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Europameisterschaften 2023: Ein Rückblick

„Ein sehr erfolgreiches Jahr“

Die Europameisterschaften in Dressur, Para-Dressur, Springen und Vielseitigkeit in Riesenbeck, Mailand und Haras du Pin haben dreimal Mannschaftssilber und zehn Einzel-Medaillen in allen Farben mit sich gebracht. Dr. Dennis Peiler, Geschäftsführer des Deutschen Olympiade Komitees für Reiterei (DOKR), zieht im Interview mit dem PM-Forum Bilanz.

Demonstrieren wieder einmal, dass Pferdesport Teamsache ist und tragen mit zweimal Einzelgold zur tollen deutschen EM-Bilanz bei: Jessica von Bredow-Werndl und TSF Dalera BB. Foto: sportfotos-lafrentz.de/Sharon Vandepu

PM-Forum: Dr. Peiler, das jüngste Ereignis waren die Europameisterschaften der Dressur und Para-Dressur in Riesenbeck. Wie sieht Ihr Fazit nach dieser Veranstaltung aus?

Dr. Dennis Peiler: Mit zehn Medaillen in Riesenbeck haben wir die Erwartungen übertroffen, insbesondere in der Para-Dressur. Im vergangenen Jahr ist unser Para-Dressurteam leer ausgegangen. Wir haben Vieles verändert und sehen, dass die Bemühungen erste Früchte tragen und dass es in die richtige Richtung geht. Wir haben in allen Grades, die wir besetzt haben, wieder den Anschluss an die Weltspitze zurückgewonnen. Mit Blick auf Paris 2024 stimmt uns das positiv.

PM-Forum: Der Para-Dressur ist im Zuge der Europameisterschaft Dressur viel Aufmerksamkeit entgegengebracht worden. Wie hat das deutsche Team die EM wahrgenommen?

Dr. Dennis Peiler: Im Sinne der Inklusion war die Entscheidung der FEI, ein Championat nur in Kombination mit einem Dressur-Championat zu vergeben, genau richtig. Unsere Para-Reiter haben sich in Riesenbeck sehr wohl gefühlt, haben das Interesse am Para-Sport und an dem persönlichen Schicksal der Einzelnen gespürt und sind glücklich und gestärkt nach Hause gefahren. Es ist wichtig, dass der Para-Sport und die Menschen mit ihren Handicaps gesehen werden. Dass sie als gleichwertige Disziplin der Pferdesport-Familie wahrgenommen werden. So leben wir es als DOKR – wir denken diese Disziplin genauso mit wie jede andere. Und wo immer es möglich ist, ist es toll, wenn die Para-Dressur den großen Sportereignissen angegliedert wird.

PM-Forum: Das deutsche Dressurteam hat in Riesenbeck Silber hinter Großbritannien gewonnen. Ein Titelgewinn oder -verlust?

Dr. Dennis Peiler: Wir haben mit zweimal Gold in der Einzelwertung und Silber im Team abgeschlossen. Es ist eine sehr gute Silbermedaille und Gold in der Mannschaft ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Andere Nationen und Sportarten beneiden uns um unser Luxusproblem. Es ist leider so, dass starke Leistungen, die nicht mit einer Medaille belohnt werden, im Sport manchmal nicht gesehen werden, obwohl große Leistungen vollbracht worden sind. Und wenn wir eine Medaille gewinnen, egal welcher Farbe, haben die Sportler es verdient, dafür Wertschätzung zu erfahren und sich nicht rechtfertigen zu müssen. Jede Medaille muss mühsam erarbeitet werden. Alle Paare haben in Riesenbeck wirklich top geliefert, inklusive persönlicher Bestleistungen. Wir waren gut, aber die Briten waren besser, mit herausragenden Pferden und sehr starken Reitern. Man muss akzeptieren, dass internationale Meisterschaften nicht die Festspiele der deutschen Reiter sind, sondern dass andere Nationen ein Wörtchen mitreden möchten. Wir haben gesehen, dass es mindestens zwei Paare mit über 80 Prozent braucht, um Gold zu gewinnen. Diese Paare hatte das britische Team und es hat am Ende verdient gewonnen. Wir haben das Potenzial, Reiter und vor allem Pferde auf dieses Niveau zu entwickeln und mit Blick auf Paris ist es gut, dass sich einige Paare noch weiterentwickeln können, um den Abstand zu den Briten zu verkleinern.

PM-Forum: Die Springreiter haben ihre EM in Mailand ausgetragen, es wurde am Ende Platz vier für das Team und Silber für Philipp Weishaupt mit Zineday in der Einzelwertung. Sind die Erwartungen erfüllt?

