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Kondition: So trainieren die Top-Reiter

Konditionstraining fürs Pferd

Fitness aufbauen mit System

Die Liste der Internet-Tipps für Pferdehalter zum Thema Konditionstraining ist lang. Doch oft werden in entsprechenden Beiträgen die Begrifflichkeiten fleißig durcheinander gewirbelt. Dressurausbilderin und Sportwissenschaftlerin Dr. Britta Schöffmann erklärt, was Konditionstraining bedeutet und warum es nicht ausschließlich mit Ausdauer zu tun hat.

Die allgemeine Kondition wird durch tägliche, abwechslungsreiche Arbeit gesteigert. Foto: Christiane Slawik

Die Begriffe Kondition und Ausdauer werden von vielen Menschen synonym verwendet, doch das ist nicht ganz richtig. Kondition ist am ehesten noch mit Fitness gleichzusetzen. Wird jemand als „ziemlich fit“ bezeichnet oder es heißt, er habe „eine gute Kondition“, dann bedeutet dies nicht bloß, dass er ausdauernd ist. Nein, er ist auch kräftig, beweglich und schnell – eben rundherum fit und gesund. Und genau das macht den Unterschied zwischen Kondition und Ausdauer aus. Das eine, die Kondition, ist ein übergeordneter Komplex der Leistungsfähigkeit, das andere, die Ausdauer, eine Teilkomponente davon. Die weiteren sind Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit. Alle vier bestimmen die konditionellen Eigenschaften, die zusammen mit den koordinativen Eigenschaften als „motorische Fähigkeiten“ bezeichnet werden.

Mehr als lange laufen

Wer sich das vor Augen führt, versteht warum es beim Konditionstraining fürs Pferd nicht einfach um die Frage geht, wie lange es laufen kann, ohne zu ermüden. Vielmehr geht es auch um das Training und die Verbesserung der übrigen Komponenten, die meist in Wechselbeziehung zueinander stehen. Ein junges Pferd erhält durch die Grundausbildung sowohl mehr Kraft als auch mehr Ausdauer und durch die Gymnastizierung auch mehr Beweglichkeit. Lediglich der Punkt Schnelligkeit muss allgemein nicht gesondert erarbeitet werden. Das Pferd als Fluchttier kann bei Gefahr von Natur aus schnell reagieren, sehr schnell beschleunigen und dabei auch ein recht hohes Tempo erreichen. In freier Wildbahn lebenswichtig!

Bergauf, bergab oder querfeldein: Reiten im Gelände und auf unterschiedlichen Böden steigert Ausdauer und Geschick. Foto: Stefan Lafrentz

Schon seine Anatomie und Physiologie sind deshalb perfekt darauf ausgerichtet: Eine kräftige Hinterhand mit einem stark ausgeprägten mittleren Kruppenmuskel garantiert eine optimale Kraftübertragung auf die großen Gelenke der Hinterhand und erlaubt eine hohe Sprint-Geschwindigkeit. Von Null auf Hundert schafft es ein Pferd zwar nicht, doch sind Spitzengeschwindigkeiten von 70 km/h im Galopp bei besonders schnellen Exemplaren auf kürzeren Distanzen möglich.

Herz-Kreislauf-System

Auch die langen Beine und die Tatsache, dass Pferde zu den Zehenspitzengängern gehören, sind fürs schnelle Laufen wie gemacht. Genau wie das große Herz, das jede Menge Blut und damit Sauerstoff durch den Körper pumpen kann. Selbst der Umstand, dass Pferde kein Schlüsselbein besitzen, ist von der Natur sinnvoll eingerichtet worden. Denn ohne diese knöcherne Verbindung von Rumpf und Arm sind die Vorderbeine eines Pferdes lediglich über den Muskelapparat direkt mit den Rippen des Brustkorbes verbunden. Die Muskeln wirken als perfekte Stoßdämpfer und erlauben eine Art Blasebalg-Mechanismus: Beim schnellen Galoppieren werden diese Rippen rhythmisch nach oben gedrückt und pressen dabei die Luft aus den Lungenflügeln.

Unterstützt wird dies auch durch die Bewegung der Eingeweide, die sich beim forcierten Galoppieren bei jedem Galoppsprung etwas nach vorn gegen das Zwerchfell bewegen und so ebenfalls verbrauchte Luft aus der Lunge drücken. Sekundenbruchteile später kann in der nächsten Galopp-Phase durch erneute Dehnung des Brustkorbes und Weitung der Lungen wieder frische Luft in die Lungen einfließen. Dabei wird Sprung für Sprung neuer Sauerstoff über die Lunge und die Herzleistung ins Blut gepumpt. Im Ruhezustand oder bei leichter Arbeit wird die Lunge entsprechend schlechter durchlüftet als unter Belastung, denn der Gasaustausch findet nur in einem kleinen Teil der Lungenbläschen statt. Die Lungenleistung zu optimieren, ist deshalb auch ein wichtiges Ziel von Training.

