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Persönlichkeiten der Pferdeszene: Dieter Kröhnert
Exterieur und Reitlehre: Zusammenhänge erkennen
Langer Rücken, kurzer Hals – Wenn der Körperbau zur Herausforderung wird
Ein Pferd richtig zu beurteilen, erfordert ein geschultes Auge und viel Erfahrung. Die Beurteilung ist jedoch wesentlich für die korrekte Ausbildung und gesunderhaltendes Reiten, denn zwischen Körperbau, Reiteigenschaften und Leistungsvermögen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Das PM-Forum hat mit Experten gesprochen: Wann wird der Körperbau zur Herausforderung und wie lassen sich Mängel durch angepasstes Training ausgleichen?
Ein Kopf, vier Beine und doch so unterschiedliche Körperformen. Fotos (16): Christiane Slawik
Den Körperbau eines Pferdes zu beurteilen, beruht auf strengen Richtlinien und Maßstäben, die zum Beispiel in den Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 4, nachzulesen sind. In diesen ist auch das Rahmenzuchtziel des Deutschen Reitpferdes definiert. Dort heißt es: „Gezüchtet wird ein edles, großliniges, gesundes und fruchtbares Pferd mit schwungvollen, raumgreifendenden, elastischen Bewegungen, das aufgrund seines Temperaments, seines Charakters und seiner Rittigkeit für Reitzwecke aller Art geeignet ist.“
Diesem Rahmenzuchtziel haben sich alle deutschen Warmblutzuchtverbände verschrieben, was dazu geführt hat, dass alle deutschen Warmblüter mehr oder weniger gleiche Merkmale aufweisen. Ohne einen Blick in den Pass lassen sich die einzelnen Rassen nicht mehr so einfach auseinanderhalten. Und das ist auch gut so, denn die modernen Warmblüter verfügen über einen harmonischen Körperbau, der die Ausbildung erleichtert und das Reiten zum Genuss werden lässt. Deutliche Defizite im Exterieur sind selten geworden, kleinere Mängel kommen aber natürlich immer noch vor. Und diese können Einfluss auf die Reiteigenschaften nehmen.
Exterieur als Herausforderung
Einer, der es aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen wissen muss, ist Christoph Hess. „Ich gucke mir das Pferd erstmal als Ganzes an und versuche, eine Idee von ihm zu bekommen, dabei spielen der Charakter und das Interieur eine wesentliche Rolle. Ich schaue mir aber auch den Reiter genau an und letztlich das Reiter-Pferd-Paar gemeinsam. Es geht immer um die Symbiose! Deshalb würde ich Abstand davon nehmen, dass das Exterieur ein Pferd limitiert. Vielmehr ist es schlechtes Reiten, das limitiert“, erklärt der FN-Ausbildungsbotschafter. Er fährt fort: „Ich kann aus jedem Pferd das Bestmögliche herausholen, wenn ich die Ruhe und die Erfahrung habe.“ Der Schwerpunkt der modernen Sportpferdezucht lag in den letzten Jahren vorrangig darauf, Bewegungsabläufe bei Pferden zu verbessern – sei es am Boden oder über dem Sprung. Das macht vieles einfacher, trotzdem ist das Ziel der reiterlichen Ausbildung nach wie vor die systematische Gymnastizierung des Pferdes. Nur dann kann das Pferd sein Gleichgewicht unter dem Sattel finden und eine gute Muskulatur entwickeln. Ein gewisses anatomisches und biomechanisches Basiswissen sollte sich daher jeder Reiter aneignen, um sein Pferd gesunderhaltend ausbilden und reiten zu können.
Reitlehre als Schlüssel
Die klassische Reitlehre mit ihrem Herzstück, der Skala der Ausbildung, bietet für die Ausbildung aller Pferde einen seit Jahrhunderten bewährten Rahmen. Das Ausbildungssystem beruht auf der Natur des Pferdes, seinen natürlichen Veranlagungen und Verhaltensweisen. Und es berücksichtigt auch die individuellen Gegebenheiten des einzelnen Pferdes, denn gegen das Interieur und das Exterieur kann Ausbildung langfristig nicht pferdegerecht sein. Vielmehr müssen die Übungen so gewählt werden, dass sie die Stärken hervorheben und die Schwächen ausgleichen – so wird mentale oder physische Überforderung im Ausbildungsprozess vermieden. Druck, Zwang oder Gewalt sind nie geeignete Mittel, um dem Pferd etwas beizubringen.
