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Hilfszügel: Verwendung, Sinn und Zweck

Sinnvoll oder Zwangsjacke?

Der Einsatz von Hilfszügeln spaltet die Reiterwelt – richtig eingesetzt, können sie aber durchaus das tun, wofür sie gedacht sind: helfen. Und zwar bei Reitanfängern und Pferden gleichermaßen.

Der Einsatz von Hilfszügeln ist kontrovers diskutiert – sinnvoll eingesetzt können sie aber vor allem eins: helfen. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Die klassische Ausbildung von Pferden und Reitern ist eine spannende, jedoch große Aufgabe. Zur Unterstützung kann es in bestimmten Phasen und Situationen oder bei Problemen sinnvoll sein, einen Hilfszügel zu verwenden. Hilfszügel sind – wie der Name schon sagt – ein Hilfsmittel, sowohl für den Reiter als auch für das Pferd. Hilfszügel helfen dem Reiter beim Lernen und dem Pferd, sich richtig zu bewegen. Je nach Sinn und Zweck wird daher zwischen Ausbindezügeln und weiteren Hilfszügeln unterschieden. Erstere erleichtern dem Pferd das Finden einer gleichmäßigen Anlehnung, wenn der lernende Reiter dies noch nicht unterstützen kann. Zu den gebräuchlichsten Ausbindezügeln gehören Dreieckszügel, Laufferzügel und einfache Ausbindezügel. Zur zweiten Kategorie gehört insbesondere das Martingal.

Unterstützung fürs Pferd

Bei der Longenarbeit können Ausbindezügel das junge Pferd in der Gewöhnungsphase unterstützen, zu Losgelassenheit und Dehnungsbereitschaft zu finden. Bei erfahreneren Pferden helfen sie, die Losgelassenheit zu verbessern und zu einer gleichmäßigeren Anlehnung zu kommen. Welcher Ausbinder beim Longieren zum Einsatz kommt, hängt vom Ausbildungsstand des Pferdes und vom Pferdetyp ab. Einfache Ausbindezügel begrenzen das Pferd seitlich und nach oben. Dreieckszügel eignen sich dafür, das Pferd seitlich und nach oben zu begrenzen und gleichzeitig die Dehnungsbereitschaft zu fördern. Mit Laufferzügeln kann das Pferd sowohl in die Dehnungshaltung als auch in vermehrte Arbeitshaltung kommen – je nach Verschnallung. „Bei jüngeren Pferden nehme ich gern Ausbindezügel. Damit lässt sich die Anlehnung besser ‚dosieren‘ als bei Dreieckszügeln und die Pferde lernen, die Anlehnung zu suchen“, erklärt Katrin Eschenhorst, Pferdewirtschaftsmeisterin und Bewegungstrainerin nach Eckhart Meyners. „Später, wenn das Pferd besser in der Balance ist, verwende ich Dreieckszügel, damit es lernt, sich über den Rücken zu bewegen. Die modernen Pferde haben meist weniger ein Problem mit dem Vorwärts-abwärts, sie sind eher zu lose im Körper. Wenn wir ihnen einen Rahmen geben und in angemessenem Tempo longieren, haben sie die Chance, sich auszubalancieren.“