Wer richtig zwischen Training und Erholung abwechselt, gewinnt ein fittes, motiviertes Reitpferd. Foto: Christiane Slawik

Ob Trab oder Galopp: Je individueller man die Intervalle an das Pferd mit seinen Stärken und Schwächen anpasst, umso nachhaltiger wird jedes einzelne Tier fit. Foto: Christiane Slawik

Steigerung im Blick

Zurück zur Kondition. Die allgemeine Kondition wird bereits durch die tägliche, abwechslungsreiche Arbeit mit dem Pferd gesteigert. Etwa eine Stunde Dressurtraining unter dem Reiter – bei gerade angerittenen Pferden entsprechend kürzer – Geländeritte in allen drei Grundgangarten, Gymnastikspringen, Cavalettiarbeit: All diese Aktivitäten fördern Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit. Die Koordination lässt sich durch entsprechende Lektionen wie Schenkelweichen, Kurzkehrt und Seitengänge, durch Stangenarbeit und durch Reiten in unebenem Gelände fördern. Aber auch Übungen aus dem Bereich der Bodenarbeit sind hier eine sinnvolle Ergänzung.

Die spezielle Konditionssteigerung richtet sich dann jedoch nach der Disziplin sowie dem angestrebten sportlichen Niveau und ist abhängig von der entsprechenden Trainingsintensität. Für ein Dressurpferd würde der Reiter das Konditionstraining mehr auf Kraftausdauer und Beweglichkeit ausrichten, ein Springreiter eher auf die Verbesserung der mittleren Ausdauer sowie der Optimierung der Schnellkraft, und ein Vielseitigkeitseiter wird die Komponenten Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit in den Mittelpunkt seines Trainings setzen, ohne die Beweglichkeit aus den Augen zu verlieren.

Muskelfasertypen

Ob und wie weit sich die spezielle Kondition eines Pferdes trainieren und verbessern lässt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: von der Trainierbarkeit der konditionellen Grundeigenschaften überhaupt, von Alter, Gesundheitszustand und Pferderasse. So ist beispielsweise die Schnelligkeit am stärksten genetisch vorgegeben und nur bedingt zu steigern. Anders sieht es mit den Komponenten Kraft und Ausdauer aus. Sie lassen sich durch zielgerichtetes Training deutlich verbessern.

Gymnastikspringen und Cavalettiarbeit fördert nicht nur Kraft und Ausdauer, sondern auch die Beweglichkeit. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv

Bei der Frage, was sich wie bei wem trainieren lässt, richten Wissenschaftler ihr Augenmerk unter anderem auf die Verteilung der unterschiedlichen Muskelfasern eines Sportlers, ganz gleich ob Mensch oder Pferd. So wie Menschen verfügen auch Pferde über rote und weiße Muskelfasern. Die roten Fasern sind über langsam leitende Nervenbahnen langsam arbeitende Fasern, die aber gut durchblutet und damit relativ unempfindlich gegen Ermüdung sind. Die weißen Fasern sind dagegen sehr schnell reagierende Fasern, sie ermüden jedoch auch schnell. Dazwischen gibt es noch eine dritte Art, den sogenannten Intermediärtyp. Seine Fasern liegen mit ihren Eigenschaften zwischen den der beiden anderen.

Einfluss des Pferdetyps

Interessanterweise ist die Verteilung und Zusammensetzung der Muskelfasertypen bei Pferden unterschiedlicher Rassen auch unterschiedlich. Untersuchungen haben zum Beispiel ergeben, dass American Quarter Horses als sehr sprintstarke Pferde, knapp gefolgt von den englischen Vollblütern, über deutlich mehr schnell kontrahierende Muskelfasern verfügen als andere Rassen. Pferde aus dressurbetonten Linien, die auch dressurmäßig gearbeitet werden, verfügen dagegen über mehr langsame rote Fasern. Sowohl Rassezugehörigkeit als auch Verwendungszweck scheinen den Untersuchungen zufolge Auswirkungen auf die Zusammensetzung und Verteilung der Fasertypen zu haben. Züchterische Selektion geschieht demnach nicht nur nach optischen und bewegungsbzw. sprungstarken Gesichtspunkten, sie hat vielmehr auch Einfluss auf die Muskelfaserzusammensetzung und darüber auf die Disziplineignung ihrer Zuchtprodukte.