Pferdetypen
Pferde werden allgemein in den linearen und den lateralen Typ eingeteilt. Zwar ist der Körperbau bei allen Pferden grob gesehen grundsätzlich erstmal identisch, dennoch gibt es natürlich Unterschiede, die sich auf die Reiteigenschaften auswirken, insbesondere im Format. „Pferde des linearen Typs weisen eine längsrechteckige Körperform auf. Man findet sie vor allem in der Vollblutzucht, aber auch in der modernen Dressur- und Springpferdezucht. Diese Pferde weisen lange Beine, eine lange Fesselung und einen langen Rücken auf. Sie sind zum einen für schnellen Galopp ausgelegt, zum anderen aber auch für besonders schwingende Bewegungsabläufe, wie man sie sich in der Dressur wünscht“, erläutert Pferdephysiotherapeutin und FNverlags-Buchautorin Helle Katrine Kleven. „Dagegen stehen Pferde im lateralen Typ eher in einer Quadratform. Diese Pferde weisen kurze Röhren und eine kurze Fesselung auf, sie haben also einen deutlich geringeren Katapulteffekt und von Natur aus einen verkürzten Rahmen. Sie bewegen sich im Vergleich mit weniger Raumgewinn.“ Dieses Quadratformat ist besonders bei Kaltblütern, aber auch bei iberischen Pferden zu finden.
Pferdetypen
Pferde werden allgemein in den linearen und den lateralen Typ eingeteilt. Zwar ist der Körperbau bei allen Pferden grob gesehen grundsätzlich erstmal identisch, dennoch gibt es natürlich Unterschiede, die sich auf die Reiteigenschaften auswirken, insbesondere im Format. „Pferde des linearen Typs weisen eine längsrechteckige Körperform auf. Man findet sie vor allem in der Vollblutzucht, aber auch in der modernen Dressur- und Springpferdezucht.
Pferde im linearen Typ weisen ein langrechteckiges Format auf. Diesen Typ findet man in der Regel bei Vollblütern und modernen Sportpferden.
Diese Pferde weisen lange Beine, eine lange Fesselung und einen langen Rücken auf. Sie sind zum einen für schnellen Galopp ausgelegt, zum anderen aber auch für besonders schwingende Bewegungsabläufe, wie man sie sich in der Dressur wünscht“, erläutert Pferdephysiotherapeutin und FNverlags-Buchautorin Helle Katrine Kleven. „Dagegen stehen Pferde im lateralen Typ eher in einer Quadratform. Diese Pferde weisen kurze Röhren und eine kurze Fesselung auf, sie haben also einen deutlich geringeren Katapulteffekt und von Natur aus einen verkürzten Rahmen. Sie bewegen sich im Vergleich mit weniger Raumgewinn.“ Dieses Quadratformat ist besonders bei Kaltblütern, aber auch bei iberischen Pferden zu finden.
Exterieur und Bewegung
Alle Gebäudemerkmale werden in veränderbare und feste Strukturen unterteilt. Veränderbare Strukturen meinen in erster Linie Muskeln, die durch entsprechendes Training verändert werden können. „Das muss uns als Reiter klar sein! Werden Pferde über einen längeren Zeitraum falsch geritten, kann dadurch das Exterieur negativ beeinflusst werden“, appelliert Helle Katrine Kleven. Feste Strukturen hingegen beziehen sich vor allen Dingen auf den Rahmen, die Rückenlinie, die Stellung der Extremitäten und die Halsung. Diese Exterieur-Merkmale sind dem Pferd von Geburt an vorgegeben und müssen in seiner Ausbildung stets berücksichtigt werden. Dabei spielt bei der Beurteilung eines Pferdes der spätere Einsatz eine wichtige Rolle: Springpferde haben andere Exterieur-Merkmale als Dressurpferde, Rennpferde andere als Zugpferde.
Die Rückenlinie
Als Ideal wird ein genügend langer und geschwungener Rücken angesehen. Der lange und weit in den Rücken hineinragende Widerrist schafft eine gute Sattellage. Als fehlerhaft sind hier Senkrücken und Karpfenrücken zu
beurteilen.
