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Interview mit Katharina Berg

„Es war klar, dass ich dort helfen muss.“

Sie hat ein Herz für Pferde, ist hilfsbereit und engagiert: Katharina Berg hilft seit dem Starkregen den von der Flut betroffenen Pferdeleuten in Nordrhein-Westfalen. Sie ist für zwei Monate für die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) als Koordinatorin für die Hilfe vor Ort tätig. Im Interview mit dem PM-Forum spricht sie über ihre Erlebnisse vor Ort und ihre Motivation den Betroffenen zu helfen.

Lastwagen ausganz Deutschland bringen Futter. Alle Fotos: privat

PM-Forum: Frau Berg, Sie leben in Erftstadt, wie haben Sie die sintflutartigen Regenfällen erlebt?

Katharina Berg: „Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass es am Mittwochabend diesen Starkregen gab. Zu dem Zeitpunkt spürte man noch keine schwerwiegenden Auswirkungen. Am Donnerstagmorgen erreichte mich und andere Pferdekollegen ein Hilferuf von einem Reitstall in Blessem. Wer könne helfen, die Pferde von der überschwemmten Weide zu holen, fragte der Betreiber des Reitstalles. Es war ein Ruf, der eine beispiellose Hilfsaktion zur Rettung von bis zu 450 Pferden in der gesamten vom Hochwasser bedrohten Region losgetreten hat. Es ging alles so schnell. Eine ganze Kolonne von Transportern und Anhängern ist am Blessemer Reitstall vorgefahren, um die Pferde einzuladen. Die Pferde standen bis zum Bauch im Wasser. Da war Teamarbeit gefragt. Eine einzelne Person hätte das alleine nicht geschafft. Es entstand ein Netzwerk aus Pferdeinteressierten, die sich vorher gar nicht kannten. Innerhalb weniger Stunden war der ganze Kreis Erftstadt über WhatsApp-Gruppen der verschiedenen Ställe vernetzt und rettete die Pferde. Diese wurden mit Anhängern zu anderen Höfen gebracht. Wir brauchten viel Platz für die Pferde. Denn hier in Erftstadt gibt es Dörfer, die mehr Pferde als Einwohner haben. Und genau diese Dörfer, Blessem, Bliesheim und Ahrem waren am schlimmsten von der Flutkatastrophe betroffen.”

Zur Person

Katharina Berg ist 33 Jahre alt und hat Medien und Kommunikation an der Universität in Zürich studiert. Sie arbeitet als Employer Branding Managerin, ist aber seit der Flutkatastrophe für ihren Hilfseinsatz von ihrem Arbeitgeber freigestellt. Jetzt ist sie für die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) tätig und koordiniert den Hilfseinsatz vor Ort. Zusammen mit ihrem Pferd und ihren beiden Katzen lebt sie in Erftstadt-Gymnich.

PM-Forum: Was hat Sie motiviert direkt vor Ort anzupacken und zu helfen?

Katharina Berg: „Die Pferde zu retten und die Leute vor Ort zu unterstützen. Es war ganz klar für mich, dass ich dort helfen muss. Es sind schon Pferde gestorben und wir mussten etwas tun, damit nicht noch mehr Pferde sterben. Das war mein Ansporn. Wir haben in unserem Kreis alle Pferde gerettet.”

PM-Forum: Sie sind seit einigen Wochen jetzt schon im Katastrophengebiet. Wie haben Sie diese Zeit bislang erlebt?

Katharina Berg: „Am ersten Wochenende nach den sintflutartigen Regenfällen hatten wir einen großen Zulauf an Spenden. Mehr als 50 beladene LKW mit Heu und Stroh mussten bei uns oder in anderen Orten abgeladen werden. Zu Beginn der Flutkatastrophe habe ich selbst die Pferde von den überfluteten Weiden gerettet. Jetzt koordiniere ich die Hilfsgüter für Futterspenden. Es wurde ein Logistikzentrum in Erftstadt aufgebaut, um die großen Mengen an Futter zu lagern und besser an die Betriebe zu verteilen. So langsam beruhigt sich die Lage und die logistische Koordination zwischen Spender, Bedürftigen und Verteilzentrum wird einfacher. Jetzt habe ich Zeit, um mir die Höfe anzusehen und mit den Betroffenen persönlich zu sprechen. Ich kann mir dadurch ein besseres Bild von der Lage vor Ort machen und die Flutschäden besser einschätzen. Ich bin froh, dass wir den Betroffenen helfen und Hoffnung schenken können, dass auch sie irgendwann ihre Anlage wieder aufbauen können.”