Dr. Dennis Peiler: Mailand wirkt immer noch nach, denn wer vor Ort war, hat gesehen, wie breit die Weltspitze aktuell aufgestellt ist. Dass an einem guten Tag gleich zwölf bis 14 Paare Einzelgold gewinnen können, ist absolut herausragend – in welcher Sportart gibt es das schon. Eine Erfolgsprognose ist nahezu unmöglich und das hat sich auch dieses Mal wieder gezeigt. Wir freuen uns über die Silbermedaille und den guten vierten Platz mit dem Team. Natürlich hätten wir es lieber gesehen, wenn wir nach der Führung über Nacht auch eine Medaille im Team nach Hause gebracht hätten. Aber wenn ein sehr starkes Paar vor Ort ausfällt und damit das Streichergebnis wegfällt, ist das schwer zu kompensieren. So ist der Sport, doch wir haben festgestellt, dass wir auch mit der Mannschaft mithalten können. Um in die Medaillen zu reiten oder sogar Gold zu gewinnen, muss am Ende allerdings alles passen.

PM-Forum: Die Vielseitigkeitsreiter sind mit Mannschaftssilber und Einzelbronze für Sandra Auffarth und Viamant du Matz nach Hause gekommen. Ein gutes Ergebnis?

Dr. Dennis Peiler: Silber und Bronze hätten mit etwas mehr Glück auch zwei Goldmedaillen werden können. Auch die Vielseitigkeit ist an der internationalen Spitze sehr eng beieinander, das hat die EM gezeigt.

DOKR-Geschäftsführer Dr. Dennis Peiler zieht im Interview eine positive EM-Bilanz und schaut hoffnungsfroh in Richtung Olympische Spiele 2024 in Paris. Foto: FN-Archiv

Volles Haus und tolle Stimmung bei der EM in Riesenbeck Foto: Stefan Lafrentz

Wir hatten allerdings außergewöhnliche Bedingungen vor Ort, mit sehr viel Regen vor dem Geländetag und damit schwierigen Bodenverhältnissen. Zum Glück wurden die richtigen Entscheidungen getroffen – die Strecke wurde verkürzt, um den Kurs trotz der schwierigen Bodenverhältnisse fair zu halten. Dennoch war die Strecke sehr anspruchsvoll. Insgesamt haben wir uns mit der gesamten Mannschaft auf hohem Niveau präsentiert und einmal mehr untermauert, dass wir neben Großbritannien zu einer der absoluten Top-Nationen zählen – das stimmt uns zuversichtlich für die Olympischen Spiele im kommenden Jahr.

PM-Forum: Einige Championate stehen noch an, doch wie fällt Ihr bisheriges Saisonfazit für die olympischen und paralympischen Disziplinen aus?

Dr. Dennis Peiler: Einmal mehr haben die Europameisterschaften in Dressur und Vielseitigkeit gezeigt, dass der Weg zu Gold nur über die Briten geht. Das hatten Riesenbeck und die Normandie gemein und das gilt auch für das kommende Jahr. Im Springen waren es einmal mehr die schwedischen Paare, die seit einigen Jahren auf höchstem Niveau konstante Leistungen zeigen. In allen Disziplinen mussten wir auf absolute Top-Paare verzichten, mit Ausfällen im Vorfeld und teils vor Ort, und dennoch waren wir richtig gut unterwegs und das stimmt uns hoffnungsfroh für die Olympischen Spiele in Paris 2024. Das zeigt, wie viel Potenzial wir haben. Wir sind der erste Verband gewesen, der alle Quotenplätze für die Olympischen Spiele sicher hatte. Das hat für die Europameisterschaften etwas Druck genommen und wir konnten ein bisschen ausprobieren. Wir haben sicher noch einige Hausaufgaben zu machen, um im kommenden Jahr, wenn neben den europäischen noch weitere Top-Nationen hinzukommen, auf ähnlichem Niveau zu liefern. Wir sind gerade in der Championatssaison auf der Zielgeraden und es zeichnet sich ab, dass es über alle Disziplinen und Altersklassen hinweg ein sehr erfolgreiches Jahr war.

Das Interview führte Laura Schwabbauer

Impressionen aus Riesenbeck

Was eine Bilanz! Im Vorjahr noch leer ausgegangen, sammelt das Team Para-Dressur mit Martina Benzinger, Heidemarie Dresing, Regine Mispelkamp und Melanie Wienand (v.l.n.r.) sieben Medaillen und beschert somit der neuen Bundestrainerin Silke Fütterer-Sommer (ganz rechts) einen glänzenden Einstand. In der Mannschaftswertung wurde es Silber hinter den Niederlanden und vor Großbritannien.

Elf Jahre alt ist der Oldenburger Rappwallach Horse24 Dooloop, der Heidemarie Dresing zum ersten Mal auf ein Championat in der Para-Dressur begleitet hat und sich nun ebenfalls Europameister rufen lassen darf.

Für die 68-jährige, an Multipler Sklerose erkrankte Architektin Heidemarie Dresing gehen in Riesenbeck Träume in Erfüllung: Gleich zweimal Gold im Einzel von Grade II – da kann man ja nur mit dem Edelmetall um die Wette strahlen.

Bei ihrem EM-Debüt sichern sich Melanie Wienand, die sich nach einem schweren Reitunfall 2011 ins Leben und in den Sattel zurückgekämpft hat, und Lemony’s Lo- verboy gleich Bronze im Einzel von Grade III. Ihr EM-Fazit: „Eine wundervolle Zeit geht hier zu Ende. Es sind einfach tolle Bedingungen hier, ein Träumchen. Ich hoffe, dass wir das so weitermachen können, auch mit den Regelsportlern zusammen.“

Martina Benziger setzt bei der EM auf ihre bewährte Lipizzanerstute Nautika. Gemeinsam mit dieser darf sich die an Multipler Sklerose erkrankte Reiterin über Silber im Einzel und Bronze in der Kür von Grade I, in der nur Schritt geritten wird, freuen.

