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Tokio 2021

Dreimal Gold und einmal Silber

Die deutschen Reiter und Reiterinnen kehren mit drei Gold- und einer Silbermedaille im Gepäck zurück von den Olympischen Spielen in Tokio, die aufgrund der Corona-Pandemie, aber auch aufgrund von Änderungen im Reglement in vielerlei Hinsicht anders verliefen als zuvor. Nach den Olympischen Spielen zieht Dr. Dennis Peiler, Sportchef der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) und Geschäftsführer des Deutschen Olympiade Komitees für Reiterei (DOKR), im Interview ein Fazit.

Das 14. Mannschafts- Gold in der Dressur gewinnen Dorothee Schneider, Isabell Werth und Jessica von Bredow-Werndl für Deutschland.

PM-Forum: Welche sportliche Bilanz ziehen Sie nach diesen Olympischen Spielen?

Dr. Dennis Peiler: „Insgesamt kehren wir sehr zufrieden nach Hause zurück. Mit drei Gold- und einer Silbermedaille war das sicherlich ein sehr erfreuliches Ergebnis. 

Bundestrainerin Monica Theodorescu: „ Jessica und Dalera das geht nicht einzeln. Das ist diese Entwicklung, wenn ein Paar zusammenwächst.“

Natürlich muss man das disziplinspezifisch etwas differenziert bewerten. Wir haben eine überragende Dressur gesehen, sowohl in der Mannschafts- als auch der Einzelwertung. Wir wussten im Vorfeld, dass wir eine ganz starke Mannschaft dabei haben, aber nichtsdestotrotz muss man dann auch zum richtigen Zeitpunkt alles abrufen.

Julia Krajewski: „Und ich weiß jetzt: Egal, wo du herkommst, egal ob du Mann oder Frau bist, wenn du einen Traum hast, kannst du ihn erfüllen.“

Gold in der Kür für Jessica von Bredow- Werndl und TSF Dalera BB. Alle Fotos: Stefan Lafrentz

Isabell Werth und Bella Rose gewinnen Silber in der Kür.

Auch in der Vielseitigkeit sind wir mit der klaren Zielsetzung hingefahren, sowohl in der Mannschaft als auch im Einzel um die Medaillen mitzureiten. Nach einem Vorbeiläufer und einem Hindernisfehler im Gelände mussten wir jedoch feststellen, wie schnell Träume einer Ernüchterung weichen können. Wie gut wir aufgestellt sind, konnte man dann wieder im Teamspringen sehen. Mit ihren tollen Nullrunden haben alle nochmal unterstrichen, wozu sie imstande sind. Es war eine fulminante Aufholjagd und es ist schade, dass es nicht zur Teammedaille gereicht hat. Die hätte man gerade Hans Melzer zum Abschied nochmal gewünscht.

Und dann haben wir uns alle so sehr über die Goldmedaille von Julia Krajewski gefreut. Sie hat in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sie Pferde an die Weltspitze heranführen kann. Sie ist eine tolle Ausbilderin, wir erleben sie als herausragende Trainerin im Jugendbereich und wir wissen, dass sie eine fantastische Reiterin ist, aber beim Championat konnte sie es bis jetzt nicht abrufen. Jetzt ist sie in der Weltspitze angekommen und hat mit ihrem glänzenden Erfolg auch die kleine Enttäuschung über das Abschneiden des Teams wettmachen können. Das freut mich, denn auch das ist ein Ergebnis der Arbeit unserer Bundestrainer. Wir stellen jetzt zum vierten Mal in Folge den Einzel-Olympiasieger in der Vielseitigkeit.

Hans Melzer: „ Ich habe das vor zwei Jahren zu ihr gesagt. Eines Tages stehst du da ganz oben, dann ist alles, was in der Vergangenheit mal nicht so funktioniert hat, vergessen.“

Ein einziger Abwurf im Springen hätte die Goldmedaille gekostet, aber Julia Krajewski und „Mandy“ bleiben ohne Fehler.

Gemeinsam aufs Treppchen: Isabell Werth und ihre ehemalige Schülerin Jessica von Bredow-Werndl holen Silber und Gold in der Kür.

