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Im Fokus: Nachhaltigkeit im Pferdesport

Persönlichkeiten der Pferdeszene: Dieter Kröhnert

Ein Mann, vier Hufe

Dieter Kröhnert ist Hufschmied mit Leib und Seele. Er hat sich jahrzehntelang um die deutschen Championatspferde gekümmert und steht seinen Kunden aus der Umgebung mit Rat und Tat zur Seite. Ein Pferd aufgeben? Kommt für ihn nicht in Frage!

Alle Fotos: Jacques Toffi

Ein lautes, gleichmäßiges Rauschen bestimmt das Geschehen. Es glüht und zischt in der Esse – dem Ofen, in dem Dieter Kröhnert die Hufeisen erhitzt, die er dann den Pferden anpasst und aufnagelt. Die Schmiede auf dem Hof Kastanienallee in Ellerhoop nördlich von Hamburg ist sein Reich, und das seit 37 Jahren. Der Anbindebereich ist ausgelegt mit Gummiboden. Amboss, Esse und Hufzange sind in Griffnähe. Im Nebenraum hängen etliche Hufeisen zur Weiterverarbeitung an der Wand, auch in den Wandregalen stapeln sich Eisen in allen Größen.

Von 1990 bis 2022

Gespräche sind bei dem Geräuschpegel der Esse eher laut als leise. Dabei ist Dieter Kröhnert – große hagere 67 Jahre, das Wetter und die körperliche Arbeit im Gesicht – kein Mann der lauten Worte. Ins Rampenlicht stellt er lieber die Pferde. „Ich habe mir nie angemaßt, dass ich irgendwas besser mache als andere“, betont der Hufexperte, der über 30 Jahre lang für das Deutsche Olympiade-Komitee für Reiterei (DOKR) gearbeitet und sich um die deutschen Championatspferde gekümmert hat. Er reiste gemeinsam mit ihnen zu den großen Turnierplätzen und war mit seiner mobilen Schmiede unter anderem bei insgesamt neun Weltmeisterschaften und acht Olympischen Spielen dabei, erstmals 1990 bei der WM in Stockholm (Schweden) und zuletzt bei den Weltmeisterschaften in Herning (Dänemark) und Pratoni (Italien) vergangenes Jahr. Als „Medaillen-Schmied“ bezeichnete ihn Bundestrainer Otto Becker in seiner Laudatio, als Dieter Kröhnert mit dem Deutschen Reiterkreuz in Silber ausgezeichnet wurde. „Ich habe bei den Championatspferden nur dafür gesorgt, dass sie weiterlaufen, alles andere haben die Heim-Schmiede gemacht.“ Das schönste Championat waren für den Schmied die Olympischen Spiele in London 2012, die Unterkünfte seien traumhaft gewesen, die Mannschaft war toll, das sei unglaublich gewesen, sagt er. „Die Gemeinschaft auf dem Championaten war immer toll, wir Schmiede hatten immer sehr engen Kontakt.

Die Familie Kröhnert hält zusammen: Dieter mit seinen Söhnen Alexander und Timothy.

Mit Ehefrau Susi und gerahmter Detailfotografie von Jacques Toffi.

Pferd im Mittelpunkt

Auge und Gefühl – das sind die beiden Komponenten, mit denen Dieter Kröhnert arbeitet. Das Pferd steht dabei für ihn immer im Mittelpunkt. Sein Credo: Das Pferd muss begutachtet werden. Jedes Pferd wird im Schritt und Trab vorgeführt, vor und nach (!) dem Beschlagen. Und jedes Pferd muss lahmfrei den Hof wieder verlassen. Er habe noch nie ein Pferd aufgegeben, betont Dieter Kröhnert. Nur einmal hat er von einem Pferd die Finger gelassen, ein Rehepferd, das kurz vor dem Ausschuhen war.

Harter Arbeit zum Trotz

Die Arbeit in der Schmiede zehrt am Körper, „Hufbeschlag ist ein langer Tag. Pferde kann man nicht wegstellen wie ein Auto, das repariert wird.“ Kröhnert, dessen persönliche Hufzange so alt ist wie sein Betrieb, geht regelmäßig schwimmen, um Rückenschmerzen vorzubeugen, er bückt sich rückenschonend und trägt bei kalten Temperaturen eine beheizbare Winterjacke. Er sagt: „Ich liebe meinen Beruf einfach, weil ich Pferde mag. Ich liebe es, das heiße Eisen in der Hand zu halten. Und ich freue mich, wenn das Pferd beschlagen ist und gut laufen kann. Man muss was über haben für das Pferd. Wenn wir ein lahmes Pferd bekommen und es wieder laufen kann, das ist traumhaft.“ Er geht kurz in sich: „Wenn ich die Wahl hätte, ich würde nichts anderes machen wollen.“