Bewegungsgefühl schulen

In der Ausbildung des Reiters werden Ausbindezügel an der Longe und beim freien Reiten eingesetzt. Bei Reitanfängern gleichen sie die noch mangelnde Einwirkung auf das Pferd aus und erleichtern das Verständnis für das Zusammenspiel von Schenkel-, Gewichts- und Zügelhilfen. „Die Frage ist, wie wir einen komplexen Lernprozess so vereinfachen können, dass er nachvollziehbar ist“, beschreibt Ausbildungsexperte Christoph Hess. „Denn man kann Reiten nicht im Halten oder auf einem Stuhl lernen. Deshalb muss ich eine Situation schaffen, in der sich das Pferd entspannen und der Reiter sich in die Bewegung einfinden und ein Bewegungsgefühl entwickeln kann. Das funktioniert nur, wenn das Pferd zur Losgelassenheit findet und den Reiter zum Sitzen kommen lässt. Deshalb sind Ausbinder beim lernenden Reiter ganz wichtig. Das Pferd muss dabei so ausgebunden sein, dass es sich bei geöffnetem Ganaschenwinkel an das Gebiss dehnen kann. Und ich muss mir immer klar machen, dass ich die Dehnungshaltung beim Pferd nur erreiche, wenn ich die Hinterhand aktiviere. Nur dann dehnt sich das Pferd nach vorne, dehnt die Hals-, Rücken- und Bauchmuskulatur und streckt das Nackenband. Dass Ausbinder das Pferd einschnüren, ist ein falscher gedanklicher Ansatz. Einen Reiter mit dieser Einstellung würde ich gern mitnehmen und ihm erst das Gefühl vermitteln, wie es ist, ohne Ausbinder zu reiten und dann mit“, sagt er. Die Voraussetzung für den Reiter an der Longe ist, dass man ein erfahrenes Pferd hat, das sich gleichmäßig im Schritt, Trab und Galopp bewegt. Es sollte so ausgebunden sein, dass die Nase an oder kurz vor der Senkrechten ist. Für den Unterricht mit Reitanfän- gern in der Bahn kann Christoph Hess vor allem Ausbindezügel empfehlen. Sie geben dem Pferd einen Rahmen vor, in dem es zur Losgelassenheit und zum Schwingen kommen kann und gleichzeitig besteht nicht so sehr die Gefahr, dass es auf die Vorhand kommt, wie das eventuell bei anderen Hilfszügeln der Fall sein könnte.

Individuell entscheiden

Reitmeister Martin Plewa setzt Ausbinder bei Reitanfängern nur im Bedarfsfall ein: „In der Ausbildung des Reiters bin ich nicht automatisch dabei, Hilfszügel einzusetzen. In Reitschulen werden landläufig wie selbstverständlich bei Reitanfängern Ausbinder eingeschnallt. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass viele Pferde und Ponys ohne Ausbinder oft viel besser und freier vorwärts gehen, wenn nicht ständig etwas im Maul hängt. Und man muss bedenken, dass ein Pferd nicht die Chance hat zu entspannen, wenn es etwa 45 Minuten lang ausgebunden geht. Im Einzelfall kann es Sinn machen, das Pferd auszubinden. Ich würde das aber individuell von Pferd und Situation abhängig machen. Und wenn ich das Pferd ausbinde, ist mir ganz wichtig, dass es zwischenzeitlich in den Pausen seinen Hals völlig entspannen kann.“ Nach seinen Erfahrungen kann ein Schulpferd das am besten bei der Verwendung von ausreichend lang verschnallten Dreieckszügeln. Bei einfachen Ausbindern oder Laufferzügeln müsste man diese zwischenzeitlich lösen. Deshalb hat er zu seiner Zeit im Schulbetrieb an der Westfälischen Reit- und Fahrschule nur Dreieckszügel verwendet – auch weil sie die wichtige Übung „Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen“ ermöglichen. Grundsätzlich gibtMartin Plewa zu Bedenken: „Die ‚quasi automatische’ Verwendung von Hilfszügeln kann Reitschüler gedanklich dazu verführen, die Kopf-HalsHaltung als das Wichtigste anzunehmen. Dann wird es im nächsten Schritt ohne Ausbinder oft schwierig, das wieder aus dem Kopf herauszubekommen. Solche Reiter versuchen dann meist, mit den Zügeln Kopf und Hals des Pferdes schnell in eine bestimmte Haltung zu zwingen, anstatt sich ganz viel Zeit zu nehmen, um zu erlernen, ein Pferd korrekt an die Hilfen zu stellen. In der Ausbildung eines Pferdes hingegen sollten Ausbinder unter dem Sattel völlig entbehrlich sein. Es sei denn, es ist ein Korrekturpferd.“

Gerade Reitanfänger brauchen Hilfszügel, wenn sie ihre Ponys noch nicht sicher an den Hilfen haben. Der Einsatz der Hilfszügel sollte aber immer individuell und an das Pferd angepasst erfolgen. Foto: Stefan Lafrentz

Im Gelände und beim Springen sorgt das Martingal dafür, dass die Wirkungsrichtung des Gebisses auf Zunge und Lade auch bei höherer Kopf-Hals-Haltung die gleiche ist, wie bei einer „normalen“ Kopf-Hals-Haltung. Foto: Christiane Slawik

