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Disziplinen der Weltreiterspiele in Tryon, Teil 1: Distanzreiten

160 Kilometer im Sattel

Der Pferdesport schaut in diesem Jahr „über den Teich“. Nach Lexington in Kentucky 2010 sind mit Tryon in North Carolina erneut die USA Gastgeber der Weltreiterspiele, die mit Springen, Dressur, Vielseitigkeit, Fahren, Voltigieren, Distanzreiten, Reining und Para Dressur die gesamte Bandbreite des Sports abbilden. Das PM-Forum stellt ab jetzt in jeder Ausgabe eine Disziplin vor.

Distanzereiten, Foto: S. Lafrentz

Auch wenn es für das Deutsche Olympiade-Komitee für Reiterei und die Deutsche Reiterliche Vereinigung ein logistischer wie finanzieller Kraftakt ist, das Mammutchampionat in allen Disziplinen zu stemmen, so haben die Gremien des Verbandes doch einmütig beschlossen: Deutschland als weltweit erfolgreichste Pferdesportnation wird bei den Weltreiterspielen in allen Disziplinen vertreten sein. Das bedeutet, dass nach bisherigen Planungen 51 Pferde sowie 47 Reiter, Fahrer und Voltigierer die Reise antreten werden, begleitet von DOKR-Chef Dr. Dennis Peiler und seinem Mitarbeiter André Schoppmann.

Der Transport der Pferde liegt wiederum in den bewährten Händen von Martin Atock, dessen Spedition Peden Bloodstock seit Jahrzehnten die vierbeinigen Athleten zu Olympischen Spielen oder Spitzenturnieren um die ganze Welt fliegt. Der Abflug erfolgt von Lüttich in Belgien. Nonstop geht es nach Greenville-Spartanburg im US Bundesstaat South Carolina. Hier bleiben die Pferde für 42 Stunden in Quarantäne und werden dort von ihren Pflegern betreut und bewegt. Dann wird die Reise mit LKW fortgesetzt. Nach eineinhalb Stunden Fahrt erreichen die Pferde das Tryon International Equestrian Center in North Carolina.

Einen Tag nach der Eröffnungsfeier am 11. September starten die Wettkämpfe gleich in drei Disziplinen: Distanzreiten, Reining und Dressur (Grand Prix, Teil 1). Am Abend ist bereits entschieden, wer neuer Weltmeister im Distanzreiten, Einzel- und Mannschaftswertung, wird. Eine, die sich ganz sicher viel fürs Championat vorgenommen hat, ist Sabrina Arnold. Die 37-Jährige aus Baden-Württemberg konnte im vergangenen Jahr Geschichte schreiben: Als erste Deutsche gewann sie die Goldmedaille bei der Europameisterschaft in Belgien. Im Sattel ihres Wallachs Tarzibus hatte die in Südfrankreich lebende Profireiterin die gesamte europäische Konkurrenz ausgestochen. Und wie! Die 160 Kilometer lange Strecke in Brüssel meisterte sie von Beginn an flott. Sie führte schon ab dem Start und kam nach der fünften und letzten Runde mit 17 Minuten Vorsprung ins Ziel.

Die 37-jährige Sabrina Arnold ist die professionellste deutsche Distanzreiterin. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten betreibt sie einen Ausbildungsstall für Distanzpferde im südfranzösischen Marseille. Foto: Miriam Lewin

Im Film berichtet Sabrina Arnold über ihren Erfolg bei der EM 2017, bei der sie sich als erste Deutsche den Titel sichern konnte.

„Ich bin hier an den Start gegangen, um zu gewinnen“, hatte Sabrina Arnold anschließend eher nüchtern gesagt, dann aber euphorisch hinzugefügt: „Das ist die erste Goldmedaille bei einem 100-Meiler für mich – Wahnsinn“. Damit nicht genug. Bei der im Rahmen der EM ausgetragenen Weltmeisterschaft der jungen Distanzpferde sicherte sie sich mit dem siebenjährigen Tamman la Lizon auch die Goldmedaille, diesmal über 120 Kilometer. An einem Wochenende 280 Kilometer im Sattel – da bekommen Nicht-Distanzreiter schon beim bloßen Gedanken Schmerzen. Aber die 37-jährige Mutter eines zweieinhalbjährigen Sohnes ist hart im Nehmen und frönt ihrer Leidenschaft schon seit 2001 auf Championatsparkett.