Senkrücken
Bei Pferden mit durchhängender Rückenlinie ist umgangssprachlich von einem Senkrücken die Rede. Dieser entsteht meist dann, wenn die Bauchmuskeln zu schwach ausgebildet sind. Die Gefahr von sich berührenden Dornfortsätzen steigt und das gesunde Tragen des Reitergewichts ist fast nicht möglich. „Senkrücken können einerseits natürlich genetisch bedingt sein, andererseits kann aber auch unpassendes Equipment als Auslöser in Betracht gezogen werden und natürlich eine falsche Reitweise, wenn die Bauchmuskulatur zu wenig trainiert ist“, beschreibt Kleven, die auch schon Pferde bei den Olympischen Spielen physiotherapeutisch begleitet hat. Auch bei alten Pferden ist häufig ein Senkrücken als Folge von Abschwächung der Bauchmuskeln zu beobachten. m Training sollte die Bauchmuskulatur gezielt angesprochen werden. Daher empfiehlt es sich, Pferde mit nicht optimaler Rückenlinie viel im Gelände und dort im leichten Sitz und viel im Trab und im Galopp zu arbeiten. Besonders wertvoll: Beim Galoppsprünge verlängern werden die Rückenmuskeln durch den größeren Durchsprung gedehnt, gleichzeitig die Bauchmuskeln gekräftigt. Wichtig ist dabei genügend Länge im Hals und ein weiter Rahmen für das Ausbalancieren. Auch auf dem Reitplatz steht der Galopp auf großen, gebogenen Linien im Fokus, während das Schrittreiten mit Reitergewicht für Pferde mit Rückenproblemen nicht zu lange ausgedehnt werden sollte. Hier bietet sich das Führen eher an. „Auch Stangen- und Cavalettiarbeit ist sehr wertvoll. Wir machen das viel zu wenig mit den Pferden. Es fördert die Balance, den Takt, die Pferde müssen sich stabilisieren – es kommt der gesamten Biomechanik zugute“, empfiehlt Helle Katrine Kleven.
Kurzer Rücken
Pferde im lateralen Typ haben meist einen eher quadratischen Rahmen. Ihnen fallen versammelnde Lektionen besonders leicht. Schwierig ist bei diesen Pferden allerdings das Erreichen der Losgelassenheit und der Schubkraft. Auch die Längsbiegung fällt quadratischen Pferden häufig schwer. Hier sollte der Reiter besonderes Augenmerk auf eine systematisch gestaltete Lösungsphase legen.
Iberische Pferde und Kaltblüter stehen meist im lateralen Typ.
Das Pferd muss ausreichend Zeit haben, sich zu dehnen. „Ich habe schon oft gesehen, dass diese Pferde bereits sehr früh versammelnd geritten werden, einfach weil sie es anbieten. Aber das ist die falsche Herangehensweise! Ich muss erst einmal die gesamte Muskulatur dehnen. Deswegen sollte der Schwerpunkt immer auf gymnastizierender Arbeit liegen. Ich muss meinem Pferd eine Dehnungshaltung in positiver Spannung ermöglichen“, erklärt Christoph Hess. Übergänge, große gebogene Linien und häufiges Zügel-aus-der- Hand-kauen-lassen helfen dem Reiter beim Aufbau der Arbeit und bieten gute Möglichkeiten zur Überprüfung der Dehnungsbereitschaft.
Langer Rücken
Pferde mit langem Rücken sind oft angenehm zu sitzen und bringen Elastizität und Schwung mit. Die Bewegungen sind raumgreifend und schwingend, die Längsbiegung ist gut zu erarbeiten. Allerdings wird es ihnen schwerfallen, sich zu versammeln und Last aufzunehmen. „Ein langer Rücken ist erstmal positiv, gerade wenn ich an die Seitengänge denke. Hier geht es aber nicht nur um die Länge des Rückens, sondern auch um die Aktivität des Hinterbeins. Nur dann kann sich das Pferd von hinten schließen. Entsprechend der Biomechanik hängen alle Strukturen miteinander zusammen, ich muss alles betrachten“, erklärt Christoph Hess. Er fährt fort: „Wichtig ist, dass das Pferd eine gute natürliche Balance hat. Da ist es egal, ob es groß oder klein ist, einen kurzen oder langen Rücken hat. Das sieht man wunderbar an der Longe am Halfter, ob das Pferd natürlich im Handgalopp galoppiert oder immer in den Kreuzgalopp springt. Um das Pferd in der Arbeit dann zu schließen, würde ich immer das Schulterherein als Ansatz nehmen, weil das innere Hinterbein auf das äußere Vorderbein arbeitet und dadurch vermehrt unter den Schwerpunkt fußen muss. Das muss ich aber natürlich auf beiden Händen machen.“
Friesen haben von Natur aus einen sehr hohen Halsansatz.