Der Hals übernimmt als Balancierstange eine wichtige Funktion für das Gleichgewicht des Pferdes. Ein korrekt verschnalltes Martingal behindert diese Funktion nicht, sondern lässt jederzeit die natürliche Bewegung von Kopf und Hals zu. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Bei der Longenarbeit können Dreieckszügel die Dehnungsbereitschaft des Pferdes fördern. Ob beim Longieren überhaupt Hilfszügel zum Einsatz kommen, hängt vom Ausbildungsstand des Pferdes und vom Pferdetyp ab. Foto: Antje Jandke/FN-Archiv

Beim Springen tabu

Prinzipiell werden Ausbindezügel zum Reiten in der Bahn und zum Longieren benutzt, sie dürfen allerdings aus Sicherheitsgründen nicht beim Überwinden von Hindernissen oder beim Reiten im Gelände zum Einsatz kommen. Da sie immer auch die Beweglichkeit des Halses als Balancierstange einschränken, würden sie dem Pferd die Möglichkeit nehmen, sich frei auszubalancieren. Ein Martingal kann beim Spring- und Geländereiten eingesetzt werden. Es soll dafür sorgen, dass auch bei höherer Kopf-Hals-Haltung des Pferdes die Wirkungsrichtung des Gebisses auf Zunge und Lade die gleiche ist wie bei „normaler“ Kopf-Hals-Haltung. Ein Martingal ist keine Begrenzung des Halses. Es hat nicht die Aufgabe, dem Pferd eine sichere Anlehnung zu geben, es wirkt auch nicht direkt auf das Pferde maul ein. Seine Wirkung darf erst dann einsetzen, wenn sich das Pferd deutlich heraushebt. Daher muss es stets ausreichend lang verschnallt sein.

Keine Zwangsjacke

Wichtig ist, dass Hilfszügel die Bewegung des Pferdes nicht einschränken. Werden sie falsch angewandt, kann es zu Verspannungen, Überlastungen, Verletzungen und Unfällen kommen. „Hilfszügel sollen keine Zwangsjacke sein!“, betont Christoph Hess. „Grundvoraussetzung ist immer und zu jeder Zeit, dass Hilfszügel richtig verschnallt, in Maßen und nur temporär eingesetzt werden und das immer in Absprache mit einem Ausbilder. Man muss sie immer als Hilfsmittel sehen. Sie sind nie dafür da, Ausbildungsmängel zu kaschieren. Wenn sie richtig verschnallt sind, können sie sehr hilfreich und sehr wertvoll für die Ausbildung sein. Sie haben in bestimmten Situationen auch eine psychologische Wirkung.“

Fokus auf das Körpergefühl: Bei einer Sitzschulung an der Longe kann es sinnvoll sein, das Pferd auszubinden, damit der Reiter sich ganz auf seinen Sitz konzentrieren kann. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Temporäre Begleiter

Zu der These „Wer gut ist, braucht keine Ausbinder“ sagt Christoph Hess: „Das ist grundsätzlich richtig. Aber: Man muss erst einmal gut werden! Und was heißt gut? Dafür muss ich als Reiter durch die Sitzschulung gehen. Und da werden mich Hilfszügel immer begleiten. Auch für den erfahrenen Reiter kann ein Hilfszügel sehr hilfreich sein bei der Arbeit von Korrekturpferden, bei Pferden, die körperliche oder auch mentale Schwierigkeiten haben. Was nicht bedeutet, dass Hilfszügel für jedes Pferd etwas sind. Das muss man individuell und immer unter fachlicher Anleitung entscheiden. Das oberste Ziel muss immer sein: Weg von den Hilfszügeln, weg von scharfen Gebissen und scharfen Sporen. Hin zum wirklichen Reiten aus der Körpermitte heraus und das Pferd vor den treibenden Hilfen des Reiters – daran gibt’s überhaupt nichts zu verändern. Aber auf dem Weg dahin, haben Hilfszügel ihre Bedeutung.“

Laura Becker

Verschiedene Hilfszügel auf einen Blick

Ausbindezügel sind zwei einfache, schmale Riemen aus Leder oder Gurtband, die an den Trensenringen und in Buggelenkshöhe seitlich am Satteloder Longiergurt befestigt werden. Sie geben dem Pferd die Möglichkeit, eine gleichmäßige sichere Verbindung mit einer gleichbleibenden Haltung zu finden.