Ihr jetzt elfjähriger Wallach Tarzibus kam sechsjährig zu ihr und ihrem Lebensgefährten, dem Franzosen Jean Philippe Frances in den Stall. Das Paar betreibt eine professionelle Trainingsanlage für Distanzpferde am Rande der Mittelmeermetropole Marseille. Auch für die Weltreiterspiele in Tryon ist Tarzibus erste Wahl. „Uns war immer schon klar, dass das ein sehr gutes Pferd ist, er bringt alles mit und will gewinnen“, sagt sie. Das lässt hoffen für die WM in den USA, bei der sie auf starke Konkurrenz aus der arabischen Welt treffen wird.

Foto: Miriam Lewin

Ein Blick zurück

Der Distanzsport, international als Endurance (Ausdauer) bezeichnet, ist die ursprünglichste Form der Reiterei. Seit der Mensch das Pferd als Reittier nutzte, legte er große Entfernungen mit ihm zurück. Während sich der Turniersport mit Spring- und Dressur-konkurrenzen in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts erst allmählich entwickelte, genoss das Distanzreiten bereits internationales Ansehen. Berühmt und über Jahre in der Presse thematisiert ist der Distanzritt Berlin-Wien, bei dem 132 deutsche Offiziere nach Wien reiten und 118 österreichisch-ungarische Offiziere die deutsche Hauptstadt erreichen – nach über 600 Kilometern. 71 Stunden benötigt der Sieger, der seinen Triumph allerdings nicht genießen kann. Sein Pferd bricht im Ziel tot zusammen.

Nach dem Ersten Weltkrieg werden solche Mammutritte nicht mehr veranstaltet. In seiner modernen Form entwickelt sich das Distanzreiten in Deutschland vor rund 50 Jahren. Erster deutscher Medaillenträger ist Bernhard Dornsiepen, der 1986 Bronze bei der Weltmeisterschaftspremiere gewinnt, knapp 25 Jahre später reitet erstmals ein deutsches Team zu Edelmetall: Bei den Weltreiterspielen in Kentucky 2010 erkämpfen sich die Aktiven Bronze. Und nun stellt Deutschland mit Sabrina Arnold sogar einen Europameister.

Sabrina Arnold und ihr Wallach Tarzibus gehen in die Geschichte ein. Zum ersten Mal gewinnt ein deutsches Paar die Goldmedaille bei einem Championat über 160 Kilometer. Foto: Miriam Lewin

Der Hundertmeiler

Der Distanzsport verlangt bei Welt- und Europameisterschaften den „Hundertmeiler“, das bedeutet für die Reiter und Pferde, eine Strecke von 160 Kilometern an einem Tag zurückzulegen. Allerdings ist die Strecke in sechs Etappen eingeteilt. Die Pferde haben fünf Zwangspausen, in denen die Tierärzte in den sogenannten Vet-Gates die Gesundheit der vierbeinigen Athleten überprüfen. Erreichen die Pferde nicht die vorgeschriebenen Pulswerte, sind Lahmheiten oder Erschöpfungszustände zu erkennen, erfolgt die Disqualifikation. Mit Überreiten der Ziellinie ist der Ritt aber noch nicht beendet. Das Pferd muss den Tierärzten noch einmal vorgestellt werden. Nur wenn Puls, Atmung, Bewegungsablauf und Gesundheitszustand zufriedenstellend sind, ist der eigentliche Wettkampf beendet. Es muss also nicht zwangsläufig der gewinnen, der als erster im Ziel ist.

Susanne Hennig

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