Münster arbeitet für den Pferdesportverband Westfalen e.V. und ist zudem Trainerin in einem Fitnessclub. Als sie während der Corona- Zeit Kapazitäten frei hatte, stellte sie eine Anleitung zur Durchführung eines Fitnesskurses für Reitvereine zusammen. Das sollte niederschwellig und auf der Reitanlage machbar sein. Möglichst ohne großes Equipment – oder sowas wie gefüllte Plastikwasserflaschen als Hantelersatz. Das Ergebnis ist ein 120-seitiges Handbuch für ein achtwöchiges Fitnessprogramm. Es geht um Faszien, Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und mehr. Interessierte Vereinsleute finden in dem Buch detaillierte Stunden- und Übungsbeschreibungen und einen Fitnesstest für Ü30-Reiter. „Wichtig für die Kursleiter ist, dass sie Vorkenntnisse in Sachen Fitness haben, auch wenn die einzelnen Übungsstunden wirklich detailliert beschrieben sind“, sagt Judith Schleicher. Der Acht-Wochenkurs in den Reitvereinen soll natürlich kein einmaliges Erlebnis sein, sondern für die teilnehmenden ein Auftakt, ein Motivationsschub, ein Aha-Erlebnis, ein Ansporn, in Zukunft selbst das Thema Ausgleichssport in die Hand zu nehmen. Der Pferdesportverband Westfalen bietet darüber hinaus im Jahr 2024 sportliche Veranstaltungen an wie „Zwischen Spannkraft und Losgelassenheit – Yoga als Ausgleichsport für Reiter“ oder „Rehabilitation des Reiters nach Verletzung“.
Was ist „DressurFit®“?
Das Online-Fitnessprogramm entwickelte Sportwissenschaftler Marcel Andrä aus Dachau gemeinsam mit Jessica von Bredow-Werndl und Benjamin Werndl. Dem zwölfwöchigem Trainingsprogramm geht ein Test voran, um den aktuellen Zustand zu definieren, um daran später Fortschritte zu notieren. Basierend auf den Testergebnissen werden individuelle Übungen und ein Trainingsprogramm geliefert, was zuhause, im Stall oder im Büro machbar ist. Weiterhin gibt es Aufbau-Programme und einen Rückbildungskurs für junge reitende Mütter. Persönliche Mitglieder der FN erhalten einen Rabatt von 25 Euro für das 12-Wochen-Programm: pferd-aktuell.de/pm-vorteil
Regelmäßiges Dehnen macht die Muskulatur beweglicher.
Gymnastikmatten sollten eigentlich an jeder Reitanlage bereitstehen – die Realität sieht anders aus.
Es lebe der Sport!
- Krafttraining im Fitnessstudio oder mit dem eigenen Körpergewicht, funktionelles Training: Gut für einen ausdauernden aufrechten Sitz und Rückenschmerz- Prophylaxe. Beispiele: Liegestütz (auch die softe Form gegen eine Wand), Sit-ups und Unterarmstütz kräftigen die Rumpfmuskulatur.
- Yoga: gut für Atmung, Körperbeherrschung, Beweglichkeit
- Pilates: Powerhouse, eine stabile Körpermitte, ebenfalls Rückenschmerzprophylaxe • Gleichgewichtsübungen: für den Gleichgewichtssinn im Sattel und zum Training der Tiefenmuskultaur
- Hula Hoop, Flexi Bar/Schwingstab: Rumpf- und Rückenmuskulatur, Beckenboden • Seilspringen: Kondition
- Laufen: Ausdauer, gut für Lunge und Herz, für Rücken- und Beinmuskeln • Schwimmen: Ausdauer, fordert alle Muskeln, gelenkschonend
- Radfahren: Ausdauer, Beinkraft
- Tanzen: Körpergefühl, Taktgefühl, Koordination, bewegliches Becken
- Ballsportarten: Teamgefühl, gute Abwechslung
Die Jugend im Blick
„Im Herbst 2023 haben wir zum ersten Mal in Kooperation mit dem Landessportbund Nordrhein-Westfalen einen Lehrgang zum Athletiktrainer im Kinder- und Jugendnachwuchsleistungssport durchgeführt. Dort haben vier verschiedene Referenten aus den Sportarten Basketball, Leichtathletik, Rudern und Turnen ihre Methoden zum Grundlagentraining für Kinder und Jugendliche vorgestellt“, erzählt Judith Schleicher. So viel zu jenseits des Tellerrandes. „In vielen Reitvereinen wird kein Grundlagentraining für Kinder angeboten, so dass motorische Grundfertigkeiten wie zum Beispiel Laufen, Springen, Werfen, Hangeln und so weiter eben nicht gefördert werden“, findet die Verbandsangestellte.
Bunt und lohnenswert
Es ist also Bewegung angesagt: Jede Reiterin und jeder Reiter wird profitieren. Genau wie die Pferde. Und für die Reitvereine öffnen sich ganz neue Ideen, Unternehmungen auf die Beine zu bringen: Yogakurse, Lauftreffs, eine Kooperation mit den Voltigierern, um gemeinsam zu turnen, Hobby Horsing für die Kinder – gut, dass der Reitsport und das Vereinsleben so bunt sein können. Mal ehrlich: Am Ende lohnt es sich für alle.