Reiterin Julia Krajewski und ihr Pferd Amande holen Gold.

Michael Jung und Chipmunk ritten die beste Dressur, aber für das Auslösen eines Sicherheitshindernisses im Gelände gab es elf Strafpunkte. So wird es Platz 8 für den Olympiasieger von Rio und London.

Nach den Erfolgen war es natürlich schade, dass das Springen etwas ernüchternd endete. Wir hatten viele Ausfälle im Vorfeld, sind mit drei Olympiadebütanten hingefahren und wussten, es muss an allen Tagen alles passen, um am Ende Aussicht auf eine Medaille zu haben. Positiv zu erwähnen bleibt der tolle Mannschaftsgeist und das Horsemanship in unserem gesamten Team. Bestes Beispiel ist Daniel Deußer, der im Finalspringen gemerkt hat, es soll in diesem Moment nicht sein und den Parcours beendet hat. Das war in diesem Moment genau die richtige Entscheidung. Unser sportliches Gesamtfazit ist auf jeden Fall positiv. Wir sind unter den deutschen Sportverbänden der Verband mit den meisten Goldmedaillen.”

Daniel Deußer: „Ich weiß, dass sie so einen Kurs fehlerfrei springen kann. Aber da ist eben eine Sache schief gelaufen und wenn das Vertrauen in so einem Moment weg ist, bringt es nichts, weiterzureiten.“

PM-Forum: Was war die größte Herausforderung?

Dr. Peiler: „Die größte Herausforderung organisatorischer Art war, alle möglichen Störfaktoren für die Aktiven und die Pferde auf ein Minimum zu reduzieren. Mein Dank gilt hierbei insbesondere unserem ‚Reiseleiter‘ André Schoppmann, der alles minutiös minutiös geplant und vorbereitet hat, und allen anderen im Unterstützungsteam, von denen jeder seine Rolle perfekt ausgeübt hat. Rückblickend war es gut, nicht im Olympischen Dorf untergebracht gewesen zu sein, denn wir waren näher dran am Equestrian Park und alle zusammen. Und weil wir wirklich erstklassige sportliche Bedingungen hatten, waren alle anderen Dinge nachrangig. Es wurde akzeptiert, dass wir hier gefühlt ‚Knast mit Hofgang‘ hatten. Wir hatten zum Glück einen sehr schönen Hofgang mit unserem grünen Equestrian Park, anders als andere Athleten in ihren Sportstätten. Die größte Herausforderung für die Reiter war die Langeweile. Aber es wurde miteinander gespielt, gelacht und das Beste daraus gemacht. Aber es waren eben keine Olympischen Spiele mit dem typischen Flair, kein Fest der Kulturen, kein Besuch anderer Sportarten und kein Erkunden der Stadt.”

PM-Forum: Wie sehen Sie die Veränderung des olympischen Modus und das Fehlen des Streichergebnisses im Nachhinein?

Dr. Peiler: „Immer noch kritisch. Für uns ist das Mannschaftsergebnis nach wie vor das höchste Gut. Bei einem Format ohne Streichergebnis besteht für jeden die Gefahr, durchhalten zu müssen, damit die Mannschaft nicht „platzt“. Das bedeutet einen hohen Druck für alle Beteiligten. Fakt ist aber auch, dass es spannend war, dass es jeden Tag eine Entscheidung gab und dass das Ziel nach „mehr Flaggen“ erreicht wurde.“

Sandra Auffarth und Viamant du Matz hatten einen Vorbeiläufer im Gelände, aber erkämpften sich mit dem deutschen Team mit drei Nullrunden im Springen am Ende Platz vier.

André Thieme und DSP Chakaria machten den Auftakt im Team-Finale mit acht Strafpunkten.

Bei Christian Kukuk und Mumbai fiel eine Stange, so dass sie sich nicht für das Einzel-Finale qualifizieren konnten.

Daniel Deußer und Killer Queen waren das einzige deutsche Paar im Einzel-Finale, das sie auf Platz 18 beendeten.