Ein Dreieckszügel besteht aus einem 2,50 bis 2,75 Meter langen Lederriemen, der sich zu zwei Zügeln teilt. Er wird am Gurt befestigt und zwischen den Vorderbeinen hindurch durch die Trensenringe (von unten, innen nach außen) und links und rechts seitlich zurück zum Gurt geführt. Dreieckszügel stabilisieren die Kopf-Hals-Haltung weniger als Ausbindezügel. Sie ermöglichen dem Pferd etwas mehr Flexibilität und dadurch etwas mehr Dehnung vorwärts-abwärts, ohne mit der Stirn-Nasenlinie hinter die Senkrechte zu gelangen. Das Pferd kann sich an das Gebiss herandehnen.

Der Laufferzügel (auch doppelter Ausbindezügel genannt) besteht aus zwei ca. 2,25 Meter langen Zügeln, die flexibel einsetzbar sind. Sie lassen sich wie Dreieckszügel oder (bei einem Longiergurt mit mehreren Ringen) seitlich am Pferd in unterschiedlichen Positionen befestigt. Je nach Winkelgröße des seitlichen Dreiecks hat man die Möglichkeit, das Pferd mehr in Arbeitshaltung zu bringen, wenn es bereits in der Lage ist, sich selbst zu tragen.

Ein Martingal wird besonders für das Spring- und Geländereiten angewendet. Es besteht aus einem breiten Riemen, der am Sattelgurt befestigt wird, und der sich am oberen Teil gabelt. Beide Enden sind mit Ringen versehen, durch die die Zügel von der Trense zur Hand des Reiters geführt werden. Die sichere Lage des Martingals gewährleisten ein Halsriemen und der Martingalstopper. Dieser muss stramm auf dem Brustriemen sitzen und ist dafür verantwortlich, dass das Pferd beim Springen nicht mit einem Vorderbein im Brustriemen des Martingals hängenbleiben kann. An den Zügeln befinden sich die Martingalschieber. Sie verhindern, dass sich die Martingalringe an den Schnallen des Zügels festhaken. Die „Martingalgabel“ kann auch an einem Vorderzeug mit gleicher Wirkung befestigt werden. Das Martingal muss so lang geschnallt sein, dass die Zügellinie bei normaler Kopf-Hals-Haltung des Pferdes ungebrochen verlaufen kann. Es soll dafür sorgen, dass auch bei höherer Kopf-Hals-Haltung des Pferdes die Wirkungsrichtung des Gebisses auf Zunge und Lade die gleiche ist wie bei „normaler“ Kopf-Hals-Haltung.

Das Martingal muss so lang verschnallt sein, dass die Zügellinie bei normaler Kopf-Hals-Haltung des Pferdes ungebrochen verlaufen kann, so wie in der Abbildung oben links gezeigt.

Kritisch hingeschaut: Nicht alle Hilfszügel helfen

Nicht alles, was als Hilfszügel verkäuflich ist, hilft auch. Der Einsatz einiger vermeintlicher Hilfmittel ist kritisch zu sehen. Einige gehören nur – wenn überhaupt – als temporäre Korrekturhilfe in sehr erfahrene Ausbilderhände, andere sollten gar nicht zum Einsatz kommen. Ein Überblick.

Ausbindevarianten aus elastischen Teilen führen bei den meisten Pferden dazu, dass sie sich zu stark auf die Zügel stützen. Durch die elastische Wirkung entsteht auch ein „Gegenzug“, wodurch nicht die gewünschte Wirkung erzielt wird. „Generell nicht zu empfehlen ist alles, was nachgibt“, sagt Christoph Hess. „Also Ausbinder mit Gummiteil. Das Pferd soll sich vom Gebiss abstoßen, um eine feine leichte Anlehnung zu kreieren. Alles, was dazwischengeschaltet ist, ist negativ. Damit komme ich nie zu einer ruhigen, konstanten Anlehnung. Der Reiter bekommt kein Gefühl und das Pferd genauso wenig.“ Das sieht auch Katrin Eschenhorst so: „Ein Pferd muss sich verlassen können, dass es sich anlehnen kann. Gummi gibt nach und bietet keine konstante Anlehnung. Aber gerade Lehrpferde müssen sich auf die Ausbinder verlassen können.“

