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Tierschutz auf dem Turnier 

Das darf der Amtstierarzt

Wenn der Amtstierarzt auf einem Turnier auftaucht, löst er ganz unterschiedliche Reaktionen aus. Die meisten beobachten sein Tun freundlich, andere neutral, manche jedoch auch skeptisch. Darf der das überhaupt? „Die Rolle des Amtstierarztes und welche Befugnisse er auf einem Turnier hat, ist den wenigsten bekannt“, weiß Dr. Maike Klein, Amtstierärztin im Landkreis Gießen, aus ihrer Erfahrung.

Die Ausrüstung des Pferdes darf vom Amtstierarzt kontrolliert werden. Foto: Frank Sorge

Geschätzte vier Millionen Reiter, rund 900.000 Pferdebesitzer, 690.000 Vereinsmitglieder und über 81.000 Inhaber einer Jahresturnier-lizenz: Der Pferdesport erfreut sich in Deutschland nach wie vor großer Beliebtheit. Die Einstellung zum Pferd, zu seiner Haltung und zu der Frage, wie und ob ein Pferd überhaupt geritten, gefahren oder anderweitig „genutzt“ werden darf, befindet sich allerdings in einem Wandel. Vor diesem Hintergrund übernehmen der Tierarzt und der Amtstierarzt als berufene Schützer der Tiere wichtige Aufgaben. Ein Amtstierarzt ist nicht nur für die Überprüfung von Pferdehaltungen zuständig, er besucht unter anderem auch Turniere. So wie in Hessen, wo in den vergangenen Jahren eine stichprobenartige Kontrolle der Turniere stattgefunden hat.

Im Auftrag des Tierschutzes

Und ja, er darf das! Dem Amtstierarzt obliegt, die Einhaltung des Tierschutzgesetzes zu kontrollieren. Dafür ist er mit bestimmten Befugnissen ausgestattet, zum Beispiel dem Recht, unangekündigte Kontrollen durchführen zu können. Die rechtliche Voraussetzung dafür ist im Tierschutzgesetz selbst verankert (§16 Abs. 2 und 3). 

Was aber wird kontrolliert? „Unser Auftrag ist es, die Einhaltung des Tierschutzgesetzes zu überprüfen“, erklärt Dr. Klein. Und das besagt in § 1: Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. „Uns ist es zum Beispiel egal, ob eine Ausrüstung laut LPO für die jeweilige Prüfung zugelassen ist. Für uns zählt nur, dass sie den Grundsätzen des Tierschutzes entspricht und auch nicht tierschutzwidrig verwendet wird“, sagt die Tierärztin.  

Der Rundgang des Amtstierarztes beginnt gewöhnlich auf dem Anhängerparkplatz und führt dann zu den Vorbereitungsplätzen. „Wir achten beispielsweise darauf, ob es für die Pferde bei großer Hitze ausreichend Schattenplätze gibt oder ob und wie ein Richter in kritischen Situationen eingreift“, sagt Dr. Klein. Erfreulich: Im Fall Hessen konnten sie und ihre Kollegen erleben, dass die meisten Reiter auf eine mündliche Ansprache durch den Richter positiv reagierten. „Allerdings war der Aufsicht führende Richter manchmal schwer auszumachen und gelegentlich gab es auch Diskrepanzen darüber, wann eingeschritten werden sollte“, sagt sie. 

Zufallsprinzip

Ein wichtiger Programmpunkt sind auch die Kontrollen der Pferde und der Ausrüstung, wofür in Hessen einzelne Pferde nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Dabei wird zunächst die Ausrüstung, danach das Pferd ohne Sattel, Trense, Bandagen, Gamaschen, etc. kontrolliert, denn der Amtstierarzt möchte sich ein Gesamtbild machen. 

Das Pferd muss auch bei geschlossenem Reithalfter noch kauen können. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

„Wir überprüfen den Ernährungs-und Pflegezustand, beispielsweise auch der Hufe, die Sattel-, Gurt- und Sporenlage sowie Flanken und Kruppe und schauen uns natürlich auch das Maul des Pferdes genau an“, schildert Dr. Klein das Vorgehen. Dabei geht es nicht nur darum, etwaige Blessuren zu entdecken. Kontrolliert wird auch, dass die Tasthaare des Pferdes vorhanden sind und das Innere der Ohrmuscheln nicht ausrasiert ist. Denn beides ist laut Tierschutzgesetz verboten.

„Das Pferd muss kauen können“ 

Während die Suche nach dem passenden Sattel in der Pferdeszene fast schon einer eigenen Wissenschaft gleicht, ist es mit dem korrekten Verschnallen des Reithalfters eine andere Sache. Zu hoch, zu tief, zu locker, zu eng. Bei ihren Kontrollen auf Turnieren haben die Amtstierärzte in Hessen erhebliche Wissenslücken entdeckt. Zum Beispiel, wie man die korrekte Verschnallung misst. Zur Erinnerung: „Das Reithalfter soll leicht anliegen und darf weder die Atmung beeinträchtigen noch die Maultätigkeit (Kauen) des Pferdes unterbinden“ heißt es in der LPO. „Ein Pferd sollte auch mit geschlossenem Reithalfter problemlos ein Leckerli fressen können. Das setzt voraus, dass Kiefer und Zunge sich bewegen können“, sagt Thies Kaspareit, Leiter der Abteilung Ausbildung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).

Die gute Nachricht aus Hessen: Schwere Mängel, die eine Abmahnung oder gar ein Bußgeld nach sich ziehen, waren die absolute Ausnahme. Aufklärungsbedarf gab es aber trotzdem. „Vor allem über das korrekte Verschnallen von Trense und Kandare sollten sich Reiter deutlich mehr Gedanken machen“, empfiehlt Dr. Klein (siehe Kasten Seite 26). „Uns alle verbindet ein gemeinsames Ziel, sowohl die Veranstalter, Richter und Reiter, als auch die Amtstierärzte: das Wohl der Pferde“, sagt FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach und rät dazu, den Besuch eines Amtstierarztes immer auch als Chance zu betrachten: „Er kann uns davor bewahren, betriebsblind zu werden, und regt dazu an, das eigene Handeln immer wieder zu hinterfragen.“

Uta Helkenberg

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