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Pferde bauen Brücken: Reiten für alle

Lernen vom Reitmeister: Martin Plewa

„Das Maul ist das Heiligtum des Pferdes“

Dressur, Springen, Vielseitigkeit – Martin Plewa war in allen drei Disziplinen im Sattel erfolgreich. Als Bundestrainer in der Vielseitigkeit holte er Olympia-Gold, einen noch größeren Namen hat er sich vor allem als Ausbilder gemacht.

Reitmeister Martin Plewa blickt auf zahlreiche Auszeichnungen und Erfolge zurück. Fotos (3): Jacques Toffi

Major a.D. Wilhelm Plewa, Major a.D. Max Habel, Major a.D. Paul Stecken, General a.D. Albert Stecken, Oberst a.D. Hans Winkel, Oberst a.D. Hans-Heinrich Brinkmann – das ist nicht nur das „Who is Who“ besonders bewährter Ausbilder im Pferdesport. Sie alle und einige mehr gehörten zu den Personen, die Martin Plewa in seiner reiterlichen Entwicklung geprägt haben. Ihre Lehrphilosophien hat Plewa aufgesaugt und mit seinem immer größer werdenden Wissensschatz zu seiner eigenen Philosophie entwickelt. „Ich habe sehr viele Fachbücher gelesen. Mein Ziel war immer, mich so kenntnisreich wie möglich zu machen“, erklärt Plewa. Schnell hat sich der Allround-Pferdemann, der selbst in allen drei olympischen Disziplinen im Sattel erfolgreich war, einen internationalen Namen als Ausnahme-Ausbilder gemacht.

Mit Leib und Seele

Nach dem Abitur hat der 1950 in Vreden Geborene unter anderem Chemie, Geographie und Pädagogik in Münster studiert und danach acht Jahre am Gymnasium in Versmold unterrichtet. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer saß er weiterhin täglich im Sattel und hörte nie auf, sich Gedanken über die pferdegerechte Ausbildung zu machen. Er war fünf Jahre Landestrainer der Vielseitigkeit in Westfalen, erhielt 1977 das Goldene Reitabzeichen und absolvierte 1980 seine Prüfung zum Pferdewirtschaftsmeister. 1985 übernahm er den Posten als leitender Bundestrainer der deutschen Vielseitigkeitsreiter. Der Höhepunkt seiner Amtszeit war der Gewinn von olympischem Mannschaftsgold bei den Spielen 1988 in Seoul. Nach 16 Jahren gab er das Amt des Bundestrainers ab und übernahm bis 2014 die Leitung der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster. Plewa war in diversen Gremien beim Deutschen Sportbund (DSB), beim Nationalen Olympischen Komitee (NOK) und bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) vertreten, unterrichtete viele Jahre an der Deutschen Reitschule in Warendorf und ist seit 15 Jahren Dozent an der Hochschule in Nürtingen. Ein Ausbilder mit Leib und Seele.

16 Jahre lang war Martin Plewa Bundestrainer Vielseitigkeit – so auch 1996 bei den Olympischen Spielen in Atlanta.

Martin Plewa legt viel Wert darauf seinen Reitschülern die Zusammenhänge der klassischen Reitlehre zu vermitteln.

Zeit, zu erklären

Noch heute gibt Martin Plewa Unterricht und erteilt Lehrgänge in allen Disziplinen und hat dabei immer ein Kernziel: Ohne pferdegerechte Ausbildung geht nichts – das möchte er vermitteln. „Heute lassen sich viele Ausbilder zu wenig Zeit, um zu erklären, wie man ein Pferd an die Hilfen stellt, wie korrektes Reiten funktioniert“, betont er. „Man braucht dazu das Verständnis für die Reitlehre, deren Zusammenhänge vielen Reitern nicht bekannt sind.“ Einen zentralen Punkt in der Zusammenarbeit mit Pferden nehme die Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul ein. „Das Maul ist das Heiligtum des Pferdes.“ – ein typischer Plewa-Satz!

Kim Kreling

Martin Plewas Ausbildungstipp: An die Hilfen stellen und Zügel aus der Hand kauen lassen

Ein Pferd abwechselnd an die Hilfen stellen und Zügel aus der Hand kauen lassen im Schritt – das haben wir frühermsehr häufig gemacht. Den enormen Wert dieses Systems habe ich erst später voll erkannt, aber ich nutze es jetzt in jeder Trainingseinheit. Ich sehe immer wieder, dass Reiter, wenn sie ihre Pferde an die Hilfen stellen wollen, die Zügel aufnehmen und versuchen, das Pferd in eine bestimmte Kopf-Hals-Haltung zu bringen. Aber: Ein Pferd „an die Hilfen stellen“ ist eine Formulierung aus den Richtlinien. Es steht nicht darin, man soll ein Pferd „an den Zügel stellen“ oder sofort beizäumen, esmist damit nur gemeint, dass man eine Anlehnung herstellt, also eine weiche Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul.