Eine Longierhilfe ist eine Gurtkordel, die von einem Trensenring durch die Vorderbeine in der Gurtlage nach oben über den Rücken und auf der anderen Seite wieder durch die Vorderbeine in den anderen Trensenring verläuft. Für Katrin Eschenhorst kein sinnvolles Hilfsmittel: „Eine Longierhife finde ich extrem problematisch. Es sollte kein Druck auf dem Widerrist entstehen, viele Pferde scheuern sich auf und kommen viel zu tief. Sie bewegen sich systematisch auf der Vorhand.“ Christoph Hess ist derselben Meinung: „Eine Longierhilfe halte ich für genauso negativ wie Gummiteile. Das Pferd bekommt bei jedem Tritt einen Ruck ins Maul. Das kam irgendwann in Mode. Ich finde, man sollte sich lieber auf das Klassische konzentrieren.“ Martin Plewa wird noch deutlicher: „Wenn das Pferd bei jedem Tritt einen Ruck in das Maul bekommt, ist das tierschutzrelevant! Das Ding müsste verboten und der Gebrauch deutlich geächtet werden!“

Ein Chambon ähnelt einem Gogue, beides sind Korrekturhilfen, die vor allem beim Longieren angewendet werden und das Pferd unterstützen sollen, sich vorwärts-abwärts zu dehnen. Ein Chambon besteht aus einem Stoßzügel und einem Kopfteil, das über das Genick gelegt wird und in beiden Trensenringen eingehakt wird. Das Kopfteil wird dann unter der Kehle des Pferdes mit dem Stoßzügel verbunden. Ein Gogue funktioniert nach demselben Prinzip. Einziger Unterschied ist, dass das Seil des Kopfteils nicht an den Trensenringen endet, sondern auf beiden Seiten von den Trensenringen zurück zum Stoßzügel läuft und dort befestigt wird. Diese beiden Ausbindevarianten zeigen dem Pferd den Weg in die Tiefe, sie üben aber Druck im Genick und auf das Maul aus und bieten keine seitliche Begrenzung. Der Zug auf das Gebiss wirkt nach oben, während der Druck auf das Genick nach unten wirkt. Damit unterstützen diese Hilfszügel in keiner Weise das Finden einer reellen Anlehnung an das Gebiss. Das Pferd lernt nur, den Hals nach unten zu nehmen, weil dann der Druck nachlässt. Durch die fehlende seitliche Führung wird es aber nicht lernen, sich an das Gebiss heranzudehnen, sondern vielmehr den Weg hinter den Zügel suchen. „Von einem Chambon bin ich nicht so ein wahnsinniger Fan“, sagt Christoph Hess. „Das Problem ist: Das Pferd ist in einem luftleeren Raum. Es gibt ihm zwar die Möglichkeit, sich vorwärtsabwärts zu bewegen, aber es bietet keine Begrenzung und keine Anlehnung. Die Gefahr ist groß, dass das Pferd einen falschen Knick bekommt. Es tritt nicht ans Gebiss heran, es läuft eher dem Gebiss hinterher und bringt mich reiterlich auf den falschen Weg.“ Martin Plewa sagt: „Ich bin ein großer Freund davon, nur geeignete Hilfszügel beim Longieren eines Pferdes zu verwenden. Geeignet sind für mich Ausbinde-, Dreiecks- oder Laufferzügel, weil sie dem Pferd eine Anlehnung ermöglichen. Ein Chambon oder Gogue kämen für mich deshalb nie und nimmer in Frage.“ Katrin Eschenhorst findet: „Ein Chambon und Gogue haben vielleicht ihre Berechtigung, gehören aber in absolute Profihände. Dass sie frei verkäuflichmsind, finde ich echt problematisch.“