Große Hände

Was einem an Dieter Kröhnert sofort auffällt, sind seine Hände. Sie sind von der Arbeit in der Schmiede gezeichnet, leicht mit Ruß bedeckt – und sie sind vor allem: sehr groß. Bei Kröhnert scheint zu gelten: viel Hand, viel Platz für einen Huf und vor allem viel Gefühl. Die Dimension seiner Hände war es auch, die dem 67-Jährigen seinen ursprünglichen Berufswunsch verwehrt hat. In seiner Jugend wollte Dieter Kröhnert eigentlich Jockey werden, doch ihm wurde gesagt, seine Hände seien dafür zu groß. Dann versuchte er sich in einer Ausbildung zum Berufsreiter, doch er fiel zu oft herunter und sein Lehrmeister meinte, er solle lieber etwas anderes machen. So fand Dieter Kröhnert seinen Beruf – und seine Berufung. Eine Stelle in der Schmiede von Werner Elberich in Schenefeld bei Hamburg wurde frei und als er 17 Jahre alt war, absolvierte Kröhnert die Ausbildung zum Schmied mit der Fachrichtung Hufbeschlag.
Später übernahm er Elberichs Betrieb, bevor er mit seiner Frau Susanne 1985 nach Ellerhoop zog, den Hof kaufte, mit viel Zeit und Arbeit renovierte und seine Schmiede aufbaute. Auf dem Hof gibt es auch Boxen, Paddocks und Weiden für 15 Pferde. In seiner Freizeit sammelt Dieter Kröhnert alte Trecker und Oldtimer, die er wieder herrichtet. In seiner Garage stehen allerlei motorisierte Untersätze, vom E-Bike über Segway und E-Scooter bis hin zu einem VW-Käfer und Porsche.

Mobile Schmiede mal anders.

Anfangsjahre: Ein Bild aus dem Jahr 1976.

Jung und abenteuerlustig 1992 am Rande des Hamburger Derbys.

Handwerk im Wandel

Das Schmiedehandwerk hat sich im Laufe der Zeit verändert, ist viel moderner, digitaler geworden, mit Schablonen und Messgeräten. „Das Digitale ist nichts für mich, mit meinen dicken Fingern drücke ich sowieso immer zwei Tasten gleichzeitig“, kann Kröhnert über sich selbst lächeln. Er verlässt sich lieber auf seine Erfahrung und sein Auge. Auch die Probleme der Pferde haben sich verändert. „Die harten, schnellen Böden machen viel kaputt. Früher hatten wir gewachsene Böden, die boten Gleitschutz. Der Boden heute bremst, das geht aufs Gelenk. Wir bekommen viele hufgelenkskranke Pferde. Die Hufgelenke sind überbeansprucht. Die Pferde brauchen einen Spezialbeschlag, damit bringt man die Fläche zum Tragen und zum schnellen Abrollen.“ Wenn er ein paar ruhige Minuten hat, macht er sich Gedanken, wie er dieses oder jenes Problem von einem seiner Pferde lösen kann. Auf einem Rückflug von einem Championat überlegte er sich, eine Gummiplatte für die Hufe in der Mitte mit einem Gitter zu versehen, damit sie beweglich ist und die Trachten sich nicht abnutzen wie bei einer herkömmlichen Platte.

Liebling Metti

Als Schmied hat Dieter Kröhnert die ganze Welt bereist. Nicht nur mit den deutschen Championatspferden, auch um „normale“ Pferde zu beschlagen. Er war unter anderem in Aserbaidschan, um einem Mann mit acht Leibwächtern seine Holsteiner Springpferde zu beschlagen. Dieter Kröhnert erzählt: „Dort war ein Haus, mitten im Nirgendwo, umgeben von einem drei Meter hohen Zaun, mit drei Stockwerken. Oben war das Wohnhaus, in der Mitte die Reithalle und im Keller standen die Pferde. Verrückt war das. Den Amboss hatten sie mir auf den Boden gestellt, da habe ich erst einmal gesagt, das geht so nicht.“ Das Reisen wurde irgendwann zu stressig und Kröhnert wollte lieber zu Hause arbeiten – da, wo seine Kunden sind. Fragt man ihn nach seinem Herzenspferd, sagt er ohne nachzudenken: „Das ist Metti, ein Kundenpferd. Er hatte eine hohle Wand. Wir haben fast den ganzen Fuß abgetragen und mit allem, was es gibt, wieder zusammengeflickt. Jetzt kann er wieder geritten werden… Das ist der Grund, meine Motivation, warum ich meinen Beruf ausübe.“

Vater und Sohn

Geboren ist Dieter Kröhnert in Schönberg bei Kiel, als eines von sechs Kindern. Sein Vater hat im landwirtschaftlichen Bereich gearbeitet und pflügte mit Pferden den Acker. Gemeinsam brachten sie ihnen mittags etwas zu fressen. So kam Dieter Kröhnert mit drei Jahren das erste Mal mit Pferden in Kontakt und er blieb ihnen als Einziger in der Familie verbunden. Er fing an zu reiten und blieb dabei bis ins Alter. Seine Leidenschaft galt immer der Vielseitigkeit. Seine Frau, die ursprünglich aus England stammt und mit der er zwei Söhne hat, lernte er über das Reiten kennen. Sie war früher eine im ländlichen Bereich erfolgreiche Springreiterin.