Vertrauen zur Hand

Ich lasse beim Unterrichten immer zunächst mit hingegebenen Zügel Schritt reiten – und zwar das dreijährige Pferd genauso wie das 13-jährige. Dann lasse ich immer wieder die Zügel aufnehmen, das Pferd an die Hilfen stellen, ohne dass sich die Qualität des Schritts hinsichtlich Takt, Fleiß und Raumgriff verändert, und die Zügel wieder aus der Hand kauen. Wichtig: Die Zügel werden dabei immer nur für wenige Pferdelängen aufgenommen. Diese Übung ist für mich so wertvoll, weil sie unwahrscheinlich gut das Vertrauen des Pferdes zur Reiterhand aufbaut und den Reiter nahezu automatisch dazu bringt, sein Pferd korrekt an die Hilfen zu stellen – und zwar von hinten nach vorne. Auch für alle Reiter, die Schwierigkeiten haben, ihre Pferde an die Hilfen zu stellen, ist diese Übung sehr wertvoll – man kann sie gar nicht oft genug wiederholen. Wenn ein Pferd mit hingegebenen Zügeln den Hals fallen lässt, dann ist es zufrieden. Wenn der Reiter nun die Zügel aufnimmt und das Pferd hebt den Kopf hoch, dann zeigt mir das Pferd, dass es Angst vor der Reiterhand hat. Das muss ich beheben. Also lasse ich den Reiter den Zügel zunächst nur ganz wenig aufnehmen, nur bis eine minimale Anlehnung entsteht. Sobald das Pferd den Kopf hebt, treibe ich vermehrt und lasse den Zügel wieder länger werden. Das mache ich so lange bis das Pferd keine Angst mehr vor der Reiterhand hat. In dem Moment, in dem der Reiter den Zügel aufnimmt und das Pferd akzeptiert die leichte Anlehnung, kann man allmählich bei vermehrtem, ruhigem Treiben an die Hand heran den Zügel auch etwas kürzer nehmen. Aber man sollte die Zügel – wie zu Anfang erwähnt – immer nur über wenige Pferdelängen aufnehmen. Entscheidend ist: Wenn das Pferd beim Aufnehmen des Zügels den Schritt verändert, also matter oder kürzer wird, dann muss ich mit ruhigem Schenkel nachtreiben. Das ist das Prinzip des Reitens von hinten nach vorne.

Geduld zahlt sich aus

Wir durften früher, insbesondere bei schwierigen Pferden, oft tagelang nichts anderes mit den Pferden machen, bevor diese Übung nicht funktioniert hat. Dieses System hat sich absolut bewährt und ich mache es immer so: Bevor die Übung, das Pferd abwechselnd an die Hilfen stellen und Zügel aus der Hand kauen lassen, im Schritt nicht gelingt, darf keiner meiner Schüler antraben. Diese Geduld muss man haben, aber es zahlt sich aus, denn ich habe dann auch in der Trabarbeit sehr gute Ergebnisse. Die Pferde dehnen sich auch im Trab und Galopp schnell an die Hand heran. Die Reiter können mit der Hand nach vorne gehen, der Rahmen der Pferde erweitert sich und der Schub entwickelt sich an die Hand heran. Wenn ich in der Lage bin, direkt nach den Übergängen von einer höheren in eine niedrigere Gangart oder von höherem zu niedrigerem Tempo, die Nase nach vorne zu lassen, werden die Pferde immer losgelassener, durchlässiger und besser in der Rückentätigkeit. Wichtig ist diese Übung nicht nur zu Beginn einer jeden Trainingseinheit, sondern auch immer wieder zwischendurch. Man muss sich als Reiter klarmachen, dass das Pferd das Gewicht des Reiters im Wesentlichen mit der Halsmuskulatur trägt. Deswegen braucht die Halsmuskulatur immer wieder eine Pause. Ich setze dasselbe System auch beim Springen ein. Bevor ich mit dem Springen beginne, lasse ich die Pferde gerne über Bodenricks gehen und kurz davor lasse ich die Reiter die Zügel verlängern. Das mache ich auch im Trab und später beim Springen im Galopp. Das Pferd braucht die Chance, gerade beim Springen, den Kopf anzuheben, sonst kann es den Sprung nicht richtig erkennen und einschätzen. 

Außerdem: Wenn man die Anlehnung vor dem Sprung leichter werden und das Pferd sich dehnen lässt, hat auch kein heftiges Pferd mehr einen Grund, gegen die Hand zu gehen. Viele Reiter denken, wenn das Pferd heftig wird, muss man mehr gegenhalten, aber das Gegenteil ist der Fall. Auch das sind Dinge, bei denen man mit dem Zügel aus der Hand kauen lassen und wieder verkürzen, einen ungeheuer wertvollen Ausbildungseffekt hat. Vor allen Dingen merken die Reiter, wie positiv Pferde reagieren, wenn man sie nicht vorne festhält.

Im Schritt mit hingegebenem Zügel beginnt bei Martin Plewa jede Unterrichtseinheit. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv

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