Wiesen, Paddocks und Pferdeboxen – alles wurde überflutet.

PM-Forum: Wie erleben Sie die anderen Helfer und die Betroffenen?

Katharina Berg: „Unsere Helfer sind dankbar darüber, dass sie etwas machen können. Deren Hilfsbereitschaft war enorm groß. Egal welche Arbeit es war, die Leute haben das gemacht. Die Menschen kommen aus ganz Deutschland mit ihren LKW und möchten helfen. Das Gute ist, dass sie immer gerne wiederkommen. Denn auch in zwei oder drei Monaten werden hier Menschen zum Helfen gebraucht. Wir erleben viele Betroffene, die Schwierigkeiten damit haben, diese Hilfe anzunehmen. Wir hören den Menschen zu, geben ihnen Hoffnung und sagen denen dann, dass wir uns um das Futter der Tiere kümmern und dass sie sich auf den Wiederaufbau der Anlage fokussieren sollen.”

PM-Forum: Was hat Sie persönlich bisher am meisten beeindruckt? Katharina Berg: „Ich hätte nie gedacht, dass ganz Deutschland so viel Hilfe leistet. Man kann sich auf jeden verlassen, jeder gibt alles. Viele Helfer gehen ihrem normalen Job nach und stehen auch noch abends hier und unterstützen uns. Ohne die würde ich es auch nicht schaffen. Dank so eines großen Teams ist nichts unmöglich. Jeder hat ein anderes Talent, was uns immer ein Stück weiter bringt. Auf einmal ist alles möglich und es gibt kein Hindernis, das nicht weggeräumt werden kann.” PM-Forum: Wie sieht die Vernetzung von Betroffenen der Flutkatastrophe mit engagierten Helfern aus?

Katharina Berg: „Das übernehmen wir. Wir verbinden die Spender mit den Bedürftigen. Das klappt ganz gut. Immer wenn ich einen neuen Betroffenen kennenlerne, frage ich diesen, ob noch andere in seinem Umfeld betroffen sind. Betroffene sollen sich so zusammenschließen und sagen, wie hoch der Schaden ist und was sie an Futtermitteln oder Gerätschaften benötigen. Auch die Helfer sind untereinander vernetzt.”

 

PM-Forum: Wie können Menschen am besten helfen?

Katharina Berg: „Das Wichtigste sind jetzt Geldspenden. Momentan können wir keine Sachspenden gebrauchen, denn die Verteilung zu koordinieren, ist sehr aufwändig. Langfristig gesehen, wenn der Wiederaufbau beginnt, wird auch weiterhin noch Geld benötigt. Wenn jemand sich persönlich einbringen möchte und handwerkliche Hilfe sowie vielleicht sogar Geräte anbieten kann, kann er sich gerne vorab bei mir per E-Mail unter Futterhilfe.nrw.rlp@gmail.com melden. Bitte nicht ohne vorherige Abstimmung spontan vorbeikommen.“

Das Interview führte Jaqueline Kaldewey

PM helfen vor Ort

Die Persönlichen Mitglieder der FN (PM) leisten Hilfe und finanzieren den Einsatz von Katharina Berg. Ihr Hilfseinsatz wird aus dem PM-Förderprojekte- Budget finanziert. Die PM übernehmen die anfallenden Kosten (Verpflegungs-, Unterbringungs- und Reisekosten) für Katharina Berg im Gebiet der Flutkatastrophe und unterstützen so direkt die Hilfe vor Ort.

FN-Spendenkonto:

387.000 Euro bisher gespendet

387.000 Euro sind in nur vier Wochen (Stand 17. August 2021) für die von der Flutkatastrophe betroffenen Pferdeleute auf dem Spendenkonto der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) eingegangen. Und schon mehr als 130.000 Euro wurden ausgezahlt. Insgesamt liegen bisher 75 Anträge auf Soforthilfe und Wiederaufbau vor. Die Schäden sind vielfältig. Je nach Hilfswunsch füllen Betroffene einfach das einseitige Kurzformular Soforthilfe oder Wiederaufbau aus und schicken es per E-Mail an die FN. Ausführliche Infos zur Spendenaktion unter www.pferd-aktuell.de/fluthilfe.

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