Aufgrund ihrer Anatomie und Physiologie können Pferde im Sprint Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 70 Kilometer pro Stunde erreichen. Foto: Christiane Slawik

Das American Quarter Horse gehört zu den sprintstärksten Pferderassen der Welt – auf kurzer Strecke wohlgemerkt. Foto: Christiane Slawik

Gut zu wissen: Trainingsmethoden

Intervallmethode: Ein Training, bei dem gewechselt wird zwischen Belastungs- und Erholungsphasen, wobei sich der Körper während der Erholungsphasen nicht vollständig erholen soll. Dadurch wird ein starker Trainingsreiz gesetzt. Ziel ist u. a. die Verbesserung von Grundlagenausdauer, Kraftausdauer, Laktattoleranz und maximaler Sauerstoffaufnahme. Dauermethode: Lange, gleichmäßige Ausdauerbelastung ohne Pause. Ziel ist u. a. die Verbesserung von Grundlagenausdauer, Muskelfaserveränderungen, Kraftausdauer, Langzeitausdauer, Erholungsfähigkeit. Wiederholungsmethode: Wettkampfspezifisches Training mit hoher Intensität, nur über vollständige Pausen möglich. Ziel ist u. a. die Verbesserung von wettkampfspezifischer Ausdauer, Schnellkraftausdauer, Durchhaltefähigkeit unter anaeroben Bedingungen.

Aktive Pausen einbauen

Aus dem Humanbereich weiß man, dass sich Anzahl der weißen, schnellen Fasern offenbar nicht erheblich vermehren lässt, wohl aber die Anzahl der roten Fasern. Auch eine Umwandlung von weißen Fasern in Fasern des Intermediärtyps scheint durch Training möglich, vor allem durch Ausdauertraining. Deshalb finden sich bei Vielseitigkeitspferden und vor allem bei Distanzpferden erkennbar mehr rote Muskelfasern als bei anderen Pferden. Jedes Training oder besser jede Bewegung kann dabei aerob oder auch anaerob ablaufen, das heißt die Energiegewinnung geschieht allein via Atmung unter Sauerstoffzufuhr (aerob) oder ohne Verbrauch von Sauerstoff (anaerob). Letzteres ermöglicht zwar kurzfristig eine deutliche Leistungssteigerung, ist aber nicht lange durchzuhalten, da sich bei Erreichen der aerob-aneroben Schwelle vermehrt Milchsäure im Muskel bildet. Trainiert man an diesem Punkt rücksichtslos weiter, übersäuert der Muskel, was zu Muskelermüdung bis hin zu Mini-Traumata führen kann.

Um dies zu verhindern, sollten extreme Trainingsintensitäten nur kurz bzw. dem Trainingszustand angemessen verlangt und mit aktiven Pausen entschärft werden. Aktive Pause heißt: Nicht erst Höchstleistung verlangen und sein Pferd dann irgendwo parken, sondern die Belastung durch Reiten in Dehnungshaltung und Schrittreiten ausklingen lassen. Auf diese Weise gelingt die muskuläre Erholung viel schneller.

Egal ob unterm Sattel oder durch Bodenarbeit: Lektionen wie Seitengänge, Schenkelweichen und Kurzkehrt verbessern die Koordination des Pferdes. Foto: Stefan Lafrentz

Herzfrequenz Pferd
Ruhezustand: 28-40 Schläge pro Minute; Schritt: 50-90; Trab (Arbeitstrab): 80-125; Galopp (Arbeitsgalopp): 120-170; Mittelgalopp: 160-200; Renngalopp: 205-240

Atemfrequenz Pferd
Ruhezustand: 8-16 Züge pro Minuten; unter hoher Belastung bis zu 150 Zügen pro Minute. Je trainierter ein Pferd, desto zügiger geht die Atemfrequenz nach Belastung wieder runter.

Leistung messen

Extrem hohe Trainingsintensitäten werden im Allgemeinen nur im Bereich des Spitzensportes erreicht. Und während im Humanbereich die Leistungsdiagnostik im Training schon gang und gebe ist, hält sie mittlerweile auch im Reitsport Einzug. Herzfrequenzmesser lassen Rückschlüsse auf die Fitness des Pferdes und die Auswirkungen einzelner Anforderungen schließen und werden vor allem im Spitzensport genutzt. Das Konditionstraining kann dann entsprechend der gemessenen Werte angepasst werden.