Auch heute würde sich Dieter Kröhnert noch gerne in den Sattel schwingen, seine Krebserkrankung macht ihm allerdings einen Strich durch die Rechnung. Die Diagnose bekam er vor fünf Jahren und sie stellte das Leben der Familie erst einmal auf den Kopf. „Seitdem weiß ich, wie schön es ist zu leben.“ Für die Schmiede fiel er vorübergehend aus und sein Sohn Timothy, Tim oder auch Timmi, übernahm vertretungsweise die täglich anfallenden Aufträge. Auch Sohn Alexander, Tierarzt der Tierklinik Lüsche in der Außenstelle Pinneberg bei Hamburg, sprang für ein paar Monate mit ein. Beide haben das Schmiedehandwerk gelernt. Tim betreibt die Schmiede auch weiterhin gemeinsam mit seinem Vater, unterstützt ihn, wo er kann. „Er ist jetzt schon so gut wie ich“, sagt Kröhnert nicht ohne Stolz. Der 28-jährige Tim lebt mit Frau und Kind auch auf dem Hof. Der Enkel, der gerade angefangen hat zu laufen, hat auch schon seine eigene Schmiedeschürze – nicht nur die nächste, sondern sogar die übernächste Generation ist also schon gesichert.

Mit Sohn Timothy im Sommer 2021. „Tim“ betreibt die Schmiede mittlerweile mit ihm gemeinsam.

Die nächste Generation Hufschmied? Enkel Charly „hilft“ und staunt zumindest schonmal.

Mit heißen Eisen

Über seinen Vater sagt Tim: „Egal, welches Pferd er sieht, er weiß immer sofort, was er zu tun hat, er hat immer einen Plan. Es fasziniert mich, dass er jedes Pferd ins Laufen bekommt. Er hat einfach so viel Erfahrung und Gefühl – auch weil er vieles ausprobiert hat. Er hat sich zum Beispiel früher immer so hingestellt, wie das Pferd steht und nachgefühlt, was das Pferd fühlt. Und er hat einem toten Pferd das Bein abgeschnitten und genau geschaut, was der Grund für den Tod war. Diesen Perfektionismus habe ich von ihm gelernt.“ Während Fotograf Jacques Toffi das Setting für sein Motiv vorbereitet, das er von Dieter Kröhnert im Kopf hat, und Tim ihn mit vollem Körpereinsatz unterstützt – Amboss verrücken, Hufeisen zum Dampfen bringen – geht Dieter Kröhnert gedankenverloren nach draußen. Für das Bild kann er dann das machen, was er am liebsten tut: mit heißen Eisen hantieren.

Olympische Spiele 2000 in Sydney. Dieter Kröhnert kümmert sich um die Hufe von Lars Niebergs Esprit FRH.

Heißes Pflaster 1996 bei den Olympischen Spielen in Atlanta.

Pferd ist Pferd

Einen guten Schmied macht aus, dass das Pferd wichtiger ist als das Geld – mit dieser Haltung tritt Dieter Kröhnert tagtäglich seine Arbeit an. „Jedes Pferd ist gleich. Für mich spielt es keine Rolle, ob ich mich um ein Championatspferd kümmere oder um Metti.“ Er sagt aber auch, dass die Ausbildung der Hufschmiede besser werden muss, weil es kein klassischer Lehrberuf ist, sondern nur als Schwerpunkt gelernt werden kann. „Der Reitsport ist ohne Schmiede nichts wert. Auch wenn jetzt mehr das Barfuß kommt, das kann nicht jedes Pferd. Das Wichtigste, das es gibt, sind die Füße. Das muss noch mehr ins Bewusstsein! Da werden Reitanlagen für Millionen gebaut, auf denen der Behandlungsplatz für den Tierarzt selbstverständlich eingeplant, aber der Schmiedeplatz vergessen wird. Und am schlimmsten sind die Leute, die auf der Stallgasse mit der Schubkarre vorbei wollen, wenn wir am Arbeiten sind.“

Zu Ruhm und Ehr

Die Wände in Dieter Kröhnerts Schmiede sind behangen mit Plakaten, Plaketten und Teilnahmezertifikaten der Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften. Dazwischen sind etliche Urkunden zu finden. 2015 wurde Dieter Kröhnert von der FN mit dem Deutschen Reiterkreuz in Bronze geehrt, letztes Jahr kam dann das Silberne dazu. Er wurde von der FN mit der Goldenen Plakette „Für hervorragende Leistungen in Pferdehaltung und Pferdepflege“ ausgezeichnet und „The Worshipful Company of Farriers“ – die ehrenvolle Gesellschaft der Hufschmiede – hat seinen Einsatz in London beurkundet. Der neue Championatsschmied bei der FN heißt Michel Beermann – er hat bei Dieter Kröhnert gelernt und gearbeitet.

Laura Becker

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