PM-Forum: In Deutschland wurde der Pferdesport gerade während der Olympischen Spiele in verschiedenen Medien als Tierquälerei angeprangert. Wie haben Sie das in Tokio erlebt?

Dr. Peiler: „Unser Fokus lag auf dem sportlichen Geschehen, aber wir wurden natürlich über die Angriffe auf den Pferdesport informiert. Wir sind der Meinung, dass eine solche Pauschalverurteilung durch nichts gerechtfertigt ist. Für uns gilt, dass der Reitsport auf einer Partnerschaft zwischen Pferd und Reiter basiert. Das gilt auch im Leistungssport, der das Ziel hat, das vorhandene Potenzial von Pferd und Reiter zu entfalten. Nichtsdestotrotz gab es Ereignisse, die aufgearbeitet werden müssen, nicht nur von uns. Unser besonderes Mitgefühl gilt dem Schweizer Robin Godel, der ohne sein Pferd nach Hause reisen musste. Sein Beispiel ist für uns ein Grund mehr, in unserem jahrelangen Bestreben, den Sport für Mensch und Pferd immer sicherer zu machen, nicht nachzulassen.“

PM-Forum: Wie hat sich das Klima ausgewirkt, auch auf die Pferde?

Dr. Peiler: „Wir hatten durch das Testevent 2019 Erfahrungswerte und wussten, was uns erwartet. Die Pferde waren dank eines guten sportmedizinischen Managements bestens vorbereitet. Speziell abends boten sich gute sportliche Bedingungen, während der Mittagszeit blieben die Pferde in den klimatisierten Stallungen. Es gab Möglichkeiten, die Pferde grasen und sich wälzen zu lassen. Die Pferdepfleger brauchten nur 20 Sekunden, um von ihren Unterkünften im Stall zu sein.“

PM-Forum: Wie präsent war das Thema Corona?

Auch für Maurice Tebbel waren es die ersten Olympischen Spiele. Mit Don Diarado startete er nur im Mannschaftswettbewerb.

Dr. Peiler: „Corona war überall sehr präsent, das hat schon mit einem Kontroll- Marathon bei der Einreise begonnen. Die größte Herausforderung war der tägliche Spucktest. Unser Mannschaftsarzt Dr. Manfred Giensch musste zeitweilig die Tests von mehr als 50 Personen zusammenhaben, nicht nur von denen aus dem Hotel, auch von den Grooms und Pferdebesitzern. Wir waren außerdem den ganzen Tag angehalten, immer die Maske zu tragen, was bei den Temperaturen störender war als bei den gemäßigten Temperaturen in Deutschland.”

Das Interview führte Uta Helkenberg.

Alle Infos, Fotos, Interviews und die Videos der deutschen Ritte gibt es unter: www.pferd-aktuell.de/tokio2021.

FN-Stellungnahme zu den Vorkommnissen im Modernen Fünfkampf

Bei den Olympischen Spielen ist der Moderne Fünfkampf in die Kritik geraten. Anlass waren Szenen während der fünften Teilprüfung „Reiten“, in der die Teilnehmer auf zugelosten Pferden ein Springen absolvieren müssen. FN-Sportchef Dr. Dennis Peiler, Geschäftsführer des Deutschen Olympiade Komitees für Reiterei (DOKR), hatte in Tokio dazu wie folgt Stellung genommen: „Als Fachverband für den Pferdesport sehen wir die Reiterei im Modernen Fünfkampf kritisch. Unser Verständnis der Reiterei liegt in der Partnerschaft zwischen Mensch und Pferd und nicht darin, das Pferd als Sportgerät zu betrachten. Die Bilder, die wir gesehen haben, haben eine klare Überforderung von mehreren Reiterinnen und Pferden gezeigt. Aus unserer Sicht muss das Regelwerk dieser Sportart so gestaltet sein und angewendet werden, dass Reiter und Pferd geschützt werden. Hier besteht beim Modernen Fünfkampf offensichtlich dringender Handlungsbedarf. Die Zuständigkeit für das Regelwerk liegt beim Weltverband für Modernen Fünfkampf. Die FN ist hier ebenso wie der Welteiterverband (FEI) in keiner Weise beteiligt.“

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