Die Halsform und der Halsansatz sind wichtige Merkmale des Reitpferdes und in der Gestaltung der Ausbildung unbedingt zu berücksichtigen.
Die Halsung
Der gute Halsansatz soll hoch genug und nicht allzu breit sein, dabei sollte die Oberhalslinie nach oben gewölbt und die Unterhalsmuskulatur nicht zu stark ausgeprägt sein. Ein sich zum Ansatz hin verjüngendes Genick erleichtert die Anlehnung und die Erarbeitung der Längsbiegung. Diese Merkmale sind für die Ausbildung des Pferdes und auch seine Reiteigenschaften hinsichtlich Durchlässigkeit und Versammlung entscheidend.
Langer Hals
„Lange Hälse erfordern sehr viel Feingefühl und einen Reiter, der handunabhängig und in Balance sitzt. Das Pferd muss sich nach vorne öffnen und an das Gebiss herantreten. Das braucht viel Zeit und muss sich entwickeln und ich muss einen guten Ausbilder an der Hand haben. Pferde mit langem Hals geben dem Reiter zwar ein gutes Gefühl, weil sie im Genick sehr nachgiebig und in der Hand sehr weich sind, oftmals kommen sie dadurch aber viel zu tief. Die Gefahr eines falschen Knicks ist groß, und das lässt sich später nur schwer korrigieren. Lösende Übungen sollten im Fokus stehen, große Linien, viele Übergänge, damit sich das Pferd selbst an das Gebiss herandehnt. Ein langer Hals braucht Zeit, einen guten Ausbilder von unten und einen feinfühligen Reiter“, sagt Christoph Hess.
Kurzer Hals
Ein kurzer Hals zeigt sich oft mit einer starken Muskulatur und eher wenig Ganaschenfreiheit. „Bei solchen Pferden muss ich die Oberhalslinie dehnen, also viel in Dehnungshaltung reiten, oft die Zügel aus der Hand kauen lassen und immer wieder überstreichen. Gut geeignet sind auch Cavaletti und Gymnastiksprünge, aber auch die Arbeit im Gelände“, beschreibt Christoph Hess. Ein kurzer Hals ist auch deshalb ungünstig, da er nicht optimal als Balancierstange fungieren kann und das Pferd somit an Gleichgewicht einbüßt. Daher ist es für das Wohlbefinden des Pferdes unter dem Reiter besonders wichtig, dass es mit möglichst offenem Ganaschenwinkel und genügend Länge im Hals gearbeitet wird und lernt, sich vertrauensvoll an das Gebiss heranzudehnen.
Stangen- und Cavalettiarbeit ist sehr wertvoll, die Pferde müssen sich stabilisieren und das kommt der gesamten Biomechanik zugute. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv
Trabarbeit ist Rumpfträger-Arbeit. Am besten in Dehnungshaltung, bei der sich das Pferdemaul in Bughöhe befindet. Außerdem eignet sich die Arbeit an der Longe, auch gepaart mit Stangen oder Cavalettis.
Die Arbeit im Gelände ist für alle Pferde wertvoll. Auch bei nicht optimalem Exterieur kann so die Ausbildung sehr gut unterstützt werden.
Die Extremitäten
Neben Halsung und Rücken spielt in der Exterieurbeurteilung vor allem die Stellung der Gliedmaßen eine entscheidende Rolle. „Bei der Beurteilung darf man aber nie vergessen, dass alle Strukturen zusammenhängen. Mängel an einer Stelle haben immer Einfluss auf andere Strukturen oder sind sogar die Folge falscher Reitweise. Gerade die Extremitäten verraten viel über nicht korrektes Reiten, übermäßige Belastung oder die Haltungsform“, erklärt die Pferdephysiotherapeutin Helle Katrine Kleven. Zur korrekten Beurteilung der Gliedmaßen wird das Pferd auf hartem Boden aufgestellt und von allen Seiten betrachtet – zunächst im Stand und dann im Gang.