Dr. Britta Schöffmann

Tipps für die Praxis

Übergänge reiten, Rückwärtsrichten und Tempowechsel (Zulegen – Aufnehmen) kräftigen die Hinterhand des Pferdes. Foto: Christiane Slawik

Ausdauer verbessern

  • Die allgemeine Ausdauer verbessert sich bereits durch regelmäßiges Reiten in allen drei Grundgangarten von insgesamt rund 60 Minuten (z. B. im Gelände, aber auch bei gymnastizierender Dressurarbeit mit Aufwärmen, Arbeiten, Abspannen). Schwerpunkt ist dabei ein angemessenes und gleichmäßiges Grundtempo. Besonders wertvoll für die Grundausdauer ist ausgiebiges Reiten im Gelände auf unterschiedlichen Böden.
  • Die spezielle Ausdauer erfordert spezielles Training. Soll beispielsweise die Galoppausdauer trainiert werden, kann es so aussehen: Erste Trainingseinheit eine Minute Galopp (etwa Arbeitstempo), eine Minute Schritt, eine Minute Galopp etc., zweite Trainingseinheit zwei Minuten Galopp, eine Minute Schritt, zwei Minuten Galopp etc. Das Ganze bis auf fünf Minuten Galopp steigern; dabei die Atemfrequenz kontrollieren (in Ruhe 8 bis 10 Atemzüge/Minute, bei mittlerer Anstrengung bis zu 70); Atemfrequenz zunächst zwischen 30 und höchstens 70 Zügen belassen (im Halten kontrollieren). Je schneller sich Atemfrequenz und auch Herzschlag wieder normalisieren, desto trainierter ist das Pferd. Das Ziel ist zunächst, fünf Minuten am Stück galoppieren zu können, ohne übermäßig zu atmen. Dabei ist es wichtig, erst die Dauer der Galoppeinheit zu erhöhen und dann die Intensität – also das Tempo. Schnell galoppieren bringt nicht mehr Ausdauer, sondern schlimmstenfalls ein erhöhtes Verletzungsrisiko. Zwischen den Tagen, an denen Galopptraining absolviert wird, liegen etwa drei bis vier Tage mit anderen Schwerpunkten (Springgymnastik, Dressurarbeit, aktive Pause).

Aufgepasst: Eine Atemfrequenz von über 120 Zügen/Minute ist ein Zeichen von Überforderung!

Kraft aufbauen

  • Hierzu dienen in der Dressurarbeit zur Kräftigung der Hanken sämtliche (korrekt gerittenen) Übergänge sowie jegliche Arbeit Richtung Versammlung und später auch in Versammlung. Beispiel: Übergänge Trab-Halt-Antraben (vom Fleck weg), Übergänge zwischen den Gangarten und zwischen den Tempi (Arbeitstempo-versammeltes Tempo Arbeitstempo, Zulegen-Aufnehmen), Rückwärtsrichten, Seitengänge. Dabei immer vom Leichten zum Schweren arbeiten und kraftzehrende Übungen wie erhöhten Versammlungsgrad zunächst nur kurz abfragen und langsam steigern. Kraft und Kraftausdauer müssen erst wachsen. Das braucht Zeit.
  • In der Galopparbeit Hindernisse überwinden, Einzelhindernisse, In-Outs und Reihen.
  • Cavaletti-Training in Trab und Galopp (fördert Hankenbeugung und damit Kraft)
  • Klettern im Gelände (bergauf und bergab)

Aufgepasst: Vermeintliche Widersetzlichkeit bzw. Fehler sind oft Zeichen von Überforderung!

Schnelligkeit trainieren

Die angeborene Grundschnelligkeit lässt sich nicht groß verändern, wohl aber die Schnellkraft und die Beschleunigungsfähigkeit sowie die Reaktionsschnelligkeit auf die Reiterhilfen. Grundlage hierfür ist gymnastizierende Dressurarbeit. Als Übungen empfehlen sich Übergänge (Zulegen-Aufnehmen-Zulegen), der flüssige Wechsel zwischen Versammlung und starkem Tempo im Trab und vor allem Galopp; außerdem Übergänge Trab-Schritt-Trab, wobei nur ganz kurz zum Schritt durchpariert und umgehend wieder angetrabt wird. Im Gelände bietet sich der Wechsel zwischen ruhigem Galoppieren mit kurzen Strecken in höherem Tempo an. Verlangsamen sich während des Trainings die Reaktionen des Pferdes, weist dies oft auf Ermüdung hin!

 

Beweglichkeit fördern

  • Unter dem Sattel und auch bei der Bodenarbeit sämtliche Seitwärtsbewegungen und Seitengänge
  • Cavaletti-Training
  • Reiten auf unterschiedlichen Untergründen
  • Am Boden „Möhrenübungen“ aus dem Bereich der Physiotherapie durchführen

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