Cornelia Höchstetter
Auch bei den jüngsten Reitern ist es sinnvoll, ein kindgerechtes Sport- und Aufwärmprogramm in den Reitunterricht zu integrieren. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv
Auch Bewegungsstühle helfen, Muskulatur, Balance und damit den Reitersitz zu verbessern. Foto: Sabine Heüveldop
Beispiele aus den Reitvereinen
- Ein gutes Beispiel für viel Bewegung und das Training verschiedener Sportarten ist der Vierkampf (Dressur, Springen, 2.000 oder 3.000 Meter Laufen, Schwimmen 50 Meter Freistil), der in vielen Vereinen bundesweit angeboten wird – 2023 fand erstmals die Deutsche Meisterschaft Vierkampf statt. Kerstin Popp ist Jugendleiterin im Verband der Reit- und Fahrvereine Frankens und erzählt von der Beliebtheit – der Reit- und Fahrtverein Herrieden zum Beispiel integriert den Vierkampf in das jährliche Reitturnier. Auch Erwachsene nehmen am Vierkampf teil. Einige der jugendlichen Vierkämpfer finden dank ihrer guten Grundkondition auch in den Vielseitigkeitssport.
- Ein echter Vorzeigeverein ist der Reit- und Fahrverein Uranus Remlingen aus Bayern. Sofie Stollberger erzählt vom wöchentlichen Treffen von rund 20 Reitern, um sich fit zu machen: „DressurFit, Aerobic, Step Aerobic, Joggen oder generell nur Übungen für die Muskeln, welche auch beim Reiten beansprucht werden. In der Gruppe macht es einfach viel mehr Spaß und es ist von klein bis groß für jeden immer was dabei.“ Die Idee ist gut: Jeder zahlt einen kleinen Betrag für den Trainer und im Winter bucht der Verein einen Raum im Dorfhaus.
- Gelegenheiten nutzen: Lauftreff im RFV Südlohn-Oeding im Münsterland – Tanja Dienstbier ist die Voltigierbeauftragte und erzählt: „Direkt an unserer Reitanlage findet wöchentlich ein Lauftreff eines eigenen Vereins statt, da joggen inzwischen einige Reiter mit.“
- Fitnessexperten aus den eigenen Reihen rekrutieren: Das ist die Idee aus dem niedersächsischen Reitverein Hagen im Bremischen. Die Reitlehrerin Britta Grollimund kommt selbst aus dem Vierkampf und weiß um die Wichtigkeit von Ausgleichssport. So bietet eine Vereins-Physiotherapeutin einmal im Jahr eine Yoga-Kurs an. „Das ist zumindest mal ein Anlass, die Reiter zu sensibilisieren und aus jedem Kurs geht dann die ein oder andere regelmäßig zum Yoga – das Feedback höre ich oft in der Reitstunde – dass sich nach dem Yoga etwa die Hüfte beweglicher anfühlt.“
Routine und feste Termine
Den inneren Schweinehund hält man am besten mit Routine im Zaum: Jeden Morgen fünf Minuten ausgesuchte Übungen auf der Turnmatte, die am besten griffbereit am Boden liegt. Danach die bewegten Minuten in den Kalender eintragen, als Erfolgserlebnis abbuchen. Wer sich alleine schwer aufraffen kann, sollte feste Trainingszeiten nutzen: Fitnesstudios bieten neben dem Kraft- Gerätepark auch Gymnastik, Rückengymnastik, Yoga oder andere Kurse an. Wer die Fitnessstudio- Atmosphäre scheut, kann sich bei Physiotherapeuten umhören: Immer mehr Praxen bieten einen Gymnastik- und Kraftraum an, mit betreutem Training, das sich monatsweise buchen lässt. Volkshochschulen veranstalten ebenfalls Sportkurse, örtliche Sportvereine haben inzwischen Gymnastik oder Rückentraining im Programm. Viele Krankenkassen bezuschussen Sportkurse oder schreiben Kurse aus für Fitness, Kraft, Rückengymnastik oder ähnliches. Wer gesundheitliche Probleme mit Knie, Hüfte, Übergewicht, Rücken usw. hat, kann sich (als Angestellter) bei der Deutschen Rentenversicherung nach dem Präventionsprogramm „RV fit“ erkundigen: deutsche-rentenversicherung.de
Buchtipp
„Fit in der Reithose. Beweglich für unsere Pferde“
Corinna Nerz ist Sportwissenschaftlerin und stellt mit ihren Mitautoren die Frage: Wie beweglich sind Sie verglichen mit Ihrem Pferd? Das Paperback-Buch dreht sich um die Notwendigkeit eines gezielten Trainings für Reiter und zeigt Übungen zum Nachmachen. Eine wissenschaftliche Betrachtung von Grundlagentraining und Anatomie, mit vielen Tests, Übungen und praktischen Tipps: Kraftübungen im Stall (Ausfallschritt beim Sporen-Anziehen!), mit Berücksichtigung gesundheitlicher Probleme. Außerdem bietet die Autorin ausführliche Problemanalysen aus Sicht einer Pferdephysiotherapeutin, eines Ausbilders und einer Bewegungswissenschaftlerin.
Corinna Nerz, Jörg Jacobs, Helle Katrine Kleven: „Fit in der Reithose. Beweglich für unsere Pferde“. FNverlag, ISBN 978-3-88542-376-8, 17 Euro
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