Die Vorhand
Die korrekte Stellung der Vordergliedmaßen spielt für die Gesunderhaltung des Pferdes eine wichtige Rolle. Eine lange, breite und schräge Schulter schafft Platz für raumgreifende und federnde Bewegungen. Idealerweise teilt eine von der Mitte des Schulterblatts nach unten gefällte Linie das Vorderbein mittig und trifft am Ende des Ballens auf den Boden. „Wichtig ist auch die Beurteilung der Fessel-Zehen-Achse, hier ergeben sich Stellungsfehler auch oftmals durch zu starke, zu frühe oder zu monotone Belastungen“, erklärt Helle Katrine Kleven. Im Fesselgelenk ist ein Winkel von 135 bis 140 Grad wünschenswert, eine kurze, steile Fesselung ist ebenso unerwünscht wie eine lange, weiche Fesselung, die einen erhöhten Verschleiß bedingt. Von vorne betrachtet, sollten die Vorderbeine parallel zueinander verlaufen. Abweichungen von dieser Symmetrie werden in bodeneng und bodenweit, zeheneng und zehenweit unterteilt. Allen Stellungsfehlern ist gemein, dass sie zu fehlerhafter, ungleicher Belastung der Gliedmaßen und damit zu frühem Verschleiß und Lahmheiten führen können. Eine sorgfältige Bearbeitung der Hufe durch den Schmied ist hier unbedingt erforderlich.
Die Hinterhand
Die Hinterhand ist der Motor des Pferdes, hier entwickeln sich Schub- und Tragkraft, deshalb wird in allen Disziplinen auf eine gute Winkelung der Hinterhand geachtet. Als Ideal werden 90 bis 100 Grad Winkel im Hüftgelenk und im Kniegelenk, sowie 135 bis 140 Grad Winkel im Sprunggelenk und im Fesselgelenk angesehen. Diese Winkel ermöglichen dynamisches Abfußen und eine gute Übertragung der Kraft aus dem Hinterbein auf die Gesamtbewegungen. Ein sehr gerades Hinterbein ist ungünstig für Dressurpferde, da die Lastaufnahme erschwert wird. Ausreichend lange Ober- und Unterschenkel ermöglichen dagegen viel Raumgriff und gleichmäßige Bewegungen.
Auf Kosten der Gesundheit?
Bereits mit wenigen Monaten werden Fohlen hinsichtlich ihrer Eignung und Disziplin beurteilt und selektiert. Mehr Bewegung, mehr Elastizität und mehr Vermögen gehen aber leider auch oft einher mit weniger Belastbarkeit. Der Blick auf die Gesunderhaltung rückt auch in der Zucht immer mehr in den Vordergrund. Durch neue Diagnoseverfahren können vererbbare Krankheiten und Störungen gezielt nachgewiesen werden, aber nach wie vor ist eine pferdegerechte und schonende Ausbildung die wichtigste Stellschraube für Gesundheit und Belastbarkeit. „Die Gesunderhaltung darf nie hintenangestellt werden“, appelliert Christoph Hess.
Das Pferd muss ausreichend Zeit haben, sich zu dehnen. „Ich habe schon oft gesehen, dass diese Pferde bereits sehr früh versammelnd geritten werden, einfach weil sie es anbieten. Aber das ist die falsche Herangehensweise! Ich muss erst einmal die gesamte Muskulatur dehnen. Deswegen sollte der Schwerpunkt immer auf gymnastizierender Arbeit liegen. Ich muss meinem Pferd eine Dehnungshaltung in positiver Spannung ermöglichen“, erklärt Christoph Hess. Übergänge, große gebogene Linien und häufiges Zügel-aus-der- Hand-kauen-lassen helfen dem Reiter beim Aufbau der Arbeit und bieten gute Möglichkeiten zur Überprüfung der Dehnungsbereitschaft.
Lorella Joschko
Lange Röhrbeine und eine lange Fesselung ermöglichen weiche, schwingende Bewegungen, stellen aber auch immer ein Gesundheitsrisiko dar.
„Wir brauchen eine gesunde Zucht und gesunde, leistungsstarke, aber auch langlebige Pferde!“, sagt Christoph Hess.
„Wir legen immer viel Wert auf eine starke Rückenmuskulatur, aber ohne entsprechende Bauchmuskulatur auch kein starker Rücken!“
Helle Katrine Kleven
„Die Gesunderhaltung darf nie hintenangestellt werden!“
Christoph Hess
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