Ein Halsverlängerer war in früheren Zeiten sehr oft im Einsatz. Er besteht aus einer zweigeteilten Gummikordel, die vom Genick des Pferdes durch die Trensenringe verläuft und zwischen den Vorderbeinen am Gurt befestigt wird. Die Idee war, dass das Pferd im Genick nach oben begrenzt ist und den Weg in die Tiefe findet. Allerdings hat es keine seitliche Begrenzung und das Gummimaterial erzeugt Gegendruck (im Maul und im Genick). Auch wenn Halsverlängerer in der Anschaffung deutlich günstiger sind als zum Beispiel hochwertige Dreieckszügel aus Leder, ist das am falschen Ende gespart. Denn der Halsverlängerer trainiert bei längerem Gebrauch vor allem die Unterhalsmuskulatur und macht das Pferd fest im Rücken. „Halsverlängerer gehören glücklicherweise der Vergangenheit an“, so Katrin Eschenhorst. „Die Pferde, die stark waren, lernten dadurch, noch mehr zu drücken. Für die schwächeren Pferde bot er keine Anlehnung. Sie bekamen sofort Druck aufs Genick.“ Christoph Hess sagt: „Der Halsverlängerer ist für mich der worst case. Das ist eher ein Halsverkürzer.“

Der Einsatz eines Schlaufzügels ist hochumstritten. Christoph Hess sagt: „Wenn man den Schlaufzügel zu viel und zu lange einsetzt, ist er nicht gut. Ich glaube aber, man sollte ihn als Hilfszügel nicht völlig verbannen und in die Ausbildung der angehenden Ausbilder aufnehmen. Ich bin der Meinung, richtig und dosiert eingesetzt, kann er seine Bedeutung haben. Wenn ich ihn ganz lang und ganz vorsichtig anwende, kann er in Einzelfällen sinnvoll sein. Aber immer nur unter den Augen eines Ausbilders!“ Katrin Eschenhorst vertritt eine ähnliche Meinung: „Schlaufzügel haben in meinen Augen ihre Daseinsberechtigung, aber nur in sehr, sehr erfahrenen Händen für Korrekturpferde. Das Problem bei Schlaufzügeln ist: Wenn sie anstehen, kann man nicht zur Hand hinarbeiten. Wenn sie durchhängen, sind sie wirkungslos bis auf eine Begrenzung nach oben. Wie Schlaufzügel richtig genutzt werden, wird nicht gelehrt. Der Reiter muss schnell genug zum Nachgeben kommen, dann können sie ein Hilfsmittel sein. Viel zu oft werden sie aber dafür verwendet, den Pferdekopf nach unten zu ziehen. Außerdem können viele Reiter nicht unabhängig sitzen und halten sich aN dieser Konstruktion fest. Dann ist die Hand vielleicht ruhig, aber viel zu starr. Grundsätzlich bin ich eher ein Freund von einem Martingal, wenn sich das Pferd heraushebt. Es bietet dem Pferd einen Rahmen ohne Flaschenzugeffekt wie bei Schlaufzügeln.“ Martin Plewa betont: „Schlaufzügel zähle ich nicht zu den Hilfszügeln, sondern zu den Korrekturzügeln. Ein ganz großer Nachteil ist, dass sie den Reiter verleiten, den Kopf des Pferdes herunterzuziehen und das Pferd von vorne nach hinten zu reiten. Sie können vielleicht mal zur Korrektur be- rechtigt sein, aber man muss sich immer bewusst darüber sein, wie sie wirken. Vielen Reitern ist nicht bewusst, dass sich die Kraft, die im Pferdemaul ankommt, durch die Schlaufzügel verdoppelt. Schlaufzügel bergen das Risiko, dass der Reiter meint, einen wichtigen Ausbildungsabschnitt abkürzen zu können. Ich muss mir aber so viel Zeit nehmen, dass ich ohne auskomme.“

Ein Gogue übt Druck auf das Maul und das Genick aus. Es unterstützt das Pferd nicht dabei eine reelle Anlehnung zum Gebiss zu finden. Foto: Stefan Lafrentz

Gehören nicht ans Pferd – Halsverlängerer bieten dem Pferd keine seitliche Begrenzung und sind durch die elastischen Gummikordeln als Ausbinder gänzlich ungeeignet. Foto: Christiane Slawik

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