Regine Mispelkamp ergänzt mit Highlanders‘s Delight Team-Silber um eine Bronzemedaille im Einzel von Grade V – im abschließenden Kür-Finale landet die an MS erkrankte Pferdewirtschaftsmeisterin auf einem vierten Platz. Zum Abschluss findet sie dennoch nur lobende Worte: „Wir waren schon guten Mutes, als wir hierhergekommen sind. Aber dass so viel Positives dabei herausgekommen ist, ist einfach mega. Es war eine tolle Teamleistung. Wir haben alle einen guten Job gemacht und unsere Teamleitung sowieso.“

Mit teilweise persönlichen Bestleistungen zu einer tollen Silbermedaille in der Teamwertung: Frederic Wandres, Isabell Werth, Jessica von Bredow-Werndl und Matthias Alexander Rath (v.l.n.r.), begleitet von Equipechef Klaus Röser (ganz links).

Dank an das Publikum in Riesenbeck – Matthias Alexander Rath und Thiago GS geben ihr Championatsdebüt für Deutschland und liefern solide Leistungen ab. Der Reiter ist hinterher „total zufrieden, wie Thiago sich hier präsentiert hat. Wir haben beide viel gelernt.“

Auch bei ihren 16. Europameisterschaften kann sich Isabell Werth noch freuen und fügt ihrer Medaillensammlung eine weitere hinzu. Im Einzel wird sie mit DSP Quantaz im Special Sechste, in der Kür Fünfte.

Frederic Wandres und Bluetooth OLD zeigen im Grand Prix persönliche Bestleistung und tragen damit maßgeblich zu Mannschaftssilber bei. Im Einzel werden die beiden im Special Siebte und Neunte in der Kür.

Doppel-Gold im Einzel für die Olympiasieger! Jessica von Bredow-Werndl und TSF Dalera BB beweisen einmal mehr ihre Klasse.

Nicht nur drei Medaillen sichern sich Jessica von Bredow-Werndl und TSF Dalera BB, die beiden erzielen zudem drei persönliche Bestleistungen in Grand Prix, Grand Prix Special und Kür. Das nennt sich dann wohl auf den Punkt topfit!

Yes, it’s golden! Verdiente Freude bei den Dressurreitern aus Großbritannien: v.l.n.r. Gareth Hughes, Charlotte Fry, Charlotte Dujardin und Carl Hester.

Impressionen aus Mailand

„Ich wünsche jedem, der im Pferdesport ist, einmal ein Gefühl zu erleben wie auf Zineday“, sagt Philipp Weishaupt.

Auf einem Auge Silber! Mit dem jüngsten Pferd im finalen Umlauf sichert sich Philipp Weishaupt seine erste Medaille bei einem Championat – und Deutschland nach dem unglücklichen vierten Platz mit dem Team einen versöhnlichen Abschied aus Mailand.

Mit Limbridge im ersten Umlauf noch fehlerfrei, zählen die acht Fehlerpunkte von Jana Wargers im zweiten Umlauf für das Team. Deutschland verpasst knapp eine Medaille.

Kurz vor der EM für André Thieme und DSP Chakaria nachgerückt, starten Christian Kukuk und Mumbai als Einzelstarter für Deutschland und landen am Ende auf Platz 14.

Vor der zweiten Runde des Nationenpreises die schwere Entscheidung: Marcus Ehning beweist Horsemanship und zieht seinen Stargold zurück: „Er ist nicht lahm, er fühlte sich aber einfach nicht gut an. Er hat nicht losgelassen am Sprung und ich hatte den Eindruck, dass er einfach nicht ist, wie sonst“, erklärt er sein Gefühl. Deutschland muss in Führung liegend – mit nur drei Reitern und somit ohne Streichergebnis ins Teamfinale gehen, ein Handicap.

Als einziges Paar über fünf Runden ohne einen einzigen Fehler – der Schweizer Steve Guerdat und Dynamix de Belheme zeigen sich in bestechender Form und werden verdient Europameister.

Nachdem es im Zeitspringen und im ersten Umlauf unglücklich für sie lief, zeigen Gerrit Nieberg und Ben im zweiten Umlauf des Nationenpreises ihre beste Leistung und kommen mit nur einem Abwurf aus dem Parcours.

Das schwedische Team sichert sich Mannschaftsgold vor Irland und Österreich. Für die Mannschaft um Equipechef Henrik Ankarcrona (Mitte) ritten v.l.n.r. Rolf-Göran Bengstsson, Jens Fredricson, Wilma Hellström und Henrik von Eckermann.

Zusammengestellt von Maike Hoheisel-Popp. Alle Fotos: sportfotos-lafrentz.de (Stefan Lafrentz (19), Sharon Vandeput (2))

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